Kanton Bern, Hafnereien, 18.-19. Jahrhundert

Orte mit Keramikproduktion im Kanton Bern aufgrund archivalischer Nachweise.

Andreas Kistler, Andreas Heege, 2021

Im Kanton Bern gibt es verschiedene archivalische Quellen (meist im Staatsarchiv Bern, StAB), in denen sich Hafnernachweise befinden können. Für das 16. und 17. Jahrhundert fliessen die Quellen spärlich (meist städtische Hafner). Für das 18. Jahrhundert, Berns “Goldene Zeit”,  haben wir die bernischen Landvogteirechnungen. Hier wurden alle Arbeiten verzeichnet, die in staatlichen Einrichtungen, also Landvogteischlössern, Pfarrhäusern, Pfrundhäusern etc., ausgeführt wurden. Dazu gehören auch die ständigen Reparaturen an den Kachelöfen oder Aufträge für neue Öfen. Auf diesem Wege erhalten wir Informationen zumindest über einige (sicher nicht alle) Hafner, die von der Obrigkeit beauftragt wurden (siehe Kartierung blaue Punkte). Die städtischen Hafnereiquellen und die Landvogteirechnungen hat bisher vor allem Adriano Boschetti-Maradi (2006) ausgewertet, es gibt jedoch keine systematische und vollständige Quellenedition.

Eine weitere Quellengattung sind die Helvetischen Bürgerverzeichnisse des Kantons Bern aus dem Jahr 1798, die als Eidregister für den Huldigungsschwur verwendet wurden. Sie sind vollständig überliefert und geben Ort, Name, Alter und Beruf des Bürgers an. Diese Listen wurden bearbeitet und liegen gedruckt vor (Rohrbach 1999). Andreas Kistler hat daraus die Hafner des Jahres 1798 zusammengestellt und ihre exakten Lebensdaten, soweit möglich, verifiziert (Kartierung rote Punkte).

Liste der bernischen Hafner nach dem Helvetischen Bürgerregister von 1798

Der Kanton Bern verfügt mit der ämterweise geführten Fremdenkontrolle über eine weitere, ungewöhnliche Quelle zum Handwerk. Trotzdem die Kontrolllisten nicht aus allen Ämtern erhalten sind, ergeben sich grundlegende Informationen zum Hafnerhandwerk im Kanton Bern im 19. Jahrhundert. Zwischen 1810 und 1908 musste jeder ausserkantonale und ausländische Geselle, also auch die Hafnergesellen, der im Kanton Bern Arbeit fand, gemeldet werden und zwar mit dem Arbeitsort und dem Namen des beschäftigenden Hafners, der Arbeitsdauer und dem Namen und Herkunftsort des Gesellen. So verfügen wir heute über eine Liste der Hafnereien (siehe Kartierung grüne Punkte), die sich im 19. Jahrhundert die Beschäftigung eines Gesellen leisten konnten. Ausserdem bekommen wir einen Eindruck, aus welchen Kantonen oder Bundesländern Österreichs oder Deutschlands Gesellen zuwanderten. Die Gesellenwanderung war im 19. Jahrhundert der Motor des technologischen und dekorativen Wandels und trug wesentlich zur Entstehung und Ausbreitung der Keramik “Heimberger Art” bzw. der “Thuner Majolika” bei.

Liste der bernischen Hafner, bei denen im 19. Jh. fremde Gesellen gearbeitet haben (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Liste der fremden Gesellen nach Alphabet (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Liste der fremden Gesellen nach Land, Kanton/Bundesland, Ort (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Eine vierte Quellengattung, die bis heute nur für einzelne Orte oder Töpfereien systematisch herangezogen werden konnte (siehe Heege 2011; Heege/Kistler/Thut 2011; Heege/Kistler 2017b; Heege/Spycher/Kistler 2020) sind die Contractenprotokolle der Landvogteien (bis 1798) und die Grundbücher des Kantons Bern (1798 bis heute). Hier wurden (fast) alle Besitzänderungen verzeichnet. Besass ein Hafner also jemals eine Liegenschaft, so besteht die Möglichkeit, dass er in dieser Quellengattung verzeichnet ist. War er als Hafner nur irgendwo eingemietet, so haben wir in der Regel keine Nachweismöglichkeit. Im optimalen Fall lassen sich anhand dieser Quellengattung ganze Besitzerabfolgen auf einzelnen Grundstücken bzw. in einzelnen Werkstätten ermitteln, die sich dann meist auch topographisch verorten lassen (Beispiel).

Eine fünfte Quellengattung, die bis heute noch nicht systematisch ausgewertet wurde, sind die Akten und Lagerbücher der Bernischen Brand-Assekuranz, die seit 1806 existieren und ebenfalls Hinweise auf versicherte Hafnerliegenschaften und die darin befindlichen Brennöfen liefern könnten.

Bibliographie:

Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.

Heege 2011
Andreas Heege, Langenthal, St. Urbanstrasse 40–44. Die Hafnerei Staub und ihre Werkstatt, in: Archäologie Bern/Archéologie bernoise. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, 2011, 209-287.

Heege/Kistler 2017b
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Heege/Spycher/Kistler 2020
Andreas Heege/Alfred Spycher/Andreas Kistler, Die Hafner von Hängelen und das Rätsel der Bäriswiler Kachelöfen, in: Gemeindebuch Krauchthal, 2020, 173-256.

Heege/Kistler/Thut 2011
Andreas Heege/Andreas Kistler/Walter Thut, Keramik aus Bäriswil. Zur Geschichte einer bedeutenden Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 10), Bern 2011.

Rohrbach 1999
Lewis Bunker Rohrbach, Men of Bern: The 1798 Bürgerverzeichnisse of Canton Bern, Switzerland, Rockport 1999.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.