Museum Alt-Falkenstein
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Keramiksammlung des Museums Alt-Falkenstein in Balsthal in CERAMICA CH
Roland Blaettler 2019
1919 gründete eine Handvoll lokalgeschichtlich interessierter Männer unter der Leitung von Anton Nünlist (1885–1937), Kontrolleur bei der Oensingen-Balsthal-Bahn und bekannter Sammler von Versteinerungen, und dem Lehrer Werner Heutschi die «Museumsgesellschaft Thal und Gäu» mit dem Ziel, ein Heimatmuseum zu errichten. Auf Antrieb der beiden Initianten begann man bei den Einwohnern des Dünnerntals alle Art Antiquitäten zu sammeln. 1922 stellte die Gemeinde Balsthal einen Kredit für die Schaffung des Museums zur Verfügung, und nach Prüfung verschiedener Örtlichkeiten stellte man die Sammlungen mit den Mineralien von Nünlist, einem schon recht ansehnlichen Bestand an Waffen und Alltagsgegenständen aus der Region schliesslich im alten Amtshaus Balsthal aus. 1926 wurde das Museum von einer schweren Überschwemmung heimgesucht. Nünlist und seine Gefährten gelangten daher an den Kanton, ob es nicht möglich wäre, das Museum auf die Burg Alt-Falkenstein zu verlegen.
Die Anfrage kam im denkbar besten Moment. Denn 1922 war auf Alt-Falkenstein infolge schlechter Wartung der Turm eingestürzt, und die Besitzer wünschten, die Burg dem Kanton zu schenken, was 1923 akzeptiert wurde. Der Kanton und der Historische Verein stellten die Mittel für die Restaurierung der Burg zur Verfügung, und man war froh, für den Bau nun auch eine sinnvolle Verwendung zu finden. Im August 1929 war es so weit, dass die ersten Säle eröffnet werden konnten (Blaser 1988 und 1989; Rütti-Saner 1997). Die Einrichtung der Ausstellung ist seit 1929 sozusagen gleich geblieben und präsentiert sich vor allem als regionales Wohnmuseum. Bemerkenswert sind sonst aber die Waffensammlung, die alten Kämme von Mümliswil, die Sammlungen der Mineralien und der Keramik von Matzendorf.
Das alte Inventar des Museums ist anscheinend sehr lückenhaft, obwohl Nünlist seine Neuerwerbungen sorgfältig notierte. Wir haben das einzige vorhandene, von ihm verfasste Heft konsultieren können, mit den Erwerbungen der Jahre 1931 bis 1936. Von wenigen Ausnahmen abgesehen kennen wir weder Herkunft noch Datum der Sammlungszugänge. Ein grosser Teil muss von Nünlist selbst in der Gegend mit einem eigenen Talent zusammengetragen worden sein, Besitzer von Objekten von der Wichtigkeit zu überzeugen, diese dem Museum zu schenken. Nünlist scheint auch regelmässig Antiquare in Bern besucht zu haben, von wo er wohl viele der Zürcher Fayencen mitbrachte, die es in der Sammlung gibt (Blaser 1989, 56).
Die Keramiksammlung Alt-Falkenstein zählt 230 Stücke, darunter siebzig von Matzendorf und hundert von Kilchberg und Umgebung. Dieser Bestand ist erstaunlich gross für eine im Verhältnis zu den städtischen Museen doch bescheidene Institution. Nach Kuno Blaser gehörte die Keramik zu den Hauptinteressen von Anton Nünlist. In der Sammlung gibt es nur ein Stück aus Matzendorfer Steingut, das freilich von schöner Qualität ist, nämlich die Bartschale für Niklaus Studer von 1812 (AF 2-001-00). An Fayencen besitzt das Museum zwanzig Objekte aus dem Zeitraum von 1820 bis 1850 und vierzig spätere Exemplare von der «Blauen Familie». In der ersten Gruppe verdient besonders die einzige Suppenschüssel mit Blumendekor von der Art der Bartschalen «Studer 1844», «Bieli» und «Schärmeli 1844» erwähnt zu werden (AF 2-002-00). Was die Stücke der «Blauen Familie» angeht, ist die Bartschale für Urs Jakob Bobst bemerkenswert (AF Nr. 87), den Pfarrer von Matzendorf, einer in der Gegend seinerzeit bekannten Persönlichkeit (Vogt 2003, 474–475). Es gibt hier auch einige Beispiele an weisser, unbemalter Fayence, wie man sie sonst in den Museen nur sehr selten antrifft, weil sie als bescheidenes Gebrauchsgeschirr nicht aufbewahrt wurden (AF 2-041-00; AF 22-047-00; AF 22-045-00; AF 22-046-00). Sie sind kostbare Zeugen für einen wichtigen Teil der geläufigen Produktion einer Manufaktur wie jener von Matzendorf.
In der grossen Gruppe der Zürcher Fayencen gibt es ein fast vollständiges Service von um 1830 (AF Nr. 11; AF Nr. 12; AF Nr. 13; AF Nr. 14; AF Nr. 17) und mehrere Suppenschüsseln, darunter ein 1838 datiertes Exemplar von seltener Form, vielleicht aus der Fabrik von Fehr in Rüschlikon (AF, Nr. 74). Die Solothurner Sammlungen sind reich an Zürcher Fayencen mit interessanten Stücken zum Studium der komplexen Fragen, die sich auf diesem Gebiet stellen. Um nur ein Beispiel zu nennen, kann man auf Alt-Falkenstein durch das Vergleichen von Suppenschüsseln mit dem gleichen Dekor zeigen, worin sich die beiden wichtigsten Kilchberger Manufakturen von Nägeli (AF 2-010-00; AF 2-043-00) und Scheller (AF 2-042-00) unterscheiden.
Abgesehen von den Beständen mit Bezug zur Streitfrage von Matzendorf/Kilchberg, enthält die Sammlung Keramiken verschiedenster Herkunft, die bei der Bevölkerung in der Region in Gebrauch waren, wie glasierte Irdenware wohl auch von Matzendorf/Aedermannsdorf, Keramik «Heimberger Art» aus der Region Heimberg-Steffisburg im Kanton Bern sowie aus Süddeutschland importiertes Steingut der Fabriken Schramberg und Hornberg.
Bibliographie
Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 34–35.
Blaser 1988
Kuno Blaser, Kondiktör Nünlist. Zum 50. Todestag eines verdienten Solothurner Originals. Solothurner Jahrbuch ’88, 52–60.
Blaser 1989
Kuno Blaser, Eigenartiger Reiz eines Lokalmuseums. Das Lebenswerk von “Kondiktör Anton Nünlist”. Solothurner Jahrbuch ’89, 50–57.
Rütti-Saner 1997
Fränzi Rütti-Saner, Das Balsthaler Heimatmuseum. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde 1997, 33–35.
Vogt 2003
Albert Vogt, Aedermannsdorf. Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur im 19. Jahrhundert. Zürich 2003.