Roland Blaettler, 2019
Hermann Kaeppeli (1883-1970), ursprünglich aus Mühlau AG, war Inhaber des 1907 von seinen Eltern geerbten Geschäfts, eines Gemischtwarenladens mit einem breiten Sortiment an Spezialitäten (Tapeten, Chemikalien, Farben, Glaswaren, Töpferwaren, Porzellan, Korbwaren, Lebensmittel, Spielwaren – Schweizerisches Handelsamtsblatt, Bd. 25, 1907, 261). Die erste offizielle Erwähnung einer Ausweitung seiner Aktivitäten auf die «Herstellung von Kunstkeramik» erfolgte im Juni 1917 (SHAB, Bd. 35, 1917, 1015). Im darauffolgenden Jahr wurde Kaeppeli zum ersten Mal im Indicateur vaudois als «Hersteller von Kunstkeramik» unter der gleichen Adresse wie sein Geschäft aufgeführt: Grand’Rue 26. Am 28. Juni 1917 registrierte Kaeppeli seine Firmenmarke, die eine Genferseebarke in einem Rechteck darstellt, ergänzt mit den Initialen «KR» (Kaeppeli Rüegger) und den Erwähnungen «Fabrikmarke» und «Nyon» (SHAB, Bd. 35, 1917, 1090), siehe MHPN MH-2015-451.
Eine Variante dieser Marke, diesmal mit den Initialen «HK» (Hermann Kaeppeli), wurde 1944 eingetragen; das Geschäftsfeld wurde durch die Begriffe «Fayence, Steinzeug, Porzellan, Farben und Glasuren, Utensilien für keramische Arbeiten» charakterisiert (SHAB, Bd. 63, 1945, 394). Offensichtlich handelte es sich um eine rein kommerzielle Marke, auch wenn die Erwähnung «Fabrikmarke» beibehalten wurde.
Anlässlich der Weihnachtsfeiertage 1917 veröffentlichte Kaeppeli eine Anzeige, in der er seine «Kunstkeramik aus Nyon» anpries. Sie zeigte zudem eine doppelte Ausführung seiner Firmenmarke und sechs Zeichnungen von Vasen, darunter zwei Vasen dekoriert mit Meerjungfrauen (MHPN MH-2015-451). Eine weitere Vase war mit einem Dekor versehen, der einem Stück fein gravierten Steinguts, das wir den Gebrüdern Richard zugeschrieben hatten, sehr ähnlich ist (MHPN MH-FA-432). Der Werbetext riet auch, «die Marke ‹La petite barque› zu verlangen» (Feuille d’avis de Vevey vom 24. Dezember 1917, 4).
Bei der zweiten Person, deren Name in der Regel in der Marke, nicht aber im Firmennamen auftauchte, handelte es sich um Oscar Rüegger (1882-1960), der sich im Indicateur vaudois, wo er von 1915 bis 1919 eingetragen war, als «Porträtist» bezeichnete. Er wohnte in der Rue du Vieux-Marché 13, ab 1919 dann in der Rue de Rive 20. Wir wissen nur sehr wenig über ihn, ausser dass er ursprünglich aus Rothrist AG stammte und bereits seit einigen Jahren in Nyon lebte, ersuchte er doch am 11. Januar 1915 bei der Gemeindeverwaltung um ein Leumundszeugnis (Archives communales de Nyon [ACN], Bleu A-74). Er wollte von der Berner Regierung eine Lizenz für den Verkauf von Ansichtskarten und Militärbildern erwerben. Eines ist sicher: Er war kein Töpfer. Neben Kaeppeli war Rüegger offensichtlich auch für die Dekoration der Stücke verantwortlich. Die meisten Objekte tragen, abgesehen von der Firmenmarke mit der Genferseebarke, die Erwähnung «von OR» oder einfach die Initialen «OR» (MHPN MH-2015-521).
Die Ähnlichkeit zwischen Kaeppelis Produkten und denen der Gebrüder Richard –sowohl in Bezug auf die Technik als auch auf die Ästhetik – ist gelinde gesagt beunruhigend und veranlasste Pelichet zu der Aussage, dass Hermann Kaeppeli und «Herr Reusser [sic] einige Stücke für die Richards gemacht hätten» (Pelichet 1985/2, 44). Tatsache ist, dass Kaeppeli sich selbst als «Fabrikant» bezeichnete und dass die ordnungsgemäss eingetragene Fabrikmarke daher auch nicht bloss das Zeichen eines ausführenden Angestellten der gebrüder Richard sein kann. Ausserdem wird Kaeppeli im Indicateur vaudois bis 1923 als Fabrikant erwähnt, während die Töpferei Richard Frères bereits 1921 Konkurs angemeldet hatte.
Im März 1918 beantragte Kaeppeli die Genehmigung zum Bau eines Gebäudes in der Rue Nicole, in dem ein Geschäft und Lagerräume untergebracht werden sollten (ACN, Bleu A-76, Sitzung vom 25. März 1918). Einige Wochen später informierte er die Stadtverwaltung schriftlich über seine Absicht, auf dem geplanten Gelände einen Ofen zum Brennen von Töpferwaren («Glasuren und Ton») zu bauen. Das Gesundheitsamt äusserte Vorbehalte wegen der Gerüche und Dämpfe, die eine solche Anlage verursachen könnte (ACN, Bleu A-76, Sitzung vom 15. April 1918). Wir haben keine Spur von diesen «Lagerräumen und des Geschäfts» gefunden, es sei denn, sie waren Teil des «Labor»-Projekts, das zur gleichen Zeit auftauchte. Am 12. April 1918 bat Kaeppeli die Behörden um die Erlaubnis, einen kleinen Ofen in einem technischen Raum im Hinterhof seines Ladens aufstellen zu dürfen. Er erläuterte sein Projekt folgendermassen: «Um Erfahrungen zu sammeln, ist im Labor ein Muffelofen zum Brennen von Glasuren und Tonwaren geplant, aber vorerst handelt es sich nur um wissenschaftliche Versuche.» Im Dezember erhielt er die Erlaubnis, sein Labor mit einem Elektromotor auszustatten, um eine Farbmühle, einen Mischer bzw. eine Strangpresse zur Aufbereitung der Tonmassen und eine Töpferscheibe anzutreiben.
Die im Stadtarchiv Nyon aufbewahrte Akte enthält einen Plan der Anlage, aus dem hervorgeht, dass der Raum, der mit einem kleinen Ofen und einer Töpferscheibe ausgestattet war, insgesamt 6 m auf 4,80 m mass (ACN, Blue K-315.46). Es ist schwer vorstellbar, wie eine Produktion, die diesen Namen verdient, auf so kleinem Raum und mit so begrenzter Ausstattung hätte gedeihen können. Angesichts der geringen Anzahl der vom Museum Nyon gesammelten Objekte ist es auch wahrscheinlich, dass die Produktion von Kaeppeli nie sehr umfangreich war. Ausserdem zeigt ein Vergleich mit den Produkten der Hafnerei Richard, dass sie einige technische Schwächen aufweisen, wie z.B. eine oft unregelmässige und stellenweise zu dünne Glasur. Könnten diese Keramiken dennoch in Kaeppelis Labor hergestellt – oder zumindest verziert – worden sein?
In seinen Arbeitsnotizen, die im Musée du Château de Nyon aufbewahrt werden, vermerkt Pelichet, dass die Firma, nach Informationen, die ihm von der Witwe von Auguste Richard gegeben wurden, 1923 von Hermann Kaeppeli (siehe unten) übernommen wurde. Aus den Protokollen der Stadtverwaltung erfahren wir jedoch, dass Gustave Besson, der «neue Besitzer der Töpferei Richard Frères En Prélaz», im April 1923 um einen Aufschub der Zahlung seiner Grunderwerbssteuern bat, da «die Fabrik erst in den letzten Tagen in Betrieb genommen werden konnte» (Blue A-79, Sitzung vom 29. April 1923). Bezeugt die von Pelichet überlieferte Aussage der Witwe Richard nicht, auch wenn sie vielleicht nicht präzise ist, dass es Kontakte zwischen den beiden Unternehmen gab? Erstaunlich ist auch die Ähnlichkeit zwischen der Fischvase der Hafner Richard (MHPN MH-2015-432) und der von Rüegger dekorierten – und signierten –Vase (MHPN MH-FA-4729). Zu beachten ist, dass letztere keine Werkstattmarke trägt und beide Objekte eine eingravierte Nummer «16» auf dem Sockel haben.
Diese kleine Produktion bleibt ein Rätsel mit vielen ungeklärten Fragen. War es eine völlig eigenständige Produktion? Haben Kaeppeli und Rüegger Objekte dekoriert, die in der Töpferei der Gebrüder Richard oder seines Nachfolgers hergestellt und gebrannt wurden, oder hat Rüegger für die Töpferei der Gebrüder Richard gearbeitet, bevor er sich mit Kaeppeli zusammengetan hat? Hat Kaeppeli wirklich bis 1923 produziert?
Übersetzung Stephanie Tremp
Quellen
Archives communales de Nyon [ACN], Séries, Bleu A, Registres de la Municipalité – Bleu K.
Waadtländer Presse und Jahresbücher, konsultiert in der Datenbank Scriptorium der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne.
Schweizerisches Handelsamtsblatt, eingesehen auf der Website e-periodica.ch
Bibliographie:
Blaettler 2017
Roland Blaettler, CERAMICA CH III/1: Vaud (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2017, 63-64, 436.
Pelichet 1985/2
Edgar Pelichet, Les charmantes faïences de Nyon. Nyon 1985.