Matzendorf, Sammlung Maria Felchlin (SFM)

Keramikmuseum Matzendorf
Sammlung Maria-Felchlin:
Im Pfarreiheim, Gartenstrasse 2
CH-4713 Matzendorf
Tel. +41 (0)62 394 11 67 (privat, M. Egli, Kustos)
mueller.luethi@bluewin.ch

Keramik der Sammlung Maria Felchlin in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

1957 dankte die Gemeinde Matzendorf Maria Felchlin (1899–1987) mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts für ihren langjährigen Einsatz in der Verteidigung und in der Darstellung der lokalen keramischen Tradition. 1968, im Jahr des 1000-Jahr-Jubiläums von Matzendorf versprach sie, ihre Sammlung der Gemeinde zu vermachen, mit der Bedingung, dass die Sammlung dem Publikum mit einem Führungsservice zugänglich gemacht und die Gemeinde das Studium der Keramik von Matzendorf weiter fördern würde. Noch im gleichen Jahr wurde die Sammlung in Matzendorf deponiert und im dortigen Pfarrheim ausgestellt, wo sie sich noch heute befindet.

Mit 220 Objekten illustriert die Sammlung Felchlin die Ansichten und Theorien der Sammlerin, die während Jahrzehnten als die Spezialistin auf dem Gebiet der Keramik von Matzendorf galt. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Biedermeier-Fayencen, die wir heute als Kilchberg-Schoorener Erzeugnisse ansehen und die sie als die besten Produkte von Matzendorf pries, hier mit 130 Objekten den vordersten Platz einnehmen. Die lokale Produktion ist mit 20 Exemplaren vertreten. Der Rest des Bestandes sind Fayencen und Steingut aus Ostfrankreich. Felchlin hat ihre Keramiken mehrfach publiziert, aber kein Sammlungsinventar geführt. Von Ausnahmen abgesehen, bleibt deshalb die Herkunft der Stücke im Dunkeln. Man darf annehmen, dass die Sammlung am Ende der zwanziger Jahre begonnen wurde. Der Konservator des Museums Olten beschrieb Maria Felchlin jedenfalls schon 1934 als «eifrige Sammlerin».

 

 

Die Sammlung enthält vier Stücke aus Steingut mit zwei seltenen Korbuntersätzen mit der Pressmarke «Mazendorf» (SFM 17; SFM 219), einem 1812 datierten Teller (SFM 5) und dem Senftopf vom Service des Bernhard Munzinger von 1820 (SFM 218). Aus der Frühzeit der Fayence-Produktion gibt es hier vier Beispiele, darunter ein Tintengeschirr von 1810 (SFM 7) mit dem gleichen Dekor wie die Ohrentasse von 1807 im Keramikmuseum Matzendorf (KMM 77).

Zu den Vertretern der Jahre  um 1830 gehört eine schöne Suppenschüssel von 1834 (SFM 189), die jener von 1835 im Museum Olten (HMO 8833) sehr ähnlich ist, wobei beide Objekte für Besteller im Kanton Baselland bestimmt waren, für Johann Jakob Buser auf Bantenholden bei Dietgen und für Johann Bosset in Zunzgen.

Maria Felchlin hat die späteren Fayencen der «Blauen Familie» mit einer gewissen Verachtung behandelt. Sie schienen ihr als Produkte der Manufaktur qualitativ nicht würdig zu sein und sie sah in ihnen zweitrangige «Laienprodukte», die eingehender zu studieren sich nicht lohnte. Kein Wunder deshalb, dass es in der Sammlung nur drei Beispiele davon gibt.

In der grossen Gruppe der «Berner Dekore», die aus den Fayencemanufakturen im Kanton Zürich stammen, gibt es auffallend viel Puppengeschirr, das Maria Felchlin offenbar besonders gern hatte (SFM 94; SFM 95; SFM 98; SFM 101a; SFM 101b; SFM 101c; SFM 128; SFM 131; SFM 154; SFM 156; SFM 161; SFM 162; SFM 164;  SFM 165; SFM 166; SFM 167; SFM 168; SFM 169; SFM 170; SFM 171; SFM 173; SFM 174; SFM 175; SFM 176; SFM 177; SFM 195).

Dann finden sich hier auch Stücke mit seltenem Dekor (SFM 126; SFM 188 und SFM 106), weiter drei mit blauen Rosenkränzen bemalte Deckelschüsseln von ungewöhnlicher Form. Alle drei haben einen Knauf, der typisch zu sein scheint für die Fabrik Fehr in Rüschlikon (SFM 111; SFM 112; SFM 113) und eine hat Griffe, die man sonst Scheller zuschreibt (SFM 112).

Diese Produktion bietet der Zuschreibung noch Probleme, diente Felchlin aber als Element für die Entwicklung ihrer «Service-Theorie» (Felchlin 1968, 188–189).

Halten wir noch fest, dass die Sammlung eine kleine Auswahl von Fayencen enthält, die wir als Erzeugnisse der Zeit 1850–1855 von Scheller ansehen (SFM 78; SFM 182; SFM 183; SFM 184; SFM 185; SFM 186).

Im Bestand finden sich 50 ostfranzösische Stücke, welche Felchlin als Matzendorfer Erzeugnisse ansah. Dazu gehören sieben Fayencen mit Kranich-Dekor aus der Franche-Comté (SFM 36; SFM 34; SFM 38; SFM 39; SFM 37; SFM 35 – siehe auch «Fayencen aus der Franche-Comté in Solothurner Sammlungen») und zwölf Stücke aus Steingut mit reliefierten Blumen (SFM 1; SFM 2; SFM 3; SFM 4; SFM 9; SFM 10; SFM 15; SFM 18; SFM 23; SFM 24; SFM 25; SFM 26).

Steingut dieser Art scheint man in Lunéville seit 1750–60 nach Blumendekoren fabriziert zu haben, die früher in der Gegend von Paris und dort besonders in Pont-aux-Choux nach Dekoren mit «indianischen Blumen» entwickelt wurden. In der Folge wurden die Motive von Lunéville von andern Manufakturen in Lothringen, aber auch in Belgien und in Luxemburg übernommen (Maire 2008, 109–113, 140 und 179; Maire 2009). Die Beispiele der Sammlung Felchlin kommen von Lunéville oder aus seiner Region.

Ferner gibt es Fayencen mit Aufglasurdekor, die sie fälschlich der Werkstatt von Urs Studer zuwies (SFM 52; SFM 60; SFM 206; SFM 205; SFM 51; SFM 53; SFM 71; SFM 61; SFM 68; SFM 62; SFM 63; SFM 67; SFM 48; SFM 66; SFM 58; SFM 72; SFM 54; SFM 69; SFM 55; SFM 50; SFM 56; SFM 46; SFM 43).

Die Fayencen, die Felchlin als «Matzendorfer im Strassburger Stil» Urs Studer zuwies, sind weit verbreitet und in vielen Manufakturen Ostfrankreichs, vor allem aber in Lothringen fabriziert worden. Gezielte, auf archäometrische Analysen sich stützende Studien weisen Produkte dieser Art dem einen oder anderen Zentrum zu. Für Jean Rosen beispielsweise handelt es sich bei einer ganzen Serie der Sammlung um Erzeugnisse der Manufaktur von Bois-d’Épense (Les Islettes) (SFM 62; SFM 66; SFM 58; SFM 72; SFM 69; SFM 71; SFM 55; SFM 56). Da sich die französischen Spezialisten hier nicht einig sind, halten wir uns in diesem Fall an eine grossräumigere Zuschreibung.

Die Sammlung Felchlin ist ein eher seltenes Beispiel von einem intakt erhaltenen Bestand, der die jahrzehntelange Forschungsarbeit auf einem klar umgrenzten Gebiet der Schweizer Keramik greifbar zu illustrieren vermag, auch wenn die meisten der von Maria Felchlin vorgebrachten Theorien sich mit der Zeit als irrig erwiesen.

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 35–37.

Felchlin 1968
Maria Felchlin, Matzendorf in der keramischen Welt. In: 968–1968: Tausend Jahre Matzendorf. Solothurn 1968, 151–216.

Maire 2008
Christian Maire, Faïence fine française 1743-1843. Le triomphe des terres blanches. Le Mans/Paris 2008.

Maire 2009
Christian Maire (éd.), La question des influences entre Paris, la Lorraine et la région belgo-luxembourgeoise: des pistes de réflexion (Pôles de productions et échanges belgo-luxembourgeois autour de la faïence fine [XVIIIe et XIXe siècles]). Bruxelles 2009, 9–62.