Château-d’Œx, Museum of the Old-Pays d’Enhaut (MPE)

Musée du Vieux-Pays-d’Enhaut
Grand’Rue 107
1660 Château-d’Oex
Tel.: +41 (0)26 924 65 20
Konservator: Jean-Frédéric Henchoz
Tel.: +41 (0)21 323 98 57

Translation in preparation

Keramiksammlung des Musée du Vieux-Pays-d’Enhaut in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Die Vereinigung des Musée du Vieux Pays-d’Enhaut wurde 1922 gegründet, unter anderem als Versuch, die durch Antiquitätenhandel und Tourismus hervorgerufene Abwanderung des lokalen Kulturerbes in einem gewissen Masse zu stoppen. Obwohl die Sammlungen allmählich Gestalt annahmen, war das zukünftige Museum noch immer auf der Suche nach einem festen Standort. Erst 1931, nach dem Tod des Präfekten Auguste Cottier, fand sich eine Lösung. Der Verstorbene, der keine Nachkommen hinterliess, vermachte seinen Besitz und seine Wohnung einer testamentarisch errichteten Stiftung. Diese Stiftung wurde zu einem der institutionellen Fundamente des Museums und zudem bot sie eine willkommene Lösung für das Problem der Räumlichkeiten.

Das Museum wird von zwei verschiedenen Institutionen getragen, geführt wird es jedoch von denselben Personen: «Musée du Vieux Pays-d’Enhaut, Fondation du préfet Cottier» und «Association du Musée du Vieux Pays-d’Enhaut». Die erste Institution ist Eigentümerin des Gebäudes und eines kleinen Teils der Sammlungen, während die zweite – die bis heute rund 500 Mitglieder umfasst – Eigentümerin des grössten Teils der Sammlungen ist und die Verwaltung leitet. Das Museum wird finanziell von den Gemeinden Rossinière, Château-d’Œx und Rougemont sowie von der Kulturallianz Simmental, Saanenland, Pays-d’Enhaut unterstützt.

Das Haus des Präfekten wurde 1933 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und nach und nach an seine neue Funktion als Museum angepasst. Heute präsentiert es sich als Museum für Wohnkultur, Sitten und Gebräuche und regionales Handwerk. Bemalte Möbel und Glasmalereien stehen neben bescheidenen Utensilien des täglichen Lebens, während ein besonderer Raum die Entstehung der Tourismusindustrie veranschaulicht. Seit einiger Zeit arbeiten die Verantwortlichen der Institution an einem ehrgeizigen wissenschaftlichen und kulturellen Projekt, das vorsieht, die Räumlichkeiten zu erweitern, die Betreuung der Sammlungen zu professionalisieren und die Position des Museums als nationales Kompetenzzentrum für die Kunst des Scherenschnitts zu stärken (Projekt Schweizer Zentrum für Scherenschnitt).

Auch Keramikobjekte haben natürlich ihren Platz in den multidisziplinären Sammlungen des Museums: Wir haben etwa 80 Stücke ausgewählt, vor allem engobierte und glasierte oder einfach glasierte Irdenware (44 Objekte) und Steingut (38 Objekte) aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Auswahl widerspiegelt gut die Art von Produkten, die zu jener Zeit die Geschirrschränke füllten oder auf den Tischen der Bürger und Bauern der Region verwendet wurden. Für ein Drittel des Keramikbestands gibt das Inventar weder das Datum noch die Art des Erwerbs an («alter Bestand, ohne Datum»); 16 Stücke wurden gekauft und der Rest stammt aus Schenkungen und Nachlässen. Keramik war offensichtlich nie Gegenstand einer kontinuierlichen Ankaufspolitik.

In der Kategorie Irdenware schlägt sich die geografische Nähe zum Kanton Bern natürlich in einer starken Vertretung von Berner Produktionen nieder, fast zwei Drittel des Kontingents stammen aus der Region Heimberg-Steffisburg. Zu dieser Berner Gruppe gehören acht Stücke aus dem Nachlass von Kurt und Madeleine Hottenberg-Roten mit überwiegend blauem Dekor (MPE Nr. 10; MPE Nr. 11; MPE Nr. 47). Einige davon können dem Töpfer David Andres (1810-1873) zugeschrieben werden, der in der Dornhalde in Heimberg tätig war (MPE 3998; MPE 3477; MPE Nr. 41; MPE Nr. 37; MPE Nr. 44).

Etwa 15 Objekte stammen aus Werkstätten in der Westschweiz: Ein Handwaschbecken aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das mit der falschen Einordnung «Blankenburg» erworben wurde (MPE 483); ein Teller, der der Poterie commune de Nyon zugeschrieben werden kann (MPE 2995); vier typische Beispiele für die Kategorie, die wir als «Engobierte Irdenware aus der Genferseeregion» definiert haben (MPE Nr. 8; MPE 2938; MPE 1336; MPE Nr. 43); drei Objekte, die der Poterie de la Poterne in Bulle zuzuordnen sind, mit dem für diese Werkstatt typischen Spritzdekor (MPE Nr. 46; MPE 4001; MPE Nr. 9); ein Exemplar mit ähnlicher Machart, das jedoch nicht in dem in Bulle ausgegrabenen Referenzmaterial belegt ist (MPE 3999); ein Nachtlicht eines bislang unbekannten Typs (MPE 1841).

Ein Exemplar ist trotz seines bescheidenen Aussehens besonders interessant: ein unveröffentlichtes Beispiel eines Topfs, der speziell für den Verkauf von Senf aus dem Schloss Aigle hergestellt wurde und auf das Jahr 1790 datiert ist (MPE Nr. 12). Dieser Senftopf stammt höchstwahrscheinlich aus einer Töpferei in Aigle oder der Umgebung und wurde offenbar infolge der falschen Interpretation der Inschrift auf dem Bauch als lokale Produktion erworben. Anstelle von «Chatau Dai/gle» stand dort «Chatau Dai».

Platte aus der Westschweiz, MPE 1333.

Eines der Ziele unseres Projekts bestand darin, bisher unbekannte regionale oder sogar lokale Produktionen zu identifizieren. Aus der Gruppe der Westschweizer Stücke aus Irdenware fielen uns drei Objekte besonders auf: eine Schüssel aus dem Jahr 1865, erworben bei Victor Saugy, dem bekannten Antiquitätenhändler aus Rougemont (MPE 1321); eine Platte mit Marmorierung, die von einer Familie aus der Region stammte (MPE 1964); und eine Platte mit Blumendekor, die ebenfalls 1931 bei Saugy gefunden wurde (MPE 1333). Diese eher rustikalen Gegenstände, die wohl täglich verwendet wurden, wie ihr Erhaltungszustand vermuten lässt, könnten aus regionalen Töpfereien stammen. Der Katalog der Ausstellung «Zwanzig Jahrhunderte Keramik in der Schweiz», die 1958 im Schloss von Nyon stattfand, enthält einige Zeilen, die der «Keramik von Château-d’Œx» gewidmet sind. Darin wird eine «Töpfermanufaktur» erwähnt, die sich Ende des 18. und im 19. Jahrhundert im Haus le Pré niederliess. Die Einrichtung soll vor allem Kachelöfen hergestellt haben, insbesondere zwischen 1830 und 1860 unter der Leitung von Alexandre Henchoz. Henchoz’ Tätigkeit im Bereich der Ofenherstellung ist zwischen 1835 und 1855 belegt (Kulling 2001,15).  Der Autor des Textes im Nyoner Katalog (Edgar Pelichet, Präsident des Organisationskomitees?) spricht auch von Töpferwaren, die «mal von Heimberg beeinflusst sind, mit schwarzer Grundengobe, mal dem lateinischen Geschmack entsprechen, mit heller Grundengobe und viel Freiheit im Dekor». Das einzige Exponat, das Alexandre Henchoz zugeschrieben wird, ist eine Schüssel aus dem Musée du Vieux Pays-d’Enhaut, «blassgelbe Grundengobe mit zentralem, grossem, mehrfarbigem Strauss» (Nyon 1958, 22, Nr. 315bis). Diese eher knappe Beschreibung könnte allenfalls auf die Platte MPE 1333 zutreffen.

Röstiplatte mit scharfkantigem Kragenrand (MPE 1334), Region Heimberg-Steffisburg BE, um 1850-1870.

Eine andere Platte, die aus den alten Beständen des Museums stammt (MPE 1334), wird von Fachleuten ohne Zögern dem Kanton Bern zugeschrieben. Wir müssen feststellen, dass wir nicht viel weiter sind als unsere Kollegen von 1958, was die Identifizierung einer möglichen lokalen Produktion betrifft …

Im Bereich des Steinguts stammt das Kontingent zu etwa gleichen Teilen aus Schweizer und deutschen Manufakturen (Bonnard & Gonin in Nyon: 2 Objekte; Baylon in Carouge: 4; Scheller in Kilchberg ZH: 13 und Zell: 4; Schramberg: 10; Mettlach: 3). Die Präsenz deutscher Produktionen bestätigt, was wir schon im Kanton Neuenburg festgestellt haben: Das Verbreitungsgebiet der grossen süddeutschen Manufakturen erstreckte sich bis in die Westschweiz, vor allem in die an den Kanton Bern angrenzenden Regionen.

Steingut aus Kilchberg-Schooren.

Steingut aus Nyon.

Was die nationalen Produktionen betrifft, so liegt ein relativ hoher Anteil an Objekten aus der Zürcher Fabrik von Scheller vor (z. B. MPE Nr. 32; MPE Nr. 31; MPE Nr. 29; MPE 514D; MPE 514B; MPE Nr. 4; MPE Nr. 1), während Produkte aus Nyon (MPE 1177A) selten sind.

In den anderen Sammlungen der Romandie sind die Steingutobjekte aus Kilchberg wesentlich seltener. Diese fanden ihren Weg ins Pays-d’Enhaut vielleicht über fahrende Händler aus Bern. Unter den dreizehn Exemplaren aus Steingut von Scheller befanden sich auch vier Teller, die 1929 von einem gewissen Robert Hefti aus Saanen gekauft wurden, der in Château-d’Œx eine Stelle als Hausangestellter gefunden hatte.

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie :

Kulling 2001
Catherine Kulling, Poêles en catelles du Pays de Vaud, confort et prestige. Les principaux centres de fabrication au XVIIIe siècle. Lausanne 2001.

Nyon 1958
Vingt siècles de céramique en Suisse. Cat. d’exposition Château de Nyon. Nyon 1958.