Keramik aus Eysins in CERAMICA CH
Roland Blaettler, 2019
Nach einer zweijährigen Ausbildung an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-près-Renens, zwischen 1916 und 1918, perfektionierte sich Paul Gerber (1900–1977) im Bereich Drehen und Formen in Langenthal, Steffisburg und im Jura. Danach arbeitete er als Dreher in der Fayencemanufaktur von Charolles (Saône-et-Loire). Im Juli 1921 schloss er sich den Poteries du Sornin in Saint-Maurice-lès-Châteauneuf (Saône-et-Loire) an. Diese im April 1920 gegründete Töpferbetrieb befand sich unter der Leitung von Maurice Dagot, dessen Schwester Berthe Paul Gerber im August 1923 heiratete.
Das junge Unternehmen war ständig mit ernsthaften finanziellen Problemen konfrontiert, da es nicht in der Lage war, sich gegenüber der Konkurrenz, insbesondere der Faïencerie de Charolles, zu behaupten. Im November 1923 beschlossen die Aktionäre, die Produktion auszusetzen und nur noch die im Lager vorhandenen Schrühbrände zu dekorieren. Gerber fand einen Platz als Modelleur bzw. Dreher in der Steingutfabrik Hippolyte Boulenger & Cie in Montereau (Yonne). Zwischen dem 1. Februar 1924 und dem 30. November 1925 bekleidete er die Position des technischen Direktors in der Faïencerie von Charles Briand in Charolles (Duroy – siehe Quellen).
Die Auflösung der Firma Poteries du Sornin wurde im Januar 1924 bekannt gegeben. Die Gebäude und das Grundstück fanden 1925 neue Besitzer, während Gerber die Bestände an undekorierten Waren erwarb. Er versuchte, erneut eine Produktion aufzunehmen, wahrscheinlich indem er die alten Anlagen anmietete. Das Abenteuer war von kurzer Dauer: Die Öfen von Sornin wurden im April/Mai 1926 für immer stillgelegt. Ab 20. Mai 1926 hielt sich Gerber in Chauvigny-sur-Vienne auf, in der Region Poitou, wo er eine Stelle in der Porzellanfabrik von Fernand Deshoulières gefunden hatte (Duroy – siehe Quellen).
Nach seiner Rückkehr in die Schweiz im Jahr 1928 wurde er in einer provisorischen Anstellung zum stellvertretenden Fachlehrer an der Schweizerischen Keramikschule ernannt (Le Droit du Peuple vom 17. April 1928, 5). Seine Tätigkeit dauerte offenbar bis 1930/31, wird er doch von 1929 bis 1931 im Annuaire vaudois als «maître» (Meister/Fachlehrer) in der Rubrik zur Schule erwähnt. Gemäss der von seinem Enkel Christian Gerber erstellten Biografie zog er 1930 nach Ferney-Voltaire, bevor er sich in Carouge niederliess. Im Schweizerischen Handelsamtsblatt ist er am 19. September 1931 als Leiter der Firma «Paul Gerber – Commerce et fabrication de produits céramiques» mit Sitz in der Rue Jacques-Dalphin 48 in Carouge eingetragen (SHAB, Bd. 49, 1931, 2057).
Dieser Firmenname wurde einige Monate später, im Juni 1932, aus dem Register gestrichen, da der Zweck der Firma erloschen war (SHAB, Bd. 50, 1932, 1634). Es ist unwahrscheinlich, dass Gerber in so kurzer Zeit eine Produktion hätte aufnehmen können. Hatte er sich darauf beschränkt, die Produkte anderer Töpfer zu vermarkten? Nach einem kurzen Verbleib in Aubonne, wo er 1933/34, wiederum nach Angaben von Christian Gerber, einen Töpferladen betrieb, liess er sich in Nyon nieder. In Zusammenarbeit mit Robert Knecht, dem Besitzer der Töpferei Knecht in Ferney-Voltaire (Ain), eröffnete er dort unter dem Namen «Knecht et Gerber» ein neues Geschäft, das auf den Verkauf von Keramik, Fayence, Porzellan und Glaswaren spezialisiert war. Das Geschäft befand sich in der rue de Rive 43 (SHAB, Bd. 52, 1934, 2307). Knecht versuchte sehr wahrscheinlich, seinen Absatzmarkt auf die Schweiz auszuweiten, und vermutlich verbargen sich in der oben erwähnten kurzen Geschäftsperiode in Carouge die gleichen Beweggründe.
Nach diesem Lebensabschnitt, reich an vielfältigen und oft komplizierten Episoden, stellten Paul Gerber und seine Familie 1936 in Eysins, nicht weit von Nyon, endlich ihre Koffer ab. Die Löschung des Firmennamens «Knecht et Gerber» von Nyon wurde am 17. August 1938 registriert, wobei die Aktiva und Passiva von der «Poterie d’Eysins Paul Gerber» übernommen wurden, die am selben Tag offiziell eingetragen wurde (SHAB, Bd. 56, 1938, 1912). So konnte sich Paul Gerber schliesslich in Eysins in einer eigenen Werkstatt, ausgestattet mit einem nach seinen Wünschen gestalteten Holzofen, niederlassen.
Umgeben von einigen wenigen Mitarbeitern, darunter seinem Sohn Edmond, entwickelte er eine Produktion von engobierter Irdenware und Fayencen, die von seinem gesammelten Wissen zeugt, insbesondere auf dem Gebiet der Beschaffenheit der Glasuren und der Formgebung. Wirtschaftliche Zwänge drängten ihn oft, sich auf die laufende Produktion zu konzentrieren (MHPN MH-2000-127; MHPN MH-1993-22), zum Nachteil seiner kreativeren Ader, für die er offensichtliche Veranlagungen hatte (MHPN MH-2000-71; MHPN MH-2000-173A). Wie viele andere Töpfer der damaligen Zeit bediente Gerber auch den Markt für Gedenkgegenstände (ML 2020-28-1; MHPN MH-FA-4615; MHPN MH-FA-4662; MHPN MH-1993-14; MHPN MH-2000-62) und touristische Souvenirs (MHPN MH-1993-13). Zu seinen Stammkunden zählten die Genfer Floristen und Konditoren, Lebensmittelgeschäfte auf dem Land und sogar Kaufhäuser. Selbst bei grossen Serien blieb Gerber den streng handwerklichen Herstellungsverfahren treu, die er praktisch bis zum Tode fortführte.
Übersetzung Stephanie Tremp
Quellen :
Collection de documents rassemblés par Christian Gerber sur le site www.notrehistoire.ch (critère de recherche «Paul Gerber»)
Daniel Duroy, Les faïences du Sornin (http://pjpmartin.free.fr/Chf15/Chf15_DD.pdf, consulté en mai 2019)
La Feuille officielle suisse du commerce (consultée sur le site e-periodica.ch)
La presse et les annuaires vaudois, consultés sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne