Eberhardt, Elisabeth, Lenzburg (1875-1966)

Elisabeth Eberhardt (* 5.2.1875 Lenzburg, † 2.10.1966 Lenzburg), undatierte Aufnahme. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Keramik von Elisabeth Eberhardt in CERAMICA CH

Elisabeth Eberhardt (* 5.2.1875 Lenzburg, † 2.10.1966 Lenzburg) war neben Nora Gross (1871-1929), eine der ersten kunstgewerblich ausgebildeten Keramikerinnen der Schweiz. Korrekterweise müsste man sie  als Keramikdesignerin und Keramikmalerin bezeichnen, denn sie konnte mangels Ausbildung nicht selber drehen und war in diesem Bereich auf zusätzliche professionelle Hilfe angewiesen. Nach zeichnerischen Entwürfen oder ihren direkten Anweisungen an die Dreher an der Scheibe entstanden ihre Keramikformen. Dekore und später vor allem die Glasuren waren ihre ganz eigenständigen Entwürfe.

Alles was wir heute über Elisabeth Eberhardt wissen, hat Barbara Messerli-Boliger (1987 und 2010) erforscht und veröffentlicht (u.a. ein Katalog aller bis 1987 bekannten Keramiken).

Margaritha Elisabeth Eberhardt wurde am 5. Februar 1875 als jüngstes von drei Kindern des Lenzburger Kaufmanns  Fritz Eberhardt und seiner Frau Helene Landolt geboren.  Über  ihre Schul- und Ausbildungszeit wissen wir fast nichts. Warum sie sich 1903, erst im Alter von 28 Jahren “einem eigenen grossen Wunsche folgend”, entschied, in Steffisburg in einer Töpferei zu arbeiten, entzieht sich unserer Kenntnis.

Ohrenschale, signiert “E.E.”, Privatbesitz Schweiz.

Aufgrund einer signierten Kanne können wir annehmen, dass sie in der Töpferei von Karl Loder-Eyer (1871-1915) Keramik dekorierte und auch mit ihren Initialen “EE.” signieren durfte.

Ausweis für die Bernische Handwerker&Kunstgewerbeschule, Sommersemester 1906. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Der Arbeitsbeginn in Steffisburg fällt mit dem Beginn ihrer kunsthandwerklichen Ausbildung an der Bernischen Handwerker- & Kunstgewerbeschule zusammen, die sie von 1903 bis 1906 besuchte.  Ob sie dabei auch die 1905 gegründete keramische Fachklasse oder “nur” die allgemeinen Kunstgewerbekurse besuchte, ist unbekannt.  In Bern hatte sie vermutlich auch Zeichenunterricht bei dem Kunstgewerbelehrer Paul Wyss, der dort von 1900 bis 1918 wirkte und erheblichen Einfluss auf das  Design der Keramiker in Langnau, Heimberg und Steffisburg gewann.

Schweizerische Techniker-Zeitung 1906.

Es verblüfft daher nicht, wenn Teile ihrer Arbeiten 1906 in einer Druckbeilage der Schweizerischen Techniker-Zeitung als “Neue Bauernmajolika” bezeichnet werden. Auch die wenigen museal überlieferten frühen Keramiken von Elisabeth Eberhardt zeigen, dass sie bis etwa 1913/1915 noch ganz im Stil der Keramikfachschule Geschirr und Vasen mit der regionaltypischen Malhornmalerei und Ritzdekoration versah (Messerli-Bolliger 1987, Katalog 2-14). Abstrahiert-florale und geometrische Dekore zieren ihre Objekte.

Entwurfszeichnungen von Elisabeth Eberhardt, datiert “Thun Sommer 1908”. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Nach der Ausbildung und weiteren Arbeitsjahren in der Region Heimberg-Steffisburg (belegt durch 1908 datierte und mit “Thun” bezeichnete Keramikentwürfe) versuchte sie sich zunächst mit einer eigenen Werkstatt (an unbekanntem Ort) selbständig zu machen. Als dieser Versuch zu einem unbekannten Zeitpunkt scheiterte, stellte sie ihre Keramiken zunächst in einer Hafnerei in Langnau her (unbekannt bei welchem Hafner, vielleicht bei Adolf Gerber, der 1911 seine neue Töpferei eingerichtet hatte), bevor sie spätestens ab 1914 in der Töpferei von Karl Wespi in Aarau an der Entfelderstrasse, einen eigenen  Arbeitsplatz einrichten konnte. Als Dreher arbeitete dort für sie Alfred Müller und ab etwa 1923 bis zur Schliessung des Betriebes 1928/29 Karl Müller.

Wissen und Leben, Bd. 11, 1912-1913, 374

1912 besprach Nora Gross die Arbeiten von Elisabeth Eberhardt, die im Kunstgewerbemuseum Aarau ausgestellt waren, sehr positiv.

Das Werk : Architektur und Kunst = L’oeuvre : architecture et art, Band 1 (1914), Heft 2, 26.

1913/1914 gestaltete sie Keramik für die Ausstellung “Der gedeckte Tisch” im Kunstgewerbemuseum in Zürich.

1913 nahm sie mit Keramik am Salon d’automne  in Paris teil, wo ihr Geschirr lobend besprochen wurde “… erfreulich sind die bäuerlichen Fayencen von Frau Eberhardt …”.  Wahrscheinlich waren die ausgestellten Keramiken also immer noch mit dem Malhorn dekoriert.

Heimkunst 1913, 8 (Text Alfred Bauer).

1913 Von März bis Juni finden sich ihre Produkte auch auf einer Keramikausstellung des Kunstgewerbemuseums Zürich., wo sie von Alfred Bauer aber eher neutral besprochen werden (Besprechung der Ausstellung in der NZZ).

Arbeiten von Elisabeth Eberhardt, 1916 in Franziska Anner, Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz, Chur 1916, Taf.  37.

Der Umbruch zur reinen Form, ausschliesslich mit farbigen Glasuren und Laufglasuren verziert, setzte aufgrund datierter und erhaltener Stücke offenbar zwischen 1913 und 1915 ein und war wie das oben stehende Ensemblebild zeigt, um 1916 bereits abgeschlossen. Seit 1915 gehörte Elisabeth Eberhardt als eine der ersten Frauen dem Schweizerischen Werkbund an und vor 1928 auch der Gesellschaft Schweizerischer Malerinnen und Bildhauerinnen (GSMB), Sektion Zürich (seit 1928 Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen , GSMBK).

Zeitgenössische Aufnahmen ihrer Keramiken. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

1917 beteiligte sie sich an der XIII. Schweizerischen Kunstausstellung in Zürich, Abteilung für angewandte Kunst (Das Werk, Bd. 4, 1917, XIX).

1918 waren Arbeiten von ihr neben denen von J. Hermanns und Nora Gross auf der Schweizerischen Werkbund-Ausstellung in Zürich zu sehen (Die Schweiz : schweizerische illustrierte Zeitschrift, Band 22, 1918, 394).

1920 wurden Arbeiten in der Zeitschrift “Das Werk, S. 240” veröffentlicht.

1923 werden Arbeiten von ihr in der Zeitschrift “Das Werk” veröffentlicht und von Emmy Fischer sehr positiv besprochen.

1925 Teilnahme an der Aargauer Industrie- und Gewerbeausstellung in Baden (Kauf von Objekten durch das  Gewerbemuseum Aarau, heute Museen Aargau).

Keramik mit farbigen Laufglasuren im Museum Burghalde, Lenzburg. Foto Hans Weber, Museum Bellerive Zürich und Gewerbemuseum Winterthur.

1928 Ausstellung von Keramik an der “Saffa” (Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit) in Bern. Eine Besprechung durch Maria Weese und Doris Wild hebt ihre Schalen und Vasen hervor, “… denen edle, fein abgestufte Glasuren den Reiz verleihen …”  (Weese/Wild 1928, 28).

1928-1929 hatte sie einen Arbeitsplatz in der Hafnerei von Hans Brunner (1917-1982) Lenzburg, Burghalde.  Nach Auseinandersetzungen über abtropfende Glasuren verlegte sie ihren Arbeitsplatz in die Werkstatt ihrer früheren Dreher Alfred und vor allem Karl Müller, der von 1928 bis 1984 in Unterkulm eine Töpferei führte.  Spätestens 1931/1932 arbeitete sie jedoch wieder bei Brunner in Lenzburg, wo auch Walter Gebauer (1907-1998) für sie drehte (Orelli-Messerli 2010). Zwischen 1934 und 1938/39 war sie wieder in Unterkulm im Wynental, wo sie in einem kleinen Raum ungestört arbeiten und ihre Glasurfarben immer wieder prüfen und perfektionieren konnte.

1937 Nach einer langen Zeit ohne weitere Ausstellung finden wir Elisabeth Eberhardt 1937 erneut an einer Ausstellung der Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen in Bern. Ab 1938/39 arbeitete sie bis 1951 wieder in der Hafnerei Brunner in Lenzburg, wo sie für 5 Fr. im Monat eine lange Werkbank gemietet hatte.

1945, d.h. in ihrem 70. Lebensjahr, wurde sie von der Lenzburger Bibliotheksgesellschaft zum Martini-Essen und einer Künstlerehrung eingeladen und eine kleine Ausstellung alter und neuer Werke gezeigt.

Wirtschaftlich lebte Elisabeth Eberhardt, trotz eines kleinen, treuen Abnehmerkreises, wohl in sehr bescheidenen Verhältnissen, zu denen möglicherweise auch ererbte Finanzmittel beitrugen.

Mit ihrem zwischen etwa 1913 und 1922 entstandenen, sehr eigenständigen, auf Formen und Glasuren fokussierten Werk gehörte Elisabeth Eberhardt  zur schweizerischen Keramik-Avantgarde, jenseits floralem Jugendstil, Art déco und Heimatstil. Dieser Art Keramik blieb sie bis zur Aufgabe der Keramikproduktion im Alter von 76 Jahren treu. Zur künstlerischen Bedeutung von Elisabeth Eberhardt vgl. auch Daniela Ball 2005.

Neuerwerbungen Museum Burghalde Lenzburg im Jahr 2018. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch. Foto der Marke Auktionshaus Zofingen, 59. Auktion 1980, Los 900.

Marken und Signaturen

Elisabeth Eberhardt signierte ihre Keramiken in der Frühzeit mit den Buchstaben “EE..“.

Ausserdem gab es mindestens eine Blindmarke in Form eines Wappenschildes, halb Schweizerwappen, halb Wappen Lenzburg (Messerli Bolliger 1987, Katalog 2).

Hinzu kamen auch Signaturen mit ihrem vollen Namen “E. Eberhardt”, auch in Kombination mit einer weiteren, leicht abgeänderten Blindmarke mit dem Wappen von Lenzburg (Beispiel EAA Inv. 0344).

Informationen zu Elisabeth Eberhardt in “Antik und rar”.

Archivalien und zahlreiche Keramiken von Elisabeth Eberhardt verwahrt das Museum Burghalde in Lenzburg.

Keramik von Elisabeth Eberhardt in der ZHdK-Kunstgewerbesammlung

Bibliographie:

Attenhofer 1967
Ed. Attenhofer, Elisabeth Eberhardt, Keramikerin (1875-1966). Lenzburger Neujahrsblätter 1967.

Ball 2005
Daniela Ball, “Form ohne Ornament”? : Schweizer Keramik im Spiegel der Kulturdebatten der Zwischenkriegszeit.  Kunst + Architektur in der Schweiz 56, 2005, 38-45.

Fischer 1923
Emmy Fischer, Zu den Töpfereien von Elisabeth Eberhardt, in: Das Werk: Architektur und Kunst = L’oeuvre: architecture et art 10, 1923.

Messerli-Bolliger 1987
Barbara E. Messerli-Bolliger, Die Lenzburger Keramikerin Elisabeth Eberhardt 1875-1966, in: Museum Burghalde Lenzburg (Hrsg.), Keramik der Region,  Lenzburg 1987, 20-81.

Orelli-Messerli 2010
Barbara von Orelli-Messerli, Elisabeth Eberhardt (1875-1966) und Walter Gebauer (1907-1998): Eine keramische Begegnung als verpasste Chance?, in: Ralph Mennicken (Hrsg.), Keramische Begegnungen: Sachsen – Schlesien – Böhmen. Beiträge zum 42. Internationalen Symposium Keramikforschung des Arbeitskreises für Keramikforschung in Görlitz (D). Rareren 2010, 188-194.

Weese/Wild 1928
Maria Weese/Doris Wild, Die Schweizer Frau in Kunstgewerbe
und bildender Kunst. Schriften zur «SAFFA». Zürich und Leipzig 1928.