Davos, Heimatmuseum (HMD)

Heimatmuseum Davos
Museumstr. 1
CH-7260 Davos Dorf
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Keramik des Heimatmuseums Davos in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2021

Das Heimatmuseum Davos zeichnet die Entwicklung des einstigen Bauerndorfs Davos zum heutigen Tourismus- und Kongressort nach. Die reichhaltige Sammlung besteht aus Objekten der Sparten Brauchtum, Handwerk und Alltagsleben sowie aus historischen Dokumenten. Das Heimatmuseum befindet sich im Grossen Jenatschhaus, das im 16. Jahrhundert für die Familie Beeli erbaut und von Paul Jenatsch (1629-1676), dem Sohn des Bündner Politikers und Söldnerführers Jörg Jenatsch (1596-1639), zu einem repräsentativen Bürgerhaus umgebaut wurde (Pfister 1982). Das Heimatmuseum wird von einem 1935 gegründeten Verein getragen. Das heutige Museumsgebäude konnte 1942 bezogen werden.

Die Keramik des Heimatmuseums Davos umfasst 343 Objekte, von denen 131 im Grossraum Davos zusammengetragen wurden. Die Sammlung spiegelt wie die des Museum Engiadinais in St. Moritz oder des Nutli Hüschi in Klosters, was bei einem Sammlungsbeginn vor dem 2. Weltkrieg aus familiärem Besitz oder dem Antiquitätenhandel noch alles zusammengetragen werden konnte. Die Zusammensetzung der Sammlung unterscheidet sich daher von der der späteren Museumsneugründungen aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Leider ist das alte Museumsinventar wenig aussagekräftig, sodass wir nur selten eine Vorstellung davon haben, aus welchen sozialen Schichten des Ortes die Objekte stammen. Klar ist jedoch, dass Keramiken aus den seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden Pensionen, Sanatorien, Kurhäusern und Hotels nicht vorhanden sind. Die grosse Zeit von Thomas Manns Zauberberg findet in der keramischen Sammlung des Museums keinen Widerhall (vgl. zur Epoche Hess 2021; Bergamin 2013). Dagegen ist das Thema der Bündner Auswanderer und Zuckerbäcker über Keramikobjekte greifbar (zum Thema vgl. Bühler 1985; Michael-Caflisch 2014; Kaiser 1988).

212 Keramiken stammen von der Davoserin Lilly Hohl-Frei, die zu ihren Lebzeiten eine grosse Sammlung an Nachttöpfen, Waschgeschirren und Kaffeebechern auf den Flohmärkten Europas zusammentrug. Nur wenige Stücke stammen auch aus Davoser Hotels. Die Sammlung wurde im Jahr 2003 der Öffentlichkeit im Museum präsentiert (Schmutz 2003). Nach ihrem Tod schenkten die Erben die Sammlung dem Museum (Kaiser 2015). Aufgenommen wurden in CERAMICA CH nur Waschgeschirre und Nachttöpfe, die über ihre Marken auch einem Hersteller zugewiesen werden konnten.

Insgesamt umfasst die dokumentierte Sammlung 30 Objekte aus Irdenware, 21 Keramiken mit Fayenceglasur, 208 Stücke aus Steingut, 5 Töpfe aus Steinzeug und 78 Objekte aus Porzellan und 1 Stück aus Weichporzellan.

Das Heimatmuseum in Davos besitzt nicht nur einen der seltenen Kachelöfen von Christian Lötscher aus St. Antönien, sondern im Sammlungsbestand auch einen Färbetopf (s.o.), einen Milchtopf und zwei sehr schöne Schüsseln. Alle Stücke wurden 2019 umfassend wissenschaftlich bearbeitet (Heege 2019).

Weitere Irdenwaren aus Graubünden sind mit zwei Doppelknauftöpfen belegt, die sich erkennbar an denen von Christian Lötscher orientieren,  jedoch in einer anderen, unbekannten Werkstatt hergestellt worden sein dürften.

Bei einer kleinen Kanne mit grüner Glasur steht das Schild: „Stammt aus der Töpferei Schmelzboden, die in den damaligen Bergwerksgebäuden eigerichtet war.“ Dies suggeriert eine Herstellung in Davos, was jedoch durch weitere Inventarinformationen leider nicht erhärtet werden kann (zur Töpferei in und um Davos siehe Fümm 1912). Sollte die Information zutreffen, würde es sich um das erste und einzige bekannte Objekt dieser Töpferei handeln.

 

Irdenwaren aus der Region Berneck SG sind mit einem kleinen charakteristischen Spektrum in der Sammlung vertreten, wobei besonders das seltene Sieb hervorzuheben ist.

Zwei Näpfe und eine Ohrenschale dürften aufgrund ihrer gelbgrünen Dekorfarbe bzw. des Schwämmeldekors mit Musterschwamm irgendwo in der Deutschschweiz im frühen 20. Jahrhundert entstanden sein.

Schwach gelblich glasierte Irdenware aus der Region des Genfersees bzw. Savoyens ist ebenfalls mit einer Schüssel und einem Milchtopf vertreten. Diese Ware scheint erst nach 1900 in Graubünden allmählich auf den Markt zu kommen. Ihre Verbreitung setzt wohl die Eisenbahn als preiswertes Transportmittel voraus.

Manganglasiertes Geschirr aus den Keramikfabriken der Deutschschweiz darf selbstverständlich ebenfalls nicht fehlen. Es kommen die üblichen Terrinen, Schüsseln und Kannen vor, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Graubünden gängig sind.

Eine Gugelhupfform dürfte nach der hellen Farbe des Scherbens und der orangeroten Grundengobe im Inneren aus Soufflenheim im Elsass stammen (Demay 2003, 4-23).

Zwischen 1917 und 1930 wurde in Zürich-Wiedikon, bei Bodmer & Co., die vorliegende Vase gefertigt (Bodmer-Huber/Messerli-Bolliger 1986, Taf. 19, 54; 21,5; 25,65; 47,112). Es handelt sich um das einzige Stück dieser Art, das in Graubünden erfasst werden konnte. Insgesamt scheinen die Produkte der Kunstgewerbeabteilung dieser Zürcherischen Keramikfabrik nur sehr selten erhalten geblieben zu sein.

Eine schöne Jugenstilvase mit weissen Flamingoblüten trägt leider keine Herstellermarke und es ist unbekannt, wie sie ins Museum kam. Möglicherweise wurde diese bunt bemalte „Majolikavase“ in Böhmen, im ehemaligen Österreich-Ungarn, hergestellt.

Bei der Fayence sind französische, italienische und schweizerische Provenienzen zu unterscheiden.

Ein schöner Teller aus Rambervillers stammt angeblich aus Besitz von Bündner Zuckerbäckern, die im 19. Jahrhundert in St. Petersburg lebten und später wieder in die Heimat zurückwanderten. Er wurde zwischen 1820 und 1840 gefertigt.

 

Die norditalienischen Fayencen (Piemont, Lombardei) des späten 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprechen dem, was man in Graubünden erwarten kann. Wie schon in den übrigen Museen, dominieren die farbig bemalten tiefen Schüsseln.

Daneben gibt es aber, wie im Museum Engiadinais in St. Moritz auch, einen flachen Teller und einen Boccalino.

Das Spektrum biedermeierlicher Fayencen aus Kilchberg-Schooren ZH ist variantenreich vorhanden. Es belegt das grosse Absatzgebiet der Manufakturen vom Zürichsee zumindest im 19. Jahrhundert.

Die beliebten Spruchteller sind mit vielfältigen Variationen vorhanden.

Ungewöhnlich sind zwei Teller mit Schuppenrand, bei denen manganviolett auf eine blassgrüne Fayenceglasur gemalt wurde.

Steingut ist mit verschiedenen Herstellern vorhanden. Mindestens drei Stücke des 19. Jahrhunderts stammen aus schweizerischer Produktion, aus Nyon (Manufaktur Robillard & Cie, Manufacture de poteries fines de Nyon S. A.) und aus der Manufaktur von Johannes Scheller in Kilchberg-Schooren.

Beim Geschirr mit oder ohne Umdruckdekor dominieren jedoch die Produkte aus dem württembergischen Schramberg.

Es gibt auch zahlreiche bemalte Spruchteller. Im Gegensatz zu den Produkten aus Kilchberg-Schooren oder Zell am Harmersbach sind die Schramberger Produkte sehr regelmässig gemarkt und damit gut identifizierbar.

 

Steingut aus Zell am Harmersbach kann wegen fehlender Marken oft nur unsicher zugewiesen werden. Diese Art der Blumenmalerei in Kombination mit schablonierten Sprüchen, findet sich auch in Kilchberg-Schooren und Schramberg.

Weitere Steingutobjekte sind wohl etwas jünger (spätes 19. / frühes 20. Jahrhundert) und wurden in grossen Keramikfabriken in Deutschland und in Frankreich gefertigt.

Überraschenderweise fand sich auch in Davos ein Milchkännchen des späten 19. Jahrhunderts aus der Manufaktur von Johann Muck in Znaim-Leska in Mähren (heute Znojmo, Tschechien).

Porzellan war im 18. und frühen 19. Jahrhundert zunächst sehr teuer und gelangte daher nur in reiche Haushalte der bürgerlichen Oberschichten der Schweiz. Es wäre daher eine sehr spannende Frage gewesen, aus welchem Haushalt in Davos drei identische Koppchen und Untertassen aus der italienischen Porzellanmanufaktur von Baccin-Antonibon in Nove (um 1770-1780) ursprünglich stammen. Leider gibt das Inventar dazu keine Auskunft.

Beim Porzellan gibt es verschiedene Servicereste. Hierzu gehört unter anderem ein sehr typisches aus der Zeit um 1900 von der Firma Bauer, Rosenthal & Co. aus Kronach in Bayern.

Ausserdem gibt es ein grösseres Service aus der Produktion von Langenthal BE. Es besteht aus Stücken, die nach den rückseitigen Stempelmarken zwischen 1927 und 1931 gefertigt und dann einheitlich dekoriert wurden.

Vor der Gründung der Langenthaler Porzellanfabrik wurde preiswertes Porzellangeschirr in Graubünden meist aus dem Deutschen Kaiserreich, aus Schlesien, eigeführt, wobei die Firmen von Carl Tielsch in Altwasser und Krister-Porzellan in Waldenburg dominieren.

Verschiedene Porzellangegenständen gehören in den Kontext ausgewanderter bündner Zuckerbäcker. 1873 erhielt der Konditor Johann Valär aus Davos anlässlich seiner Silberhochzeit eine Kaffeeservice als Ehrengeschenk der Zuckerbäcker-Innung der Stadt Leipzig. Das von Valär in Leipzig gegründete «Cafe Helvetia» existierte bis 1964.

Aus Besitz des Bündner Kochs Georg Accola (1817-1905), der eine Zeit lang in St. Petersburg arbeitete und bei seiner Rückkehr seine Angehörigen mit Porzellan beschenkte, stammen zwei Tassen, die wahrscheinlich in Russland gefertigt wurden.

Aus dem Besitz von Bündner Zuckerbäckern, die im 19. Jahrhundert in St. Petersburg lebten und später wieder in die Heimat zurückwanderten, stammen weitere Porzellane, die einerseits in Russland und andererseits in Frankreich gefertigt wurden.

Die Sammlung von Lilly Hohl-Frei aus Davos umfasst drei unterschiedliche Themen: Kaffeetassen der Zeit um 1900 mit Sprüchen und Wünschen, Kaffeebecher desselben Zeithorizontes und Nachtöpfe bzw. Waschgeschirrsets aus der Zeit zwischen etwa 1875 und 1930. Der Sammlungsumfang ist viel zu gross, als dass er hier adäquat vorgestellt werden könnte. Stellvertretend seien einige Beispiele präsentiert.

Die meisten Kaffeebecher sind ungemarkt. Nur zwei Exemplare lassen sich eindeutig Karl Tielsch in Altwasser bzw. der Porzellanfabrik im hessischen Wächtersbach zuordnen. Wir müssen wohl davon ausgehen, dass zahlreiche Firmen solche Becher auch als Weissware fertigten, die dann erst im jeweiligen Absatzland dekoriert wurden. Villeroy & Boch verzeichnet solche Becher unter Nr. 64 und 65 in seiner Preisliste von 1901 für Schramberg. Es gab sie „weiss, einfach bemalt, bedruckt, mit Farbfilet, Farbband, Goldfilet und Golddevise“. letztere waren die teuersten Becher.

In der Nachttopf- und Waschgeschirr-Sammlung sind nur wenige schweizerische Produkte enthalten, u.a. aus der Ziegler’schen Tonwarenfabrik in Schaffhausen und aus der Steingutfabrik Niederweiler AG in Möhlin (bei Rheinfelden) im Kanton Aargau.

Hervorzuheben ist ein Waschgeschirrset der Firma Degrange & Cie bzw. Clément Coppier & Cie in Carouge aus der Zeit um 1904. Unklar bleibt, warum ein Muster mit Pflanzen und Vögeln den Musternamen „Eiger“ erhält.

Waschgeschirrsets aus Deutschland, Frankreich, Italien und den USA. Wer es sich um 1900 leisten konnte, kaufte ein einheitlich gestaltetes und dekoriertes Set aus Nachttopf, Waschbecken, Waschkanne, Zahnbürstendose und Seifendose.

Dank

Für die gastfreundliche Aufnahme sowie die herzliche und interessierte Begleitung der Keramikdokumentation bin ich Marianne und Peter Dalbert zu grossem Dank verpflichtet.

Bibliographie: 

Bergamin 2013
Klaus Bergamin, Davos von 1860-1950. Zeit des Krankseins-Zeit des Gesundens, Davos 2013.

Bodmer-Huber/Messerli-Bolliger 1986
Ernst Bodmer-Huber/Barbara E. Messerli-Bolliger, Die Tonwarenfabrik Bodmer in Zürich-Wiedikon Geschichte, Produktion, Firmeninhaber, Entwerfer, in: Keramikfreunde der Schweiz, Mitteilungsblatt, 101. Jahrgang, 1986, 1-60.

Bühler 1985
Roman Bühler, Schweizer im Zarenreich : zur Geschichte der Auswanderung nach Russland (Beiträge zur Geschichte der Russlandschweizer 1), Zürich 1985.

Fümm 1912
Simon Fümm, Über das Erwerbsleben in Davos in früherer Zeit. Mit besonderer Berücksichtigung der Töpferei, in: Jahresbericht der gewerblichen Fortbildungsschule Davos, 1912, 27-35.

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.

Hess 2021
Daniel Hess, Europa auf Kur. Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der Mythos Davos : Begleitband zur Ausstellung im Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg und im Kirchner Museum Davos.  Nürnberg 2021.

Kaiser 1988
Dolf Kaiser, Bündner Zuckerbäcker in der Fremde und ihre Alterssitze in der Heimat. Ein umfassender Ueberblick mit Bildern, Karten und Dokumenten aus drei Jahrhunderten : [Ausstellung, Chesa Planta Zuoz, 28. Juli – 18. August 1988], Zuoz 1988.

Kaiser 2015
Thomas Kaiser, Von der Lust und der Last des Sammelns, in: Davoser Revue 90, 2015, Heft 3, 30-33.

Michael-Caflisch 2014
Peter Michael-Caflisch, Die vorzüglichsten Zuckerbäcker auf der ganzen Erde kommen aus Graubünden, in: Schweizerische Gesellschaft für Familienforschung (SGFF), Jahrbuch, 2014, 233-299.

Pfister 1982
Max Pfister, Grosses Jenatschhaus in Davos – Heimatmuseum der Landschaft Davos (Schweizerische Kunstführer 310), Bern 1982.

Schmutz 2003
Christine Schmutz, Liebe und Leidenschaft um ein Tabu, in: Davoser Revue 78, 2003, Heft 2, 31-39.