Möhlin, Kanton Aargau, Niederweiler Steingutfabrik A.G. (1906–1956)

Roland Blaettler und Andreas Heege, 2020

Keramik aus Möhlin in CERAMICA CH

Wie es der Name des Unternehmens und dessen Fabrikmarken (vom Lothringer Wappen abgeleitetes Motiv: MWH H 478; HMO 8416; HMO 8324; HMO 8162; HMO 8772) aussagen, wurde die Niederweiler Steingutfabrik A.G. von einer lothringischen Unternehmerfamilie gegründet.

1827 erwarb Louis-Guillaume Dryander die historische Fayence-und Porzellanmanufaktur von Niderviller (Moselle). 1830 verzichtete er auf die Porzellanproduktion, um sich ausschliesslich der rentableren Erzeugung von Steingut zu widmen. Das Unternehmen wurde 1886 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, dessen Leitung bis 1944 in den Händen der Familie blieb (zu Niderviller und Steingut aus Niderviller vgl.: Soudée-Lacombe 1984 ; Hassenforder 1990 ; Heckenbenner 2002; Maggetti/Heege/Serneels 2015).

1906 entschieden die Nachfahren von Louis-Guillaume Dryander, ein Zweigunternehmen in der Schweiz, mit Sitz in Rheinfelden und Fabrikationstätte in Möhlin aufzubauen: die Steingutfabrik Niederweiler A.G. Als Vertreter der Niederlassung galt der Elsässische Prokurist Julius Hermann (Schweizerisches Handelsamtblatt [SHAB], Bd. 24, 1906, 1802). Ab 1918 und bis 1937 hatte Hermann – nunmehr mit dem Vornamen Jules – die Direktion der Möhliner Fabrik inne (SHAB, Bd. 36, 1074 – Bd. 55, 1937, 2709). 1937 übernahm Louis Dryander, einer der wichtigsten Aktionäre der Firma, die Leitung der Filiale, mit Wohnsitz in Rheinfelden (SHAB, Bd. 56, 1938, 851). 1946 wurde eine kunstkeramische Abteilung eingerichtet. Im November 1955 wurde die Möhliner Filiale aufgehoben und der entsprechende Firmenname gelöscht (SHAB, Bd. 73, 1955, 2839).

Die ursprüngliche Marke (MWH H 478) wurde später verändert, indem man das Lothringer Wappen zunächst mit dem Schriftzug “MOEHLIN” versah. Diese Marke gibt es in braun  (KM-SMP 051) und blaugrün (MPO 10924-01).

Nach 1931 wurde eine Armbrust hinzugefügt (HMO 8772; RMC H1999.786). Die Armbrust wurde vom Verband für Inlandproduktion als Kollektivmarke im April 1931 offiziell eingeführt (SHAB, Bd. 49, 1931, 1086).

Es gibt verschiedene Markenvarianten mit  Armbrüsten, deren exakte Datierung momentan unklar ist (RMC H1985.507, KM-SMP 011, KMDis 2020-47, KM-SMP 059, HMO 8070, HMO 8554).

Der Nachlass (Dokumente und Produkte der Manufaktur) des aufgelösten Vereins der ehemaligen Keramikarbeiter befinden sich im Dorfmuseum Melihus in Möhlin. Eine monographische oder systematische Bearbeitung der Firmengeschichte, der Produkte oder Dekore fehlt bis heute.

Bibliographie:

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 372.

Hassenforder 1990
Martine Hassenforder, Les faïenciers de Niderviller, Sarrebourg 1990.

Heckenbenner 2002
Dominique Heckenbenner, Faïences de Niderviller, Sarrebourg 2002.

Maggetti/Heege/Serneels 2015
Marino Maggetti/Andreas Heege/Vincent Serneels, Technological Aspects of early 19th c. English and French white earthenware assemblage from Bern (Switzerland). Periodico di Mineralogia 84, 2015, Heft 1 (Special issue: EMAC 2013, Inside the pottery: composition, technology, sources, provenance and use), 139–168.

Soudée-Lacombe 1984
Chantal Soudée-Lacombe, Faïenciers et porcelainiers de Niderviller au 18e siècle. Le Pays Lorrain, 65. Jahrgang, 1984, 1–76.