Müstair, Klostermuseum (KMMÜ)

Stiftung Pro Kloster
St. Johann
CH-7537 Müstair
Tel. +41 (0)81 858 61 89
visit-museum@muestair.ch

Andreas Heege, 2021

Keramik des Klostermuseums Müstair in CERAMICA CH

Im Kloster St. Johann in Müstair erleben die Besucherinnen und Besucher über 1200 Jahre Kloster- und Kulturgeschichte.  Das Klostermuseum befindet sich im Plantaturm, einem über tausend Jahre alten Wohn- und Fluchtturm. Folgen Sie der liturgischen Schlagglocke und treten Sie unter kundiger Führung eine Zeitreise durch 1200 Jahre Kloster-, Kunst- und Baugeschichte an. Die Benediktinerinnen von Müstair gewähren Ihnen Einblick in ihr Kloster und in ihr Leben einst und heute. In den historischen Räumen sind Ausstattungen aus dem 8. bis ins 20. Jh. und Kostbarkeiten aus archäologischen Grabungen und aus unserem Kulturgut zu bewundern. Gezeigt werden u.a. karolingische Marmorskulpturen und Fensterglas sowie romanische Wandmalereien aus der Kirche.

Keramik spielt in der Klostersammlung neben Zinn und emailliertem Blechgeschirr nur eine untergeordnete Rolle. Insgesamt konnten 54 Objekte inventarisiert werden, wobei auffällt, dass im Gegensatz z. B. zum Klostermuseum in Disentis, keine keramischen Devotionalien vorhanden sind und auch jüngere Hygienekeramik und  Waschgeschirre weitgehend fehlen. Es handelt sich insgesamt um 12 Objekte aus Irdenware, 3 Objekte aus Steingut, 29 Objekte aus Steinzeug und 10 Objekte aus Porzellan. Teile dieser Objekte sind heute im Kloster gelegentlich noch in Benutzung. Aufgrund seiner Lageöstlich des Ofenpasses und der wichtigen Verbindungen nach Tirol und Italien würde man im Klosterinventar und im Münstertal eigentlich einen stärkeren Bezug nach Italien bzw. Tirol erwarten. Dies spiegelt sich allerdings kaum im erhaltenen Inventar.

Unter den Irdenwaren stechen vier Objekte hervor. Ein grosser Doppelhenkeltopf mit grüner Glasur wurde möglicherweise in ein unbekannten Töpferei in Graubünden gefertigt, doch sind ähnliche Randprofilierungen z. B. auch bei Keramik vom Kirchhügel in Bendern FL bekannt. Das Randprofil eines innen schwarz glasierten Henkeltopfes, zu dem es weitere Parallelen aus Graubünden gibt, verweist wohl auf den bayerischen Kröning als Herstellungsregion. Der kleine Milchtopf ist aufgrund der Art seiner Henkelung und dem ungewöhnlichen Spritzdekor (weisse Engobe mit feinen Kupferoxiden unter einer farblosen Glasur) kein Produkt aus der Schweiz. Haben wir hier einen keramischen Hinweis auf Töpfer im Vinschgau oder der Region Bozen/Meran? Auch der kleine zylindrische Humpen aus Irdenware mit grüner Glasur kennt zur Zeit keine Parallelen im restlichen Kanton Graubünden.

Dagegen sind eine Reihe typischer deutschschweizerischer Keramiken aus dem Zeitraum 1920-1950 vertreten. Zumindest eine Schüssel kann aufgrund ihres charakteristischen Gummistempeldekors der Produktion der Landert-Keramik in Embrach ZH zugeordnet werden. Die beiden anderen Stücke sind ungemarkt.

Selbstverständlich darf in der Klosterküche auch das übliche, lehmglasierte Braungeschirr “Bunzlauer Art” aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht  fehlen.

     

Steingut ist nur mit wenigen Exemplaren aus der Zeit zwischen etwa 1920 und 1960 vertreten. Eine leider ungemarkte Stapelschüssel mit farbigem Spritzdekor, der mit der Spritzpistole aufgetragen wurde hat exakte Entsprechungen in Poschiavo in der Casa Tomé. Die zweite Schüssel stammt aus einem Volkseigenen Betrieb (VEB) in Torgau in der ehemaligen DDR und belegt den Export solcher Ostblockkeramik in die Schweiz. Der einzige Nachttopf der Sammlung wurde bei Villeroy  & Boch in Mettlach im Saarland unter französischer Besetzung gefertigt. Die Firma war damals einer der ganz grossen Lieferanten für Sanitärkeramik.

Steinzeug ist in der Klosterküche und Sammlung dagegen mit einer grosse Anzahl vertreten. Allein von den typischen Doppelhenkeltöpfen “Westerwälder Art” gibt es 41 Exemplare unterschiedlicher Grösse, von denen 10 genauer dokumentiert wurden. Mit einer Ausnahme tragen sie alle bereits Stempel mit Liter-Angaben zwischen 1 L und 10 L, d.h. sie dürften vor allem in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg entstanden und in die Schweiz exportiert worden sein. Wie üblich ist keiner dieser Töpfe gemarkt.

Auch eine grössere Anzahl an kleinen Humpen “Westerwälder Art”, meist mit einem Volumen von 1/4 Liter oder darunter, hat sich erhalten. Die Deckel tragen teilweise sekundäre Besitzerinschriften mit Datierungen aus der Zeit zwischen 1880 und 1913. Die Humpen selbst sind vermutlich überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Sie dienten möglicherweise zur Bewirtung von Besuchern oder Personal.

Erhalten hat sich auch eine schön verzierte Most- oder Apfelweinkanne.

Zwei kleine Historismus-Humpen aus Steinzeug, die möglicherweise im Westerwald produziert wurden, wurden wohl als Souvenir in Meran erworben und dann dem Kloster geschenkt.

Zwei formal sehr ähnliche, aber unterschiedlich dekorierte Teegeschirre sind der einzige erkennbare “Luxus” in der Sammlung. Alle Stücke sind ungemarkt. Aus stilistischen Gründen dürften sie um 1900 entstanden im damaligen Deutschen Kaiserreich, eventuell in Schlesien entstanden sein. Dieses Geschirr wurde nur bei besonderen Gelegenheiten, wie der Wahl einer neuen Priorin oder dem Namenstag der Priorin verwendet.

Dank

Die CERAMICA-Stiftung dankt den Schwestern von St. Johann in Müstair, dass das keramische Kulturgut des Klosters in das Nationale Keramikinventar der Schweiz integriert werden durfte. Wir danken Patrick Cassitti (Wissenschaftlicher Leiter Stiftung Pro Kloster St.-Johann) und seinem Team herzlich für die Bereitstellung der Objekte und die freundliche und interessierte Unterstützung der Dokumentationsarbeiten.