Andreas Heege 2020
Das Chrutmuster (Kraut- bzw. Pflanzenmuster) ist ein bernischer Begriff für eine charakteristische Keramikdekoration der Region Heimberg-Steffisburg, die in der lokalen Technik des bernischen Malhorn- und Ritzdekors wurzelt. Dieses Muster wurde auf der Basis von lokalen Blumendekoren (Tulpenmustern) ab etwa 1850 entwickelt, wobei wir keine Kenntnis haben, welche Hafnereien an dieser Umgestaltung exakt beteiligt waren.
Katalog Wanzenried 1885, Taf. 6, Stiftung Schlossmuseum Thun, Inv. 4507.
Das Muster war um 1870/1873 bereits voll entwickelt (vgl. Katalog Wanzenried 1885, Taf. 6 Nr. 98 mit Datierung 1873) und wurde von den Produzenten, d. h. den Heimberger Hafnern, in den Kontext der jüngeren «Thuner Majolika» integriert.
Älteste eindeutig datierte Keramiken mit dem Chrutmuster stammen von der Pariser Weltausstellung 1878 (V&A Inv. 736-1878), jedoch war wohl auch schon das zwischen 1870 und 1875 gefertigte sog. «Pariser Geschirr» mit diesem Dekor verziert (vgl. SNM LM-74294), der im Täglichen Anzeiger für Thun (TAT Bd. 3, No. 63) vom 15. März 1879 als «Chrutdecoration» erstmals auch schriftlich in Erscheinung tritt.
Alle Werkstätten, die in der Schweiz die Thuner Majolika kopierten, kopierten auch das Chrutmuster.
Keramik mit dem Chrutmuster aus dem Musée Ariana in Genf, verschiedene Hersteller.
Herstellung von Keramik, u.a. mit dem Chrutmuster in der Firma Emil Loder/Adolf Schweizer, Steffisburg (1918-1924).
Chrustmuster, Werkstattfoto Loder/Schweizer, 1918-1924.
Erstaunlicherweise überlebte das Muster das Ende der Thuner Majolika nach 1914 und wurde noch bis in ans Ende des 20. Jahrhunderts, jetzt als Muster «Alt-Thun», von zahlreichen Hafnern des Kantons Bern gefertigt (z.B. MAG AR 2012-56-1 bis MAG AR 2012-56-23; Heege/Kistler 2017b, 489–500, Fig. 168).
Frz.: Motif aux hiboux
Engl.: Chrutmuster – herbal or plant pattern
Bibliographie:
Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, 17e-19e siècles – Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.-19. Jahrhundert – Die Sammlung des Musée Ariana, Genf, Mailand 2017.