Musée historique de Vevey (MHV)
Le Château
2, rue du Château
1800 Vevey
021 925 51 64
Die Keramiksammlung in CERAMICA CH
Roland Blaettler 2019
Als das Musée Jenisch in Vevey 1897 eröffnet wurde, beherbergte es noch im Aufbau befindliche Sammlungen aus den verschiedensten Bereichen wie der Malerei, der Naturgeschichte und der Archäologie. Da diese Sammlungen nicht gross genug waren, um alle Räume des neuen Gebäudes zu füllen, beschloss eine Gruppe von Bürgern, eine temporäre Ausstellung mit verschiedenen Objekten zu organisieren, die die Geschichte der Stadt und ihrer Region illustrieren sollten. Die Veranstaltung war bei der Bevölkerung ein voller Erfolg und wurde zu einer Art Gründungsakt des Musée historique du Vieux-Vevey.
Seit 1953 ist das Historische Museum von Vevey im Château de Vevey untergebracht, einem prächtigen Herrenhaus aus dem späten 16. Jahrhundert. Das Gebäude, vormals im Besitz der Familie de Tavel, wurde 1734 an die Berner Behörden verkauft, die dort bis zur Waadtländer Revolution von 1798 ihren Sitz hatten.
Nachdem die Liegenschaft im 19. Jahrhundert zu einem Hotel umgebaut wurde und diese Funktion bis nach dem Zweiten Weltkrieg beibehielt, drohte dem Gebäude der Abriss, bevor es von einer örtlichen Bank gerettet wurde und die Bruderschaft der Winzer und das Historische Museum in seinen Mauern untergebracht wurden. Seit 1986 ist das ehrwürdige Gebäude im Besitz der Bruderschaft und wurde seit Anfang der 1990er-Jahre sorgfältig restauriert.
In erster Linie will das historische Museum von Vevey das Kulturerbe der Stadt und ihrer Umgebung bewahren, daher sind seine Sammlungen sehr vielfältig. Sie umfassen Waadtländer und Schweizer Möbel, handwerkliche Gegenstände aus dem täglichen Leben, alte Waffen, Manuskripte, Stiche und Gemälde von Schweizer Kleinmeistern und eine Medaillensammlung. Unter den spezielleren Beständen bewahrt die Institution eine in der Schweiz einzigartige Sammlung alter Schlüssel, Schlösser und Kästchen auf.
Im Bereich der Keramik gibt es offensichtlich keine nennenswerte Ankaufspolitik für den Museumsbestand. Von den rund 180 untersuchten Objekten fallen etwas mehr als 80 Stücke in die Kategorie «Alter Bestand, ohne Datum», da die Umstände, unter denen sie in die Sammlungen aufgenommen wurden, nicht dokumentiert sind. Diese Gruppe umfasst relativ gängiges Porzellan aus den Manufakturen von Nyon und Zürich, ostfranzösische Fayencen und eine Gruppe von deutschen Steingutobjekten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Besonders hervorzuheben ist ein Fayenceteller mit einem Kornblumenmuster, den wir einer kleinen Gruppe von Objekten zuordnen, die der Produktion von blei-zinnglasierten Fayencen der Familie Baylon in Nyon (MHV 57) zugeordnet werden können.
Das historische Museum erwarb nur drei Keramiken, allerdings drei sehr interessante und sogar einzigartige Exemplare, jedes auf seine Art bemerkenswert. So zum Beispiel der Porzellanteller aus Sèvres, der die «Fontaine orientale» von Vevey zeigt und aus dem «Service de dessert, vues de Suisse imprimées» stammt, das Napoleon I. 1811 dem Prinzen Eugène de Beauharnais, Vizekönig von Italien, schenkte (MHV 4613). Der Teller ist das einzige bislang bekannte Beispiel dieser Art in einer öffentlichen Schweizer Sammlung.
Weiter findet sich, gemäss unserer Einschätzung, noch ein aussergewöhnliches Exemplar in der Sammlung: eine Suppenterrine der Manufaktur Ziegler und Pellis in Schaffhausen, die 1847/48 zur Feier der grossen Verdienste von General Dufour im Sonderbundskrieg entworfen wurde (MHV 2869). Und schliesslich eine Platte aus Steinzeug, die im Umdruckdekor den auf der Terrasse der Kirche Saint-Martin in Vevey aufgestellten Orientierungstisch in der neuen, 1878 von Henri Grandjean-Perrenoud aus Genf entworfenen Version zeigt (MHV 897).
Der überwiegende Teil des Keramikbestands wurde durch Schenkungen und Legate aufgestockt, von denen vor allem dasjenige von Gustave Coindet aus dem Jahr 1906 hervorzuheben ist: Der Nachlass umfasst etwa 30 Objekte, darunter eine Reihe von Tellern aus Niderviller Porzellan, die wahrscheinlich von einem alten Geschirr stammen, das im Familienkreis verwendet wurde (MHV 3359), aber auch einige erlesene Beispiele aus der Strassburger Manufaktur von Paul Hannong (MHV 1806) sowie die schöne Fischplatte aus Moustiers (MHV 1312) oder den Brunnen, der von einem der besten Maler der Fayencerie von Lunéville dekoriert wurde (MHV 2095).
Übersetzung Stephanie Tremp