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Yverdon VD, Céramique d’Yverdon AG

Roland Blaettler 2019

Keramik der  Céramique d’Yverdon AG in CERAMICA CH

Das Unternehmen «Céramique d’Yverdon» wurde im September 1944 mit dem Rechtsstatus einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gegründet. Sein Zweck bestand in der Herstellung und im Verkauf von keramischen Gegenständen. Die Gründer waren Jacques Blanc, Charles Bonzon und Gustave Delisle. Der Betrieb hatte seinen Sitz an der Nummer 18 der Avenue de l’Hippodrome (Schweizerisches Handelsamtsblatt [SHAB], Band 62, 1944, 2227).

Die drei Geschäftspartner lieferten nicht nur das Kapital der neuen Gesellschaft, sie brachten auch «Maschinen und Güter» ein (ebenda). Denn schon bevor sie sich an das Yverdoner Abenteuer wagten, waren Blanc, Bonzon und Delisle mit der Keramikindustrie vertraut: Sie arbeiteten alle gemeinsam in der Ziegelfabrik Thayngen (SH), wahrscheinlich in der Kunstkeramikwerkstatt, die Mitte der 1920er-Jahre in diesem Unternehmen eingerichtet worden war. Im Gegensatz zur «romantisch» eingefärbten Version der Geschichte von Charles Bonzon (siehe Bibliographie) war es nicht die Zerstörung des Werks von Thayngen durch amerikanische Bomben am 25. Dezember 1944, die die drei Keramiker dazu brachte, nach Yverdon zurückzukehren. Vielmehr hatten sie ihre Gesellschaft bereits drei Monate vor dem tragischen Ereignis gegründet.

Im Juni 1946 wurde eine Aktiengesellschaft mit der Bezeichnung «Céramique d’Yverdon S.A.» gegründet. Abgesehen vom Betrieb der «Céramique d’Yverdon S.à.r.l.» behielt sich die Aktiengesellschaft die Möglichkeit vor, Beteiligungen an Unternehmen zu halten sowie ähnliche oder vergleichbare Unternehmen zu erwerben oder zu gründen (SHAB, Band 64, 1946, 2057). Die drei Teilhaber wurden Aktionäre und bildeten zu dritt den ersten Verwaltungsrat. Im September wurde die GmbH aufgelöst und ihr Aktiv- und Passivvermögen von der Aktiengesellschaft übernommen. Blanc zog sich 1950 aus dem Verwaltungsrat zurück und Delisle im darauffolgenden Jahr, sodass Bonzon der einzige Verwaltungsrat blieb. Gustave Delisle (1922–1990) blieb Aktionär. Er arbeitete noch während vieler Jahre in den Werkstätten der Céramique d’Yverdon; Jacques Blanc seinerseits (1920–2015) kehrte nach Thayngen zurück, wo sein Name in Verbindung mit dem Wiederaufbau der Keramikwerkstatt auftauchte, die neu die Bezeichnung «Tonwerke Thayngen AG» trug (Schiendorfer 2017).

Das Bezirksgericht eröffnete im April 1971 den Konkurs des Yverdoner Unternehmens, das in seinen erfolgreichsten Jahren bis zu 22 Angestellte beschäftigte. Die Gesellschaft wurde aufgelöst (SHAB, Band 89, 1971, 1088). Wie andere Fabriken dieser Art fiel die kleine Handwerksindustrie der Rationalisierung und der Fliessbandarbeit zum Opfer, die bei der ausländischen Konkurrenz gang und gäbe waren (Tribune de LausanneLe Matin vom 7. September 1971, 5).

In den siebenundzwanzig Betriebsjahren stellte das Unternehmen halbindustriell Behälter für den Gebrauch und/oder zur Dekoration her (Guss und Überdrehen zusätzlich zum herkömmlichen Drehen). Die Produkte ähneln – zumindest aus makroskopischer Sicht – blei-zinnglasierten Fayencen, versehen mit Glasuren, die mit einem Aerographen oder Pinsel aufgetragen wurden. Die Dekore zeigen Inglasurmalerei und manchmal sind sie mit Siebdruck aufgebracht. Wie andere vergleichbare Unternehmen jener Zeit fertigte der Betrieb auch Gedenkobjekte (MY EPM.Art.13, MY EPM.Alim.213, MY EPM.Art.40), namentlich im Rahmen der Festlichkeiten zum 150. Jahrestag des Beitritts des Kantons Waadt zur Eidgenossenschaft (MY EPM.Art.19, MY EPM.Art.18).

Zu den weiteren klassischen Produkten gehörten Werbeartikel, Familienwappen und Vereinspreise, hauptsächlich für Sportvereine. Die Töpferei belieferte Wiederverkäufer in der West- und Deutschschweiz, wie ein illustriertes Inserat des Kaufhauses Gonset in Yverdon bezeugt (Journal d’Yverdon vom 28. März 1956, 9).

Die Céramique d’Yverdon versuchte sich gelegentlich an der Kunsttöpferei, wie der Kommentar eines Chronisten des Journal d’Yverdon zu einer lokalen Kunstausstellung im Jahr 1946 vermuten lässt: «Zu erwähnen sind im Vorübergehen einige Werke von seltener Qualität der Gruppe Céramique d’Yverdon. Wir bewunderten insbesondere eine grosse dekorierte grüne Vase, deren Türkis glücklicherweise durch Zeichnungen unterbrochen wird, die an den besten Barrault erinnern; zwei grosse Schalen mit rauchfarbenem Dekor, eine Dominoschale mit einem Picasso-Motiv» (Ausgabe vom 22. November 1946, 7).

Mehrere Keramiker, die sich später auf nationaler oder regionaler Ebene einen Namen machten, arbeiteten entweder als Lehrlinge oder als bezahlte Angestellte im Yverdoner Unternehmen: Willy Dougoud (geboren 1937), André Bioley (1926–1987), Roger Equey (1930–2018).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise, consultée sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne.

Feuille officielle suisse du commerce, consultée sur le site e-periodica.ch.

 Bibliographie:

«Visite à la Céramique d’Yverdon». Journal d’Yverdon du 29 juillet 1969, 1 et 6 [interview de Bonzon] et «Céramique S. A.: Trois fondateurs». Journal d’Yverdon du 31 juillet 1969, 6 [rectificatif par Delisle].

«Theodor Schaefle-Zündel» [nécrologie du directeur de l’Aktiengesellschaft der Ziegelfabriken Thayngen und Rickelshausen]. Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft Schaffhausen 23, 1949/50, 323.

Schiendorfer 2017
Andreas Schiendorfer, Thayngens Beitrag zu moderner Kunstkeramik. Thaynger Anzeiger 3/48, 5 décembre 2017, 5 et 7.