Jegenstorf vom Flugzeug aus, 1939, Blick nach Nordosten.
Andreas Heege, Andreas Kistler, Alfred Spycher
Für den Namen Reutlinger finden sich in den Schriftquellen unterschiedliche Schreibweisen: Rüedlinger, Reütliger, Rütliger, Ryttlinger, Rüttlinger.
Abraham Reutlinger (1673‒1741) war der Sohn von Anthoni Rütliger von Jegenstorf (Heimatgemeinde Mattstetten) und seiner Frau Madlena Ärni. Er wurde am 4.5.1673 getauft (Bern, Ausburger Taufrodel 1665‒1684, 137/7) und starb am 26.12.1741 (KR Jegenstorf 33, 22). Abraham Reutlinger absolvierte seine Lehre zwischen 1689 und 1691 bei dem Berner Hafner Hans Heinrich Hess und hatte als Geselle am 11. Dezember 1692 seinen Abschied genommen (Morgenthaler 1951, 137. Vgl. auch Boschetti-Maradi 2006, 176‒178, ausserdem 210), vermutlich, um auf die Wanderung zu gehen. Dabei dürfte er nach St. Gallen gelangt sein, wo er die Hafnertochter Wibrath Sommerauer (1657‒vor 1721; Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.760) kennenlernte und am 15. Oktober 1694 in St. Gallen heiratete (Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.733,236). Ihre Eltern waren der Hafner Jakob Sommerauer (1635‒1683, Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.760, 136 und Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.783,2) und Margaretha Gillerin (1632‒1708; Heirat 24.2.1657, Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.733,196; Genealogie Sommerauer Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.750.16, Band Q, 34‒35).
Die vier Kinder aus dieser Ehe wurden zwischen 1695 und 1699 in Herisau AA getauft, wo Abraham Reutlinger demnach seine Werkstatt gehabt haben dürfte. Unmittelbar anschliessend zog die Familie von Herisau nach Jegenstorf zurück, denn wir finden Abraham Reutlinger erstmals in den Landvogtei-Rechnungen für Fraubrunnen für das Jahr 1700/01. Er wurde für die Reparatur der Öfen in der Mühle, Öhle und Stampfe bezahlt (StAB VII 1313, 1700). Im selben Jahr arbeitete er in Schloss Landshut (StAB VII 1553, 1700), 1702 erstmals auch auf dem Thorberg (StAB VII 1976, 1702). 1719 und 1720 reparierte Reutlinger Kachelöfen in Schloss Brandis (StAB VII 1104, 1719–1720). Reutlingers erste Frau starb vor 1721, sodass er am 27. Juni 1721 Elisabeth Fankhauser von Burgdorf (1680‒1763; KR Münchenbuchsee 14, 26; 8.4.1763, Alter 83) heiraten konnte (KR Jegenstorf 27, 72; 27.6.1721). Beide Töchter aus dieser zweiten Ehe wurden in Jegenstorf getauft. Die jüngere, Anna Catharina Reutlinger, heiratete am 16. August 1746 den Hafner Johannes Häberli von Münchenbuchsee (KR Jegenstorf 27, 126; 26.8.1746). Ihre Stiefschwester Anna Barbara Reutlinger (1699‒1744; KR Jegenstorf 12,16 ; 23.7.1699, Taufe in Herisau AA; KR Grafenried 4, 169; 4.10.1744) von Mattstetten, wohnhaft in Jegenstorf, heiratete schon am 21. März 1718 (KR Grafenried 4, 5) den Hafner Hans Rudolf Marti (1691-1742) aus Fraubrunnen (KR Grafenried 3, 97; 4.12.1691; KR Grafenried 4, 194; 17.5.1742). Abraham Reutlinger ist daher der Grossvater des bedeutenden bernischen Keramikers Abraham Marti (1718-1792) (Heege/Frey/Spycher/Kistler 2023).
Von 1753 bis 1763 lebte Elisabeth Reutlinger-Fankhauser (1680‒1763), mit Einverständnis der Gemeinde Mattstetten, bei ihrem Schwiegersohn dem Hafner Johannes Häberli in Münchenbuchsee (Verpfründungsverträge: StAB, Bez. Fraubrunnen A 274,129 und A 322,49).
Abraham Reutlinger führte von 1700‒1712, 1718‒1721, 1724 und letztmals 1736 Ofenarbeiten für die Landvogtei Fraubrunnen aus (StAB B VII 1313‒1315). 1721 lässt sich auch ein Auftrag für einen neuen Ofen in das Pfrundhaus in Münchenbuchsee belegen: (StAB B VII 1136, 1721). Zwischen 1721 und 1741 wurde er für diese Arbeiten in Fraubrunnen zunehmend durch seinen Schwiegersohn Hans Rudolf Marti ersetzt (StAB B VII 1314‒1315).
Wir haben keine Vorstellung, wo Abraham Reutlinger seine Werkstatt hatte und wie seine Geschirrkeramik oder seine Kachelöfen aussahen.
Bibliographie:
Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.
Heege/Frey/Spycher/Kistler 2023
Andreas Heege/Jonathan Frey/Alfred Spycher/Andreas Kistler, Keramik aus Blankenburg, Abraham Marti (1718–1792), ein bernischer Landhafner, Bd. 16 (Schriften des Bernischen Historischen Museums), Bern 2023.