Schablonendekor

Schüssel mit Schablonendekor aus der Stadtgrabenfüllung von Bern, Bundesplatz, vor 1579 (Foto Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Andreas Heege).

Andreas Heege und Eva Roth Heege, 2020

Schablonendekor auf Geschirrkeramik wird in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in der Deutschschweiz entwickelt und ist im archäologischen Fundgut, z.B. in Bern, Zug oder Zürich, nicht sehr häufig (zum Thema: Roth Heege/Thierrin-Michael 2016,  64-66; Frey 2018, 298 und Taf. 1,3). Eine grössere Fundmenge liegt bislang ausschliesslich aus dem Graben von Schloss Hallwil AG vor (Lithberg 1932, Taf. 228-238, 255-257, 278-281; Roth Heege/Thierrin-Michael 2016, Abb. 77; Stephan 1987, 39 Abb. 27).

Schüssel und Dosendeckel, Fehlbrand und Schrühbrand mit Schablonendekor aus der Töpferei Oberaltstadt 3/4 in Zug, zweite Hälfte 16. Jahrhundert (Fotos Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug, Res Eichenberger).

Produktionsnachweise für Geschirrkeramik mit Schablonendekor stammen aus einer Töpferei in der Oberaltstadt 3/4 in Zug (Roth Heege/Thierrin-Michael 2016, Abb. 75 und 76) und einer Töpferei in Schaffhausen, Vordersteig 2 (Bänteli/Bürgin 2017, Abb. 306 und 958).

Dose mit Malhorn- und Ritzdekor aus dem SNM (HA-3001), Thomann 1962,  Abb. 20.

An beiden Orten fanden sich, wie auch in Schloss Hallwil (Lithberg 1932, Taf. 255, 281), Deckel zeittypischer Dosen mit Schablonendekor bzw. Fayenceglasur. Dazu besitzt das Schweizerische Nationalmuseum ein 1586 datiertes und mit dem Malhorn verziertes Vergleichsstück (SNM HA-3001;  Thomann 1962,  Abb. 20).  Das Historische Museum in Strassburg hütet das bislang älteste bekannte Vergleichsstück, eine 1568 datierte Dose mit Malhorn- und Schablonendekor (Klein 1989, Taf. 51).

Gewürzdose mit Malhorn- und Schablonendekor, dazu “Zuordnungszahl” 43 im Inneren und im Deckel. Herkunft wohl aus der Familie Schickler-Pourtalès, Schloss  Martinvast bei Cherbourg (versteigert 2019 bei Boscher Enchères, Cherbourg, heute Privatbesitz Schweiz).

Mit diesem Dekor verzierte Dosen oder Objekte sind ansonsten ausgesprochene Raritäten und museal quasi nicht überliefert. Eine grosse Gewürzdose aus einer schweizerischen Privatsammlung stellt die einzige, derzeit bekannte Ausnahme dar.

Fehlbrand und Schrühbrand von Ofenkacheln mit Schablonendekor aus der Töpferei Oberaltstadt 3/4 in Zug, zweite Hälfte 16. Jahrhundert (Fotos Amt für Denkmalpflege und Archäologie Zug, Res Eichenberger).

Der Schablonendekor findet jedoch seit der Mitte des 16. Jahrhunderts grössere Verbreitung auf Ofenkacheln. Produktionsnachweise gibt es auch in diesem Fall aus Zug (Roth Heege/Thierrin-Michael 2016, 64-66). Als früheste absolut datierte Beispiele gelten die Kacheln und Abdeckplatten  des Ofensitzes am 1566 datierten Ofen aus der Rosenburg in Stans NW, der sich heute im SNM befindet (Heege 2012, 92-96, Abb. 12).

Bodenfliese der Zeit um 1600  aus dem Winkelriedhaus in Stans NW, Privatbesitz Schweiz.

Ähnlich dekorierte Bodenfliesen finden sich auch unter einem 1577 datierten Kachelofen aus Schloss Altishofen LU und als Fussboden der Zeit um 1600 im Winkelriedhaus in Stans NW  (Schnyder 1993).

Schablone und fertige Ofenkachel von Christian Lötscher aus St. Antönien GR, um 1840-1850.

Die Schablonen mit ausgeschnittenen Mustern bestehen meist aus Pergament, Ziegenleder oder Ölpapier (zur Herstellung eine Beschreibung aus dem Jahr 1549:  Boltz 1913). Sie werden auf die oft engobierte Gefässwandung oder glatte Kacheloberfläche aufgelegt und dann hellbrennender Ton aufgestrichen, der entsprechend der ausgeschnittenen Löcher ein Muster bildet. Darüber folgt regelhaft eine transparente oder farbige, bei Ofenkacheln meist grüne Glasur. Diese Art der Kacheldekoration  war bis in das späte 20. Jahrhundert in der Schweiz, Südwestdeutschland und Vorarlberg beliebt  (Schatz 2005;  Matter 2007; Leib 2013).

Industrieller Schablonendekor

Abgesehen von diesem handwerklich gefertigten Schablonendekor gibt es aber im 19. und 20. Jh. auch industriell auf Fayence, Steingut und Porzellan angebrachte Schablonenmuster.

Blechschablonen und damit dekorierter Teller aus Varages, Südfrankreich.

Die Schablonentechnik mit dünnen Blechschablonen wurde in der keramischen Industrie bereits im späten 19. Jahrhundert eingesetzt und findet sich bei fast allen europäischen Herstellern. Dabei konnte die Farbe sowohl mit dem Pinsel als auch mit der Spritzpistole aufgetragen werden (zur Schablonentechnik: Gauvin/Becker 2007, 29).

Die Erfindung des Farbauftrags mit Hilfe einer Spritzpistole und Druckluft wurde 1886 in den USA patentiert und im selben Jahr in der Zeitschrift «Der Sprechsaal» in Deutschland vorgestellt. Die Porzellanmanufaktur in Sèvres zeigte bereits 1889 spritzdekorierte Arbeiten auf der Weltausstellung in Paris, andere, auch deutsche Herstellungszentren folgten um die Jahrhundertwende. 1910 besassen 93 deutsche Hersteller eine entsprechende Anlage.

  

Waschgeschirre mit abstraktem Schablonendekor/Spritzpistolen-Spritzdekor aus den 1920er- und 1930er-Jahren (Klostermuseum Disentis).

Abstrakte Spritzdekorationen  mit Schablonen wurden erst zwischen circa 1925 und 1928 entwickelt und waren vor allem in der Zeit der Weimarer Republik im Kontext des Art Deco topmodern (Anthonioz 2019; Figiel 2006).

Synonyme: patronierter Dekor, Patronierung.

Frz.: décor au pochoir

Engl.: stencilled decoration

Bibliographie: 

Anthonioz 2019
Stanislas Anthonioz, À la table de l’art moderne. Céramiques de la République de Weimar (1919-1933), Genf 2019.

Bänteli/Bürgin 2017
Kurt Bänteli/Katharina Bürgin, Schaffhausen im Mittelalter – Baugeschichte 1045-1550 und archäologisch-historischer Stadtkataster des baulichen Erbes 1045-1900 (Schaffhauser Archäologie 11), Schaffhausen 2017.

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 292.

Boltz 1913
Valentin Boltz, Illuminierbuch. Wie man allerlei Farben bereiten, mischen und auftragen soll, allen jungen angehenden Malern und Illuministen nützlich und fürderlich, durch Valentinum Boltz von Ruffach, Nach der ersten Auflage von 1549 herausgegeben, mit Einleitung und Register versehen von Carl. J. Benzinger (Sammlung maltechnischer Schriften 4), München 1913.

Figiel 2006
Joanna Flawia Figiel, Revolution der Muster. Spritzdekor-Keramik um 1930, Ostfildern-Ruit 2006.

Frey 2018
Jonathan Frey, Alles im grünen Bereich. Die Haushaltskeramik vom Bauschänzli in Zürich, datiert vor 1662, in: AS – Archäologie Schweiz/SAM – Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit/SBV – Schweizerischer Burgenverein, Die Schweiz von 1350 bis 1850 im Spiegel archäologischer Quellen. Akten des Kolloquiums/Actes du Colloque Bern, 25.–26.1.2018, Basel 2018, 297-308.

Gauvin/Becker 2007
Henri Gauvin/Jean-Jacques Becker, Cent ans de faïences populaires peintes à Sarreguemines et à Digoin, Sarreguemines 2007.

Heege 2012
Andreas Heege, Dekortechniken auf Ofenkeramik, in: Eva Roth Heege, Ofenkeramik und Kachelofen. Typologie, Terminologie und Rekonstruktion im deutschsprachigen Raum (CH, D, A, FL) mit einem Glossar in siebzehn Sprachen (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 39), Basel 2012, 68-99.

Klein 1989
Georges Klein, Poteries populaires d’Alsace, Strassburg 1989.

Leib 2013
Sarah Leib, Ausgewählte Aspekte der Kachelofenforschung in Tirol und Vorarlberg, in: Harald Siebenmorgen, Blick nach Westen. Keramik in Baden und im Elsass. 45. Internationales Symposium Keramikforschung Badisches Landesmuseum Karlsruhe 24.8.-28.9.2012, Karlsruhe 2013, 191-197.

Lithberg 1932
Nils Lithberg, Schloss Hallwil Bd. 3. Die Funde, Stockholm 1932.

Matter 2007
Annamaria Matter, Dällikon, Mühlestraße 12, Hafnerei Gisler, Kanton Zürich CH, in: Andreas Heege, Töpferöfen-Pottery kilns-Fours de potiers. Die Erforschung frühmittelalterlicher bis neuzeitlicher Töpferöfen (6.-20. Jh.) in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz (Basler Hefte zur Archäologie 4), 2007, 321-328.

Roth Heege/Thierrin-Michael 2016
Eva Roth Heege/Gisela Thierrin-Michael, Oberaltstadt 3/4, eine Töpferei des 16. Jahrhunderts und die Geschichte der Häuser, in: Eva Roth Heege, Archäologie der Stadt Zug, Band 2 (Kunstgeschichte und Archäologie im Kanton Zug 8.2), Zug 2016, 10-154.

Schatz 2005
Rolf H. Schatz, Südbadische Ofenkeramik des 16. bis 20. Jahrhunderts mit Berücksichtigung der Nordschweiz und des Oberelsass. Bestandskatalog der Sammlung Rolf H. Schatz. Kacheln aus Museen und Privatbesitz, Kachelöfen, Lörrach 2005.

Schnyder 1993
Rudolf Schnyder, Kachelöfen und Fliesenböden, in: Hansjakob Achermann/Heinz Horat, Das Winkelriedhaus. Geschichte. Restaurierung. Museum, Stans 1993, 135-154.

Stephan 1987
Hans-Georg Stephan, Die bemalte Irdenware der Renaissance in Mitteleuropa (Forschungshefte herausgegeben vom Bayerischen Nationalmuseum 12), München 1987.

Thomann 1962
Hans E. Thomann, Die “Roche”-Apotheken-Fayencen-Sammlung, in: Keramik-Freunde der Schweiz Mitteilungsblatt 58/59, 1962, 11-79.