Fayencen aus der Franche-Comté in Solothurner Sammlungen
Roland Blaettler 2019
Im 18. Jahrhundert war die Westschweiz ein sehr wichtiges Absatzgebiet für die Manufakturen der Franche-Comté. Dementsprechend findet man viele Beispiele in Schweizer Sammlungen, vor allem entlang dem Jura-Südfuss, von denen man denkt, dass sie ursprünglich von dort herkommen.
Zu dieser verhältnismässig schlecht dokumentierten Gruppe gehört eine beachtliche Reihe von Fayencen mit einer Marke, die einem «g» gleicht und die von Rudolf Schnyder als «cg» gelesen wurde (siehe z. B. SFM 36; SFM 34; SFM 38). Dementsprechend werden solche Fayencen heute der Manufaktur von Claude Gautherot in Boult im Departement Haute-Saône zugewiesen (Rosen 2013, 17–22).
Claude übernahm die Direktion des von seinem Vater Jacques Gautherot gegründeten Unternehmens nach dessen Tod im Jahr 1762, bevor er eine zweite Fabrik in dem nahe bei Boult gelegenen Le Cordonnet einrichtete. Die Dekore von Boult (oder Le Cordonnet) sind oft Imitationen von verbreiteten Dekoren der lothringischen Manufaktur von Chambrette in Lunéville, insbesondere des camaieu-violetten, sogenannten «Kranichdekors» (bei dem es sich eigentlich um einen Phönix chinesischer Herkunft handelt) und seiner Varianten (SFM 36; SFM 34; SFM 38; SFM 39; SFM 37; SFM 35; HMO 8712). Zum originalen «Kranichdekor» siehe z. B. MAHN AA 1666; MAHN AA 1668; MAHN AA 1664; Schnyder 1973, Abb. 9 und Rosen 2013, 17–19.
In den 1940er Jahren reklamierte Maria Felchlin diese Produkte für Matzendorf als Erzeugnisse der damals noch schlecht dokumentierten Periode von 1812–1820 (Felchlin 1942, 25–26). Felchlin stützte ihre Zuschreibung mit dem Hinweis, dass sich 1808 der Fayencier Marx Frei von Lenzburg in Matzendorf aufhielt (Felchlin 1968, 160–161). Da damals der «Kranichdekor» in seiner originalen Form gleich wie auch andere Dekore der Lunéviller Produktion Lenzburg zugewiesen wurde, schien dies Sinn zu machen. Der Irrtum konnte erst 1973 durch Rudolf Schnyder aufgedeckt und korrigiert werden (Schnyder 1973).
Man wird übrigens feststellen, dass fast alle Fayencen mit «Kranichdekor», die im Kanton Solothurn aufgenommen wurden, aus der privaten Sammlung von Maria Felchlin kommen. Siehe auch «Matzendorf/Aedermannsdorf, Fayencemanufaktur».
Bibliographie:
Felchlin 1942
Maria Felchlin, Die Matzendorfer Keramik. Ein Beitrag zur Geschichte der schweizerischen Keramik, in: Jahrbuch für solothurnische Geschichte 15, 1942, 1–72.
Felchlin 1968
Maria Felchlin, Matzendorf in der keramischen Welt, in: 968–1968: Tausend Jahre Matzendorf, Solothurn 1968, 151–216.
Rosen 2013
Jean Rosen, De Lunéville à la Franche-Comté: un exemple de diffusion précoce des décors de la Manufacture Chambrette, vers 1755-1760, in: Deuxième table ronde franco-suisse: Faïences et faïenceries de l’Arc jurassien et ses marges. Procédés techniques et décors. L’apport des sources et de l’archéologie, Fribourg 2013, 15-22.
Schnyder 1973
Rudolf Schnyder, Fayencen 1740–1760 im Gebiet der Schweiz, Zürich 1973.