Colovrex GE und Ferney-Voltaire (Ain, F), die Töpfereien Knecht

Die Keramik der Töpferei Knecht in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

Im Jahr 1822 kam Henry-Arnold Knecht (1802-1878), aus Wald (ZH), als Arbeiter in die Töpferei Braissant in Ferney-Voltaire. Nach der Heirat mit der Tochter des Besitzers, wurde er 1827 dessen Nachfolger (Clément 2000, 77). 1855 erhielt er von den Genfer Behörden eine Niederlassungsbewilligung, die es ihm erlaubte, auf Genfer Territorium eine Zweigniederlassung zu gründen. Sein Sohn Lucien (1837-1890) liess sich in Colovrex nieder, 1872 wurde er Genfer Bürger (Clément 2000, 79). Er übernahm im Jahr 1878 die Leitung der beiden Werkstätten nach dem Tod seines Vaters. Im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) ist Lucien erst am 28. März 1883 als Leiter der Firma «L. Knecht à Colovrex-Bellevue» eingetragen (Bd. 1, 1883, 496), vermutlich weil vor diesem Datum die Genfer Niederlassung als Filiale von Ferney-Voltaire galt.

Im Dezember 1890, einen Tag nach Luciens Tod, schloss sich seine Witwe Marie-Jeanne, geb. Dailledouze (gestorben 1905), mit ihren drei Söhnen Arnold (1862-1921), Stanislas (1863-1941) und Louis (1870-1952) zu einer Kollektivgesellschaft unter dem Namen «Veuve Knecht & ses fils» zusammen. Das Unternehmen hatte seinen Sitz in Colovrex mit einer Niederlassung in Ferney. Das Tätigkeitsfeld umfasste «Keramik und Ofenbau, Drainagerohre und Ziegel» (SHAB, Bd. 9, 1891, 459).

Dieses Unternehmen wurde 1905, nach dem Tod von Marie-Jeanne, aufgelöst, und ihre drei Söhne gründeten eine neue Firma unter dem Namen «Knecht frères». Louis hatte seinen Wohnsitz in Colovrex, Stanislas und Arnold in Ferney (SHAB Bd. 23, 1905, 222). Arnold zog sich 1914 aus dem Geschäft zurück (SHAB, Bd. 32, 1914, 597).

Ab dem 31. Dezember 1926 gingen die beiden Filialen eigene Wege, zumindest in rechtlicher Hinsicht: Der Firmenname «Knecht frères» wurde gelöscht. Stanislas (oder sein Sohn Robert? – siehe Clément 2000, 79) übernahm Ferney und Louis übernahm Colovrex, unter dem Namen «Louis Knecht», Herstellung von «Gebrauchskeramik aller Art, Baukeramik, Schornsteinröhren, Schornsteinkappen und Abflussrohren» (SHAB, Bd. 45, 1927, 211).

Das Genfer Unternehmen ging 1954 in die Hände von Georges Knecht (1906-1982) über (SHAB, Bd. 72, 1954, 2456). Dieser hielt die Produktion praktisch bis zu seinem Tod aufrecht, der Firmenname wurde im Mai 1983 von Amtes wegen gelöscht, «nach Tod und Einstellung des Betriebs» (SHAB, Bd. 101, 1983, 1818).

Was die Werkstatt in Ferney betraf, so wurde sie in den letzten Jahren ihres Bestehens von Robert Knecht (1897-1951), dann von seiner Witwe geführt. Der Betrieb schloss 1958 seine Pforten (Clément 2000, 79).

Die französischen und schweizerischen Werkstätten der Familie Knecht produzierten weitgehend die gleichen Typen – hauptsächlich als engobierte und glasierte Irdenwaren.

Die Familie Knecht aus Colovrex vermarktete ihre Produkte in einem weiten Umkreis, ihr Absatzmarkt reichte von der Genfer Region bis zum Neuenburger Jura und sogar bis in den Kanton Solothurn (nach aktuellem Stand unserer Recherche). Zu den charakteristischsten Gefässtypen aus dem Ende des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören die «Willkommenskannen» oder vaterländischen Kannen mit applizierten Weinblättern als Auflagendekor und Wappen der Kantone Waadt, Neuenburg und Bern (MHL 0170 MH); MLS 240001; MHPN MH-2015-9; MHPN MH-2015-8; MHPN MH-1998-113; MHPN MH-2014-10; MHPN MH-FA-10018A; MHPN MH-2015-187; MHPN MH-1998-299; MHPN MH-2012-64; MVVE 2411; MVVE 2355).

Das Musée historique et des porcelaines in Nyon bewahrt die einzigen beiden bisher bekannten gemarkten Beispiele: eines mit der gestempelten Blindmarke «Lucien Knecht – Colovrex-Bellevue Genève» (MHPN MH-2015-9), datiert 1893, das andere mit der Marke «Knecht Frères – Colovrex-Bellevue Genève» (MHPN 2014-10), datiert 1905. Die Blindmarke der ersten Kanne würde eher dafür sprechen, dass Luciens Witwe sein Zeichen nach seinem Tod 1890 weiter benutzte. Einige Exemplare des gleichen Typs werden der Werkstatt von Ferney zugeschrieben (Ferney-Voltaire 1984, 294 und 297; Clément 2000, 83).

Ein zweiter Gefässtyp, der zur gleichen Zeit und im gleichen Verbreitungsgebiet sehr beliebt war, ist der zylindrische Milchtopf mit verdicktem und gekehltem Rand und schematischen Verzierungen mit floralen oder geometrischen Motiven (MRVT Nr. 67; MRVT Nr. 68; MRVT BR 4a; MRVT BR 4; MPA 914; MPA Bv 4; MPA Bv 15; MPA Bv 12; MPA Bv 5; MWH H 2523; MWH H 2563; MVVE ; MVB Nr. 1; MPE Nr. 8).

Solche Töpfe sind in Colovrex bis Mitte der 1950er-Jahre bezeugt (De Freire de Andrade und de Chastonay 1956, Abb. 5). Die Sammlung von Georges Amoudruz im Musée d’ethnographie in Genf enthält eine grosse Anzahl von Beispielen, die meisten davon werden Colovrex zugeschrieben. In der gleichen Sammlung befinden sich mehrere Gedenkkrüge der gleichen Form mit Daten zwischen 1914 und 1967 (ETHEU 103619 und ETHEU 103569 beispielsweise).

Gefässe desselben oder eines sehr ähnlichen Typs sind jedoch in vielen anderen Töpfereien bezeugt, vor allem in Renens (VD – MRVT Nr. 26) oder im benachbarten Frankreich (Savoie, Ain – siehe z.B. Lahaussois und Pannequin 1996, 82; Sèvres 1999, 122-126; Clément 2000, 80-81; Dufournet 1979, Abb. 5-9, 16, 17-19, 22). Es sei darauf hingewiesen, dass französische Töpfer diesen Gefässtyp als «Jura-Topf» bezeichneten (Dufournet 1979, 298).

Der Anteil der Hafner Knecht an dieser enormen Anzahl von Gefässen ist kaum identifizierbar, da kein Exemplar, zumindest nach heutigem Kenntnisstand, sicher ihre Handschrift trägt. Gleiches gilt für die Fülle des meist undekorierten Gebrauchsgeschirrs, wie es in der gesamten Westschweiz gefunden wurde (z.B. MM 1014; MM 920; MPE 2938; MHL AA.VL 90 C 690; MVB 380B; MVM M 203). Alle diese Formen wurden sehr wohl von den Knechts hergestellt (siehe eine Preisliste der Firma Knecht für Ferney und Colovrex, mit Zeichnungen der Formen, spätes 19. bis frühes 20: Clément 2000, 82), aber nicht nur von ihnen! In solchen Fällen haben wir auf eine spezifische Zuordnung verzichtet und den Oberbegriff «Keramik aus dem Genferseegebiet» verwendet.

Siehe «Région lémanique, les poteries engobées (Ende 19. bis 20. Jahrhundert)».

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie :

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, Ceramica CH. Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950, t. I: Neuchâtel. Sulgen 2013, 202.

Clément 2000
Alain Clément, La poterie de Ferney: deux siècles d’artisanat. Yens-sur-Morges/Saint-Gingolph 2000.

De Freire de Andrade et de Chastonay 1956
Nadège de Freire de Andrade et de Philibert Chastonay, La dernière poterie rustique genevoise. Archives suisses d’anthropologie générale, XXI, 1956, 8-141.

Dufournet 1979
Paul Dufournet, Les ateliers frères de poterie de Vanzy (Haute-Savoie) et de Vanchy (Ain). In: Le Monde alpin rhodanien. Revue régional d’ethnologie 1-4. Artisanat et métiers de tradition, 281-316.

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Lahaussois et Pannequin 1996
Christine Lahaussois et Béatrice Pannequin, Terres vernissées, sources et traditions. Paris 1996.

Sèvres 1999
L’art de la terre vernissée, du Moyen Age à l’an 2000, cat. d’exposition, Sèvres/Arras, Musée national de céramique/Musée des beaux-arts. Paris 1999.