Porträt Wilhelm Emanuel Dittlinger (1718‒1799) im Jahr 1758. Foto Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, SNM LM-7317.
Andreas Heege, Andreas Kistler, 2025
Wilhelm Emanuel Dittlinger (1718‒1799) war Bernburger und Sohn eines bernischen Pfarrers, der in Trub bzw. Bürglen wirkte (Biber/Hofer 1947, Bd. 1, 222, Anm. 184; Staehelin 1969, 3-5). Er war das zweitälteste von 11 Kindern. Auch sein 11 Jahre jüngerer Bruder Samuel (1729-1748) sollte Hafner werden. Starb aber 1748 in der Lehrzeit bei seinem Bruder in Bern.
Dittlinger Bern_Daten Dittlinger Bern_Stammbaum
Er war einer der bedeutendsten Hafnermeister des 18. Jahrhunderts in Bern, berücksichtigt man die Vielzahl offizieller Aufträge, die sich in den Landvogteirechnungen zwischen 1741 und 1791 nachweisen lassen (eine Auswahl nennen: Staehelin 1969, 5; Boschetti-Maradi 2006, 174 Anm. 867; Boschetti-Maradi 2009; Ergänzungen: Heege/Spycher/Kistler 2020, bes. 197-202; Heege/Frey/Spycher/Kistler 2023). Gleichwohl ist bis heute kein einziger mit seinem Namen signierter Kachelofen bekannt.
Kachelofen Schloss Trachselwald, datiert 1748 (heute Bernisches Historisches Museum, Inv. H2040). Werkstatt des Berner Hafners Wilhelm Emanuel Dittlinger (1718–1799). Foto Stefan Rebsamen.
Aufgrund schriftlicher Quellen und hinreichender Überlieferungsgeschichte kann ihm ein 1748 datierter Kachelofen aus Schloss Trachselwald als ältestes überliefertes Stück zugeordnet werden (Staehelin 1969, 3 und Tafel I).
Dittlinger heiratete 1740 Anna Maria Laubscher (1707-1790) die Tochter des Bieler Hafners Jacob Samuel Laubscher (1676-1733), der vorher Lehrling bei dem Berner Hafner Hans Heinrich Hess gewesen war (Boschetti-Maradi 2006, 180). Ihr Bruder Samuel (ca. 1711-?), der sich 1730 als Geselle bei der Witwe von Jakob Fruting (1672-1728) nachweisen lässt, heiratete etwa gleichzeitig Wilhelm Emanuels Schwester Maria Elisabeth Dittlinger (1721-?). 1740 wurde Samuel Laubscher von den Berner Hafnermeistern Fruting und Herrmann als Vertretern der bernischen Hafner vorgeworfen, er habe unberechtigterweise seinem Schwager Dittlinger bei der Anfertigung eines Meisterstücks („Gupfenofen“ = Kachelofen mit Ofenturm) geholfen. Die Vorwürfe liessen sich jedoch nicht erhärten und das Verfahren gegen Dittlinger wurde fallengelassen (Archivalien zu Samuel Laubscher). Die Anfertigung des Meisterstücks dürfte bedeuten, dass Dittlinger im Jahr 1740 nicht nur heiratete, sondern auch seine eigene Werkstatt begründete. Mit Anna Maria Laubscher bekam er insgesamt vier Söhne, von denen zwei das Erwachsenenalter erreichten. Keiner der Söhne wurde Hafner.
Stammbaum der Hafner Laubscher, Biel (PDF)
Mit 40 Jahren liess er sich 1758 porträtieren (Boschetti-Maradi 2006, 180, Abb. 219). Spätestens 1764 hatte Dittlinger seine Werkstatt an der Bollwerkgasse 6 beim Golatenmatt-Tor in Bern. Dort beschäftigte er zeitweise drei Gesellen aus Vechigen, St. Gallen und Schwaben (vgl. zu Dittlinger Staehelin 1947, 104; Staehelin 1969; Boschetti-Maradi 2006, 180; Brennpunkt 2013). Eine vergleichbar bedeutende Werkstatt hatte 1764 nur der Hafner Johann Jakob Fruting (1718-1795), der ebenfalls drei Gesellen beschäftigte, die aus Erlach, Schaffhausen und Schwaben kamen (Boschetti-Maradi 2006, 179 Anm. 945).
Boschetti-Maradi 2006, Abb. 217.
Er wohnte nur unweit entfernt von Dittlinger an der Vorderen Speichergasse Nr. 7 Sonnseite. Und weitere Hafner wohnten ebenfalls in der Nähe: Gottlieb Hermann (Golattenmattgasse/später Aarberger Gasse Nr. 21; Gottlieb Hermann hatte 1757 vergeblich versucht eine bernische Fayenceproduktion zu starten: Staehelin 1947, 103), Johann Rudolf Fätscherin (Golattenmattgasse/später Aarberger Gasse Nr. 12, Schattseite) und David Scheuermeister (auf dem Bollwerk). Aber auch Dittlingers wichtigster Ofenmaler Peter Gnehm (1712‒1799), gebürtig aus Stein am Rhein, wohnte in diesem «Hafnerquartier», seit er sich 1754 wieder in der Stadt Bern niederlassen durfte. Wir finden ihn an der Golattenmattgasse/später Aarberger Gasse Schattseite Nr. 1 (Staehelin 1969, 5). Ebenfalls in diesem Umfeld wohnte und arbeitete auch der Kachelmaler (Johann) Adam Spengler (1726‒1790), Burger von Schaffhausen (Heege/Spycher 2025). Ab 1756 lässt sich belegen, dass er «vor dem Tor», d. h. dem Golattenmatt-Tor, auf dem Bollwerk wohnte (Staehelin 1969, 5). Da Hafnermeister Fruting und Hafnermeister Dittlinger Taufpaten bei einem von Spenglers Kindern waren, kann von einer engeren Beziehung ausgegangen und angenommen werden, dass Spengler möglicherweise für beide Hafner auch Kachelöfen bemalte. Spengler leitete schliesslich ab 1760 die Fayencemanufaktur, die Franz Rudolf Frisching (1733‒1807, Ratsherr und Oberst) auf seinem Gut in der Lorraine in Bern eingerichtet hatte. 1763 wurde er für die neugegründete Porzellanmanufaktur in Kilchberg-Schooren bei Zürich abgeworben.
Bibliographie:
Biber/Hofer 1947
Walter Biber/Paul Hofer, Regesten zur Baugeschichte stadtbernischer Staatsbauten des 16.-18. Jahrhunderts, Bd. I, Bern 1947.
Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.
Boschetti-Maradi 2009
Adriano Boschetti-Maradi, Die vier Kachelöfen in den Gesellschaftsräumen der Grande Société, in: Franz C. Brunner, Hôtel de Musique und Grande Société in Bern 1759-2009, Bern 2009, 198-210.
Brennpunkt 2013
Schloss Jegenstorf (Hrsg.), Im Brennpunkt – die Sammlung historischer Kachelöfen Schloss Jegenstorf, Jegenstorf 2013.
Heege/Spycher/Kistler 2020
Andreas Heege/Alfred Spycher/Andreas Kistler, Die Hafner von Hängelen und das Rätsel der Bäriswiler Kachelöfen, in: Gemeindebuch Krauchthal, 2020, 173-256.
Heege/Frey/Spycher/Kistler 2023
Andreas Heege/]onathan Frey/Alfred Spycher/Andreas Kistler, Keramik aus Blankenburg, Abraham Marti (1718–1792), ein bernischer Landhafner, Bd. 16 (Schriften des Bernischen Historischen Museums), Bern 2023.
Heege/Spycher 2025
Andreas Heege/Alfred Spycher, Ein Kachelofen aus Schloss Oberhofen – Wer ist «ASP»?, in: Keramikfreunde der Schweiz, Revue 140, 2025, 103-126.
Staehelin 1947
Walter A. Staehelin, Keramische Forschungen in bernischen Archiven, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, 1947, Heft 9, 101-118.
Staehelin 1969
Walter A. Staehelin, Keramische Forschungen aus bernischen Archiven III: Von den Dittlinger Öfen zu den Frischingschen Öfen, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 79, 1969, 3-7.