Kilchberg-Schooren ZH, Manufaktur Johannes Scheller (1820-1869)

Keramik aus Kilchberg-Schooren in CERAMICA CH

Roland Blaettler und Andreas Heege 2019

Im 19. Jahrhundert gab es am rechten Zürichseeufer nicht weniger als vier Fayencemanu­fakturen: In Kilchberg die Fabrik Nägeli (aktiv im Schooren zwischen 1802 und 1857) und die Fabrik Scheller (aktiv von 1820 bis 1869, zuerst im Böndler und ab 1835 im Schooren), im Kilchberg benachbarten Rüschlikon arbeiteten die Manufaktur von Jakob Fehr von 1832 bis 1866 und jene der Gebrüder Abegg von 1836 bis 1842. Die Produktion dieser Betriebe ist bezüglich Formen und Dekor sehr ähnlich, so dass wir beim Stand unseres Wissens noch immer nicht vollständig in der Lage sind, die Erzeugnisse der verschiedenen Unternehmen klar zu unterscheiden.

 Kilchberg-Schooren, Manufaktur Johannes Scheller

Im Jahr 1820 gründete Johannes Scheller (1775-1846) im «Böndler» in Kilchberg (heute  Alte Landstrasse 203) eine zweite Fayencemanufaktur. Im Jahr 1835 verlegte er sie nach Schooren, Seestrasse 201. Johannes Scheller (1815-1869) übernahm die Leitung der Manufaktur nach dem Tod des Gründers im Jahr 1846 (Frei 1930). Im Jahr 1846 begann er mit der Produktion von Steingut mit Umdruckdekor (auch mit Motiven aus der Schweiz, z. B. RMC H1972.731; RMC H1972.732; RMC H1971.733; RMC H1971.1088) und führte die Fabrik sehr erfolgreich bis in die 1860er-Jahre. 1857 hatte sie 125 Mitarbeiter, um 1860 sollen es sogar 200 gewesen sein. Die Manufaktur beendete ihre Aktivitäten im Jahr 1869 nach einem Konkurs (Matter 2012, 17, 114-115).

Die Produktion (oder nur der Verkauf?) wurde aber in einem unbekannten Umfang noch durch Martin (?) Bodmer zur Arch aus Zürich fortgesetzt. 1873 kauften die Gesellschafter Fehr und Höhn aus Kilchberg den Betrieb und produzierten weiter bis 1874. Danach wurde die Produktion definitiv beendet (Ducret 1951, 180).

Hervorzuheben sind die in Kopien erhaltenen zwei Musterbücher der Manufaktur Scheller. Peter Ducret hat sie 2007 erstmals umfassend publiziert (Ducret 2007). Zumindest eines der Musterbücher kann aufgrund einer Beschriftung in die Zeit vor 1859 datiert werden. Die Musterbücher liefern nicht nur einen Überblick über die vorkommenden Gefässformen sondern geben auch Aufschluss über zeitgenössische Form- und Dekorbezeichnungen. Im undatierten Verzeichnis sind die Objekte in deutscher und französischer Sprache bezeichnet. Das zweite Verzeichnis ist nur in Deutsch gehalten. Im Vergleich mit einem etwa zeitgleichen Musterbuch von Schramberg (Heege 2013) wird die grosse formale Nähe der Schellerschen Produkte  zu Schramberg überdeutlich.

Musterbücher Scheller, Kilchberg-Schooren

Musterbücher Schramberg

Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon

Die grosse Produktion der vier Manufakturen am Zürichsee bietet besonders in Hinblick auf die Unterscheidung ihrer einfachen, fast identischen Grundformen noch viele Probleme. Die komplexeren Formen der Suppenschüsseln zeigen dagegen formale Eigenheiten, die erlauben, sie verschiedenen Fabriken zuzuweisen. So ist es Rudolf Schnyder überzeugend gelungen, typische Formen der zwei wichtigsten Manufakturen Nägeli (HMO 8689; AF Nr. 28) und Scheller zu definieren (AF Nr. 25; AF Nr. 73; HMO 8149) (Schnyder 1990).


Nägeli


Scheller

Diese erste Unterscheidung nach formalen Kriterien erlaubt zwar, die Dekore auf den Erzeugnissen der beiden sich konkurrenzierenden Unternehmen zu vergleichen, nicht aber endgültig dem einen oder andern Betrieb zuzuweisen. Die Dekorfrage bleibt problematisch, weil man weiss, dass die Maler einmal in dieser, einmal in jener Fabrik arbeiteten. Schnyder hat auch auf Formen von Suppenschüsseln hingewiesen, die als Modelle von Fehr oder Abegg in Rüschlikon in Frage kommen; doch sind deren Erzeugnisse seltener und die Zuweisungen noch weitgehend hypothetisch (KMM 225; MBS 1944.93; HMO 8141; SFM 113; SFM 111; SFM 112; AF Nr. 74).

Bei den Fayencen von Kilchberg und Rüschlikon haben wir auf Vergleiche und vertiefte Studien zu jedem Objekt verzichtet. Eine präzisere Zuordnung haben wir nur in Fällen vorgenommen, die klar erscheinen, vermerken aber auch von Rudolf Schnyder gemachte Vorschläge zu Produkten von Rüschlikon. Der Begriff «Kilchberg» bezieht sich auf Stücke, die Nägeli im Schooren oder Scheller im Böndler vor seinem 1835 erfolgten Umzug nach Schooren produzierten. «Kilchberg-Schooren» aber bezeichnet Objekte von Nägeli oder Scheller von nach 1835. Es ist durchaus möglich, dass es unter den hier «Kilchberg» und «Kilchberg-Schooren» zugewiesenen Fayencen auch Exemplare gibt, die, wenn wir einmal klarer sehen sollten, sich dereinst als Erzeugnisse von Rüschlikon erweisen.

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz (1500–1950), Sulgen 2014, 42–43

Ducret 1951
Siegfried Ducret, Schoorensteingut des 19. Jh. Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 12, 1951, 175–180.

Ducret 2007
Peter Ducret, Bedrucktes Steingut aus der Manufaktur Scheller in Kilchberg, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt Nr. 119/120, 2007.

Frei 1930
Karl Frei, Lebenserinnerungen des Fayencefabrikanten Johannes Scheller von Kilchberg, in: Zürcher Taschenbuch 50, 1930, 157-210.

Heege 2013
Andreas Heege, Ein unbekanntes Musterbuch der ersten königlich württembergischen Steingutmanufaktur Schramberg (Uechtritz&Faist) aus der Zeit nach 1855 in: Harald Siebenmorgen, Blick nach Westen. Keramik in Baden und im Elsass. 45. Internationales Symposium Keramikforschung Badisches Landesmuseum Karlsruhe 24.8.-28.9.2012, Karlsruhe 2013, 107-115.

Matter 2012
Annamaria Matter, Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren. Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763–1906 (Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43), Zürich 2012.

Schnyder 1990
Rudolf Schnyder, Schweizer Biedermeier-Fayencen, Schooren und Matzendorf. Sammlung Gubi Leemann, Bern 1990.