Museum Nutli Hüschi Klosters
Monbielerstrasse 11
Ch-7250 Klosters-Serneus
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Film zum Nutli Hüschi Klosters
Keramik aus dem Nutli Hüschi in CERAMICA CH
Andreas Heege 2021
In die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen fällt die Sammlungstätigkeit von Fritz Schoellhorn (1863–1933), dem Direktor der Haldengut-Brauerei in Winterthur (zur Person siehe Stichwort «Fritz Schoellhorn» im HLS. Ausserdem: Schoellhorn 1923 und Nekrologe Schoellhorn 1933).
Dieser war kulturhistorisch sehr interessiert und besass schon in den 1890er-Jahren eines der ersten Ferienhäuser in Klosters. Auf diesem Wege kam er mit der Kultur und den materiellen Hinterlassenschaften des Prättigaus in Kontakt. Er erwarb eines der ältesten Wohnhäuser des Ortes, das «Nutli-Hüsli» und bewahrte es vor der Zerstörung, indem er es sorgfältig abtragen und als Heimatmuseum in der Nähe wieder aufbauen liess. In einer 1925 von ihm selbst verfassten Informationsbroschüre zum Haus schrieb er: «…1889 wurde die Eisenbahn Landquart-Klosters und 1890 die Strecke Klosters-Davos dem Verkehr übergeben. Damit begann für das bisher abgelegene Tal eine neue Zeit! Zeugen der alten Zeit zu erhalten, war mein Ziel.»
Keramik der Hafnerei Lötscher aus St. Antönien.
Er stattete das Heimatmuseum zusätzlich mit Mobiliar, Keramik und Gerätschaften aus. Dabei erstaunt es nicht, dass auch Keramik der Hafnerei Lötscher aus St. Antönien, Kilchberg-Schoorener Fayencen, Bernecker Irdenwaren „Heimberger Art“ und vieles mehr in die Sammlung gelangte. Zumindest für einige Stücke kann belegt werden, dass Fritz Schoellhorn sie zwischen 1918 und 1921 beim Churer Antiquitätenhändler Hablützel bzw. beim Antiquar Schwabe in Davos käuflich erwarb. Neun weitere Lötscher-Keramikobjekte gelangten erst 1954 als Schenkung des Sohnes Georg Schoellhorn (1891–1973) in den Besitz des Museums (Schoellhorn 1954). Wir gehen aber wohl nicht fehl in der Annahme, dass sie schon zu Lebzeiten von Fritz Schoellhorn, d. h. vor 1933, erworben wurden (Ich danke Andreas Schoellhorn, Winterthur, für Informationen über seinen Urgrossvater und Grossvater). Darunter befinden sich eine ganze Reihe wichtiger und singulärer Stücke, wie ein 1841 datierter Wandbrunnen von Andreas Lötscher, eine ungewöhnliche Schenkkanne mit keramischem Klappdeckel sowie mehrere Kaffee- und Teekannen und einer von zwei bekannten Blumentöpfen. Cordula Hitz-Walser verfasste 1997 einen kurzen Bericht über die Museumssammlung und die weitere Entwicklung des Museums (Hitz-Walser 1997). Heute wird das Museum von der Gemeinde getragen und von einem kleinen Museumsteam liebevoll betreut.
Die 15 Lötscher Geschirrkeramiken der Sammlung wurden wissenschaftlich umfänglich bearbeitet (Heege 2019). Der Rest der keramischen Museumssammlung wurde 2021 erfasst. Insgesamt konnten zusätzlich 149 Objekte dokumentiert werden. Dabei handelt es sich um 53 Gefässe aus Irdenware, 26 Stücke aus Fayence, 45 Steingutgefässe, 21 Töpfe aus Steinzeug und 4 Stücke aus Porzellan.
Bei den Irdenwaren hat sich von einem weiteren Bündner Hafner, dessen Namen wir nicht kennen, aus der Zeit um 1800-1850 eine Kaffeekanne erhalten. Von derselben Hand hat sich eine weitere Kaffeekanne im Museum im Postchäller in St. Antönien gefunden (MPK-STA_100). Der Hafner stellte auch Kachelöfen her (Heege 2019, 425 Abb. 405,2).
Weitere, wohl in Graubünden hergestellte Keramiken lassen sich nur schwer ausmachen. Von Antiquar Schwabe in Davos wurde 1921 ein Wandbrunnen mit mehrfarbigem Unterglasur-Pinseldekor erworben, der im späten 18. Jahrhundert entstanden sein dürfte (Heege 2016, 123). Zu ihm gibt es verschiedene Parallelen in den Museen Graubündens (vgl. z. B. RMC H1970.192 ).
Und auch ein Tintengeschirr ist möglicherweise in einer Bündner Werkstatt gefertigt wurden. Aus formalen Gründen scheidet eine Herstellung durch die Hafner Lötscher allerdings aus. Die Hafner aus Bugnei fertigten zumindest in der Spätphase ihres Betriebes andere Tintengeschirre. Eine Werkstattzuweisung muss offen bleiben und selbst die Zuweisung an einen anderen Hersteller im Kanton Graubünden ist als hypothetisch zu betrachten.
Aus der Werkstatt der Hafner Deragisch in Bugnei stammen vier Objekte der Museumssammlung. Dazu gehört eine der typischen Bügelkannen sowie ein Kästchen, wie wir es vergleichbar schon aus dem Rätischen Museum und der Klostermuseum Disentis kennen (RMC H1971.454, RMC H1971.1165., KMDis U003). Auch zu dem grossen Handwaschbecken, dessen Datierung leider unlesbar ist, gibt es Parallelen (RMC H1971.455; KMDis U029). Singulär ist bislang ein vasenartiges Objekt, das jedoch aufgrund der tordierten Leiste sicher zugeordnet werden kann.
Ansonsten finden sich in der Sammlung nur wenige der charakteristischen Irdenwaren “Heimberger Art” aus Berneck SG. Die Terrinen und Tassen sind typisch, formal aber kaum von den Heimberger Originalen aus dem Kanton Bern zu unterscheiden.
Eines der seltenen, inschriftlich datierten Stücke aus der Produktion von Berneck ist die 1854 datierte Kaffeekanne für Kristina Dicht. Dicht ist ein Familienname, der um 1800 nur in Klosters und Davos vorkommt.
Zu den in Museumssammlungen generell seltenen, aber für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts typischen Museumsobjekten, gehört eine bunt bemalte Blumenampel/Hängevase (vgl. zur Form MBS 1912.169, MBS 1912.239, HMO 8777, HMO 8778, HMO 8027), die in der Deutschschweiz gefertigt worden sein dürfte.
Zwei Röstiplatten sind so qualitätvoll gemalt und geritzt, dass man sie für bernische Originale halten möchte.
Alle weiteren Irdenwaren gehören zu den für Graubünden typischen Importdestinationen. Hierzu gehört eine Bräter aus der Region Porrentruy/Bonfol JU.
Aber natürlich findet sich auch die typische Keramik aus dem süddeutschen Raum, manganglasiertes Geschirr wohl aus der Deutschschweiz, marmorierte Ware aus der Region des Genfersees bzw. Savoyens und lehmglasiertes Braungeschirr aus dem deutschen Kaiserreich.
Für eine Reihe von Objekten bleibt die Herkunftszuschreibung problematisch. Bei der grünen Röhrenkanne möchte man am ehesten an die Ostschweiz denken.
Der Tabaktopf mit Löwengriff wirkt eher unschweizerisch, was aber daran liegt, dass wir keine exakte Parallele kennen. Hat in diesem Fall ein süddeutscher Geselle in einer schweizerischen Werkstatt gearbeitet? Der umlaufende Spruch lautet: «Toback und ein munters Weib, ist das schönste Zeitvert(reib)». Der Deckel trägt die Umschrift: «Ich habe dier ja erst gefallen unter diesen Mädchen allen: Daniel Graf in der Girba».
Auch für das kleine, 1797 datierte Schreibgeschirr gibt es keine Parallelen, an denen sich ein Herstellungsort festmachen liesse.
Die Henkelflasche mit ihrem dunkelbraunen Spritzdekor, ist in der Schweiz ein “Fremdling”. Sie dürfte ursprünglich aus dem bayerischen Kröning stammen (Vgl. Grasmann 2010, 244-246; Endres 1996, Abb. 39, Farbtaf. I und III; Bauer 1976, 95-100). Nur zu gern würde man wissen, ob es sich um ein vom Antiquitätenhandel verschobenes Stück oder um einen in Graubünden benutzten Gebrauchsgegenstand handelt.
Bleibt abschliessend für das Kapitel Irdenwaren noch zu erwähnen, dass das Museum in späterer Zeit auch weitere Keramiken geschenkt erhielt unter denen sich z.B. Keramik aus Embrach ZH (Landert-Keramik) und Kradolf-Schönenberg TG (Töpferei Otto Dünner AG) befand. Beide Firmen sind auch in anderen Museen Graubündens vertreten.
Die vorhandenen Fayencen lassen sich in drei Herkunftsregionen aufteilen: Deutschland, Italien und Schweiz.
Aus der Produktion von Durlach stammt ein schöner, grosser Teller mit fassoniertem Rand. Er wurde um 1755-1760 gefertigt.
Dank der fachlichen Unterstützung durch Roland Blaettler und Jean Rosen kann ein weiterer Teller der Manufaktur von Pasquale Rubati in Mailand, um 1760-1780, zugeordnet werden.
Wesentlich mehr Objekte gehören zu einem in ganz Graubünden verbreiteten Schüsseltyp für Salat oder Gemüse, der im Piemont oder in der Lombardei in der zweiten Hälfte des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefertigt worden sein dürfte.
Noch häufiger sind in der Museumssammlung aber die Fayencen der ersten Hälfte und Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Region Kilchberg-Schooren ZH. Dazu gehören eine Terrine der Manufaktur von Johannes Scheller, Ohrenschalen und die typischen, spruchverzierten Teller mit Schuppenrand.
Auch in der Museumssammlung in Klosters zeigt sich sehr deutlich der Wettbewerb zwischen den süddeutschen und schweizerischen Steingutproduzenten im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Es dominiert das Steingut aus Schramberg in Württemberg.
Neben eindeutig gemarktem Steingut aus Kilchberg-Schooren (nach 1846) gibt es zahlreiche weitere Stücke, die man nur aufgrund stilistischer Überlegungen oder aufgrund eindeutiger Umdruckmotive der Produktion vom Zürichsee zuweisen möchte.
Ganz ungewöhnlich ist das Vorkommen eines Topfes für Gänseleberpastete (Foie gras), der wohl in Frankreich (Sarreguemines) im frühen 20. Jahrhundert hergestellt worden sein dürfte. Er trägt unterseitig die Stempelmarke «TERRINE BREVETEE S.G.D.G. SIMPLEX MODELE DEPOSEE 91».
Bei den Keramiken aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und des frühen 20. Jahrhunderts ändert sich sowohl das Gefässformenspektrum (Dominanz der Waschgeschirr-Sets und Nachttöpfe) als auch die Zusammensetzung der Lieferanten. Neben den wenigen Produzenten der Schweiz, wie z.B. Möhlin, finden sich vor allem die grossen, weltweit tätigen Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden (Villeroy & Boch, Utzschneider & Cie und Société céramique, Maastricht)
Unter den Museumsobjekten befand sich erstmals auch ein Waschgeschirrset eines bislang unbekannten Keramikproduzenten, der Gebrüder Bauscher Luzern. Eine Recherche im Schweizerischen Handelsamtsblatt ergab folgenden Sachverhalt: Laut SHAB 28, 1910, No, 53, gründeten die Gebrüder August und Konrad Bauscher eine Kollektivgesellschaft mit Sitz in Luzern, behufs Vertrieb der Fabrikate der Porzellanfabrik Weiden, Gebrüder Bauscher G.m.b.H.. Einzelprokura für Walter Bosshardt, Natur des Geschäftes: Hoteleinrichtungen. Aufgrund von Zeitungsanzeigen bestand eine Filiale aber offenbar bereits seit mindestens 1907. SHAB 35, 1917, Nr. 68, 17. 3.1917: Verlegung des Geschäftslokals in die Industriestrasse 17. SHAB 37, 1919, Nr. 48, 21. Februar 1919: Firma wegen Ableben beider Gesellschafter aufgelöst. Übergang der Aktiven und Passiven auf die Firma Bosshardt & Co in Luzern.
Das Steinzeug-Ensemble aus dem Nutli-Hüschi umfasst die üblichen Gefässformen: Schenkkannen und Doppelhenkeltöpfe unterschiedlicher Grösse.
Daneben gibt es jedoch ein paar Besonderheiten, u.a. einen Kugelbauchkrug aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und ein Essigfässchen ohne Füsse.
Eine besondere Überraschung ist der gemarkte Vorratstopf aus grauem Steinzeug mit kobaltblauer Bemalung, der Landert-Keramik in Embrach ZH. Da die Markeneintragung am 8. Juli 1943 erfolgte (SHAB), dürfte der Topf in der späten Kriegs- oder baldigen Nachkriegszeit gefertigt worden sein und ist ein Beleg für sie sonst in der Schweiz eigentlich unübliche Steinzeugproduktion. Woher Landerts den passenden Ton bezogen, ist unbekannt.
Porzellan ist in der Sammlung in Klosters nur mit wenigen, aber zeittypischen Stücken vertreten. Hierzu gehört eine von Killias & Hemmi in Chur bzw. Davos mit Aufglasur-Druckdekor verzierte Platte, eine typische Tasse mit Rosendekor aus Schlesien und eine Geschenktasse “Dem guten Kinde”, die wohl ebenfalls im Deutschen Reich hergestellt worden sein dürfte.
Dank
Wir danken den Mitarbeiterinnen des Museums Nutli Hüschi, allen voran Barbara Gujan-Dönier, sehr herzlich für die langjährige und überaus hilfreiche und erfreuliche Zusammenarbeit. Es waren stets angenehme und erfreuliche Stunden in einem der schönsten Lokalmuseen Graubündens.
Bibliographie:
Bauer 1976
Ingolf Bauer, Hafnergeschirr aus Altbayern (Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums München 15,1), München 1976.
Endres 1996
Werner Endres, Gefässe und Formen. Eine Typologie für Museen und Sammlungen (Museums-Bausteine 3), München 1996.
Grasmann 2010
Lambert Grasmann, Die Hafner auf dem Kröning und an der Bina, Straubing 2010.
Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.
Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.
Hitz-Walser 1997
Cordula Hitz-Walser, Das alte Bauernhaus und der Stall. Zur Erweiterung des Heimatmuseums Nutli Hüsli in Klosters, in: Mitteilungen der Walser-Vereinigung, 1997.
Nekrologe Schoellhorn 1933
Fritz Schoelhorn (1863-1933) und Lilly Schoellhorn-Sträuli (1868-1933), Winterthur 1933.
Ruprecht 1993
Heinz Ruprecht, Ferdinand Ernst (1819-1857), Johann Georg Schoellhorn (1837-1890), Fritz Schoellhorn (1863-1933). Brauerei Haldengut – vom gewerblichen zum industriellen Brauen (Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik 57), Meilen 1993.
Schoellhorn 1923
Fritz Schoellhorn, Bausteine zu einer Familiengeschichte der Schellhorn und Schöllhorn, Einsiedeln 1923.
Schoellhorn 1925
Fritz Schoellhorn, Das Nutli-Hüsli in Klosters (Prätigau) – Ein Heimat-Museum, Einsiedeln 1925.
Schoellhorn 1935
Georg Schoellhorn, Das Nutli-Hüsli in Klosters (Prätigau): ein Heimat-Museum, Zürich 1935.
Schoellhorn 1954
Georg Schoellhorn, Das Nutli-Hüsli in Klosters, in: Bündner Monatsblatt: Zeitschrift für Bündner Geschichte, Landeskunde und Baukultur, 1954, 25-29.