Steinzeug

Andreas Heege 2019

Steinzeug in CERAMICA CH

Steinzeug ist eine spezielle, meist bei 1200 bis 1400 °C gebrannte Keramik mit einem weitgehend verglasten bzw. glasartig dicht gesinterten, undurchsichtigen, farbigen Scherben. Dieser weist nur einen geringen Anteil offener Poren auf. Meist ist keine Magerung vorhanden oder sichtbar. Frühe  Faststeinzeuge und Steinzeuge haben oft eisenrote Engobeüberzüge oder Ascheanflugglasuren (Herstellungsorte z. B. Bengerode, Coppengrave, Reinhardswald, Bad Schmiedeberg). Jüngere Steinzeuge tragen ab dem späten 15. Jahrhundert zunehmend  und ab dem 16. Jahrhundert regelhaft Salzglasurüberzüge (Gaimster 1997, 46-48). Bemalung mit dem feuerfesten Kobalt  („Smalte“, blau) oder Eisenmanganverbindungen (manganviolett) kommt erst im 16. und 17. Jahrhundert auf.

Die Entwicklung von sehr hart gebrannten Irdenwaren zu weitgehend gesintertem Faststeinzeug oder Steinzeug vollzog sich im 13. Jahrhundert im Rheinland. Vollständig durchgesintertes, magerungsloses Steinzeug wurde erstmals um 1300 in Siegburg bei Bonn erzeugt. In Abhängigkeit von der Existenz qualitativ hochwertiger Tone entwickelten sich in den folgenden Jahrhunderten in Mitteleuropa (Deutschland, Belgien und Frankreich, aber auch England) verschiedene Steinzeugregionen und Töpferorte. Unter diesen sind die westsächsischen Produktionszentren (z.B. Waldenburg) und ostsächsischen  Produktionszentren (z.B. Bad Muskau, Triebel)  und die rheinischen Orte Siegburg, Köln, Frechen, Langerwehe und Aachen bzw. Raeren und Bouffioulx in Belgien und seit dem späten 16. Jahrhundert der Westerwald bzw. die Steinzeugzentren im Elsass und ihre Filiationen in Baden-Württemberg (z. B. Oppenau, Rotenfels) besonders hervorzuheben.

Steinzeug aus dem Westerwald oder seinen Filiationen kann oft typologisch oder aufgrund der Dekore nicht nach Herstellungsorten unterschieden werden und muss daher als Steinzeug „Westerwälder Art“ klassifiziert werden.

Im Mittelalter und in langen Phasen der Neuzeit bestand aufgrund fehlender Tonqualitäten in der Schweiz, Österreich und in Liechtenstein sowie in grossen Teilen Süddeutschlands keine Möglichkeit zur Steinzeugproduktion.

Hoch gebrannte, industrielle gefertigte, oft unglasierte Keramiken der zweiten Hälfte des 18. und des 19. Jahrhunderts (dry-bodied caneware, black basaltware, jasperware, red stoneware) zunächst aus England, Staffordshire, und später auch aus den grossen Keramikfabriken des Kontinents, werden in der Literatur unterschiedlich, d.h. sowohl dem Steingut (Heege 2010, 59-66; gelbes Steingut, schwarzes Steingut, rotes Steingut, blaues Steingut) als auch dem Steinzeug zugeordnet, obwohl der Scherben nicht immer vollständig gesintert ist und durchaus auch Bleiglasuren vorliegen können. Dies stellt ein terminologisches und keramiktechnologisches Problem dar, was Michiel Bartels veranlasste diese Waren zusammen mit dem normalen Steingut generell als „industrial wares“ einzustufen (Bartels 1999, 240-259, industrial whitewares, industrial redwares, alle übrigen industrial wares). In jüngster Zeit findet sich für diese Industriewaren auch eine Einordnung als „fine stoneware – Feinsteinzeug –  grès fin“ (Stellingwerf 2019, 42-46, 202).

Frz.: Grès, Proto-Grès

Engl.: stoneware, near-stoneware

Bibliographie:

Bartels 1999
Michiel Bartels, Steden in Scherven, Zwolle 1999.

Gaimster 1997
David R. M. Gaimster, German Stoneware 1200-1900. Archaeology and cultural history, London 1997.

Heege 2009
Andreas Heege, Steinzeug in der Schweiz (14.–20. Jh.). Ein Überblick über die Funde im Kanton Bern und den Stand der Forschung zu deutschem, französischem und englischem Steinzeug in der Schweiz, Bern 2009.

Stellingwerf 2019
Wytze Stellingwerf, The Patriot behind the pot. A historical and archaeological study of ceramics, glassware and politics in the Dutch household of the Revolutionary Era: 1780-1815, Zwolle 2019.