Jegenstorf vom Flugzeug aus, 1939, Blick nach Nordosten.
Andreas Heege, Andreas Kistler, Alfred Spycher, 2025
Niklaus_Jegenstorf_genealogische Daten
Die ersten Hafner aus der Familie Niklaus scheinen in Jegenstorf ab dem späten 18. Jahrhundert tätig geworden zu sein. Es gab jedoch schon vorher mindestens zwei verschiedene Hafner am Ort, Abraham Reutlinger (1673-1741) und Rudolf Los[s]er, (Lebensdaten unbekannt, Aktivitätsnachweis 1749-1750, Boschetti-Maradi 2006, 210).
Der erste Hafner aus der Familie Niklaus, den wir kennen, ist Bendicht Niklaus (1738-1804). Den Beruf seines Vaters kennen wir nicht. Bendicht war zweimal verheiratet (9.1.1763, 20.12.1778). Mit der ersten Frau hatte er sieben Kinder, mit der zweiten Frau nur noch eines (siehe Stammbaum).
Jegenstorf Altgasse 1,5 Lage Hafnerei Jegenstorf Altgasse 1,5 Handänderungen GBJ
Zu einem unbekannten Zeitpunkt erwarb Bendicht Niklaus (1738-1804) verschiedene Liegenschaften und Äcker in Jegenstorf, die nach seinem Tod im Jahr 1805 zwischen der überlebenden Witwe und seinen überlebenden Kindern aus erster Ehe aufgeteilt wurden (GBJ_01_116-122; GBJ = Grundbuch Jegenstorf):
„1. Wohnhaus samt dabei liegender Hafnerhütte und Hofstatt ungefähr 2 Maad, dazu gehöre eine Schuposen Rechtsame. 2. der Bachtelen Acker auf dem Oberfeld zu Jegenstorf gelegen ca. 2 Jucharten. 3. der Bohlwinkel Acker ca. 2 Jucharten. Von diesem Haus samt Erdreich ist die einte Hälfte dem Bendicht [Bendicht Niklaus, 1774-1839] angeschlagen worden. Die zweite Hälfte dann samt der Hafnerhütte ist dem Sohn Niklaus [Niklaus Niklaus, 1764-1823] verschrieben worden. Bedingung: Bendicht hat das Recht die Hafnerhütte zu gebrauchen. 4. Noch ein Haus im Dorf samt Ofenhaus und Speicher nebst Garten. Darab wurde alljährlich ein Bodenzins entrichtet in den Spital nach Bern an Dinkel ein Meudt. Zu diesem Geschick gehöre eine Schupose Rechtsame. 5. Eine Beunde auf dem Eschpli ca. 3/4 Jucharte. 6. In der Ischenmat ca. 1/2 Maad. 7. der Neuholz Acker ca. 3/4 Jucharten. 8. der Münchringer Acker ca 3/4 Jucharten 9. der Krautmatt Acker ca. 3/4 Jucharten. Diese von Nr. 4 bis Nr. 9 sind dem jüngsten Sohn Jakob [1777-1832] angeschlagen.“
Hafnerhütte und Wohnhaus lassen sich aufgrund späterer Handänderungen als die heutige Altgasse 1 und 5 identifizieren. Beide Parzellen sind modern überbaut.
Zwischen 1780 und 1797 haben wir Hinweise auf „Ofenarbeiten“ von Bendicht Niklaus (1738-1804) in den bernischen Amtsrechnungen vor allem von Fraubrunnen. Dabei lässt sich nur 1780 belegen, dass er auch Kachelöfen, die 46 bzw. 32 Kronen kosteten, neu setzte (Utzenstorf, Landschreiberei und Kirchberg, Pfrundhaus). Zwischen 1786 und 1797 führte er ansonsten nur Ofenreparaturen in Fraubrunnen aus. Im Bürgerregister von 1798 wird er neben seinem ältesten Sohn Niklaus (1764-1823) als Hafner aufgeführt. Der jüngere Sohn Bendicht (1774-1839), war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet und führte daher wohl auch keine eigene Werkstatt. Als Bendicht Niklaus 1803 seinem Sohn Niklaus Niklaus eine halbe Juchart Ackerland auf dem Niederfeld zu Jegenstorf verkaufte, befand er sich vermutlich krankheitshalber im Inselspital in Bern (StAB Bez Fraubrunnen A, 216, 316-318). Er starb 1804.
Die folgende Generation bestand aus den zwei Hafnern Niklaus Niklaus (1764-1823) und Bendicht Niklaus (1774-1839) sowie dem jüngsten Sohn Jakob (1777-1832), der 1808 als „Kachelkrämer“ bezeichnet wird (KRJ_07_51), offenbar also mit Geschirr handelte oder hausierte. Mit der Erbteilung von 1805 (s.o., GBJ 01, 116-122) teilten sich die beiden Brüder Niklaus und Bendicht das Wohnhaus und die Hafnerhütte, Altgasse 1 und 5.
Niklaus heiratete am 28.9.1787 in Oberburg Barbara Müller (1766-1825). Mit Ihr bekam er drei Kinder (siehe Stammbaum). Bendicht Niklaus heiratete am 23.1.1801 in Oberburg Elisabeth Kunz (1778-1839). Das Paar bekam fünf Kinder, von denen keines Hafner wurde. 1802 kaufte Bendicht „Ohngefehr dreiviertel Jucharten Ackerland, der Niederfeld Acker auf dem Niederfeld“ von Jegenstorf für 156 Kronen, wofür sein Vater bürgte (StAB Bez Burgdorf B 682, 58-59). Von Bendicht erfahren wir sonst weiter nichts, ausser dass er im Dezember 1838 seinem Sohn Bendicht Niklaus (1806-?) seine Haushälfte und den übrigen Besitz inklusive Nutzung der Hafnerhütte verkaufte (GBJ_09_198-203). Bendicht Niklaus, Sohn, war Drechsler. Mit dem Tod von Bendicht Niklaus (1774-1839) erloschen die Hafneraktivitäten auf dem Grundstück Altgasse 1, 5, obwohl in den Handänderungen im Grundbuch noch bis 1893 von einem „Wohnstöcklein, früher Hafnerhütte, welches früher eine Hafnerwerkstatt war“ die Rede ist (GBJ 48, 294-308).
Das Leben von Bendichts Bruder Niklaus Niklaus (1764-1823) und seiner Familie verlief offenbar weniger ruhig. 1818 wurde Niklaus zum ersten Mal wegen Holzdiebstahls (Waldfrevel) im Gemeindewald gebüsst, nachdem der Bannwart Jakob Aeberhart ihn angezeigt hatte (StAB Bez Fraubr B 366_8_1818). 1821 musste er sich wegen ehrverletzender Schimpfworte gegen Aeberhart verantworten und entschuldigen (StAB Bez Fraubr B 367, 153).
Mit dem Tod von Niklaus Niklaus (1823) und seiner Ehefrau Barbara Müller (1825) kam es im April 1825 zu einer weiteren Erbteilung des Hafnergrundstücks Altgasse 1 und 5. Der Landarbeiter Johannes Niklaus (1791-1847, siehe Stammbaum) erhielt das halbe Hafnerhaus, der Hafner Niklaus Niklaus (1788-1852) vier Äcker (GBJ_04_235-239). Dies war möglich, weil Niklaus Niklaus (1718-1852) bereits am 30. Januar 1819 ein eigenes Heimwesen gekauft hatte: „ein Haus samt beiliegender Hofstatt und Garten, ungefähr zwei Maad. Dazu gehöre ein halbes Ofenhaus und ein halber Speicher, ferner eine Haus Schuposen Rechtsame. Kaufpreis: 2’100 Krone oder 7’000 Pfund Bernwährung“ (GBJ_03_87-89). Es handelt sich um die heutige Liegenschaft General-Guisanstrasse 12 (Jegenstorf Guisanstrasse 12 Daten aus GBJ).
Am 10. Juni 1819 erhielt er von Johann Rudolf von Stürler, Oberamtmann von Fraubrunnen, die Genehmigung, „vor das Tenn seines von Jakob Buri erkauften Hauses, gegen Abend, eine Hafnerhütte bauen lassen zu können“ (StAB Urbarien Fraubrunnen 21, 490).
Niklaus Niklaus hatte am 7. April 1809 in Jegenstorf Elisabeth Kunz (1786-1832), Heimatort Lyssach, geheiratet. Mit ihr bekam er sechs Kinder, u.a. den ältesten Sohn Niklaus Niklaus (1810-1879), der ebenfalls Hafner wurde (siehe Stammbaum).
1826 musste Niklaus Niklaus einen neuen Kredit über 1800 Bernkronen aufnehmen und setzte dafür als Pfand ein: „1. Ein neu erbautes, mit Ziegeln gedecktes Haus mit Scheuerwesen, unter Nr. 129 für Fr. 2’200 und mit dabei stehendem neuem Wohnstock mit Hafnerwerkstatt unter Nr. 130 für Fr. 600 brandversichert. inkl. Hofstatt und Garten ca. 2¾ Jucharten. 2.-6. Erdreich und eine Schuposen Rechtsame“ (GBJ 04, 325-328).
Im Februar 1835 verkaufte Niklaus Niklaus (1788-1852), nachdem er 1832 Witwer geworden war, die Hafnereiliegenschaft an seinen Sohn Niklaus Niklaus (1820-1879) (GBJ 07, 450-458). Die Gründe für diesen Verkauf sind nicht klar. Vermutlich arbeiteten der Vater und der zu diesem Zeitpunkt noch unverheiratete Sohn gemeinsam in der Werkstatt.
1836 verklagte der Sohn erfolgreich seinen Vater weil er unberechtigterweise einen Acker als Pfand für eine Schuld eingesetzt hatte (StAB Bez Fraubr B 371, 92).
Im Mai 1838 wurde Niklaus Niklaus zu einer Busse verurteilt, weil er in Grafenried den Regierungsagenten Zulauf beschimpft hatte (StAB Bez Fraubr B 372, 128). Im Mai 1840 wurde er auf Anzeige der Landjäger Schüppach und Feller erneut verurteilt, weil er einen Samuel Bischoff beschimpft hatte.
Am 30. November 1838 heiratete Niklaus Niklaus die Witwe Anna Barbara Eggimann verw. Ryser (1779-1855, Heimatort Dürrenroth). Offenbar war diese Ehe jedoch nicht glücklich, wie wir aus einem Gerichtsentscheid vom September 1843 erfahren. Die Jegenstorfer Vormundschaftsbehörde hatte Niklaus Niklaus offenbar bereits bald nach 1838 die Vermögensverwaltung entzogen, woraufhin er nicht mehr für die „Alimente“ seiner Frau aufkam oder aufkommen konnte. Da seine Frau auf die Rückzahlung ihres Weiberguts drängte, was Niklaus nicht leisten konnte oder wollte, sass er sechs Wochen in Fraubrunnen im Gefängnis, bevor er verurteilt wurde: „Durch einen förmlichen Eid auszuschwören das Gebiet der Republik Bern für so lange zu meiden bis er die Ansprecherin für die betriebene Summe und Kosten völlig unklaghaft gemacht haben wird.“ (StAB Bez Fraubr B 375, 96). Offenbar erhielt Anna Barbara Eggimann die ihr zustehenden Gelder, woraufhin am 18. März 1844 Niklaus Niklaus, der zu diesem Zeitpunkt immer noch als „Hafner von und zu Jegenstorf“ bezeichnet wurde, jedoch den „Geldstag anrufen“ musste (StAB Bez Fraubr B 375, 190).
1852 erfahren wir schliesslich vom tragischen Tod des Hafners. Er wurde am 3. November von der Postkutsche, dem Basler Eilwagen, überfahren, der aber offenbar nach dem Unfall gar nicht anhielt, sondern einfach weiterfuhr (lag der Hafner betrunken auf der Strasse und schlief seinen Rausch aus?). Der Vorfall wurde der Justiz- und Polizeidirektion in Bern übergeben, ohne das wir weiteres dazu lesen können (Emmenthaler Bote, Nummer 91, 11. November 1852).
Niklaus Niklaus (1810-1879), der Sohn, ebenfalls Hafner, heiratete am 3. Mai 1839 eine Anna Witschi (1819-1866, Heimatort Jegenstorf). Das Paar bekam 4 Kinder (siehe Stammbaum). Der Sohn Niklaus Niklaus (1843-1902) wurde nicht mehr Hafner. Auch in der Lebenszeit von Niklaus Niklaus ging es offenbar rauh zu, denn im Juni 1845 wurde er ebenfalls wegen ehrverletzender Beschimpfungen verurteilt (StAB Bez Fraubrunnen B 376, 47). Und in der „Frevelgerichts-Sitzung vom 1. August 1855“ wurden Niklaus Niklaus und seine Frau Anna Witschi jeweils zu 30 Fr. Busse und 5 Fr. Tagegeld für den Bannwart verurteilt, während ihr Wagen und Geräte bis zur Zahlung der Busse beschlagnahmt blieb. Offenbar hatten sie einen grösseren Waldfrevel begangen und waren ertappt worden (StAB Bez Fraubrunnen B 378, Bd. 20, 333).
Bereits vorher, d. h. am 20. Januar 1853, hatte Niklaus Niklaus die Hafnereiliegenschaft mit dem dabei stehenden Wohnstock mit Hafnerwerkstatt an Johann Ulrich Mägli von Oberbipp, Amtsnotar und Rechtsagent in Jegenstorf verkauft (GBJ 17, 52-57), vermutlich weil er die Zinslast auf der Liegenschaft nicht mehr tragen konnte (General-Guisanstrasse 12). Wir können wohl davon ausgehen, dass er in der Liegenschaft eingemietet blieb und weiter Keramik produzierte. Am 4. Oktober 1867 musste Niklaus Niklaus, seit 1866 Witwer, schliesslich den Geldstag anrufen (Geltstaginformation: Tagblatt der Stadt Biel, Band 5, Nummer 235, 4. Oktober 1867). Er starb 1879.
Wir können nur vermuten, dass der Jegenstorfer Hafner Johann Jakob Häberli (1858-1908) nach dem Konkurs bzw. Tod von Niklaus Niklaus (1810-1979) in dessen Liegenschaft Jegenstorf, General Guisanstrasse 12 oder nur den Wohnstock mit Hafnerwerkstatt mietweise einzog. Johann Jakob kaufte die gesamte Liegenschaft schliesslich am 13.10.1903 (GBJ_55_384-388).
Leider gibt es keine signierte Keramik der Hafner Niklaus aus Jegenstorf, daher wissen wir nicht, wie deren Produktion aussah. Archäologische Ausgrabungen haben in den vergangenen Jahren jedoch Funde des 19. Jahrhunderts erbracht, die ein eindrückliches Bild davon vermitteln, was ursprünglich zur Küchen- und Stubenausstattung und dem Haushaltegeschirr der Jegenstorfer Bauernhäuser gehörte.
Jegenstorf, Kirchgasse, Abfallgrube 561, archäologische Funde von Haushaltsgeschirr aus der Zeit vor ca. 1890: Milchtöpfe, Tassen, Untertassen, Terrinen, Teller, Röstiplatten und Nachttöpfe. Fotos Badri Redha, Archäologischer Dienst des Kantons Bern.
Sicher wurde das eine oder andere Stück auch von den Hafnern Niklaus oder Häberli in Jegenstorf produziert.
Bibliographie:
Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.