Grüsch, Heimatmuseum Prättigau (HMP)

Kulturhaus Rosengarten
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Keramik des HMP in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2021

Das Heimatmuseum Prättigau präsentiert seit 1980 im Kulturhaus Rosengarten Grüsch eine Dauerausstellung zur Talkultur und richtet regelmässig Sonderausstellungen zu Themen aus, die in Verbindung mit dem Tal stehen.  Das Museum arbeitet eng mit dem Kulturarchiv Prättigau zusammen, das ebenfalls im Kulturhaus Rosengarten untergebracht ist. Das Museum wird von einem Verein getragen. Das Prättigauer Heimatmuseum sammelt vor allem Objekte, die mit der Geschichte und Eigenart des Tales und seiner BewohnerInnen verknüpft sind.

Die Museumssammlung beinhaltet 72 Datensätze Keramik. Bei 37 Keramiken handelt es sich um die Sammlung von Peter Baumann aus Zürich, der in Davos-Monstein eine Ferienwohnung besass und mit Begeisterung Keramik aus Graubünden sammelte, die ihm von den lokalen Antiquitätenhändlern mehrheitlich als „Lötscher-Keramik“ aus St. Antönien verkauft wurde. Heute wissen wir aufgrund einer umfassenden Aufarbeitung des Themas (Heege 2019), dass das nur in wenigen Fällen zutrifft. Die bündnerische Keramiklandschaft wird abgesehen von der Keramik aus St. Antönien von zahlreichen Importen ganz unterschiedlicher Herkunft geprägt. 1992 kaufte der Vorstand des Heimatmuseums Prättigau die Sammlung von Peter Baumann, die aufgrund des lokalen Ankaufs aus dem Antiquitätenhandel gleichwohl schlaglichtartig die Keramiklandschaft im Prättigau erhellt und damit eine erhebliche kulturhistorische Bedeutung hat.

Der Anteil der Irdenwaren an der Sammlung ist mit 49 Datensätzen besonders hoch.  Darunter befinden sich auch drei Objekte aus der Töpferei Lötscher in St. Antönien. Aus der Hand von Andrea Lötscher d. Ä. stammt ein Teller.

Aus Christian Lötschers Werkstatt liegen der Steckdeckel eines Farbtopfes und ein besonders schöner Aktenbeschwerer in Löwenform vor.

Die grösste Gruppe der Irdenware bilden die Keramiken aus Berneck SG, die auch ansonsten in Graubünden weit verbreitet sind. Es handelt sich um die typischen Formen: Henkeltöpfe (Milchtöpfe), Rösti-Platten (in Graubünden vielleicht eher Maluns-Schüsseln?) und Schüsseln.

  

Bei den Milchtöpfen und bei den Schüsseln begegnen auch Exemplare mit Farbkörper in der Grundengobe, wie sie für das ganze 19. Jh.  in der Deutschschweiz, in Liechtenstein und Vorarlberg typisch sind.

Sonstiges Tafel- oder Kaffeegeschirr aus Berneck ist selten vertreten.

Eher ungewöhnlich ist die Spardose in Form eines liegenden Widders.

Singulär sind ein Rasierbecken, das mit einem Spruch geziert ist und eine Wandvase, eine Form, die man sonst eigentlich aus Fayence kennt.

Spruch: „Dieser Mann ist Lobenswert, der seinen Bart selber scherd 1864“.

Manganglasiertes Geschirr, das in den übrigen Bündner Museen regelhaft mit grösseren Mengen vertreten ist, fehlt in der Museumssammlung weitgehend. Die wenigen vorhandenen Stapelschüsseln und eine Schüssel mit dekoriertem Rand sind alle ungemarkt, sodass für diese Ware der oder die Herstellungsorte in der Deutschschweiz unbekannt bleiben.

Zwei weitere Herkunftsregionen sind, wie sonst auch in Graubünden, ebenfalls vorhanden:

Hellscherbige, glasierte Keramik aus der Region Augsburg (19. Jh.) und Keramik mit auffälliger, meist gelber Glasur und charakteristischen Formen aus der Genferseeregion (spätes 19. und 20. Jh.).

Industriell gefertigte Irdenwaren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind ebenfalls vorhanden. Es sind dies die typischen dickrandigen Kragenrandschüsseln, Teigschüsseln, Henkeltöpfe (auch mit Schablonen- oder Spritzdekor) und die Entrahmer der Landert-Keramik aus Embrach. Im Gegensatz zu diesen, sind die übrigen Stücke regelhaft ohne Marke.

Bei der Fayence gibt es nur drei Schüsseln, die aber für Graubünden absolut charakteristisch sind und sich dort zwischen dem 18. und späten 19. Jahrhundert auch archäologisch belegen lassen (Schiers, S-chanf). Sie dürften im späten 18. und frühen 19. Jh. in Norditalien gefertigt worden sein. Leider ist nicht wirklich klar, ob nur an einem oder mehreren Produktionsorten (u. a. Pavia und Lodi?).  Umfangreichere Sammlungen dieser Schüsseln besitzen das Rätische Museum und das Museum Engiadinais in St. Moritz (RMC H1972.803, H1974.41, H2016.553, ME-STM 0362, ME-STM 0364, ME-STM 0365, ME-STM 3363). Aber auch in verschiedenen Privatsammlungen in Graubünden sind diese auffälligen und schönen Schüsseln vorhanden.

Der Bestand an importiertem Steinzeug aus Deutschland bzw. dem französischen Elsass entspricht den Erwartungen. Neben einem üblichen Doppelhenkeltopf (Vorratstopf  für Schmalz oder Sauerkraut) befinden sich in der Sammlung unterschiedlich grosse, zylindrische Flaschen, die gerne mit auf Feld genommen wurden oder der Schnapslagerung dienten. Eine Flasche weist schon den modernen, kurz vor 1900 erfundenen Bügelverschluss mit Porzellanstopfen auf.

Erfreulich ist die Existenz von zwei typischen, vierfüssigen Essigfässchen aus dem 19. Jahrhundert. Sie belegen, dass der Absatz dieses für den schweizerischen und süddeutschen Keramikmarkt produzierten Keramiktyps auch bis ins Prättigau hineinreichte (vgl. bisher:  Heege 2013 und Heege 2016, 300-309). Solche Fässchen dienten der häuslichen Essigbereitung aus Weinresten oder aus Apfelsaft. Die Fässchen standen normalerweise auf dem Kachelofen und waren mit einem Korken verschlossen.

Aus dem Haus zum Rosengarten selbst stammt eine einzige Steinzeug-Heilwasserflasche des Brunnens von Niederselters (Marktführer und Hauptlieferant für die Schweiz). Sie stammt aus preussischer Zeit und wurde mit der Mineralwasserflaschenpresse teilmechanisiert hergestellt. Die Flaschenpresse wurde 1879 erfunden.

Steingut und Porzellan sind nur mit wenigen Stücken vorhanden. Hierbei handelt es sich wie so oft mehrheitlich um medizinische Keramik, Apothekenbedarf oder Hygienekeramik (Nachttöpfe, Seifen- und Bürstenschalen aus Saargemünd bzw. Wallerfangen).

Ungewöhnlich ist ein Urinal aus der Produktion von Villeroy & Boch in Schramberg (1883-1912).

Tafelgeschirr wird nur durch eine unverzierte Tasse aus dem deutschen Zell am Harmersbach repräsentiert.

Den touristischen Sektor deckt eine einzige, leider ungemarkte Souvenirtasse aus Porzellan ab. Sie trägt auf der Vorderseite die Ansicht der Kirche von Serneus.

Dank

Die CERAMICA-Stiftung dankt Hansluzi Kessler (Vereinsvorsitzender Heimatmuseum Prättigau), Schiers, und dem Stiftungspräsidenten des Kulturhauses Rosengarten, Hans Sprecher, herzlich für die freundliche und hilfsbereite Unterstützung der Inventarisationsarbeiten.

Bibliographie:

Heege 2013
Andreas Heege, Essigsäuli-Essigfässchen-baril à vinaigre-vinaigrier. Eine elsässische Keramik-Sonderform aus Steinzeug „Westerwälder Art“, in: Harald Siebenmorgen, Blick nach Westen. Keramik in Baden und im Elsass. . 45. Internationales Symposium Keramikforschung Badisches Landesmuseum Karlsruhe 24.8.-28.8.2012, Karlsruhe 2013, 99-105.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.