Andreas Heege 2019
Technologisch handelt es sich um mehrfarbige Steindrucke oder Chromolithographien, eine Technik, die 1818 theoretisch beschrieben und in den Folgejahren systematisch weiterentwickelt wurde (englische Patente 1835 und 1836, französisches Patent 1837, zur Technik: Zeidler 1994, 84-89; Twyman 2007; Twyman 2013; Last 2005). Bei der Chromolithographie musste für jede Farbe ein Druckstein angefertigt werden. Diese wurden dann in der Reihenfolge von hell nach dunkel übereinander gedruckt. Das bedruckte Papier wurde für die Dekoration auf eine glasierte oder unglasierte Keramikoberfläche gepresst, die man vorher mit einem geeigneten Klebstoff bestrichen hatte. Nach dem Antrocknen konnte man das Druckpapier nass machen und abziehen, sodass die Farbe des gedruckten Bildes auf der Oberfläche haften blieb. Anschliessend wurde die Farbe eingebrannt. Die Erfindung des Duplex-Papiers im Jahr 1895 erleichterte den technisch anspruchsvollen Druckprozess und reduzierte die Kosten erheblich. Ab 1936 konnte man die Schauseite der Drucke mit einem Überzug versehen, der als Trägerschicht diente, sodass sich die gedruckten Bilder im Wasserbad vom Papier lösen und seitenrichtig auf die zu verzierende, schon glasierte Keramikoberfläche schieben liessen. Anschliessend konnten die Aufglasurfarben eingebrannt werden.
Mit Chromolithographien wurde z. B. in Amberg in der Oberpfalz bereits 1860 bis 1863 experimentiert (Endres/Berwing-Wittl/Kleindorfer-Marx 2004, 93). In Saargemünd waren, nach ersten Experimenten in den 1850er-Jahren, derartige Druckerzeugnisse bereits in den 1870er-Jahren in Verwendung, in Mettlach wohl bereits 1859 (Decker/Hoffmann/Thevenin 1999, 81–85; Decker 2003, 157; Linnemann 2001, 31). In England kamen sie verstärkt ab etwa 1890 auf und wurden nach 1900 zu einem Massenphänomen (Brooks 2005, 36 und Majewski/O´Brien 1987, 146 und 147; Morgenroth 1989, 107 und 108). Im Gegensatz zu den normalen Umdruckdekoren (Unterglasur-Dekor) wurden die Chromolithographien fast immer als Aufglasur-Dekor verwendet. Diese Technik beschleunigte die einfarbige oder polychrome Aufglasur-Dekoration von Geschirr wesentlich und ermöglichte grosse Stückzahlen. Im Gegensatz zum Unterglasur-Pinseldekor lieferte die Technik jedoch Dekore, die weniger abriebfest waren.
Engl.: Overglaze lithographic printed decoration, Lithographic printing; decal; overglaze, waterslide ceramic decal
Frz.: Chromolithographie (procédé d’impression lithographique en couleurs), décalque, Décalcomanie (Procédé qui permet de transporter des images coloriées sur la porcelaine)
Bibliographie:
Decker 2003
Emile Decker, Une imagerie sur faience : les assiettes parlantes à sujets imprimés de la manufacture de Sarreguemines, in: Jean-Michel Minovez, Faience fine et porcelaine. Les hommes, les objets, les lieux, les techniques, Toulouse 2003, 153-170.
Decker/Hoffmann/Thevenin 1999
Emile Decker/Diana Hoffmann/Christian Thevenin, Des hommes, des terres, des machines. La production de la faience à la manufacture de Sarreguemines, Sarreguemines 1999.
Endres/Berwing-Wittl/Kleindorfer-Marx 2004
Werner Endres/Margit Berwing-Wittl/Bärbel Kleindorfer-Marx, Steingut. Geschirr aus der Oberpfalz, München 2004.
Last 2005
Jay T. Last, The Colour Explosion: Nineteenth-Century American Lithography, Santa Ana, Californien 2005.
Linnemann 1999
Blanka Linnemann, Bildergeschirr. Aspekte einer halbindustriellen Massenware des 19. Jahrhunderts am Beispiel Villeroy&Boch, in: Bärbel Kerkhoff-Hader/Werner Endres (Hrsg.), Keramische Produktion zwischen Handwerk und Industrie, Alltag – Souvenir – Technik, Beiträge zum 31. Internationalen Hafnerei – Symposion des Arbeitskreises für Keramikforschung in Bamberg vom 28. September bis 4. Oktober 1998 (Bamberger Beiträge zur Volkskunde 7), Hildburghausen 1999, 89-100.
Twyman 2007
Michael Twyman, Images en couleur, Godefroy Engelman, Charles Hullmandel et les débuts de la chromolithographie, Paris 2007.
Twyman 2013
Michael Twyman, A History of Chromolithography: Printed Colour for All, London 2013.
Zeidler 1994
Jürgen Zeidler, Lithographie und Steindruck in Gewerbe und Kunst, Technik und Geschichte, Stuttgart 1994.