Couvet NE

Keramik aus Couvet?
Fayencen, «covets» (Glutbecken) und andere Irdenwaren

Roland Blaettler, 2013

Die Geschichte der Keramik von Couvet (Val-de-Travers) gab mangels solider Quellen gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Anlass zu zahlreichen Spekulationen. Die wohl gewagteste Hypothese postulierte die Existenz einer Produktion von Faïence in Couvet bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dies würde die Beherrschung einer relativ komplexen Technologie voraussetzen, die sicherlich einer gewissen Anzahl von Kachelofenbauern im Neuenburgerland und vielleicht sogar im Val-de-Travers bekannt war.

Die Fayence von Couvet  – Die Idee wurde 1892 von Charles Alfred Michel und Alfred Godet in einem kurzen, gemeinsam verfassten Artikel lanciert, der im Musée neuchâtelois erschien (Michel und Godet 1892). In ihrem Text ziehen die beiden Autoren vorsichtig den Schluss, dass es eine solche Fabrikation gab, sie versuchen auch, sie etwas näher zu beschreiben. Ein eher schwieriges Unterfangen, denn, so sagen sie, «die Stücke […] von Couvet weisen eine augenfällige Analogie auf zu denen aus den Fabriken im Elsass, in Delft oder Marseille». Der Artikel ist mit einer Keramik aus dem Neuenburger Museum für Kunst und Geschichte illustriert, die wir heute der Region Lunéville zuordnen (MAHN AA 1887), sowie mit einer Kaffeekanne aus der Durlacher Manufaktur in Deutschland (MAHN AA 1709)

Die Fayencen aus den Sammlungen des Musée d’art et d’histoire und des Musée régional du Val-de-Travers, die gemäss den alten Museums inventaren Couvet mehr oder weniger sicher zugeschrieben werde, sind erstaunlich vielfältig: Es gibt eindeutig belegte Exemplare aus Ostfrankreich (Lunéville und Region, Épinal oder Rambervillers, in den Vogesen), Süddeutschland, Delft und sogar feine luxemburgische Steingutstücke! (MAHN AA 1928; MAHN AA 1887; MAHN AA 2127; MAHN AA 2130; MRVT Nr. 1; MAHN AA 1721; MAHN AA 1311; MAHN AA 2134; MAHN AA 2135; MAHN AA 2137; MAHN AA 2129; MRVT Nr. 56; MAHN AA 1904; MAHN AA 1927 und 1920; MAHN AA 1709; MRVT Nr. 90; MRVT Nr. 92; MAHN AA 1998-15; MRVT Nr. 73; MRVT Nr. 45; MAHN AA 1926; MRVT Nr. 49; MRVT Nr. 2655c; MAHN AA 1905 und 1906; MRVT Nr. 95; MRVT Nr. 94; MRVT Nr. 34; MRVT Nr. 35; MRVT Nr. 31 und 36; MRVT Nr. 71; MRVT Nr. 72; MAHN AA 2133; MAHN AA 1513; MAHN AA 1908 und 1914).

In den meisten Fällen zeugen diese Beispiele von einem erprobten Know-how und einer soliden Kenntnis der Technik. Es können keineswegs Stücke sein, die beispielsweise von einem Kachelofenbauer stammen, der in auftragsarmen Zeiten nebenbei noch Geschirr produzierte. Vielmehr handelt es sich bei den genannten Fayencen in der Regel um eine vorindustrielle Produktion, die ein gewisses Mass an Personal und Einrichtungen erforderte, Bedingungen, die sicherlich Spuren im lokalen Bauerbe oder in Archivdokumenten hinterlassen hätten.

Unter den Couvet zugeschriebenen Fayencen findet man eine umfangreiche und vollkommen geschlossene Gruppe von Schalen, Tassen, Untertassen, Tellern und Kaffeekannen, dekoriert mit mehrfarbiger oder violetter monochromer Inglasurmalerei. Besonders gut vertreten ist ein violetter monochromer Dekor, der ein kleines Haus zeigt, flankiert von zwei Bäumen mit Laub in Schwämmeldekor, fast schon ein Emblem der «faïence de Couvet» (z.B. MAHN AA 1998-15; MRVT Nr. 73; MRVT Nr. 94; MRVT Nr. 34; MRVT Nr. 35). Allein das Musée régional du Val-de-Travers besitzt etwa fünfzig Exemplare davon. Durch ihre Formen, die Handschrift ihrer Maler und einige ihrer Dekore sind diese Fayencen jedoch eindeutig Teil der Produktion der Durlacher Fayencemanufaktur in Baden-Württemberg (Durlach 1975). Der süddeutsche Keramikspezialist René Simmermacher legt aufgrund neuerer Forschungen hingegen nahe, dass einige dieser Fayencen der Manufaktur Mosbach (Baden-Württemberg), einem stark von Durlach geprägten Betrieb, zugeschrieben werden können (insbesondere MRVT Nr. 56; MAHN AA 1904; MAHN AA 1998-15; MRVT Nr. 73; MRVT Nr. 94; MRVT No 94).

Eine derart ausgeprägte Präsenz dieser Art vonFayence im Neuenburgerland und insbesondere im Val-de-Travers ist natürlich überraschend. Sicherlich hat Durlach seine Produkte in die Schweiz exportiert, aber vor allem in die süddeutschen Grenzregionen. In diesem Fall, und insbesondere auch in Bezug auf den «Häuschen»-Dekor aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, kann man nur von einem besonderen Umstand ausgehen: Etwa ein Handelsaustausch im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Uhren oder die Durchreise eines deutschen Wanderhändlers?

Die Glutbecken «les covets»

In den Neuenburger Sammlungen befinden sich vier Beispiele von Glutbeckenaus glasierter Irdenware, die eindeutig aus einer einzigen Werkstatt stammen, deren Standort noch zu bestimmen ist (MLS 270307; Valangin Nr. 5; MRVT Nr. 98; MLS 270308).

Die Museumsinventare liefern uns keine nützlichen Informationen über ihre Herkunft, auch wenn die lokale Tradition vorgibt, dass diese «covets», wie sie in der Regionalsprache genannt werden, ihren Ursprung in Couvet haben. Nach einer immer noch weit verbreiteten, aber von Linguisten ernsthaft in Frage gestellten Interpretation leitet sich der Ortsname sogar von dem Namen «covet» ab, als Beweis dient das alte Wappen von Couvet aus dem Jahr 1890 mit drei brennenden Glutbecken. Der Ortsname – Covès in seiner ältesten Form – ist bereits im 14. Jahrhundert bezeugt, «lange bevor dort Glutbecken produziert werden konnten», wie William Pierrehumbert zu Recht betont (Pierrehumbert 1926, 155).

Es besteht kein Zweifel, dass der Bezirk Couvet im 18. und 19. Jahrhundert eine der grössten Konzentrationen von Töpfern im Kanton aufwies: Im Jahr 1817 zählte man siebzehn Töpfereien (Montandon 1921, 219). Wie Léon Montandon bereits 1921 feststellte, gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass sie «covets« produzierten.

Ein möglicher Ursprung der Glutbecken könnte Bonfol im Jura sein, ein Produktionszentrum, das zumindest seit dem 17. Jahrhundert für seine feuerfeste Keramik weit und breit bekannt war. Im Jahr 1809 hatte Bonfol etwa dreissig Töpfer, die ihre Waren auf den Märkten in den Freibergen, in La Chaux-de-Fonds und Neuenburg verkauften, ganz zu schweigen von den Absatzmärkten in der Deutschschweiz (Amweg 1941, 344-347). Aus technologischer oder sogar stilistischer Sicht könnten diese Objekte Bonfols Produktion zugeordnet werden (Babey 2003). Das Problem liegt aber darin, dass bis heute kein Objekt dieser Art in der Ajoie oder im übrigen Jura gefunden wurde, auch nicht in Sammlungen oder unter Ausgrabungsobjekten (Mitteilung von Ursule Babey). Die Frage nach der Herkunft der Neuenburger «covets» bleibt daher problematisch.

Die Töpferei in Champs Girard – Zwischen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts sind Töpfer der Familien Borel und Petitpierre am Ort mit dem Flurnamen Champs Girard, auf den Höhen von Couvet, nachgewiesen. Der letzte bekannte Töpfer, Jules Petitpierre (1839-1913), praktizierte dort offenbar die Technik der engobierten Irdenware, manchmal «unbeholfen verziert, im Stil von Porrentruy». Die Dekore aus mehrfarbigen Engoben wurden mit dem Malhorn aufgetragen «wie in Heimberg» (Michel et Godet 1892, 59; Petitpierre 1965).

Der Brennofen in Champs Girard wurde 1942 im Zuge einer Restaurierung des Gebäudes abgebrochen. Die damals vor Ort gefundenen Gegenstände waren Töpfe, Schüsseln und Deckeltöpfe (vom Typ der «toupines», also Schmalztöpfe, die insbesondere von der Familie Knecht in Colovrex hergestellt wurden) dunkelbraun oder beige engobiert (Petitpierre 1965, Schwarz-Weiss-Fotografie, S. 5)

Das Neuenburger Museum für Kunst und Geschichte besitzt drei Objekte (MAHN AA 2065; MAHN AA 3289; MAHN AA 1784), die in den alten Inventaren der Töpferei von Champs Girard zugeschrieben werden und die Werke des Grossvaters von Jules Petitpierre, Henri-Louis Borel-Vaucher, sein könnten.

Vollständiger Text in: Blaettler/Ducret/Schnyder 2013, 35-36, 60, 194 – Letzte Aktualisierung: März 2019

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

Amweg 1941
Gustave Amweg, Les arts dans le Jura bernois et à Bienne, t. II: Arts appliqués, Porrentruy 1941.

Babey 2003
Ursule Babey, Produits céramiques modernes. Ensemble de Porrentruy, Grand’Fin, Porrentruy 2003.

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013.

Durlach 1975
Durlacher Fayencen, 1723–1847, Ausstellungskatalog, Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Karlsruhe 1975.

Michel et Godet 1892
Charles Alfred Michel et Alfred Godet, Les faïences du Val-de-Travers, in: Musée neuchâtelois, 1892, 55-61.

Montandon 1921
Léon Montandon, Potiers de terre neuchâtelois, in: Musée neuchâtelois, 8, 1921, 217-220.

Petitpierre 1965
André Petitpierre, La poterie de Couvet, in: Feuillet Dubied, 9, 1965, 4-5.

Pierrehumbert 1926
William Pierrehumbert, Dictionnaire historique du parler neuchâtelois et suisse romand,  Neuchâtel 1926.