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Heimberg-Steffisburg BE, Schmalz, Cäsar Adolf (1887–1966) und Hans (1910–1972)

C.A. Schmalz, Selbstporträt 1949 und frühes Arbeitsfoto.

Keramik von Cäsar Adolf Schmalz in CERAMICA CH

Andreas Heege und Roland Blaettler, 2022

Cäsar Adolf Schmalz (1887, Stalden-Konolfingen – 1966, Heimberg) war eines von 14 Kindern. Der Vater war Grundbuchgeometer, die Mutter Posthalterin (Stammbaum Schmalz). Er besuchte die Sekundarschule in Grosshöchstetten. Anschliessend absolvierte er unter Paul Wyss eine dreijährige Ausbildung als Zeichner am Kantonalen Gewerbemuseum in Bern. Die Prüfung legte er unter Rudolf Münger, dem bernischen Grafiker ab.  Paul Wyss entflammte in ihm, wie er selber schreibt, „das heilige Feuer“ für die Kunst und die Heimberger Töpfereien (Marti/Straubhaar 2017, 9). Da er in der Freizeit viel zeichnete und Tonplastiken fabrizierte, ermunterte man ihn, sich um ein Stipendium beim Kanton Bern zu bewerben, das er auch erhielt. 1908 fuhr er nach Spanien, wo er im Prado-Museum die ausgestellte Kunst studierte und für eine Porzellanmanufaktur Tier- und Stierkämpfer-Figuren modellierte. Nach einem weiteren Jahresaufenthalt in Paris kehrte er 1910 in die Heimat zurück, wo er am 28. Juni 1910 in Steffisburg Liseli Engel (Heimatort Bowil, 11.2.1887-18.4.1965) heiratete (Mitteilung: Tagblatt der Stadt Thun, Band 34, Nummer 160, 9. Juli 1910). Bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs und auch danach arbeitete er vermutlich in Steffisburg. In seinen autobiographischen Notizen aus dem Jahr 1952 lesen wir: „In Steffisburg habe ich Tassli und Teller bemalt, Krüge, Schalen und Figuren modelliert. Dafür habe ich einen Aufmunterungspreis erhalten und einige Preise bei Wettbewerben.“ Leider bleibt Schmalz hier sehr unpräzise. Auch in seinen sonstigen Unterlagen gibt es keinen Hinweis auf die Hafnerei, die ihn angestellt hatte. Wir können aufgrund von drei signierten Figuren, die sich später ebenfalls in seinem Werk wiederfinden, vermuten, dass er für Karl Loder-Eyer in Steffisburg tätig war.

Für die Landesausstellung in Bern 1914 verweist ein Bazarrundgang  der NZZ (21.6.1914) ausdrücklich auf „lustige bäuerliche Tanzgruppen“ (Keramikfiguren?) aus der Werkstatt Loder-Eyer, von denen wir heute kein Stück mehr kennen.

 

 

Stattdessen haben sich drei von Karl Loder-Eyer signierte Figuren in Privatbesitz erhalten, die auf einen Zusammenhang mit dem Haushaltswarengeschäft „Kaiser & Cie“ in Bern verweisen, die als Lieferanten des Heimatschutz-Basars ebenfalls zugelassen waren und mit zahlreichen eingereichten Objekten an dem der Landesausstellung vorangehenden „Wettbewerb für Reiseandenken“ teilgenommen hatten. In der Prämierungsliste von 1913 findet sich nun aber erstaunlicherweise nicht Karl Loder- Eyer als Künstler der Figuren, sondern Cäsar Adolf Schmalz aus Heimberg („12 tanzende und musizierende Bauernfiguren“). Auch die monographische Bearbeitung von Schmalz’s Lebenswerk verzeichnet die Figuren (Marti/Straubhaar 2017, 127).

Weitere frühe Arbeiten, u. a. Wappenteller, Vasen, Schalen, historische oder satirische Gruppen und Figuren, sind durch den bernischen Fotografen Hermann Stauder aus dem Jahr 1917 überliefert (siehe auch das Einleitungsbild).

Figuren von Cäsar Adolf Schmalz 1917 (Stauder 1917).

1914 bis 1918 war Schmalz im Aktivdienst als Soldat gebunden. Dies hielt ihn nicht davon ab, überall wo er war, zu zeichnen oder Figuren aus seinem Werk zum Kauf anzubieten (Kunstgewerbemuseum Zürich 1916: Illustrierte schweizerische Handwerker-Zeitung : unabhängiges Geschäftsblatt der gesamten Meisterschaft aller Handwerke und Gewerbe, Band 32, 1916, 400).

In Heimberg kaufte Schmalz 1921 ein kleines Gut, das «Rebeli», an der Aare, wo er ein Atelier einrichtete und seine keramische Ausbildung offenbar als Autodidakt nebst seiner Tätigkeit als Kleinbauer weiterführte.

Figuren aus der Zeit ca. 1922-1930.

Schmalz stellte 1922 auf der von L’Œuvre organisierten ersten nationalen Ausstellung für angewandte Kunst in der Halle des Comptoir Suisse in Lausanne mehrere Keramikskulpturen aus. Seine Sujets zeigten Szenen aus dem Landleben (Kat. S. 47, Nr. 210–213). Im darauffolgenden Jahr hatte das Waadtländer Publikum wiederum Gelegenheit, Schmalz‘ Keramiken im Rahmen der zweiten Kunstausstellung zu sehen, die vom 25. März bis zum 8. April von der Société de développement de Montreux in den Salons des Kursaals organisiert wurde. Diese Ausstellung widmete sich im Speziellen der Deutschschweizer und Tessiner Kunstszene (Feuille d’avis de Vevey vom 21. März 1923, 6 – Tribune de Lausanne vom 4. April, 3).

Möglicherweise erwarb der Bund anlässlich dieser Ausstellung eine kleine Statue, die später im Musée d’art industriel in Lausanne hinterlegt wurde (MHL AA.MI.1644).

Platte von Cäsar Adolph Schmalz. Im Spiegel gespaltener, rot-grüner Wappenschild der Stadt Moudon. Fert ist der Wahlspruch des ehemaligen italienischen Königshauses Savoyen. Am 22. Oktober 1931 wurde von der Kirchgemeinde Moudon eine „Vente paroissiale“ zugunsten der Kirche St. Étienne und ihrer Restaurierung organisiert (L´Echo de la Broie, 10.10.1931,4). Vermutlich entstand der Teller in diesem Zusammenhang.

Im Jahr 1931 nahm Cäsar Adolf Schmalz eine Stelle als Lehrer an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-Renens (École suisse de céramique de Chavannes-Renens) an. Der Direktor der Einrichtung erwähnte ihn 1931 in seiner Promotionsrede  (Feuille d’avis de Lausanne vom 4. April 1931, 24). Der Keramiker selber stellte fest: «Die Stelle ist gut bezahlt und für einmal verblassen die Geldsorgen» (Marti und Straubhaar 2017, 13). Allerdings war seine Funktion zeitintensiv und liess ihm kaum noch Raum für eigene Kreationen. Es zeichnete sich ab, dass das Experiment nur von kurzer Dauer sein würde. Schmalz‘ eigene Angaben zur Zeitspanne seiner Anstellung in Chavannes sind widersprüchlich: Einmal spricht er von «zwei Jahren», an anderer Stelle ist von «drei Jahren» die Rede (Marti und Straubhaar 2017, 10 und 13). Die Tatsache, dass sein Name unter der Rubrik der Schule im Indicateur vaudois nur für das Jahr 1932 erschien (mit dem Vornamen Fritz!), lässt vermuten, dass er im Laufe des Jahres 1931 eingestellt wurde und spätestens zum Ende des Jahres 1932 kündigte.

Der zweite Weltkrieg schränkte seine künstlerische Tätigkeit erneut sehr stark ein. Militärdienst und Landwirtschaft waren seine Hauptarbeiten. Später gab er auch Modellierkurse an der Volkshochschule. Daneben war er ein begeisterter Fischer und Freund der Emmentaler Jodler. Cäsar Adolf Schmalz‘ oft verspielte Kreativität fand ihren Ausdruck in so unterschiedlichen Bereichen wie Malerei, Aquarell, Illustration, Mosaik, Fresken und natürlich Keramik.

In letzterem Medium bevorzugte er die traditionelle Heimberger Technik, die engobierte und glasierte Irdenware. In einem teils historistischen, teils modernistischen, aber immer farbenfrohen Stil fertigte er zahlreiche Auftragsarbeiten an, Erinnerungsstücke und Preise für Schützen- und Gesangsvereine sowie mit Familienwappen verzierte Objekte für Privatpersonen (Messerli 2017, 73-79; Marti/Straubhaar 2017,9).

„Die Bürgerwehr vom Wetterloch, 1950“. Die Figur geht auf Karl Grunders gedrucktes Mundartbuch «Ds Wätterloch. Bilder u. Begäbeheite us d. Mobilisationszeit vom Jahr 1914» zurück, das 1928 erstmals in Bern-Bümpliz erschien. Der bernische Mundartdichter und Lehrer Karl Grunder lebte von 1880 bis 1963. Er war ein Pionier der ländlichen Theaterkultur und Mitarbeiter des Berner Heimatschutztheaters.

Seine Figuren mit dem Abbild herausragender Persönlichkeiten der Berner Geschichte waren sehr beliebt und führten dank seiner Meisterschaft in der Gipsformenherstellung zu Mehrfachauflagen (HMO 8342).

  

Das Regionalmuseum in Langnau bewahrt vier Figuren von Schmalz auf, darunter zwei Bildnisse von Schultheiss Niklaus Friedrich von Steiger bei der Schlacht am Grauholz, Elsi, die seltsame Magd (Marti/Straubhaar 2017), 221 (zur Geschichte der Magd) und den bedeutenden Alpendoktor Michael Schüppach, (vgl. auch HMO 8342, BHzD 482 und Marti/Straubhaar 2017, 109–111).

Alpendoktor Micheli Schüpbach.

Eine im Historischen Museum Olten entdeckte Gruppe (HMO 7179) bezeugt, dass Schmalz in diesem frühen Abschnitt seiner Karriere auch für die Porzellanfabrik Langenthal gearbeitet hat.

Neben dieser farbenfrohen und heiteren Produktion pflegte Schmalz mit der Zeit auch eine mehr akademische und modernistische Art der keramischen Plastik, mit monochromen Figu­ren, die von mehr allgemeinem Charakter waren (Amstutz 1931, Abb. S. 53–54 und 57; F. A. 1966 – Nachruf im Bund).

Eine Internetseite präsentiert das vielfältige künstlerische Wirken von Cäsar Adolf Schmalz.

Die Marken und Signaturen von C.A. Schmalz

Die älteste vorliegende Marke ist eine aus zwei unabhängig voneinander eingestempelten Schriftzügen bestehende Blindmarke „Schmalz HEIMBERG“. Es gibt nur eine jahrgenaue Datierung aus dem Jahr 1926. Vermutlich gehört die Blindmarke durchweg zum „Frühwerk“ von Cäsar Adolf Schmalz.  In einem Fall wurde der zweite Stempel „HEIMBERG“ weggelassen.

Eine quadratische Blindmarke mit dem Familienwappen von C.A. Schmalz lässt sich für die Jahre 1943 und 1944 nachweisen.

Mit einem richtigen Wappenschild und dem Schriftzug „Schmalz“ gibt es eine weitere Blindmarke aus der Zeit zwischen 1947 und 1957.

 

Mindestens so wichtig waren für C.A. Schmalz geritzte Signaturen. 1928 und 1945 finden sich „Schmalz“, 1929 „A. Schmalz“, 1950 „C.A. Schmalz“ und 1965 „C. Ad. Schmalz“. Nur einmal (undatiert) kommt die Abkürzung „A.S.“ vor.

Pinselmarken sind dagegen deutlich seltener. 1931 lässt sich „A. Schmalz Heimberg“ belegen und 1935 bzw. 1945 „Schmalz“.

Zwischen 1936 und 1946 begegnet bei gegossener Gefässkeramik auch eine kreisförmige Reliefmarke „A.SCHMALZ HEIMBERG“.

Hans Schmaltz (1910-1972)

Cäsar Adolf Schmalz und Liseli Engel bekamen einen Sohn Hans (1910-1972).

Dieser trat als Keramiker in die Fusstapfen seine Vaters und bewirtschaftete daneben vor allem auch das kleine Bauerngut Rebeli (Nachruf Thuner Tagblatt 14. September 1972).

Hans Schmaltz, signierte und 1931 datierte Figur. Entstand sie in der Zeit des Vaters an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-Renens?

Wo Hans das Handwerk des Keramikers erlernte, ist unbekannt (vermutlich nur beim Vater, eventuell auch in der Zeit des Vaters an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-Renens?).

Zeit seines Lebens unterschied er sich vom Vater durch die Schreibweise seines Familiennamens, indem er aus „Schmalz“ ein „Schmaltz“ machte.

Schützenfestkeramik von Hans Schmaltz 1931-1936.

Einzelne datierte und gemarkte Keramiken belegen, dass Hans offenbar bereits ab 1931 selbständig neben seinem Vater arbeitete.

Eine  erste Erwähnung findet sich im Jahr 1935 in der Presse, als Der BUND am 4. Dezember 1935 über die Arbeiten von Vater und Sohn berichtete.

Käferfiguren von Hans Schmaltz.

Hans produzierte demnach vor allem Vogel- und Käferfiguren unterschiedlicher Grösse, daneben aber auch Geschirr und die übliche Fest-, Erinnerungs- oder Schützenkeramik.

 

Vogel- und Tierfiguren von Hans Schmaltz.

Musiker und Narr, Figuren von Hans Schmaltz.

1938 waren seine Figuren ein einziges Mal an einer Kunstausstellung im Hotel Beau Rivage in Thun zu sehen und wurden sehr positiv besprochen (Oberländer Tagblatt 62, 19. November 1938; Der Bund 25. November 1938; Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern, Band 85, Nummer 138, 25. November 1938).

Geschirrkeramik von Hans Schmaltz.

Nach 1945 fanden seine Keramiken keinen Wiederhall in der Presse mehr.  1949 und 1954 fertigte er Vogelfiguren für  die Ausstellungen des Sing- und Ziervogelvereins Thun und Umgebung.

Die Marken und Signaturen von Hans Schmaltz

Aus der Frühzeit von Hans Schmaltz gibt es, wie für seinen Vater, eine zweiteilige Blindmarke „Schmaltz“ und „Heimberg“. Sie lässt sich bei drei datierten Stücken der Jahre 1931, 1935 und 1936 belegen.

Eine in die Gipsform eingeritzte Signatur „Schmaltz H“, die nach der Ausformung als positives Relief erscheint (Reliefmarke), fand sich nur bei zwei undatierten Stücken.

Ansonsten signierte Hans mit dem Pinsel „H Schmaltz“ oder „H. Schmaltz“ (Pinselmarke), wobei keine datierten Stücke vorliegen. Eine Signaturabkürzung „H Sch.“ liess sich nur einmal belegen (undatiert).

Häufiger begegnen geritzte Signaturen „H Schmaltz“ (Ritzmarke) mit den Daten 1931, 1938, 1946 und 1947.

Einmal ist eine Fischsignatur mit Ritzmarke belegt.

Undatiert sind die Ritzmarken „Schmaltz“, „Schmaltz Heimberg“ oder H. Schmaltz-Heimberg“.

Bibliographie:

Amstutz 1931
Ulrich Amstutz, Der Plastiker Adolf Schmalz in Heimberg bei Thun, in: Historischer Kalender oder der Hinkende Bot 204, Bern 1931.

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 368.

FA 1966
FA, † Cäsar Adolf Schmalz. Der Bund, Abendausgabe 468, 30.11.1966, 4.

Marti/Straubhaar 2017
Erich Marti/Beat Straubhaar, C.A. Schmalz 1887-1966. Leben und Werk mit Pinsel, Stift und Lehm, Heimberg 2017.

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017.

Stauder 1917
Hermann Stauder, Die Töpferei im Heimberg (Nachdruck des Kunst- und Kulturverein Heimberg, 1985, Original Schweizerische Landesbibliothek Bern), Bern 1917.

 

Heimberg-Steffisburg BE, Schneider, Hans, Töpferei (1961-1996)

Andreas Heege, 2024

Keramik von Hans Schneider in CERAMICA CH

Adolf Schweizer (1893-1967) verkaufte seine Kunsttöpferei, die ehemalige Manufaktur Wanzenried, 1961 an Hans Schneider-Kraft, Töpfermeister von Seftigen (1923-2006) und seine Frau Susi Schneider-Kraft. Hans Schneider modernisierte und renovierte den Betrieb sehr intensiv (Thuner Tagblatt 86, Nummer 275, 23. November 1962; auch GB Thun, Belege 6, No. 7226, vom 16. Oktober 1961). 1965 entfernte er die alte Tonaufbereitungsanlage, die für seinen Betrieb viel zu gross und unwirtschaftlich war (Frank 2000, 575, 578).

Umbau 1991: Thuner Tagblatt, Band 115, Nummer 38, 15. Februar 1991

Thuner Tagblatt 115, Nummer 77, 4.4.1991

1989-1992 folgte eine weitere intensive Umbaumassnahme im früheren Gebäude der Majolika-Fabrik von Johannes Wanzenried (Thuner Tagblatt, Band 115, Nummer 38, 15. Februar 1991; Thuner Tagblatt 115, Nummer 77, 4.4.1991, vgl. auch Frank 2000, 575).

Hans Schneider produzierte noch 1996. Im April 1994 stellte er auf der Gewerbeausstellung Steffisburg seine Keramiken aus (Thuner Tagblatt, Band 120, Nummer 95, 24. April 1996). Wann er seinen Betrieb definitiv einstellte, ist unklar.

Hans Schneider bei Antik und Rar

Nachruf Volker Ellwanger, Dezember 2009

Bibliographie: 

Frank 2000
Georg Frank, “Dank dem Gewerbefleiss früherer Jahrhunderte”. Die Nutzung der Wasserkraft in der bernischen Gemeinde Steffisburg vom ausgehenden 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Thun 2000, bes. Kap. 4.16.

Heimberg-Steffisburg BE, Schweizer, Adolf, Kunsttöpferei (1925-1961)

Gebäude der ehemaligen Manufaktur Wanzenried zur Zeit von Loder & Schweizer (1919-1925), 1925-1961 Adolf Schweizer, Kunsttöpferei.

Keramik von Adolf Schweizer in CERAMICA CH

Andreas Heege, Andreas Kistler, Margret Loder 2021

Adolf Schweizer wurde am 4. November 1893 im Glockenthal bei Steffisburg geboren, er starb am 1. Dezember 1967. Sein Grossvater Johannes (1837-1879) war Zimmermann. Sein Vater Johannes (1864-1901) war Fabrikarbeiter (Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland, 2. 12.1893; Stammbaum). Nach der Schule machte Adolf eine Töpferlehre in der Manufaktur Wanzenried (vermutlich etwa 1908-1911) und besuchte die Töpferschule in Steffisburg.

Zwei Entwürfe von Adolf Schweizer, Töpferschule Steffisburg (heute SST 14701).

Dann besuchte er ab dem Sommersemester 1911 bis zum Sommersemester 1915 die Keramikfachschule in Bern (Schülerarbeiten 1911-1915).

Musterentwurf von Adolf Schweizer 1911 (aus dem Nachlass der Kunstkeramik Luzern, heute im Staatsarchiv Luzern).

Botanische Zeichenstudie von Adolf Schweizer zwischen 1911 und 1915 (aus dem Nachlass der Kunstkeramik Luzern, heute im Staatsarchiv Luzern).

Stilisierungsstudie von Adolf Schweizer, 1912 (heute SST 14701).

Keramikentwurf Adolf Schweizer, 1912 (heute SST 14701).

Keramikentwurf Adolf Schweizer, 1915 (heute SST 14701).

Im Anschluss an die Ausbildung in Bern wurde Adolf Schweizer Geschäftsführer der neu gegründeten Genossenschaft DESA.

Adolf Schweizer und Elise Eyer in ihren späten Lebensjahren (Foto Privatbesitz, Familie Schweizer).

Adolf Schweizer heiratete 1917 die in der Manufaktur Wanzenried arbeitende Keramikmalerin Elise Eyer (1892–1970, Tochter des Hafners Gottfried Eyer, 1856–1892 und seiner Frau Elise Gfeller; Oberländer Tagblatt vom 9.11.1917). Das Paar bekam vier Söhne und eine Tochter (alle Informationen aus dem Nachruf im Thuner Tagblatt 91, 1967, Nummer 288). Von den Söhnen wurde der Sohn Hans (1919-1988) ebenfalls Töpfer.

Keramik- und Dekorentwürfe Elise Eyer, entweder für die Manufaktur Wanzenried oder für Loder & Schweizer, vor 1925 (aus dem Nachlass der Kunstkeramik Luzern, heute im Staatsarchiv Luzern).

Wir können nur vermuten, dass Elise Eyer an der Töpferschule in Steffisburg zur Keramikmalerin ausgebildet wurde, da nach 1906 keine Schülerlisten erhalten sind. Im Nachlass der Kunstkeramik Luzern haben sich diverse signierte Entwurfszeichnungen erhalten, die zeigen, welche zeichnerischen und grafischen Fähigkeiten Elise Eyer hatte.

Für den 11. Dezember 1918 erfahren wir, dass Adolf Schweizer und Emil Loder (1890–1971) gemeinsam die alte Manufakturliegenschaft von der Witwe Wanzenried zum Preis von Fr. 18.000 erwarben (wovon sie Fr. 15.000 als Schuldbrief hinterlegten) und sie mit Nutzen und Schaden auf den 2. April 1919 übernahmen (Grundbuch Thun, Beleg II, 775 vom 17.3.1919). Im Schweizerischen Handelsamtsblatt wurde die Gründung ihrer Kollektivgesellschaft mit dem 1. März 1919 bekannt gemacht (SHAB 37, No. 59, 8. März 1919). Emil Loder arbeitete seit Ende 1915 wohl als Geschäftsführer in der Manufaktur. Wir können nur annehmen, dass die beiden Geschäftsführer sich irgendwo in Steffisburg auf privater Ebene kennengelernt hatten oder schon vorher kannten.

Veröffentlichung der Kollektivgesellschaft im Schweizerischen Handelsamtsblatt 1919.

Sie machten aus der Manufaktur Wanzenried  (Werbeanzeige 1922):

(Hinweis: Das Gründungsdatum 1876 ist falsch! Die Manufaktur Wanzenried wurde im September 1878 gegründet).

Von ihrer gemeinsamen Produktion zeugt ein im Nachlass von Emil Loder erhaltenes Fotoalbum (heute im Staatsarchiv Luzern, PA 1421/PLA 202, Firmenarchiv Kunstkeramik Luzern). Loder & Schweizer setzten eingeführte und erfolgreiche Muster und Keramikwaren der Manufaktur Wanzenried, wie z.B. das Muster «Alt-Thun/Chrutmuster» und die Irdenwareproduktion mit Malhorndekoren und Ritzmustern fort.

Keramik Loder & Schweizer in Privatbesitz bzw. im Schlossmuseum Thun.

Gleichzeitig entwickelte aber wohl vor allem Emil Loder zahlreiche neue Formen und Dekore, die er jeweils mit Nummern versah. Stilistisch würde man seine Dekore einem späten Jugendstil bzw. Art Deco zuordnen.

Malerinnensaal bei Loder & Schweizer, um 1919-1925 (Foto aus dem Nachlass der Kunstkeramik Luzern, heute im Staatsarchiv Luzern).

1919 arbeiteten in der Werkstatt Loder & Schweizer angeblich sechs Männer und eine Frau (Frank 2000, 580 basierend auf RSA Thun B 118).

Immer wieder finden sich auch keramische Entwürfe von Paul Wyss (identische Platte auch im SNM, LM-119721).

Gleichzeitig versuchte sich Emil Loder auch als Plastiker und produzierte in der Manufaktur auch verschiedene Tierfiguren (Foto aus dem Nachlass der Kunstkeramik Luzern, heute im Staatsarchiv Luzern).

   

Keramik Loder & Schweizer in Privatbesitz bzw. im Schlossmuseum Thun.

Die Marke der Manufaktur war das ligierte „LS“ (Loder & Schweizer), oft kombiniert mit dem Ortsnamen Steffisburg und der Form- bzw. Dekornummer. Nur beim Muster „Alt-Thun“ erscheinen immer noch die beiden Sterne der Manufaktur Wanzenried und die Bezeichnung „Thoune“.

Der Absatz lief u.a.  über die 1917 gegründete Mustermesse Basel, die Loder&Schweizer von 1920 bis 1924 jährlich besuchten (Offizieller Katalog der MUBA 1920-1924). Hier die Einladung zur MUBA 1924 (Foto aus dem Nachlass der Kunstkeramik Luzern, heute im Staatsarchiv Luzern).

Anfang 1925 beendeten Emil Loder und Adolf Schweizer ihre Zusammenarbeit, wobei die Gründe in einem Zerwürfnis liegen, dessen Ursachen nicht genauer bekannt sind. Dies geht aus einem erhaltenen Briefwechsel von Emil Loder mit seiner späteren Frau Frieda Schenk hervor. Dieses Zerwürfnis hinderte die beiden ehemaligen Kompagnons aber nicht, später z.B. den Grossauftrag für das Eidgenössische Schützenfest 1939 in Luzern, gemeinsam abzuwickeln. Adolf Schweizer kaufte 1925 den Betrieb und Emil Loder zog nach Luzern und gründete die Luzerner Keramik.

Werbeblatt für die Firma Adolf  Schweizer (Fotokopie aus dem Nachlass der Kunstkeramik Luzern, heute im Staatsarchiv Luzern).

Adolf Schweizer führte den Betrieb zusammen mit seiner Frau bis 1961  weiter, wobei in der Anfangszeit Keramik ganz im Stil von Loder & Schweizer produziert wurde und auch die Herstellung des Musters „Alt-Thun“ weiterlief.

Bereits 1921 war Adolf Schweizer der Gründungspräsident des Schweizerischen Töpfermeisterverbandes (Illustrierte Schweizerische Handwerker Zeitung Nr. 25, 1921, 258).

Im November 1925 erhielten Schweizers für ihre Keramiken beim 6. Wettbewerb der Verkaufsgenossenschaft des Schweizer Heimatschutzes einen 2. Preis, nach der Keramikerin Hanni Nencki, die den ersten Preis erhielt (Der Bund, 76, Nummer 476, 8. November 1925). Die an der Weihnachtsausstellung des Schweizerischen Werkbundes 1925 im Gewerbemuseum Bern gezeigten „hübsch gezeichneten Keramiken“  wurden wohlwollend besprochen (Der Bund 76, Nummer 530, 12.12.1925). Adolf Schweizer war ab 1925 bis 1931 und  ab 1943 auch kontinuierlich mit einem Messestand auf der MUBA vertreten (Offizielle Kataloge der MUBA im Schweizerischen Wirtschaftsarchiv in Basel).

1926 finden wir Adolf Schweizer auch auf der Weihnachtsausstellung des Schweizerischen Werkbundes, Ortsgruppe Bern, im Gewerbemuseum Bern (Das Werk 13, 1926, XXIII).

1927 beteiligt sich Adolf Schweizer an der „Schweizerwoche-Ausstellung des Gewerbemuseums Bern“ „mit wohlgeformten und ausserordentlich schön gearbeiteten Vasen, Schalen und Krügen“ (Neue Berner Zeitung 25.1.1927, StAB BB 1.9.34, Zeitungsausschnitte).

1927 Im selben Jahr finden wir ihn auf einer Ausstellung schweizerischer Keramik in Genf („Céramiques Suisses“). Der Ausstellungskatalog überliefert uns auch zwei Fotos der Produktion dieser Jahre, die wir sonst museal kaum kennen. In einer Anzeige bezeichnet Schweizer sich selbst als Spezialisten für die Kunstkeramik „Vieux Thoune et Mosaïque“.  Letzteres ist ein vom „Chrutmuster“ bzw. Muster „Alt-Thun“ abgeleiteter neuer Dekor, der auch in der jeweils aufgebrachten Ritzmarke die Bezeichnung  „Mosaïque“ trägt.

Vitrine mit Keramik an der Saffa (Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit), 1928 (Quelle und Signatur: Staatsarchiv des Kantons Bern, V Frauenzentrale 129). 

1928 An der „Saffa“ war die Firma Adolf Schweizer, neben der DESA mit „Frauenarbeit in der Kunsttöpferei“ ebenfalls vertreten (Oberländer Tagblatt 52, Nummer 225, 25.9.1928).

1928 erweiterte Adolf Schweizer die Werkstatt um einen 5,1 m langen und 6,6 m breiten Lagerraum in Fachwerkbauweise, der mit einem Blech-Flachdach gedeckt wurde. 1929 reaktivierte er die zur Liegenschaft gehörige Wasserkraft und baute ein Wasserrad mit einer Leistung von 5,5 PS ein (Frank 2000, 575).

Schon vor 1928 gehört Adolf Schweizer zur Aufsichtskommission für das Kantonale Gewerbemuseum in Bern (Der Bund 80, Nummer 387, 21.8.1929). Zugleich war er Präsident des am 5.3.1928 gegründeten Vereins für „Kunstgewerbliche Hand- und Heimarbeit im Berner Oberland“ (SHAB 46, 1928, No. 108, S. 919).

An der Schweizerwoche 1929 beteiligte sich Adolf Schweizer mit einer Ausstellung im Thuner Freienhof (Oberländer Tagblatt 53, Nummer 252, 28.10. 1929). Als einziger Keramiker neben der Porzellanfabrik Langenthal beteiligte er sich 1930 am „Exportmusterlager des Kantons Bern“  (Der Bund 81, Nummer 278, 19.6.1930).

1930 Adolf Schweizer zeigt seine Produktion auf der Ausstellung „Oberländische Volkskunst“ im Gewerbemuseum Bern (Berner Tagblatt 23.10.1930, StAB BB 1.9.34, Zeitungsausschnitte). Mitaussteller ist die Firma „Gebrüder Lanz Keramik“ aus Thun (Neue Berner Zeitung  3.11.1930, StAB BB 1.9.34, Zeitungsausschnitte).

1931 wurde er Gründungspräsident der „Verkaufsgenossenschaft für Heimarbeitsartikel“ (Oberländer Heimatwerk) am Bärenplatz in Bern, die den Absatz fördern sollte (Der Bund 82, Nummer 404, 1. 9. 1931;  siehe auch SHAB 49, 1931, No. 268, S. 2446).

Adolf Schweizer war ab dem 29.12.1933 für etliche Jahre auch Präsident des Bernischen Töpfermeister-Verbandes (SHAB 52, 1934, 60), dessen Mitbegründer er 1916 war (Der Bund 86, Nummer 503, 28. Oktober 1935, Bericht über den Chachelimärit im Gewerbemuseum, ausserdem Thuner Tagblatt 90, Nummer 196, 23.8.1966). Der Töpfermeister-Verband stellte mit zahlreichen Mitgliedern auf der MUBA 1921 aus (Offizieller Messekatalog der MUBA 1921).  Der Töpfermeisterverband erhielt bereits im März 1933 die Bewilligung am Werkstattgebäude von Adolf Schweizer einen Anbau für die Tonaufbereitungsanlage der bernischen Töpfermeister zu errichten. Es handelte sich um einen Steinbau mit Ziegeldach (Frank 2000, 575). Diese Unternehmung war nicht erfolgreich und die Anlage wurde 1938 an die Töpferei Kohler in Schüpbach verkauft. Adolf Schweizer baute später erneut eine eigene Trommelmühle ein, die bis 1965 existierte (Frank 2000, 773).

1934 Beteiligung am grossen „Chachelimärit“ im Gewerbemuseum in Bern (Der BUND 1.11.1934, StAB BB 1.9.34, Zeitungsausschnitte).

1936 hielt Adolf Schweizer zusammen mit den Keramikern Adolf Schmalz und Töpfermeister Jakob Reusser einen Vortrag über die Heimberger Keramik und ihre Entwicklung bei der Kunstgesellschaft Thun (Oberländer Tagblatt 60, Nummer 136, 13.6.1931).  Natürlich konnte die Steffa 1936 – die Steffisburger Ausstellung für Gewerbe, Handel und Industrie nicht ohne Adolf Schweizer stattfinden. Er war Mitglied des Organisationskommitees. Zusätzlich war er mit einem Stand vertreten (Oberländer Tagblatt 60, Nummer 171, 24.7.1936).

Mit der Unterstützung von Arbeitslosen fertigte er in seiner Werkstatt die keramische Eintrittsplakette für die Steffa.

Keramik von Adolf Schweizer in Privatbesitz.

Luzerner Schützenfestteller 1939 (Dank an Angelo Steccanella für den Hinweis, identisches Stück im SNM LM-81440 und im HMLU 13865.560).

Einen  Überblick über die Produkte der Firma Adolf Schweizer von 1925 bis 1962 haben wir nicht. Möglicherweise würden hier die vermutlich existierenden Standbilder von der MUBA eine gute Informationsquelle sein. Zumindest für 1928 haben wir Zeitungsberichte über eine Messeteilnahme (Oberländer Tagblatt 52, Nummer 92 vom 30.4.1928). 1954 erfahren wir in einem Bericht über die MUBA, dass Adolf Schweizer seit mehr als 24 Jahren zu den regelmässigen Oberländer Ausstellern auf der MUBA gehörte (Oberländer Tagblatt 78, Nummer 108, 11.5.1954). Für das Jahr 1964 haben wir eine weitere Erwähnung (Thuner Tagblatt  88, Nummer 49, 28.2.1964).

 

Keramik von Adolf Schweizer in Privatbesitz.

Die Markierung seiner Produkte änderte Adolf Schweizer auf die ligierten Buchstaben „SA“, oft mit der Beischrift Steffisburg. Auch bei ihm trägt das Muster „Alt-Thun“ seitlich zwei Sterne wie in der Manufaktur Wanzenried und die Beischrift „Thoune“.

In den 1930er-Jahren fertigte Adolf Schweizer in geringem Umfang offenbar auch Fayencen, ähnlich wie Emil Loder in Luzern.

Adolf Schweizer zog an die Bernstrasse 21 in Steffisburg und richtete sich dort erneut eine kleine Werkstatt ein, wo er zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn Hans bis mindestens 1967 Keramik herstellte (Thuner Tagblatt 87, Nummer 258, 4.11.1963 ). Der Sohn Hans führte das Kunstkeramikgeschäft bis 1988 unter derselben Adresse weiter (SHAB 87, 1969, No. 70, S. 657). Seine Signatur „HS“ ist von der seines Vaters „AS“ oft nicht eindeutig unterscheidbar.

Bei Adolf Schweizers Nachfahren hat sich wegen des Verkaufs der Töpferei (Nutzen und Schaden 1. Mai 1961) kein nennenswerter archivalischer Nachlass erhalten.

Beim Verkauf gelangte der Betrieb 1961 an Hans Schneider-Kraft, Töpfermeister von Seftigen (1923-2006) und seine Frau Susi Schneider-Kraft. Hans Schneider modernisierte und renovierte den Betrieb sehr intensiv (Thuner Tagblatt 86, Nummer 275, 23. November 1962; auch GB Thun, Belege 6, No. 7226, vom 16. Oktober 1961). 1965 entfernte er die alte Tonaufbereitungsanlage, die für seinen Betrieb viel zu gross und unwirtschaftlich war (Frank 2000, 575, 578).

Umbau 1991: Thuner Tagblatt, Band 115, Nummer 38, 15. Februar 1991

Thuner Tagblatt 115, Nummer 77, 4.4.1991

1989-1992 folgte eine weitere intensive Umbaumassnahme im früheren Gebäude der Majolika-Fabrik von Johannes Wanzenried (Thuner Tagblatt, Band 115, Nummer 38, 15. Februar 1991; Thuner Tagblatt 115, Nummer 77, 4.4.1991, vgl. auch Frank 2000, 575).

Hans Schneider produzierte noch 1996. Im April 1994 stellte er auf der Gewerbeausstellung Steffisburg seine Keramiken aus (Thuner Tagblatt, Band 120, Nummer 95, 24. April 1996). Wann er seinen Betrieb definitiv einstellte, ist unklar.

Keramik von Adolf Schweizer bei Antik und Rar

Keramik von Hans Schweizer bei Antik und Rar

Keramik in der Sammlung des SNM

Keramik in der Sammlung des MAG

Bibliographie:

Frank 2000
Georg Frank, „Dank dem Gewerbefleiss früherer Jahrhunderte“. Die Nutzung der Wasserkraft in der bernischen Gemeinde Steffisburg vom ausgehenden 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Thun 2000, bes. Kap. 4.16.

Herzogenbuchsee BE, Liste der Hafner

Andreas Heege, Andreas Kistler 2025

Für Herzogenbuchsee gibt es erstaunlich frühe Hafnereinachweise aus dem 16. und 17. Jahrhundert (Boschetti-Maradi 2006, 206). Die ersten namentlich erwähnten Hafner sind zwischen 1606 und 1633 die Hafner Hürby (auch Hürbi) von denen einer zwischen 1621 und 1630 auch in Langnau arbeitete (Heege/Kistler 2017, 56-57).

Für das 17. und frühe 18. Jahrhundert lassen sich verschiedene Samuel und Johannes Straub als Hafner in Herzogenbuchsee nachweisen (zwei Hafnergenerationen?), bei denen die verwandtschaftlichen Beziehungen nicht eindeutig geklärt werden konnten.

Straub Herzogenbuchsee_Stb Straub Hbuchsee_orig2

Ob Hans Jakob Rychard, der 1737 bei seiner Eheschliessung und einer Kindstaufe als „Hafner von Heimenhausen“ (bei Herzogenbuchsee) bezeichnet wird, seine Werkstatt in Herzogenbuchsee oder in Heimenhausen hatte, entzieht sich unserer Kenntnis.

Rychard Heimenhausen_Stb         Rychard Heimenhausen_orig1

Erstaunlicherweise schweigen danach bislang die historischen Quellen und  im Helvetischen Eid- und Bürgerregister von 1798 findet sich kein Hafner aus Herzogenbuchsee.

Anders sieht es für das 19. Jahrhundert aus.

Von 1832 bis 1843 besass der Hafner Johannes Kaufmann (1802-1845) die Hafnereiliegenschaft Felderhofstrasse 2. Für ihn lassen sich zwischen 1834 und 1840 auch fünf Gesellenanmeldungen nachweisen.

Kaufmann Hbuchsee_Stb             Kaufmann Hbuchsee_orig_2

Nur aufgrund einer Gesellenanmeldung wissen wir, dass 1846 auch eine Johannes Meier als Hafner in Herzogenbuchsee gearbeitet hat.

Zwischen etwa 1870 und 1900 besassen die Hafner Friedrich Wälti (1830-1897, Heimatort Büren a.A.) und sein Sohn Paul Friedrich Wälti (1861-1903) an der Oberfeldstrasse 3 und 4 eine bzw. zwei Hafnereiliegenschaften. Friedrich Wälti hatte vorher bis 1869 seine Werkstatt in Büren a.A., Kreuzgasse 16 (Boschetti-Maradi 2006, 37-43). Friedrichs Vater Johannes (1804-1885) war in den Zeit um 1830/32 Hafner in Burgdorf, von etwa 1834-1839 Hafner in Aetingen, wo er vier Kinder taufte, und von 1842-1845 im Weiler Trappeten, vor den Toren von Büren a.A. tätig (Boschetti-Maradi 2006, 37, 201).

Wälti Büren_Stb            Wälti Büren_orig2

Der Bund, Band 22, Nummer 228, 19. August 1871

Grütlianer, 16. August 1876

Grütlianer, 20. November 1880

Für die Hafner Wälti in Herzogenbuchsee gibt es für die zeit zwischen 1870 und 1900 zahlreiche Gesellenanmeldungen.

1875 findet sich auch eine Gesellenanmeldung bei einem Hafner Hähni in Herzogenbuchsee.

1876-1881 war Jakob Wiedmann aus Othmarsingen AG in Herzogenbuchsee als Hafner niedergelassen (siehe Gesellenanmeldungen).

1902 wird Karl Rytz aus Brugg AG als Hafnermeister in Herzogenbuchsee bezeichnet, nachdem er 1897 erstmals in den Gesellenanmeldungen ohne weitere Meisterangabe auftaucht (Niederlassung in diesem Jahr?).

 

Grütlianer,4. Juli 1905 und 10. Oktober 1907

Wir finden ihn noch 1924 in Herzogenbuchsee, als er als Mitglied der Bau- und Steuerkommission entlassen wird (Berner Tagwacht, Band 32, Nummer 294, 16. Dezember 1924).

Von 1903 bis 1907 liess sich Karl Friedrich Lienhard aus Buchs AG in Herzogenbuchsee nieder, bevor er nach Langenthal umsiedelte (siehe Gesellenanmeldungen).

1912 finden wir schliesslich Alfred Mundwiler aus Tenniken BL als Hafner in Herzogenbuchsee (siehe Gesellenanmeldungen).

Bibliographie:

Boschetti-Maradi 2006 Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern Schriften des Bernischen Historischen Museums 8 (Bern 2006).

Heege/Kistler 2017 Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern Schriften des Bernischen Historischen Museums 13 (Bern 2017).

 

 

Huttwil BE, Liste der Hafner

Andreas Heege. Andreas Kistler 2025

Im 18. Jahrhundert lassen sich in Huttwil mehrere Mitglieder der Hafnerfamilie Flückiger nachweisen (Boschetti 2006, 204), von denen einige auch Anteil an der Entwicklung der Hafnerei in der Region Heimberg-Steffisburg hatten bzw. in Wyler bei Grosshöchstetten arbeiteten (Heege/Kistler 2017, 66).

Das 19. Jahrhundert bestimmt in Huttwil die Hafnerdynastie Leuenberger, die über vier Generationen mit sieben Hafnern bis maximal 1912 auf dem Grundstück Huttwil, Almendstrasse 18a, 18b, Keramik und Kachelöfen produzierte. Ulrich Leuenberger, der zweite Hafner erbaute die Hafnerei und das „Brennhüsli“ zwischen 1815 und 1820. Leider existiert das Gebäude heute nicht mehr. Bei Ulrich arbeiteten zwischen 1824 und 1828 auch fünf Gesellen. Wirtschaftlich scheint es Ulrich nicht sehr gut ergangen zu sein, denn für 1833 lässt sich eine Gantsteigerung nachweisen (Berner Wochenblatt, Nummer 24, 15. Juni 1833).

Leuenberger Huttwil_Stb       Leuenberger Huttwil_orig_3      Hafnertabelle Huttwil_1

Berner Zeitung, Band 45, Nummer 287, 4. Dezember 1889

1889 kam Jakob Leuenberger bei einem tragischen Unfall ums Leben.

Nur für das Jahr 1898 lässt sich ein Hafnermeister Johann Ulrich Blau nachweisen, der einen tschechischen Gesellen beschäftigte. Möglicherweise gehört er zu den Hafnern Blau aus Bern und war vorher in Bulle FR beschäftigt:

Blau Bern_Daten1         Blau Bern_Stb

30.11.1906 erhielt der Hafnermeister Gottfried Huber aus Mauraz VD eine Niederlassungsbewilligung (unbefristet , StAB Bez Trachselwald B 20). Er erwarb die Liegenschaft Huttwil, Luzernstrasse 12.

Bibliographie:

Boschetti-Maradi 2006 Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern Schriften des Bernischen Historischen Museums 8 (Bern 2006).

Heege/Kistler 2017 Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern Schriften des Bernischen Historischen Museums 13 (Bern 2017).

 

Jegenstorf BE, Abraham Reutlinger, Hafner


Jegenstorf vom Flugzeug aus, 1939, Blick nach Nordosten.

Andreas Heege, Andreas Kistler, Alfred Spycher, 2025

Stammbaum Reutlinger

Für den Namen Reutlinger finden sich in den Schriftquellen unterschiedliche Schreibweisen: Rüedlinger, Reütliger, Rütliger, Ryttlinger, Rüttlinger.

Abraham Reutlinger (1673‒1741) war der Sohn von Anthoni Rütliger von Jegenstorf (Heimatgemeinde Mattstetten) und seiner Frau Madlena Ärni. Er wurde am 4.5.1673 getauft (Bern, Ausburger Taufrodel 1665‒1684, 137/7) und starb am 26.12.1741 (KR Jegenstorf 33, 22). Abraham Reutlinger absolvierte seine Lehre zwischen 1689 und 1691 bei dem Berner Hafner Hans Heinrich Hess und hatte als Geselle am 11. Dezember 1692 seinen Abschied genommen (Morgenthaler 1951, 137. Vgl. auch Boschetti-Maradi 2006, 176‒178, ausserdem 210), vermutlich, um auf die Wanderung zu gehen. Dabei dürfte er nach St. Gallen gelangt sein, wo er die Hafnertochter Wibrath Sommerauer (1657‒vor 1721; Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.760) kennenlernte und am 15. Oktober 1694 in St. Gallen heiratete (Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.733,236). Ihre Eltern waren der Hafner Jakob Sommerauer (1635‒1683, Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.760, 136 und Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.783,2) und Margaretha Gillerin (1632‒1708; Heirat 24.2.1657, Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.733,196; Genealogie Sommerauer Staatsarchiv St. Gallen ZVA 12.750.16, Band Q, 34‒35).

Die vier Kinder aus dieser Ehe wurden zwischen 1695 und 1699 in Herisau AA getauft, wo Abraham Reutlinger demnach seine Werkstatt gehabt haben dürfte. Unmittelbar anschliessend zog die Familie von Herisau nach Jegenstorf zurück, denn wir finden Abraham Reutlinger erstmals in den Landvogtei-Rechnungen für Fraubrunnen für das Jahr 1700/01. Er wurde für die Reparatur der Öfen in der Mühle, Öhle und Stampfe bezahlt (StAB VII 1313, 1700). Im selben Jahr arbeitete er in Schloss Landshut (StAB VII 1553, 1700), 1702 erstmals auch auf dem Thorberg (StAB VII 1976, 1702). 1719 und 1720 reparierte Reutlinger Kachelöfen in Schloss Brandis (StAB VII 1104, 1719–1720). Reutlingers erste Frau starb vor 1721, sodass er am 27. Juni 1721 Elisabeth Fankhauser von Burgdorf (1680‒1763; KR Münchenbuchsee 14, 26; 8.4.1763, Alter 83) heiraten konnte (KR Jegenstorf 27, 72; 27.6.1721). Beide Töchter aus dieser zweiten Ehe wurden in Jegenstorf getauft. Die jüngere, Anna Catharina Reutlinger, heiratete am 16. August 1746 den Hafner Johannes Häberli von Münchenbuchsee (KR Jegenstorf 27, 126; 26.8.1746). Ihre Stiefschwester Anna Barbara Reutlinger (1699‒1744; KR Jegenstorf 12,16 ; 23.7.1699, Taufe in Herisau AA; KR Grafenried 4, 169; 4.10.1744) von Mattstetten, wohnhaft in Jegenstorf, heiratete schon am 21. März 1718 (KR Grafenried 4, 5) den Hafner Hans Rudolf Marti (1691-1742) aus Fraubrunnen (KR Grafenried 3, 97; 4.12.1691; KR Grafenried 4, 194; 17.5.1742). Abraham Reutlinger ist daher der Grossvater des bedeutenden bernischen Keramikers Abraham Marti (1718-1792) (Heege/Frey/Spycher/Kistler 2023).

Von 1753 bis 1763 lebte Elisabeth Reutlinger-Fankhauser (1680‒1763), mit Einverständnis der Gemeinde Mattstetten, bei ihrem Schwiegersohn dem Hafner Johannes Häberli in Münchenbuchsee (Verpfründungsverträge: StAB, Bez. Fraubrunnen A 274,129 und A 322,49).

Abraham Reutlinger führte von 1700‒1712, 1718‒1721, 1724 und letztmals 1736 Ofenarbeiten für die Landvogtei Fraubrunnen aus (StAB B VII 1313‒1315). 1721 lässt sich auch ein Auftrag für einen neuen Ofen in das Pfrundhaus in Münchenbuchsee belegen: (StAB B VII 1136, 1721). Zwischen 1721 und 1741 wurde er für diese Arbeiten in Fraubrunnen zunehmend durch seinen Schwiegersohn Hans Rudolf Marti ersetzt (StAB B VII 1314‒1315).

Wir haben keine Vorstellung, wo Abraham Reutlinger seine Werkstatt hatte und wie seine Geschirrkeramik oder seine Kachelöfen aussahen.

Bibliographie:

Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.

Heege/Frey/Spycher/Kistler 2023
Andreas Heege/Jonathan Frey/Alfred Spycher/Andreas Kistler, Keramik aus Blankenburg, Abraham Marti (1718–1792), ein bernischer Landhafner, Bd. 16 (Schriften des Bernischen Historischen Museums), Bern 2023.

Jegenstorf BE, Hafner Häberli


Jegenstorf vom Flugzeug aus, 1939, Blick nach Nordosten.

Andreas Heege, Andreas Kistler, Alfred Spycher, 2025

Im bernischen Mittelland waren Familien mit dem Namen Häberli vor 1800 nur in den Gemeinden Krauchthal, Münchenbuchsee und Jegenstorf eingebürgert, jedoch gab es zahlreiche weitere Heimatberechtigte gleichen Namens in den Kantonen Luzern, Thurgau und Zürich (Familiennamenbuch der Schweiz, Online-Version). Der Versuch eine schlüssige und vollständige Genealogie der verschiedenen Hafner Häberli zu erarbeiten, war nur teilweise erfolgreich, da sich verschiedene Familienstränge nicht miteinander verbinden liessen. Es bleibt derzeit festzuhalten, dass die familiengeschichtlichen Forschungen keinen Nachweis erbracht haben, dass es direkte verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Hafnern Häberli, die im 18. und 19. Jahrhundert in Münchenbuchsee oder Moosseedorf arbeiteten, und den Hafnern Häberli aus Hängelen gibt. Auch besteht keine verwandtschaftliche Beziehung zu den Hafnern Häberli, die sich zwischen 1861 und 1941 in Jegenstorf nachweisen lassen. Diese gehören nachweislich zum Stamm der Häberli aus Münchenbuchsee.

Häberli, Münchenbuchsee-Moosseedorf_genealogische Daten

Häberli, Münchenbuchsee-Jegenstorf, Stammbaum

Jakob Häberli (1828-1877) war der Sohn und Enkel der beiden Schulmeister Daniel Häberli (1750-1829 bzw. 1787-1864) von Münchenbuchsee. Wie die beiden Schulmeister mit den beiden Hafnerlinien Häberli von Münchenbuchsee verwandt sind, liess sich nicht ermitteln. Jakob Häberlis Taufpate war der Hafner Niklaus Häberli (1789-1858) von Münchenbuchsee (KRM_7_132, KRM = Kirchenrodel Münchenbuchsee). Seine ältere Schwester Rosina (1813-1895) war mit dem Hafner Johann Jakob Häberli (1814-1874) von Münchenbuchsee verheiratet. Sein älterer Bruder Niklaus (1824-1853) war ebenfalls Hafner und arbeitete zumindest in seinem Todesjahr (als Geselle?) in Kiesen (KRM_15_131, Todesmeldung auch: Intelligenzblatt für die Stadt Bern, 14. Dezember 1853). Bei wem Niklaus und Jakob ihre Ausbildung erhielten, ist nicht klar. Für Jakob lässt sich belegen, dass für ihn 1847 ein Wanderbuch ausgestellt wurde, er mithin wohl auf die Wanderschaft ging. Am 22.11.1851 heiratete er in Thun Rosina Bürki von Muri (1829-?; KRThun_9_206). Die ersten fünf Kinder wurden zwischen 1852 und 1859 in Bern bzw. Münsingen getauft und dabei als Lebensort jeweils Münsingen angegeben. Vieles spricht also dafür, dass Jakob Häberli dort als Hafner oder Hafnergeselle gearbeitet hat. Erst die sechs folgenden Kinder wurden zwischen 1861 und 1873 in Jegenstorf getauft, das auch als Wohnort angegeben wurde. Wo Jakob in dieser Zeit mit seiner Werkstatt eingemietet war, entzieht sich unserer Kenntnis.


Berner Zeitung, Band 23, Nummer 229, 27. September 1867.

Für das Jahr 1867 ist ein Geldstag überliefert, dessen Ursachen und Folgen jedoch unklar sind.

Der Sohn Johann Jakob Häberli (1858-1908) wurde ebenfalls Hafner. Er heiratete am 1.9.1882 in Jegenstorf Maria Junker aus Jegenstorf (1859-1913). Mit ihr bekam er fünf Kinder (Stammbaum). Es ist wahrscheinlich, dass er nach dem Konkurs (Geltstaginformation: Tagblatt der Stadt Biel, Band 5, Nummer 235, 4. Oktober 1867) bzw. Tod von Niklaus Niklaus (1810-1879) in dessen Liegenschaft Jegenstorf, General Guisanstrasse 12 („Haus mit Scheuer und dabei stehendem Wohnstock mit Hafnerwerkstatt“;  GBJ_04_325-328), oder nur den Wohnstock mit Hafnerwerkstatt mietweise einzog.


Der Bund, Band 47, Nummer 51, 21. Februar 1896

Diese Liegenschaft brannte im Februar 1896 ab. Aber schon 1898 war die Werkstatt wieder in Betrieb, denn Häberli suchte einen Dreher.


Grütlianer, 23. April 1898.

Johann Jakob kaufte die gesamte Liegenschaft schliesslich am 13.10.1903  (GBJ_55_384-388). 1910 trat die Witwe Maria Häberli-Junker die Hafnereiliegenschaft ihrem Sohn Johann Jakob Häberli (1885-1941) ab. Im Erbgang nach dessen Tod 1941 wurde er als „gew. Töpfermeister und Landwirt“ bezeichnet. Es ist nicht klar, wann Johann Jakob den Hafnerberuf aufgab und Landwirt wurde. Das Wohnhaus mit Hafnerwerkstatt existiert heute nicht mehr.

Leider gibt es keine signierte Keramik der Hafner Häberli aus Jegenstorf, daher wissen wir nicht, wie deren Produktion aussah. Archäologische Ausgrabungen haben in den vergangenen Jahren jedoch Funde des 19. Jahrhunderts erbracht, die ein eindrückliches Bild davon vermitteln, was ursprünglich zur Küchen- und Stubenausstattung und dem Haushaltegeschirr der Jegenstorfer Bauernhäuser gehörte.

Jegenstorf, Kirchgasse, Abfallgrube 561, archäologische Funde von Haushaltsgeschirr aus der Zeit vor ca. 1890: Milchtöpfe, Tassen, Untertassen, Terrinen, Teller, Röstiplatten und Nachttöpfe. Fotos Badri Redha, Archäologischer Dienst des Kantons Bern.

Sicher wurde das eine oder andere Stück auch von den Hafnern Häberli oder Niklaus in Jegenstorf produziert.

 

Jegenstorf BE, Hafner Niklaus

Jegenstorf vom Flugzeug aus, 1939, Blick nach Nordosten.

Andreas Heege, Andreas Kistler, Alfred Spycher, 2025

Niklaus_Jegenstorf_genealogische Daten

Stammbaum Niklaus

Die ersten Hafner aus der Familie Niklaus scheinen in Jegenstorf ab dem späten 18. Jahrhundert tätig geworden zu sein. Es gab jedoch schon vorher mindestens zwei verschiedene Hafner am Ort, Abraham Reutlinger (1673-1741) und Rudolf Los[s]er, (Lebensdaten unbekannt, Aktivitätsnachweis 1749-1750, Boschetti-Maradi 2006, 210).

Der erste Hafner aus der Familie Niklaus, den wir kennen, ist Bendicht Niklaus (1738-1804). Den Beruf seines Vaters kennen wir nicht. Bendicht war zweimal verheiratet (9.1.1763, 20.12.1778). Mit der ersten Frau hatte er sieben Kinder, mit der zweiten Frau nur noch eines (siehe Stammbaum).

Jegenstorf Altgasse 1,5 Lage Hafnerei     Jegenstorf Altgasse 1,5 Handänderungen GBJ

Zu einem unbekannten Zeitpunkt erwarb Bendicht Niklaus (1738-1804) verschiedene Liegenschaften und Äcker in Jegenstorf, die nach seinem Tod im Jahr 1805 zwischen der überlebenden Witwe und seinen überlebenden Kindern aus erster Ehe aufgeteilt wurden (GBJ_01_116-122; GBJ = Grundbuch Jegenstorf):

„1. Wohnhaus samt dabei liegender Hafnerhütte und Hofstatt ungefähr 2 Maad, dazu gehöre eine Schuposen Rechtsame. 2. der Bachtelen Acker auf dem Oberfeld zu Jegenstorf gelegen ca. 2 Jucharten. 3. der Bohlwinkel Acker ca. 2 Jucharten. Von diesem Haus samt Erdreich ist die einte Hälfte dem Bendicht [Bendicht Niklaus, 1774-1839] angeschlagen worden. Die zweite Hälfte dann samt der Hafnerhütte ist dem Sohn Niklaus [Niklaus Niklaus, 1764-1823]  verschrieben worden. Bedingung: Bendicht hat das Recht die Hafnerhütte zu gebrauchen. 4. Noch ein Haus im Dorf samt Ofenhaus und Speicher nebst Garten. Darab wurde alljährlich ein Bodenzins entrichtet in den Spital nach Bern an Dinkel ein Meudt. Zu diesem Geschick gehöre eine Schupose Rechtsame. 5. Eine Beunde auf dem Eschpli ca. 3/4 Jucharte. 6. In der Ischenmat ca. 1/2 Maad. 7. der Neuholz Acker ca. 3/4 Jucharten. 8. der Münchringer Acker ca 3/4 Jucharten 9. der Krautmatt Acker ca. 3/4 Jucharten. Diese von Nr. 4 bis Nr. 9 sind dem jüngsten Sohn Jakob [1777-1832] angeschlagen.“

Hafnerhütte und Wohnhaus lassen sich aufgrund späterer Handänderungen als die heutige Altgasse 1 und 5 identifizieren. Beide Parzellen sind modern überbaut.

Zwischen 1780 und 1797 haben wir Hinweise auf „Ofenarbeiten“ von Bendicht Niklaus (1738-1804) in den bernischen Amtsrechnungen vor allem von Fraubrunnen. Dabei lässt sich nur 1780 belegen, dass er auch Kachelöfen, die 46 bzw. 32 Kronen kosteten, neu setzte (Utzenstorf, Landschreiberei und Kirchberg, Pfrundhaus). Zwischen 1786 und 1797 führte er ansonsten nur Ofenreparaturen in Fraubrunnen aus. Im Bürgerregister von 1798 wird er neben seinem ältesten Sohn Niklaus (1764-1823) als Hafner aufgeführt. Der jüngere Sohn Bendicht (1774-1839), war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verheiratet und führte daher wohl auch keine eigene Werkstatt. Als Bendicht Niklaus 1803 seinem Sohn Niklaus Niklaus eine halbe Juchart Ackerland auf dem Niederfeld zu Jegenstorf verkaufte, befand er sich vermutlich krankheitshalber im Inselspital in Bern (StAB Bez Fraubrunnen A, 216, 316-318). Er starb 1804.

Die folgende Generation bestand aus den zwei Hafnern Niklaus Niklaus (1764-1823) und Bendicht Niklaus (1774-1839) sowie dem jüngsten Sohn Jakob (1777-1832), der 1808 als „Kachelkrämer“ bezeichnet wird (KRJ_07_51), offenbar also mit Geschirr handelte oder hausierte. Mit der Erbteilung von 1805 (s.o., GBJ 01, 116-122) teilten sich die beiden Brüder Niklaus und Bendicht das Wohnhaus und die Hafnerhütte, Altgasse 1 und 5.

Niklaus heiratete am 28.9.1787 in Oberburg Barbara Müller (1766-1825). Mit Ihr bekam er drei Kinder (siehe Stammbaum). Bendicht Niklaus heiratete am 23.1.1801 in Oberburg Elisabeth Kunz (1778-1839). Das Paar bekam fünf Kinder, von denen keines Hafner wurde. 1802 kaufte Bendicht „Ohngefehr dreiviertel Jucharten Ackerland, der Niederfeld Acker auf dem Niederfeld“ von Jegenstorf für 156 Kronen, wofür sein Vater bürgte (StAB Bez Burgdorf B 682, 58-59). Von Bendicht erfahren wir sonst weiter nichts, ausser dass er im Dezember 1838 seinem Sohn Bendicht Niklaus (1806-?) seine Haushälfte und den übrigen Besitz inklusive Nutzung der Hafnerhütte verkaufte (GBJ_09_198-203). Bendicht Niklaus, Sohn, war Drechsler. Mit dem Tod von Bendicht Niklaus (1774-1839) erloschen die Hafneraktivitäten auf dem Grundstück Altgasse 1, 5, obwohl in den Handänderungen im Grundbuch noch bis 1893 von einem „Wohnstöcklein, früher Hafnerhütte, welches früher eine Hafnerwerkstatt war“ die Rede ist (GBJ 48, 294-308).

Das Leben von Bendichts Bruder Niklaus Niklaus (1764-1823) und seiner Familie verlief offenbar weniger ruhig. 1818 wurde Niklaus zum ersten Mal wegen Holzdiebstahls (Waldfrevel) im Gemeindewald gebüsst, nachdem der Bannwart Jakob Aeberhart ihn angezeigt hatte (StAB Bez Fraubr B 366_8_1818). 1821 musste er sich wegen ehrverletzender Schimpfworte gegen Aeberhart verantworten und entschuldigen (StAB Bez Fraubr B 367, 153).

Mit dem Tod von Niklaus Niklaus (1823) und seiner Ehefrau Barbara Müller (1825) kam es im April 1825 zu einer weiteren Erbteilung des Hafnergrundstücks Altgasse 1 und 5. Der Landarbeiter Johannes Niklaus (1791-1847, siehe Stammbaum) erhielt das halbe Hafnerhaus, der Hafner Niklaus Niklaus (1788-1852) vier Äcker (GBJ_04_235-239). Dies war möglich, weil  Niklaus Niklaus (1718-1852) bereits am 30. Januar 1819 ein eigenes Heimwesen gekauft hatte: „ein Haus samt beiliegender Hofstatt und Garten, ungefähr zwei Maad. Dazu gehöre ein halbes Ofenhaus und ein halber Speicher, ferner eine Haus Schuposen Rechtsame. Kaufpreis: 2’100 Krone oder 7’000 Pfund Bernwährung“ (GBJ_03_87-89). Es handelt sich um die heutigen Liegenschaften General-Guisanstrasse 12/14 (Jegenstorf Guisanstrasse 12/14 Daten aus GBJ).

Am 10. Juni 1819 erhielt er von Johann Rudolf von Stürler, Oberamtmann von Fraubrunnen, die Genehmigung, „vor das Tenn seines von Jakob Buri erkauften  Hauses, gegen Abend, eine Hafnerhütte bauen lassen zu können“ (StAB Urbarien Fraubrunnen 21, 490).

Niklaus Niklaus hatte am 7. April 1809 in Jegenstorf Elisabeth Kunz (1786-1832), Heimatort Lyssach, geheiratet. Mit ihr bekam er sechs Kinder, u.a. den ältesten Sohn Niklaus Niklaus (1810-1879), der ebenfalls Hafner wurde (siehe Stammbaum).

Beim Jegenstorfer Dorfbrand vom 24. April 1820 wurde das Anwesen mit der Töpferei ein Raub der Flammen (Materialien zum Dorfbrand im StAB, Signatur: OG Jegenstorf 5, ausserdem: Chronik Amt Fraubrunnen 3, 1958, 27-33).

1826 musste Niklaus Niklaus einen neuen Kredit über 1800 Bernkronen aufnehmen und setzte dafür als Pfand ein: „1. Ein neu erbautes, mit Ziegeln gedecktes Haus mit Scheuerwesen, unter Nr. 129 für Fr. 2’200 und mit dabei stehendem neuem Wohnstock mit Hafnerwerkstatt unter Nr. 130 für Fr. 600 brandversichert. inkl. Hofstatt und Garten ca. 2¾ Jucharten. 2.-6. Erdreich und eine Schuposen Rechtsame“ (GBJ 04, 325-328). Offenbar befand sich die Werkstatt nun also in einem vom Wohnhaus separierten Gebäude.

Im Februar 1835 verkaufte Niklaus Niklaus (1788-1852), nachdem er 1832 Witwer geworden war, die Hafnereiliegenschaft an seinen Sohn Niklaus Niklaus (1820-1879) (GBJ 07, 450-458). Die Gründe für diesen Verkauf sind nicht klar. Vermutlich arbeiteten der Vater und der zu diesem Zeitpunkt noch unverheiratete Sohn gemeinsam in der Werkstatt.

1836 verklagte der Sohn erfolgreich seinen Vater weil er unberechtigterweise einen Acker als Pfand für eine Schuld eingesetzt hatte (StAB Bez Fraubr B 371, 92).

Im Mai 1838 wurde Niklaus Niklaus  (Vater) zu einer Busse verurteilt, weil er in Grafenried den Regierungsagenten Zulauf beschimpft hatte (StAB Bez Fraubr B 372, 128).  Im Mai 1840 wurde er auf Anzeige der Landjäger Schüppach und Feller erneut verurteilt, weil er einen Samuel Bischoff beschimpft hatte.

Am 30. November 1838 heiratete Niklaus Niklaus (Vater) die Witwe Anna Barbara Eggimann  verw. Ryser (1779-1855, Heimatort Dürrenroth). Offenbar war diese Ehe jedoch nicht glücklich, wie wir aus einem Gerichtsentscheid vom September 1843 erfahren. Die Jegenstorfer Vormundschaftsbehörde hatte Niklaus Niklaus offenbar bereits bald nach 1838 die Vermögensverwaltung entzogen, woraufhin er nicht mehr für die „Alimente“ seiner Frau aufkam oder aufkommen konnte. Da seine Frau auf die Rückzahlung ihres Weiberguts drängte, was Niklaus nicht leisten konnte oder wollte, sass er sechs Wochen in Fraubrunnen im Gefängnis, bevor er verurteilt wurde: „Durch einen förmlichen Eid auszuschwören das Gebiet der Republik Bern für so lange zu meiden bis er die Ansprecherin für die betriebene Summe und Kosten völlig unklaghaft gemacht haben wird.“ (StAB Bez Fraubr B 375, 96). Offenbar erhielt Anna Barbara Eggimann die ihr zustehenden Gelder, woraufhin am 18. März 1844 Niklaus Niklaus, der zu diesem Zeitpunkt immer noch als „Hafner von und zu Jegenstorf“ bezeichnet wurde,  jedoch den „Geldstag anrufen“ musste (StAB Bez Fraubr B 375, 190).

1852 erfahren wir schliesslich vom tragischen Tod des Hafners. Er wurde am 3. November von der Postkutsche, dem Basler Eilwagen, überfahren, der aber offenbar nach dem Unfall gar nicht anhielt, sondern einfach weiterfuhr (lag der Hafner betrunken auf der Strasse und schlief seinen Rausch aus?). Der Vorfall wurde der Justiz- und Polizeidirektion in Bern übergeben, ohne das wir weiteres dazu lesen können (Emmenthaler Bote, Nummer 91, 11. November 1852).

Niklaus Niklaus (1810-1879), der Sohn, ebenfalls Hafner, heiratete am 3. Mai 1839 eine Anna Witschi (1819-1866, Heimatort Jegenstorf). Das Paar bekam 4 Kinder (siehe Stammbaum). Der Sohn Niklaus Niklaus (1843-1902) wurde nicht mehr Hafner. Auch in der Lebenszeit von Niklaus Niklaus ging es offenbar rauh zu, denn im Juni 1845 wurde er ebenfalls wegen ehrverletzender Beschimpfungen verurteilt (StAB Bez Fraubrunnen B 376, 47). Und in der „Frevelgerichts-Sitzung vom 1. August 1855“ wurden Niklaus Niklaus und seine Frau Anna Witschi jeweils zu 30 Fr. Busse und 5 Fr. Tagegeld für den Bannwart verurteilt, während ihr Wagen und Geräte bis zur Zahlung der Busse beschlagnahmt blieb. Offenbar hatten sie einen grösseren Waldfrevel begangen und waren ertappt worden (StAB Bez Fraubrunnen B 378, Bd. 20, 333).

Bereits vorher, d. h. am 20. Januar 1853, hatte Niklaus Niklaus die Liegenschaft mit dem dabei stehenden Wohnstock mit Hafnerwerkstatt an Johann Ulrich Mägli von Oberbipp, Amtsnotar und Rechtsagent in Jegenstorf verkauft (GBJ 17, 52-57), vermutlich weil er die Zinslast auf der Liegenschaft nicht mehr tragen konnte (General-Guisanstrasse 12). Wir können wohl davon ausgehen, dass er in der Liegenschaft eingemietet blieb und weiter Keramik produzierte.  Am 4. Oktober 1867 musste Niklaus Niklaus, seit 1866 Witwer, schliesslich den Geldstag anrufen (Geltstaginformation: Tagblatt der Stadt Biel, Band 5, Nummer 235, 4. Oktober 1867). Er starb 1879.

Wir können nur vermuten, dass der Jegenstorfer Hafner Johann Jakob Häberli (1858-1908) nach dem Konkurs bzw. Tod von Niklaus Niklaus (1810-1879) in dessen Liegenschaft Jegenstorf, General Guisanstrasse 14 oder nur den Wohnstock mit Hafnerwerkstatt (Jegenstorf, General Guisanstrasse 12) mietweise einzog. Johann Jakob kaufte den Wohnstock mit Hafnerwerkstatt schliesslich am 13.10.1903  (GBJ_55_384-388).

Leider gibt es keine signierte Keramik der Hafner Niklaus aus Jegenstorf, daher wissen wir nicht, wie deren Produktion aussah. Archäologische Ausgrabungen haben in den vergangenen Jahren jedoch Funde des 19. Jahrhunderts erbracht, die ein eindrückliches Bild davon vermitteln, was ursprünglich zur Küchen- und Stubenausstattung und dem Haushaltegeschirr der Jegenstorfer Bauernhäuser gehörte.

Jegenstorf, Kirchgasse, Abfallgrube 561, archäologische Funde von Haushaltsgeschirr aus der Zeit vor ca. 1890: Milchtöpfe, Tassen, Untertassen, Terrinen, Teller, Röstiplatten und Nachttöpfe. Fotos Badri Redha, Archäologischer Dienst des Kantons Bern.

Sicher wurde das eine oder andere Stück auch von den Hafnern Niklaus oder Häberli in Jegenstorf produziert.

Bibliographie:

Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.

 

Kanton Bern, Hafnereien, 18.-19. Jahrhundert

Orte mit Keramikproduktion im Kanton Bern aufgrund archivalischer Nachweise.

Andreas Kistler, Andreas Heege, 2021

Im Kanton Bern gibt es verschiedene archivalische Quellen (meist im Staatsarchiv Bern, StAB), in denen sich Hafnernachweise befinden können. Für das 16. und 17. Jahrhundert fliessen die Quellen spärlich (meist städtische Hafner). Für das 18. Jahrhundert, Berns „Goldene Zeit“,  haben wir die bernischen Landvogteirechnungen. Hier wurden alle Arbeiten verzeichnet, die in staatlichen Einrichtungen, also Landvogteischlössern, Pfarrhäusern, Pfrundhäusern etc., ausgeführt wurden. Dazu gehören auch die ständigen Reparaturen an den Kachelöfen oder Aufträge für neue Öfen. Auf diesem Wege erhalten wir Informationen zumindest über einige (sicher nicht alle) Hafner, die von der Obrigkeit beauftragt wurden (siehe Kartierung blaue Punkte). Die städtischen Hafnereiquellen und die Landvogteirechnungen hat bisher vor allem Adriano Boschetti-Maradi (2006) ausgewertet, es gibt jedoch keine systematische und vollständige Quellenedition.

Eine weitere Quellengattung sind die Helvetischen Bürgerverzeichnisse des Kantons Bern aus dem Jahr 1798, die als Eidregister für den Huldigungsschwur verwendet wurden. Sie sind vollständig überliefert und geben Ort, Name, Alter und Beruf des Bürgers an. Diese Listen wurden bearbeitet und liegen gedruckt vor (Rohrbach 1999). Andreas Kistler hat daraus die Hafner des Jahres 1798 zusammengestellt und ihre exakten Lebensdaten, soweit möglich, verifiziert (Kartierung rote Punkte).

Liste der bernischen Hafner nach dem Helvetischen Bürgerregister von 1798

Der Kanton Bern verfügt mit der ämterweise geführten Fremdenkontrolle über eine weitere, ungewöhnliche Quelle zum Handwerk. Trotzdem die Kontrolllisten nicht aus allen Ämtern erhalten sind, ergeben sich grundlegende Informationen zum Hafnerhandwerk im Kanton Bern im 19. Jahrhundert. Zwischen 1810 und 1908 musste jeder ausserkantonale und ausländische Geselle, also auch die Hafnergesellen, der im Kanton Bern Arbeit fand, gemeldet werden und zwar mit dem Arbeitsort und dem Namen des beschäftigenden Hafners, der Arbeitsdauer und dem Namen und Herkunftsort des Gesellen. So verfügen wir heute über eine Liste der Hafnereien (siehe Kartierung grüne Punkte), die sich im 19. Jahrhundert die Beschäftigung eines Gesellen leisten konnten. Ausserdem bekommen wir einen Eindruck, aus welchen Kantonen oder Bundesländern Österreichs oder Deutschlands Gesellen zuwanderten. Die Gesellenwanderung war im 19. Jahrhundert der Motor des technologischen und dekorativen Wandels und trug wesentlich zur Entstehung und Ausbreitung der Keramik „Heimberger Art“ bzw. der „Thuner Majolika“ bei.

Liste der bernischen Hafner, bei denen im 19. Jh. fremde Gesellen gearbeitet haben (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Liste der fremden Gesellen nach Alphabet (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Liste der fremden Gesellen nach Land, Kanton/Bundesland, Ort (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Eine vierte Quellengattung, die bis heute nur für einzelne Orte oder Töpfereien systematisch herangezogen werden konnte (siehe Heege 2011; Heege/Kistler/Thut 2011; Heege/Kistler 2017b; Heege/Spycher/Kistler 2020) sind die Contractenprotokolle der Landvogteien (bis 1798) und die Grundbücher des Kantons Bern (1798 bis heute). Hier wurden (fast) alle Besitzänderungen verzeichnet. Besass ein Hafner also jemals eine Liegenschaft, so besteht die Möglichkeit, dass er in dieser Quellengattung verzeichnet ist. War er als Hafner nur irgendwo eingemietet, so haben wir in der Regel keine Nachweismöglichkeit. Im optimalen Fall lassen sich anhand dieser Quellengattung ganze Besitzerabfolgen auf einzelnen Grundstücken bzw. in einzelnen Werkstätten ermitteln, die sich dann meist auch topographisch verorten lassen (Beispiel).

Eine fünfte Quellengattung, die bis heute noch nicht systematisch ausgewertet wurde, sind die Akten und Lagerbücher der Bernischen Brand-Assekuranz, die seit 1806 existieren und ebenfalls Hinweise auf versicherte Hafnerliegenschaften und die darin befindlichen Brennöfen liefern könnten.

Bibliographie:

Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.

Heege 2011
Andreas Heege, Langenthal, St. Urbanstrasse 40–44. Die Hafnerei Staub und ihre Werkstatt, in: Archäologie Bern/Archéologie bernoise. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, 2011, 209-287.

Heege/Kistler 2017b
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Heege/Spycher/Kistler 2020
Andreas Heege/Alfred Spycher/Andreas Kistler, Die Hafner von Hängelen und das Rätsel der Bäriswiler Kachelöfen, in: Gemeindebuch Krauchthal, 2020, 173-256.

Heege/Kistler/Thut 2011
Andreas Heege/Andreas Kistler/Walter Thut, Keramik aus Bäriswil. Zur Geschichte einer bedeutenden Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 10), Bern 2011.

Rohrbach 1999
Lewis Bunker Rohrbach, Men of Bern: The 1798 Bürgerverzeichnisse of Canton Bern, Switzerland, Rockport 1999.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.

Keramik «Heimberger Art»

«Keramik Heimberger Art» in der Bilddatenbank

Herkunftsbestimmung der Keramik «Heimberger Art»

oder

Kommt alle Keramik im „Heimberger Stil“ aus Heimberg/Steffisburg im Kanton Bern?

Andreas Heege, 2019

Das Dekor- und Formenspektrum deutschschweizerischer  Keramik des späten 18. bis 20. Jahrhunderts mit schwarzer, weisser oder roter Grundengobe und Malhorn-, Ritz- und Springfederdekor, z. B. von der Burg Hohenklingen bei Stein am Rhein im Kanton Schaffhausen, aus den Kantonen Graubünden und St. Gallen sowie aus dem österreichischen Bundesland Vorarlberg, legen nahe, dass es in dieser Region mindestens ein weiteres, wenn nicht mehrere Produktionszentren für Ware mit Dekor «Heimberger Art» gegeben haben muss. Ob dies wirklich Berneck im Kanton St. Gallen, Steckborn im Kanton Thurgau oder z. B. auch die Keramikfabrik Hanhart (1878-1887) in Winterthur (Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997, 38: „Malen auf Ton nach Heimberger Manier“, Frascoli 2004, Taf. 34-38) war oder die durch sicher zugewiesene Gefässe momentan nicht belegbare Ausstrahlung von Kandern im deutschen Schwarzwald oder Lustenau in österreichischen Vorarlberg bis in die Ostschweiz reichte, muss leider in Ermangelung naturwissenschaftlicher Analysen offen bleiben. Die zahlreichen Terrinen der Sammlung des Historischen Museums in St. Gallen werden im Museumsinventar jedenfalls ohne weitere Diskussion der Produktion von Berneck im St. Galler Rheintal zugeschrieben, wo sich das Hafnerhandwerk seit dem 17. Jahrhundert nachweisen lässt. Im 19. Jahrhundert arbeiteten zeitweise bis zu 17 Werkstätten in Berneck und den benachbarten Orten oder Ortsteilen Au, Balgach, Altstätten, Eichberg, Lüchingen und Marbach.

Der typologische Zusammenhang zwischen Berneck und Heimberg/Steffisburg wurde 1921, 1955 und 1975 auf dem Weg über eingeheiratete «Heimbergerinnen» erklärt. Genealogisch wurde dies jedoch weder von Fernand Schwab und Leo Broder noch von Hermann Buchs belegt. Da bereits für die Jahre 1819 und 1836 gezeigt werden kann, dass in Heimberg klassischerweise die Frauen als Keramikmalerinnen arbeiteten, würde sich auf diesem Wege möglicherweise die grosse typologische und dekorative Nähe zwischen Heimberg/Steffisburg und Berneck erklären lassen. Sie besteht seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Leider ist das Argument nicht stichhaltig. Eine Kontrolle der Herkunft der Ehepartner der bekannten Bernecker Hafner des 19. Jahrhunderts anhand der Kirchenbücher konnte keine Einheiraten belegen. Nur für einen ursprünglich katholischen Bernecker Hafner – Leondus Federer – lässt sich anhand der Kirchenregister von Steffisburg ergänzend zeigen, dass er sich um 1819 in Heimberg niederliess. Er kehrte später jedoch nach Berneck zurück. Bei der Taufe eines 1824 geborenen Sohnes in Steffisburg war der Hafner Franz Joseph Kurer von Berneck Pate. Sind also nicht eingeheiratete Keramikmalerinnen für die Stilübertragung nach Berneck verantwortlich, so bleiben eigentlich nur Gesellenwanderungen als Begründung für den typologischen und stilistischen Wissenstransfer übrig. Zwischen dem ersten in der Region Heimberg nachweisbaren Gesellen Joseph Anton Kurer aus dem Jahr 1832 und dem letzten dokumentierten Gesellen Joseph Anton Ritz aus dem Jahr 1879 wurden weitere 18 Gesellen aus Berneck und Umgebung in die Listen der bernischen Fremdenkontrolle eingetragen. Verschiedene Gesellen aus Berneck arbeiteten ein bis zwei Jahre in der Region Heimberg.

Ein Zufallsfund wirft ein weiteres Schlaglicht auf die Keramik «Heimberger Art». Eine typische flache Schüssel mit schwarzer Grundengobe und Kragenrand im Schweizerischen Nationalmuseum (SNM LM-72744) trägt den eingeritzten Spruch «Diese Blatte ist von Erd gemacht und wenn sie bricht der Hafner lacht. Ch. Dürringer, Hafner». Ausserdem erscheint interessanterweise die Angabe «Steckborn, Kanton Thurgau».

Für die Hafner von Steckborn gibt es nach älteren grundlegenden Studien von Karl Frei eine umfassendere, auch genealogische Studie von Margrit Früh, deren Thema jedoch die Kachelöfen und die Ofenhafner sind. In welchem Umfang und in welcher Formensprache die Steckborner Hafner auch Geschirrkeramik produziert haben, entzieht sich nahezu vollständig unserer Kenntnis. Nur der Keramikmaler Georg Hausmann (eventuell 13.8.1826–13.8.1882), der möglicherweise als Geselle in der Werkstatt von Christoph Düringer (1794–1851) arbeitete, fand aufgrund seiner kulturgeschichtlich interessanten Wandteller mit politischen Sujets aus der Zeit der Freischarenzüge (1845) museale Aufnahme und Erwähnung in der Literatur. Auch er hielt sich nachweislich zumindest 1846 in Heimberg auf.

Für die Mitte des 19. Jahrhunderts überliefert Karl Frei Informationen des Hafners August Düringer (1841–1928). Danach stellte man in Steckborn Milchhäfen, Kaffeebecken, Zuckerdosen, Suppenschüsseln, Näpfe und Platten, Blumengeschirr, Most- und Weinkrüge her. Die Geschirre wurden mit einer roten, weissen oder schwarzen Grundengobe überzogen und mit dem Malhörnchen bemalt (Tupfen-, Spiral- und Blumenmuster). Anschliessend wurden sie wie in der Region Heimberg mit pulverisierter Bleiglasur «trocken» überstäubt. Vor allem der Hinweis auf die schwarze Grundengobe ist hervorzuheben, scheinen sich hier doch wichtige typologisch-stilistische Kontakte bzw. Übereinstimmungen zwischen der Bodenseeregion und dem Bernbiet abzuzeichnen, wie sie sich in der oben genannten Platte des Hafners Christoph Düringer unmittelbar manifestieren.

Diese Übereinstimmungen werden mit dem Nachweis der Tätigkeiten und des Geschirrhandels verschiedener Steckborner Hafner in Heimberg bzw. Steffisburg verständlicher. Es handelt sich u. a. um Hans Jakob II. Düringer (1775–1841), der seit 1806 mit Anna Mühlemann (1775–1848) aus Lotzwil im Kanton Bern verheiratet war. Er arbeitete in Heimberg und wurde am 6. April 1841 in Steffisburg begraben; seine Frau verstarb sieben Jahre später. Sein Bruder Hans Conrad Düringer (1791–1849, Lehrer und Ofenmaler, handelte 1813 in Steckborn mit bernischem Geschirr (seines Bruders?). Die beiden Hafner David und Johann Heinrich Baldin (1817–1855 bzw. 1829–1876) arbeiteten zwischen 1850 und 1855 bei Hafnern in Oppligen und Heimberg. Der schon erwähnte Hafner August Düringer (1841–1928) töpferte 1861 als Geselle bei den Heimberger Hafnern Jenny bzw. Knecht und dem Steckborner Hafner Conrad Schiegg. Dieser hatte, was sich durch Gesellenanmeldungen belegen lässt, von 1849 bis 1854 in Oppligen an der Rotachen-Brücke seine Werkstatt und ist von 1855 bis 1866 in Heimberg nachweisbar. Aus der weitverzweigten Steckborner Familie Füllemann lassen sich zwischen 1812 und 1867 immerhin vier Gesellen belegen: Hans Caspar Füllemann (1787–1826, 1812 für vier Monate in Oppligen), Caspar Füllemann (Lebensdaten unbekannt, mit Unterbrechungen von 1860 bis 1865 in Oppligen und Kiesen), Cezar Füllemann (Lebensdaten unbekannt, 1864/65 in Heimberg) und Johann Melchior Füllemann (Lebensdaten unbekannt, 1864–1867 mit Unterbrechungen in Kiesen, Heimberg und Münsingen).

Wanderbuch des Hafners Heinrich II. Füllemann aus Steckborn (Aufbewahrungsort Museum im Turmhof, Steckborn, Inv. Nr. HS 408, Foto und pdf Museum Steckborn).

Der Hafner Heinrich II. Füllemann kam auf seiner Wanderschaft laut Wanderbuch u. a. auch durch das Bernbiet sowie nach Lausanne, Basel, Liestal, Hamburg, Lübeck, Schwerin und Lindau. 1862/63 arbeitete der Hafner Daniel Gräflein (1810–1882) für 17 Monate in Heimberg. 1844 bis 1849 befand sich Johann Martin Guhl (wohl 1825–1892) als Hafnergeselle in Hasle bei Burgdorf, Diessbach und Kiesen. Zwei weitere Gesellen gleichen Nachnamens (Johannes und Johann Daniel) arbeiteten 1873–1876 bzw. 1879–1881 in Heimberg. Darüber hinaus sind Gesellen mit den Familiennamen Kauf, Konf, Schär, Schneider, Wilhelm und Wüger belegt, die zwischen 1857 und 1867 in Kiesen und Heimberg arbeiteten, jedoch in den Steckborner Hafnerlisten bislang fehlen.

Es bleibt also festzuhalten: Aufgrund intensiver Kontakte durch wandernde Gesellen verbreiteten sich der Heimberger Dekorstil und seine Weiterentwicklungen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts rasch und über grosse Teile der Deutsch- und möglicherweise sogar der frankophonen Schweiz (vgl. MAHN AA 1247, MAHN AA 1249). Wir dürfen daher heute – vor allem bei Museumsstücken, die überwiegend aus dem Handel angekauft oder als Geschenke inventarisiert wurden – nicht mehr von «Heimberger Keramik», sondern nur noch von «Keramik Heimberger Art» sprechen. An der Herstellung dieser zeittypischen Malhornware des späten 18. und 19. Jahrhunderts waren ganz offensichtlich verschiedene Herstellungszentren der Deutschschweiz (Regionen Heimberg/Steffisburg, Berneck, Steckborn, Kanton Schaffhausen, Winterthur) und möglicherweise auch der Westschweiz (Region Cornol, Moudon und Poliez-Pittet) bzw. Baden-Württembergs (Staufen, Kandern) und in den 1870er-Jahren sogar Frankreich beteiligt. Ohne naturwissenschaftliche Analysen oder entsprechende Ausgrabungsfunde scheint beim heutigen Forschungsstand eine rein typologisch-stilistische Zuweisung zu einem spezifischen Produktionsort nicht möglich.

Frz.: Céramiques de « style Heimberg » ou Céramiques « à la manière de Heimberg  »

Engl.: Ceramics “in the Heimberg style“, or  Ceramics „in the Heimberg manner“

Bibliographie

Babey 2016
Ursule Babey, Archéologie et histoire de la terre cuite en Ajoie, Jura Suisse (1750-1900). Les exemples de la manufacture de faïence de Cornol et du centre potier de Bonfol (Cahier d’archéologie jurassienne 37), Porrentruy 2016, besonders 174, 201-203.

Frascoli 2004
Lotti Frascoli, Keramikentwicklung im Gebiet der Stadt Winterthur vom 14. -20. Jahrhundert: Ein erster Überblick, in: Berichte der Kantonsarchäologie Zürich 18, 2004, 127-218.

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, 17e-19e siècles – Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.-19. Jahrhundert – Die Sammlung des Musée Ariana, Genf, Mailand 2017, 369-375.