Steingut wurde in den 1740er-Jahren in Staffordshire und Yorkshire (England) auf der Basis salzglasierten, weissen Steinzeugs entwickelt. Die zeitgenössische Bezeichnung war «cream-coloured ware» oder auch «Queen’s ware». Ab dem mittleren und späten 18. Jahrhundert produzierte man Steingut unter zahlreichen anderen Bezeichnungen («terre de pipe», «cailloutage», «faïence fine anglaise»), zunehmend auch in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Aus Gründen des Marketings und der veränderten Zusammensetzung der keramischen Massen, führte die keramische Industrie im 19. Jahrhundert weitere Bezeichnungen ein, wie z.B. «demi-porcelaine», «porcelaine opaque», «mi-porcelaine», «kaolina» und «pétrocérame».
Aufgrund ihrer Scherbenfarbe und Scherbenstruktur wird Steingut heute berechtigterweise auch als «weisse Irdenware» – «white earthenware or white-bodied industrial earthenware» – «terres blanches» – «terraglia» bezeichnet. Aufgrund ihrer industriell geprägten, arbeitsteiligen Herstellung in Manufakturen, werden alle Varianten des Steinguts auch als «industrielle Keramik» bezeichnet und damit bewusst in einen Gegensatz zu «handwerklich» produzierten Keramiken, meist Irdenwaren, gestellt.
Steingut hat in der Regel einen eisenarmen, hellen bis gräulichen oder schwach cremefarbenen bis leicht gelblichen oder fast weissen, sehr feinkörnigen, nicht gesinterten, spezifisch leichten Scherben mit einer gut erkennbaren, abgesetzten Glasurschicht. Diese weist relativ häufig ein deutliches Craquelé auf.
Keramiktechnologisch handelt es sich um eine bleiglasierte, poröse Irdenware aus weiss brennendem Ton, Kaolin und SiO2 (Quarz, oft gemahlener Feuerstein), eventuell auch nur mit Anteilen von Kalk oder Feldspat oder einer Mischung aller drei Komponenten. In Abhängigkeit von der Zeitstellung und dem Produktionsort gibt es in der Zusammensetzung der keramischen Masse unzählige Variationen. Bei einem hohen Calciumgehalt kann man auch von einem Kalksteingut sprechen. Hellscherbiges Kalksteingut kann aufgrund seines hohen Kalkgehaltes auch mit einer Fayenceglasur versehen werden (z.B. in der Produktion von Kilchberg-Schooren ZH und weiteren französischen Manufakturen). Dies ergibt aus heutiger Sicht ein definitorisches Bezeichnungsproblem (Fayence oder Steingut?), sofern die Glasur und nicht der Scherben als Hauptklassifikationskriterium benutzt wird.
Generell werden Steingutobjekte in einem ersten Schrühbrand zu Biscuit gebrannt. Der gemalte oder im Umdruckverfahren hergestellte Dekor wird aufgebracht und das Stück anschliessend glasiert und ein zweiter Glattbrand bei einer Temperatur von etwa 1000 ºC. durchgeführt. Zusätzlich können in einem dritten Schritt Aufglasurfarben oder Aufglasur-Umdruckdekore aufgetragen und dann bei einem Muffelbrand (um 800 ºC) fixiert werden .
Durch Hinzufügung von Kobalt zur Scherbenmasse entwickelte sich in England aus der gelblichen oder cremefarbenen ««cream-coloured ware», die weisse «whiteware». Als Zwischenschritt gibt es noch die Entwicklung von «pearlware», bei der die Kobaltfarbe der Glasur hinzugefügt wurde. Die Steingutmanufakturen, vor allem in England, entwickelten auch weitere farbige Steingutmassen (schwarz, gelb, blau, rot, violett und grün: basalt-ware, caneware, jasperware …), die in der Literatur auch als «Feinsteinzeug, Grès fin» bezeichnet werden, die der Scherben stärker steinzeugartig gesintert ist.
Im 19. Jahrhundert entwickelte die keramische Industrie weitere Varianten des Steinguts, die wesentlich weisser und stossfester waren. Ihre keramische Masse enthielt höhere Anteile an Feldspath und Kaolin. Diese neuen Mischungen erhielten unterschiedliche Bezeichnungen, wie z. B. «Porcelaine opaque» oder «Granit». Sie wurden bei Temperaturen von 1180 bis 1300ºC gebrannt. Der Glasurbrand erreichte 1050 bis 1080ºC.
Engl.: White-bodied industrial earthenware (auch cremware, whiteware, industrial redware, industrial blackware, Jasperware …)
Frz.: Faïence fine
Steingutdefinitionen, -begriffe und -synonyme
Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique: vocabulaire technique, Paris 2001, 75-81
Guyot 2018
Claude Guyot, Étude des terres de pipe,formes et décors entre faïence et porcelaine. Lunéville 2018.
Massey 2007
Roger Massey, Understanding Creamware, in: Tom Walford/Roger Massey, Creamware and Pearlware Re-examined, Beckenham 2007, 15-30.
Maire 2008
Christian Maire, Histoire de la faïence fine francaise 1743-1843, Le Mans 2008, 11-36
Maggetti 2018
Marino Maggetti, Archaeometric Analyses of European 18th-20th Century White Earthenware – A Review, in: Minerals, 2018, Heft 8.