Gebäckmodel, Springerlemodel, Quittenpastenmodel

Der Heilige Nikolaus von Myra steigt auf eine Leiter, um bereitgestellte Körbe, Taschen und Strümpfe mit Süssigkeiten für Kinder zu füllen. Sein schon beladener Esel frisst inzwischen Heu aus einer Krippe (RMC XI.A414).

Andreas Heege 2019

Gebäckmodel in CERAMICA CH

Für die Verzierung von Speisen, vor allem aber von Gebäck, nutzte man in Mitteleuropa  sowohl im privaten Haushalt wie im handwerklichen Rahmen (Lebküchner, Honigkuchenbäcker, Apotheker) spätestens seit dem 15. Jahrhundert Model aus unterschiedlichsten Materialien (Stein, Metall, Holz, Keramik) und in unterschiedlichsten Grössen und Formen. Die Model wurden von spezialisierten Modelschneidern, Bildschnitzern oder Bossierern hergestellt, wobei nahezu identische Motive sowohl negativ in Holz geschnitzt  als auch als positive Keramikpatrizen zur Herstellung von Modeln gefertigt wurden. Mit solchen Holz- oder Keramikmodeln konnte man unterschiedliche Gebäcke  wie  Spekulatius, Lebkuchen, Biber, Tirggel, Springerle und Anisbrötchen verzieren, Mandel- oder Eierkäse backen, aber auch Marzipan und Tragant formen  (Brunold-Bigler 1985; Klever 1979; Widmer/Stäheli 1999, 29, 32-37) und Quittenpaste/”Quittenzeltlein”, eine Art süssen Fruchtkonfekt (Latwerge), herstellen (Bernerisches Koch-Büchlein 1749, Rezept 303; Morel 2000, 101). Selbstverständlich war es möglich, mit den Modeln auch Wachsbilder auszuformen oder Kerzenoberflächen zu verzieren. Mit Ton ausgeformt, liessen sich die Motive auch als Reliefdekor in der Keramikherstellung einsetzen (Heege/Kistler 2017b, 244-248,  Abb. 335 und 345, 590 Abb. 715; Widmer/Stäheli 1999, 37-38).

In der Deutschschweiz war vor allem die Bossierer-Werkstadt Stüdlin in Lohn bei Schaffhausen berühmt für ihre vielfältige und schöne Modelkollektion  (Widmer/Stäheli 1999).

Sehr oft begegnen Liebes- und Treuemotive. Die Produkte der Werkstatt, von der sowohl signierte Patrizen als auch Model zahlreich in schweizerischen Museen überliefert sind, werden gemeinhin als “Lohner-Model” subsummiert, auch wenn bis heute die Zuschreibung ausschliesslich auf stilistischer  Grundlage erfolgt ist, da z.B. Bodenfunde aus Lohn fehlen.  Die Masse der zugeordneten Model ist unglasiert und aus einem rötlich brennenden, feinen Ton hergestellt.

Unklar ist, ob auch die oft weniger aufwendig gestalteten, innen glasierten Model, die wohl vor allem für die Herstellung von Fruchtgelees oder Quittenpaste verwendet wurden, ebenfalls in Lohn (Widmer/Stäheli 1999, 34) oder nicht doch auch in weiteren schweizerischen oder süddeutschen Hafnerwerkstätten hergestellt wurden.

Das “Urteil des Salomo” (Bibel; 1 Kön 3,16-28): Zwei Frauen streiten vor Salomo um ein Kind. Die Lösung des Falles ging als “salomonisches Urteil” in die Weltliteratur ein. Als Tugendpersonifikation steht Salomo für Weisheit und Gerechtigkeit (ME-STM 1646).

Auch in Bezug auf die grossformatigeren, runden Model mit Lorbeerkranzeinfassung ist zu fragen, ob sie nicht oft älter sind als der erste archivalische Nachweis der Hafner Stüdlin aus den 1650er-Jahren, da es ältere datierte Holz- und Metallmodel mit gleicher Gestaltung z.B. im Museum Allerheiligen in Schaffhausen schon aus der Mitte des 16. Jahrhunderts  gibt (z. B. H5363, H15483).

Bibliographie:

Bernerisches Koch-Büchlein 1749
Bernerisches Koch-Büchlein (Nachdruck 1970), Bern 1749.

Brunold-Bigler 1985
Ursula Brunold-Bigler, “Trukhs in die Mödel”: Bemerkungen zur Gebäckmodelsammlung des Rätischen Museums, in: Jahrbuch der Historisch-Antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 115, 1985, 43-66.

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Klever 1979
Ulrich Klever, Alte Küchengeräte, München 1979.

Morel 2000
Andreas Morel, Basler Kost. So kochte Jacob Burckhardts Grossmutter (178. Neujahrsblatt, herausgegeben von der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige), Basel 2000.

Widmer/Stäheli 1999
Hans Peter Widmer/Cornelia Stäheli, Schaffhauser Tonmodel. Kleinkunst aus der Bossierer-Werkstatt Stüdlin in Lohn, Schaffhausen 1999.