Musée d’ethnographie Neuchâtel
4, rue Saint-Nicolas (quartier Château-Collégiale)
CH-2000 Neuchâtel
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Die Keramiksammlung in CERAMICA CH
Roland Blaettler, 2019
Die ethnografischen Sammlungen der Stadt Neuenburg haben ihren Ursprung im naturhistorischen Kabinett, das General Charles Daniel de Meuron (1738–1806) in seinem Haus in Saint-Sulpice angelegt und 1795 der Bürgergemeinde des Hauptortes geschenkt hatte. In Neuenburg wurde dieser Schatz, der neben naturalistischen Exemplaren auch Artefakte und eine Bibliothek umfasste, zunächst im Maison de Charité (im Gebäude des heutigen Gemeindehauses) zusammen mit der gerade gegründeten öffentlichen Bibliothek untergebracht. Im Jahr 1838 zogen die Bibliothek und die Sammlungen von de Meuron in das neue Lateingymnasium um. Bei dieser Gelegenheit wurden die verschiedenen Bestände des Kabinetts klar getrennt, da das Naturhistorische Museum und das Ethnografische Museum künftig als zwei getrennte Einheiten auftraten. Die ethnografischen Bestände wurden 1885 mit den historischen und archäologischen Sammlungen im neuen Gebäude des Kunstmuseums zusammengelegt, bevor sie 1904 in der Villa de Pury auf dem Hügel von Saint-Nicolas einen eigenen Standort erhielten. Für den Zeitraum, der uns im Hinblick auf die Geschichte der Keramikensembles interessiert, waren die ethnografischen Sammlungen folgenden Konservatoren unterstellt: Frédéric de Bosset von 1886 bis 1892, Charles Knapp von 1892 bis 1921 und Théodore Delachaux von 1921 bis 1947.
Wir wissen nicht, wie die Aufgaben, als die historischen und ethnografischen Sammlungen noch unter einem Dach vereint waren, genau verteilt waren, aber im Keramikbereich scheint es keine strikte Trennung zwischen einem europäischen und aussereuropäischen Bereich gegeben zu haben. So ist es beispielsweise sehr wahrscheinlich, dass Charles-Alfred Michel auch Einfluss auf den Erwerb chinesischer und japanischer Keramik ausübte. Frédérique Bosset hingegen interessierte sich offenkundig für die Aufstockung der europäischen Keramik: Er schenkte dem Historischen Museum etwa ein Dutzend Objekte, insbesondere Fayencen und Porzellan aus der Zürcher Manufaktur.
Von den keramischen Objekten, die heute im Ethnografischen Museum aufbewahrt werden, wurden nur die Berner Spielzeugsammlung aus Irdenware von Théodore Delachaux und die Bestände aus dem Fernen Osten für das vorliegende Inventar ausgewählt. Théodore Delachaux (1879–1949), Sohn eines naturwissenschaftlich interessierten Arztes und Sammlers, wurde schon früh in die Künste und Wissenschaften eingeführt. Während sein Vater mit ihm seine Leidenschaft für die aquatische Tierwelt teilte, gab ihm seine Tante Marie (Ehefrau von Paul Godet) seine ersten Zeichenstunden und sein Onkel Alfred Godet nahm ihn regelmässig mit hinter die Kulissen des Historischen Museums. Théodore studierte von 1899 bis 1901 Malerei in Paris. Ab 1912 unterrichtete er Zeichnen am Gymnasium in Neuchâtel. Jean Baer zufolge wurde die Ethnografie jedoch zu seinem bevorzugten Gebiet. Immer häufiger widmete er den Grossteil seiner Freizeit ethnografischen Sammlungen zusammen mit dem Ägyptologen Gustave Jéquier. Von 1919 bis 1936 übernahm er eine Assistentenstelle im Fachbereich der Zoologie an der Universität Neuenburg. Gleichzeitig trat er 1921 die Nachfolge von Charles Knapp als Konservator des Ethnografischen Museums an. Ab 1940 kam die Stelle als Konservator des Museums für Frühgeschichte und Archäologie dazu sowie seine Berufung auf den Lehrstuhl für Ethnografie an der Universität (Baer 1950; Kaehr 2005). Delachaux, der in Interlaken geboren wurde und seine Kindheit im Berner Oberland verbracht hatte, interessierte sich schon früh und ganz selbstverständlich für die Erzeugnisse des ländlichen Berner Kunsthandwerks, nicht nur für Spielzeug (siehe unten), sondern auch für Tischgeschirr. Offenbar sammelte er engobierte Irdenware aus dem Kanton Bern, insbesondere aus Heimberg (siehe das Kapitel über das Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel).
Keramische Spielzeugtiere und Sparbüchsen aus der Sammlung von Théodore Delachaux
Théodore Delachaux legte eine umfangreiche Sammlung von Keramiken, Holzarbeiten, bemaltem Glas und rustikalen Spielzeugen an. In der letztgenannten Kategorie stellte er eine beachtliche Gruppe von engobierten Exemplaren aus Irdenware aus dem Kanton Bern zusammen. Wenn man seinen kryptischen Eintragungen in seinen Notizbüchern Glauben schenken kann, sammelte er diese Stücke hauptsächlich zwischen 1898 und den 1920er-Jahren. Wie Jean Baer in seinem Nachruf feststellt, sammelte Théodore Delachaux bereits im Alter von neun Jahren Heimberger Tonspielzeug. Das Ensemble wurde 1950 nach dem Tod des Besitzers vom Musée d’ethnographie aufgekauft. Mit fast 300 Exemplaren ist die Sammlung Delachaux wahrscheinlich die grösste Sammlung dieser Art in einem Schweizer Museum (weitere Sammlungen von Spielzeug und Formen, die zu seiner Herstellung verwendet wurden, werden im Schlossmuseum Thun, im Regionalmuseum Langnau, im Museum der Kulturen in Basel und im Musée Ariana in Genf aufbewahrt).
Wir veröffentlichen hier breite Auszüge aus der Sammlung von Delachaux, Objekte, die grösstenteils in die Jahre 1880 bis 1920 datiert werden können. Aus technischer Sicht gehören sie zur Tradition der bernischen ländlichen Töpferwaren: engobierte, geformte und teilweise modellierte Irdenware, dekoriert mit Engoben unter einer transparenten Glasur (Delachaux 1914, Taf. IV-X und Delachaux 1915, Abb. S. 181–183: Auszüge aus der Sammlung von Keramikspielzeug). Die Objekte tragen die ursprüngliche Nummerierung von Delachaux, die auf mehrere handschriftliche Hefte verweist, in denen die Spielzeugsammlung aufgelistet ist. Die wenigen Angaben, die in diesen Heften enthalten sind, stehen am Ende der Einträge in Anführungs- und Schlusszeichen.
Diese Kategorie der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr populären Spielzeuge aus Keramik ist aus keramikhistorischer Sicht noch nie umfassender untersucht worden. Die überwiegende Mehrheit dieser Spielzeuge, die teilweise geformt und mit Engoben in kontrastierenden Farben überzogen sind, lässt sich der Region Heimberg/Steffisburg zuordnen. Einige Beispiele unterscheiden sich durch ihre Formgebungstechnik – frei modelliert ohne Model – und durch weniger bunte Farben wie Braun oder Orangebraun (MEN Nr. 10; MEN Nr. 225; MEN Nr. 227; MEN Nr. 224; MEN Nr. 226; MEN Nr. 149; MEN Nr. 150; MEN Nr. 151). Delachaux ordnet diese kleine Gruppe Langnau zu, eine Zuschreibung, die wir für plausibel halten, es sei denn, wir bekämen neue Informationen (siehe auch Heege 2010, Abb. 92; Heege/Kistler 2017/1, 502-508; Heege/Kistler 2017/2, 177-178).
Ähnliche Objekte sind auch aus anderen Produktionszentren wie Langnau (BE), Schüpbach (BE), Berneck (SG) oder Sankt Antönien (GR) belegt (Lisbonne 1998, Kat. Nr. 178; Frey 2018, Abb. 8; Heege 2019, 338–339).
Die Sammlung asiatischer Keramik
Diese Sammlung besteht aus etwa 200 Objekten aus China (ca. 80 %) und Japan (ca. 20 %). Der Grossteil des Bestandes wurde zwischen 1885 und 1920 zusammengetragen. Bei 6 % der Objekte wissen wir nicht, wie sie erworben wurden. 55 % wurden gekauft, 39 % sind Schenkungen oder wurden vermacht.
Chinesische Keramik
Das Kabinett des Charles Daniel de Meuron – Nachdem er von 1755 bis 1763 im Regiment Hallwyl dem König von Frankreich gedient hatte, liess sich der Neuenburger Charles Daniel de Meuron (1738–1806) im Jahr 1765 in die Schweizergarde aufnehmen. Sechzehn Jahre später verliess er dieses Truppenkorps im Rang eines Obersts, um sein eigenes Regiment im Dienste der niederländischen Ostindien-Kompanie aufzustellen. Als 1795 die batavische Republik gegründet wurde, trat er in den Dienst der englischen Krone. De Meuron zog sich 1800 im Rang eines Generalleutnants nach Neuenburg zurück. Neben seinen militärischen Verpflichtungen, die ihn nach Kapstadt und später nach Indien führten, widmete sich de Meuron dem Handel und interessierte sich für Naturwissenschaften. Die zahlreichen exotischen Objekte und Exemplare, die er bei seinen Aufenthalten in Übersee erwarb, bereicherten sein naturhistorische Kabinett, das er ab den 1780er- Jahren in seinem Heimatdorf Saint-Sulpice im Val-de-Travers eingerichtet hatte. Im Jahr 1795 schenkte er diese Sammlung der Bürgergemeinde von Neuenburg. Das Ensemble, das er bis zu seinem Tod weiter ausbaute, sollte den Grundstein aller musealen Einrichtungen der Stadt Neuenburg bilden, mit Ausnahme des Musée des beaux-arts (Kaehr 2000, siehe auch MAHN).
Das Kabinett von Charles Daniel de Meuron enthielt sieben Porzellane (MEN II.B.134; MEN II.B.135; MEN 95.1.17; MEN II.B.128; MEN II.B.129; MEN II.B.130; MEN II.B.131), darunter vor allem vier bemerkenswerte Tassen mit einer Krakelee-Glasur im Stil der Seladonkeramik, für die wir einige Vergleichsbeispiele in verschiedenen ausländischen Museen mit sehr unterschiedlichen Datierungen gefunden haben. Diese Art von Gefässen, die in den Sammlungen westlicher Museen relativ selten sind, waren offensichtlich für den einheimischen Markt bestimmt (MEN II.B.128; MEN II.B.129; MEN II.B.130; MEN II.B.131).
Ansonsten besteht der chinesische Bestand des MEN vor allem aus Porzellan, das speziell für den Massenexport in den Westen während der Qing-Dynastie (1644–1912), insbesondere während der Regierungszeiten der Kaiser Kangxi (1661–1722) und Qianlong (1736–1796), entworfen wurde. Die Sammlung widerspiegelt ziemlich gut den Handel mit chinesischem Porzellan der verschiedenen europäischen Ostindien-Kompanien im 18. Jahrhundert mit ihrer Vorliebe für die Stile «Blau und Weiss» (blauer Unterglasurdekor) sowie «Famille Rose» (mit polychromen Aufglasurfarben gemalte Dekore mit dem berühmten opaken Rosa, das in den frühen 1720er-Jahren eingeführt wurde). Weniger zahlreich sind die Porzellane des Typs «Famille verte» (gemalte Dekore mit polychromen Aufglasurfarben in mehreren Grüntönen, aber ohne Rosa), des Stils «Imari» (blauer Unterglasurdekor, verziert mit auf der Glasur aufgetragen Details in Rot und Gold) und «Blanc de Chine» (weisses chinesisches Porzellan).
Unter den Kuriositäten ist ein Becher mit Untertasse im «Imari»-Stil mit einem ungewöhnlichen Auftragsdekor zu erwähnen, der wahrscheinlich für den russischen Markt bestimmt war (MEN II.B.619). Im Register der «Famille rose» ist insbesondere eine Kaffeekanne mit europäischer Form und ausgeprägtem Dekor bemerkenswert, von dem wir nur wenige Beispiele kennen, namentlich im Rijksmuseum in Amsterdam (MEN II.B.122). Aussergewöhnlich ist auch eine Wasserkanne mit dazugehörigem Becken, deren Form vom europäischem Tafelsilber inspiriert ist (MEN II.B.70). Krüge dieses Typs sind in westlichen Sammlungen nicht selten, wir kennen jedoch kein anderes Beispiel mit vollständiger Garnitur.
Das japanische Porzellan im «Kakiemon»-Stil, das sich durch luftige Dekore in leuchtenden Farben und einen milchig-weissen Ton auszeichnet, erregte bei der europäischen Aristokratie in den Jahren 1730–40 eine beispiellose Begeisterung. Dies ging so weit, dass die meisten jungen Manufakturen in Frankreich und Deutschland die exotische Eleganz nachahmten (siehe z. B. MAHN AA 2811; MAHN AA 2779; MAHN AA 2825; MAHN AA 2650). In den Niederlanden, wo noch kein Porzellan hergestellt wurde, machten sich Malerwerkstätten die neue Marktnachfrage zunutze und verzierten chinesisches Porzellan mit Motiven, die von japanischen «Kakiemon» inspiriert waren. Das MEN besitzt davon zwei schöne Beispiele (MEN II.B.617; MEN II.B.115).
Die Sammlung umfasst auch eine Reihe von Feinsteinzeug aus Yixing (Provinz Jiangsu). Abgesehen von einer wunderschönen Weinkanne aus der Kangxi-Zeit, von der nur ein Pendant im Rijksmuseum in Amsterdam bekannt ist (MEN II.B.58), besteht die Sammlung hauptsächlich aus Exemplaren aus dem 19. Jahrhundert, darunter ein schönes Stück mit der Marke des Ateliers Zhu Shimei.
Japanische Keramik
In der Kategorie des japanischen Porzellans ist ein Paar prunkvolle Vasen im «Imari»-Stil aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts hervorzuheben (MEN II.B.770; MEN II.B. 771). Der Rest der Sammlung besteht vor allem aus späteren Stücken, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Westen äusserst beliebt waren und den Wunsch nach exotischen Objekten nährten, nachdem das Reich der aufgehenden Sonne seine Isolationspolitik aufgegeben hatte und die Weltausstellungen in London 1862 und Paris 1867 eine noch nie dagewesene Vorliebe für die Kunst Japans ausgelöst hatten. Seitdem wurden japanische Keramikprodukte – von sehr unterschiedlicher Qualität – in verschiedenen Geschäften in Europa und Amerika in grossem Umfang angeboten, insbesondere auf dem Grand Bazar in Neuchâtel (MEN II.B.645 MEN II.B.595; MEN II.B.563; MEN II.B.562; MEN 13.110.1 und 13.110.2; MEN II.B.1044; MEN II.B.570; MEN II.B.942; MEN II.B.943; MEN II.B.649; MEN II.B.633; MEN II.B.650).
Übersetzung Stephanie Tremp
Bibliographie:
Baer 1950
Jean G. Baer, Théodore Delachaux, 21 mai 1879-24 avril 1949, in: Bulletin de la Société neuchâteloise des sciences naturelles 73, 1950, 5-15.
Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013, , 32-35, 158, 466
Delachaux 1914
Théodore Delachaux, Jouets rustiques suisses, in: Archives suisses des traditions populaires XVIII, 1914, 101-112.
Delachaux 1915
Théodore Delachaux, Das Spielzeug, in: Das Werk. Schweizerische Zeitschrift für Baukunst, Gewerbe, Malerei und Plastik 2, 1915, 173-184.
Heege 2010
Andreas Heege, Keramik um 1800. Das historisch datierte Küchen- und Tischgeschirr von Bern, Brunngasshalde, Bern 2010.
Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804–1898). Archäologie Graubünden, Sonderhefte 7/1 und 7/2, Chur 2019.
Heege/Kistler 2017/1
Andreas Heege et Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, XVIIe-XIXe siècles. Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.–19. Jahrhundert. Die Sammlung des Musée Ariana, Genf. Milan 2017.
Heege/Kistler 2017/2
Andreas Heege et Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern, 2 Bde (Schriften des Bernischen Historischen Museums, 13.1/2), Bern 2017.
Kaehr 2005
Roland Kaehr, Théodore Delachaux, peintre, conservateur du Musée d’ethnographie (1879-1949), in: Schlup, Michel (éd.), Biographies neuchâteloises, t. 4: 1900-1950, Hauterive 2005, 83-89.
Lisbonne 1998
Cerâmica da Suíça do Renascimento aos nossos dias. Ceramics from Switzerland, from Renaissance until the Present, cat. d’exposition, Museu Nacional do Azulejo, Lisbonne, 23 juillet-4 octobre 1998.