Malhörnchen

Malhörnchen aus Horezu, Rumänien

Andreas Heege, 2019

Zur Herstellung des Malhorndekors verwendete man Malhörnchen. Im einfachsten Fall bestehen sie aus einem Kuhhorn in dessen Spitze man einen Federkiel einsetzte.

Malhörnchen aus der Hafnerei Röthlisberger in Langnau, 20. Jh.

Sehr oft begegnen aber auch keramische Malhörnchen. Sie haben oberseitig ein Einfüllloch und an der Vorderseite eine kleinere Öffnung für einen Federkiel. Seitliche Dellen können die Handhabung verbessern. Je nach Dickflüssigkeit der Malengobe muss die Einfüllöffnung mit dem Daumen verschlossen werden, um den Engobefluss zu regulieren. In der Schweiz ist die Rückseite der Malhörnchen oft mit einem eingeritzten Datum und/oder den Initialen der Besitzerin (Ausmacherin) oder des Hafners beschriftet.

Heimberger Hafner 1917

Bodenfunde von keramischen Malhörnchen gehen bis in den Beginn der Herstellung von Malhorndekoren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück. Die derzeit ältesten, absolut datierten Objekte stammen aus den Werraware-Töpfereien von Enkhuizen NL  (zwischen 1602 und 1613, Ostkamp/Venhuis 2009, Abb. 41) bzw. Hannoversch-Münden D (vor 1612, Stephan 1992, Abb. 45).

Zweikammeriges Malhörnchen der Renaissance im Museum im Burghof Springe (Inv. 1993/1914, Leiber 2012, Kat. 52)

Malhörnchen können für mehrfarbige oder parallele Aufträge auch zwei oder mehrere Kammern und Ausflussöffnungen haben, z. B. bei der sog. „Weserware“ der Renaissance in Deutschland, die zwischen ca. 1550 /1570 und 1630/1640 gefertigt wurde. Fragmente von zwei solchen Malhörnchen (Fundort Völksen) verwahrt das Burghofmuseum in Springe.

 

Museum Bonfol, Kanton Jura, mehrkammeriges Malhorn für die Herstellung von Marmorierungsdekoren.

Auch zur Herstellung von Marmorierungen oder „Katzenaugen – Cat’s eye“ und „Regenwürmern – earthworms“ bei den bunten „dipped wares – lathe-turned refined utilitarian earthenware with slip-decoration“ aus dem englischen Staffordshire fanden mehrkammerige Malhörnchen oder Malbüchsen Verwendung (vgl.  Carpentier/Rickardt 2001, Fig. 21-31). In Bonfol, Kanton Jura und in der französischen Region Savoyen (Buttin/Pachoud-Chevrier 2007, 56) verwendete man mehrkammerige Malbüchsen  aus Keramik bei der Herstellung mehrfarbiger Marmorierungen.

Eine industrielle Weiterentwicklung der Malhörnchen stellen die sog.«blowing bottles» aus Staffordshire in England dar (vgl. Carpentier/Rickardt 2001, Fig. 13). Heute werden vor allem für sehr feine Malhorndekore eher Malbällchen aus Kunststoff mit Glas-, Metall- oder Kunststoffspitzen verwendet.

Frz.: barolet (im Elsass auch „cochonnet“)

Engl.: slip trailer, slip cup,  quill box, multi-chambered slip pot

Bibliographie:

Buttin/Pachoud-Chevrier 2007
Anne Buttin/Michèle Pachoud-Chevrier, La Poterie domestique en Savoie, Annecy 2007.

Carpentier/Rickard 2001
Donald Carpentier/Jonathan Rickard, Slip Decoration in the Age of Industrialization, in: Ceramics in America, 2001, 115-134.

Leiber 2012
Christian Leiber, Aus dem Pottland in die Welt. Eine historische Töpferregion zwischen Weser und Leine, Holzminden 2012, 215 Kat. 52.

Ostkamp/Venhuis 2009
Sebastiaan Ostkamp/Sjek Venhuis, „tot soulagemente van de schamele gemeente“ – Het Werra-aardewerk uit de werkplaats van Dierck Claaesz Spiegel in Enkhuizen opnieuw bekeken (1602-1613), in: Hemmy Clevis/Hans van Gangelen, Werra Keramiek uit Enkhuizen opnieuw bekeken – Studies aangeboden aan Jan Thijssen, Zwolle 2009, 11-96.

Röhrich/Meinel 1975
Lutz Röhrich/Gertraud Meinel, Töpferei im Elsass dargestellt am Beispiel von zwei Familienbetrieben in Oberbetschdorf und Soufflenheim (Veröffentlichung des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br. 36), Bühl 1975, bes. 69-75.

Stephan 1992
Hans-Georg Stephan, Keramik der Renaissance im Oberweserraum und an der unteren Werra (Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, Beiheft 7), Köln 1992, Abb. 45.