Matzendorf, Keramikmuseum (KMM)

Keramikmuseum Matzendorf
Kirchstrasse 20
CH-4713 Matzendorf
Präsident Roland Müller
Tel. +41 (0)62 391 57 79
mueller.luethi@bluewin.ch

Die Keramiksammlung des KMM in Ceramica CH

Keramik aus der Produktion von Matzendorf

Keramik aus der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf

Roland Blaettler 2019

Nach dem Tod von Maria Felchlin (1899–1987) schloss sich eine kleine Gruppe von Matzendorfer Bürgern zusammen, um die Verantwortung für das Legat dem letzten Willen der Erblasserin entsprechend zu übernehmen. Unter der Leitung von Markus Egli, der schon die Sammlung Felchlin betreute, und Roland Müller wurde 1988 der Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» gegründet, der sich zum Ziel setzte, das lokale, keramische Erbe weiter zu pflegen, dabei auch die neuere Zeit miteinzubeziehen und das Interesse dafür bei einem breiteren Publikum zu wecken. So hat der Verein 1991 eine Ausstellung mit Arbeiten des Keramikers Benno Geiger gezeigt, dem früheren Leiter der kunstkeramischen Abteilung der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf. Der Verein fasste zudem die Gründung eines Museums ins Auge und begann mit dem Aufbau einer Sammlung.

1996 wurde das Museum mit dem Namen «Thaler Keramikmuseum» im Haus Dorfstrasse 58 eröffnet, in dem Benno Geiger wohnte, als er für die Tonwarenfabrik arbeitete. Damals präsentierte es sich noch als regionales Wohnmuseum mit Schwerpunkt lokale Keramik. Mit der Eröffnung gingen viele Geschenke ein, vor allem an Erzeugnissen der Perioden von der Mühll (1927–1960) und Rössler (1960–2004). Aus Anlass der 200-Jahr-Feier der Gründung der Manufaktur Matzendorf bestellte der Verein eine archäometrische Studie für eine naturwissenschaftliche Bestimmung der Produkte von Matzendorf und Kilchberg. Die Analysen wurden von Prof. Marino Maggetti und Prof. Giulio Galetti von der Universität Fribourg durchgeführt und die Resultate in einem Buch veröffentlicht, das auch eine vom Historiker Albert Vogt überarbeitete Geschichte der Manufaktur enthält (Vogt et al. 2000).

Die Sammlungen des Museums entwickelten sich erfreulich, so dass bald ein Ort gesucht werden musste, der mehr Platz bot. 2006 konnte das Museum in den ehemaligen, soeben renovierten Pfarrhof umziehen, in dem nun nur noch die Keramiksammlung mit der Produktion von Matzendorf seit dem Anfang präsentiert wurde. Um die Frühzeit zeigen zu können, wurden Stücke zugekauft und vor allem auch das Museum Blumenstein, das Historische Museum Olten, das Nationalmuseum in Zürich, das Bernische Historische Museum und das Museum der Kulturen in Basel um Leihgaben gebeten. Im oberen Stock sind Produkte der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf von 1883 bis 1960, Arbeiten aus dem Atelier von Benno Geiger und Erzeugnisse der Firma Rössler zu sehen. Im Keller wurde ein Raum für Wechselausstellungen eingerichtet.

Wir haben circa 500 Objekte der Sammlung aufgenommen, was nur etwa der Hälfte des Museumsbestandes entspricht. In den Magazinen gibt es Hunderte von Keramiken aus der Periode von der Mühll, besonders für die Zeit nach 1950. Dieses moderne Kapitel ist gut bestückt dank regelmässiger Schenkungen von Theres Hügli und Katharina Marrer. Wie es bei nebenamtlich geführten Institutionen häufig der Fall ist, ist die Inventarisation der Bestände nicht abgeschlossen. Bis heute besitzen wir genaue Angaben für etwa 250 Stücke. Die ersten Einträge gehen auf 1990 zurück und nehmen mit der Eröffnung des Museums 1996 und dem Wachstum der Sammlungen rasch zu. Der Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» betreibt dank dem Einsatz des Präsidenten Roland Müller und des Vizepräsidenten und Kustos Markus Egli im Rahmen der gegebenen Mittel eine aktive Ankaufspolitik. Etwa die Hälfte der gegenwärtigen Sammlung ist von ihnen erworben worden.

Die Verantwortlichen des Vereins blieben der Theorie des «Berner Dekors» von Maria Felchlin treu und erwarben dementsprechend viele Fayencen, die wir als Erzeugnisse der Kilchberg-Schoorener Manufakturen ansehen. Folge davon ist, dass diese heute einen wichtigen Teil der Sammlung ausmachen. Auf 500 inventarisierte Objekte kommen 230 zürcherischer Herkunft. Was die Keramik aus der alten Manufaktur Matzendorf angeht, fallen auf diese nur 30 Stücke.

An Steingut hat das Museum ein so wichtiges Exemplar erwerben können wie die zweite Prunkvase von Matzendorf mit einem von Schlangen umwundenen Gefäss und der Inschrift «Von Roll – Matzendorf» (KMM 81). Notiert zu werden verdient auch ein 1811 datierter Teller für einen Einwohner von Vicques im heutigen Kanton Jura (KMM 64), die Streusandbüchse von Oberst von Sury d’Aspremont von 1818 (KMM 63), die Deckelschüssel mit dem Namen von Katharina Allemann von 1819 (KMM 67) und ein Teller aus dem Munzinger-Service (KMM 65). Das Museum im Kornhaus Wiedlisbach schenkte das bis heute einzige Modell einer Nachtlampe mit Pressmarke aus der Sammlung Fritz Huber-Renfer (KMM 80).

Auf dem Gebiet der Fayence erwarb das Museum als frühes Objekt eine 1807 datierte Ohrentasse (KMM 77). Sonst zählt die Sammlung fünf Fayencen aus der Mitte der Jahre 1830 und 13 Exemplare der «Blauen Familie» aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zu denen auch die fünf Depositen von Rösli Lachat gehören, die 1856, 1857 und 1860 Maria Anna Meister gewidmet wurden (KMM 507; KMM 509; KMM 508; KMM 506; KMM 505). Maria Anna, geboren 1839, war eine Tochter von Ludwig Meister und seiner zweiten Frau Elisabeth Eggenschwiler. Sie soll diese fünf Fayencen nach Angaben von Frau Lachat, die selbst Urenkelin von Maria Anna ist, vom letzten Maler der Fabrik, Franz Nussbaumer (1831–1883), ihrem nachmaligen Mann, als Brautgeschenk erhalten haben. Unter den Widmungen auf Fayencen der «Blauen Familie» tauchen häufig Familiennamen von Mitinhabern der Fabrik auf. Ausser dem Namen von Maria Anna Meister findet sich häufig auch derjenige ihrer 1831 getauften Halbschwester Anna Maria.

Um das Bild der Produktion zu vervollständigen, nennen wir hier auch die wichtigsten Deposita des Schweizerischen Nationalmuseums und des Museums der Kulturen Basel. Als kostbares Beispiel aus der Periode von Roll kommt aus dem Besitz des Nationalmuseums die schöne Deckelschüssel aus Fayence mit der Namensinschrift «Barbara Eggenschwiller», ein herausragendes Beispiel aus den ersten Jahren der Fabrik (SNM LM-391). Als interessantes Objekt aus den Jahren 1820 ist die Ohrentasse von 1825 zu nennen (SNM LM-70631), deren Dekor an Steingut der Zeit um 1810 erinnert (MBS 1912.104). Die Deckelschüssel von 1815 ist mit ihren plastischen Garnituren vielleicht das ehrgeizigste Produkt in Steingut aus der Zeit von Urs Meister (SNM LM-72793).

Das Museum der Kulturen Basel hat die Deckelterrine für Franziska Spony von 1807 deponiert (MKB VI-10064), das älteste datierte Beispiel aus Steingut, und mit dem Kammhalter aus Fayence von 1823 eine Form, die nach 1850 noch in der «Blauen Familie» populär ist (MKB VI-3910). Dieses letzte Objekt wurde dem Basler Museum von August Meyer von Sissach verkauft, einem der eifrigsten Zuträger von Keramik in den Jahren 1905 bis 1914, kurz nach der Gründung der Europa-Abteilung durch Eduard Hoffmann-Krayer. August war der Sohn des Kaufmanns Johann Meyer, der 1901 das erste Warenhaus in Baselland gründete. Es heisst, er habe seine Objekte in den Bauernhäusern der Region zusammengesucht (Mitteilung von Dominik Wunderlin). So ist er wahrscheinlich auch auf die Bartschale von 1845 gestossen (MKB VI-5119). Man kann sich fragen, ob Meyer im Fall der Schüssel für Magdalena Winistörfer (MKB VI-3908) oder der zwei wohl für Elisabeh Meister-Eggenschwiler gefertigten Kerzenstöcke von 1870 (MKB VI-3911 und MKB VI-3912) nicht auch bis ins Solothurnische ausschwärmte.

Teile der Sammlung Huber-Renfer

2001 beschlossen die Nachkommen des Berner Sammlers Fritz Huber-Renfer (1900–1961) dessen seit der Eröffnung des Museums im Kornhaus Wiedlisbach BE deponierte Sammlung aufzulösen (Häusler 1962). Wiedlisbach wurde die Möglichkeit gegeben, eine erste Auswahl zum Ankauf fürs Museum zu treffen, als zweite Institution kam das Keramikmuseum Matzendorf an die Reihe, das 13 Keramiken erwarb, darunter einen ovalen Korbuntersatz aus Steingut mit Marke (KMM 78), eine Deckelterrine aus Steingut von 1811 (KMM 66) und einen Fayenceteller von um 1835 (KMM 72).

Bei den zehn weiteren Stücken handelte es sich um Zürcher Fayencen mit drei seltenen, frühen Erzeugnissen von Nägeli, einem Teller und zwei Koppchen mit Untertassen (KMM 68; KMM 69; KMM 70) sowie unter anderem einer gelb glasierten Suppenschüssel von Scheller (KMM 41). Nachdem die beiden Museen ihre Stücke ausgesucht hatten wurde der Rest der Sammlung versteigert. Was übrig blieb, wurde von der Tochter des Sammlers, Lucie Hostettler und Familie, dem Museum Matzendorf übergeben, eine Schenkung von etwa fünfzig Objekten mit drei Keramiken von Matzendorf, zwei Tellern von um 1835 (KMM 100; KMM 76) und einem weissen Tintengeschirr. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die anderen Fayencen der Sammlung Huber-Renfer zürcherischer Herkunft. Besonders erwähnt seien hier die Bartschale für Philipp Brugger von 1835 (KMM 62) und ein Humpen mit gemarktem Zinndeckel «H. Söhlke/Zürich» (KMM 11).

2008 schenkte das Ehepaar Margrit und Louis Tschanz von Olten dem Museum seine «Matzendorfer» Sammlung. Abgesehen von Braunware von Aedermannsdorf enthielt diese ausschliesslich Zürcher Fabrikate. Damit besitzt das Museum einen eindrücklichen Bestand an Zürcher Fayencen, der die hauptsächlichen Aspekte dieser bedeutenden Produktion der Biedermeierzeit reflektiert. Zwanzig Objekte datieren aus den Jahren 1820, 60 aus den dreissiger Jahren, 130 aus den Jahren 1840 und 25 aus den fünfziger Jahren. Man stösst hier auf ein Koppchen von um 1830 mit dem seltenen Motiv des Baslerstabs und der Inschrift «Männer-Verein» (KMM 12), einen Milchkrug mit der erstaunlich genauen Datierung «6. September 1839» (KMM 56), eine Fussschale von für die Manufaktur Nägeli eher ungewöhnlicher Form von um 1840 (KMM 16) und ein Giessfass mit Landschaftsdekor, das wohl von Scheller ist (KMM 59).

In der Sammlung gibt es ferner vier Fayencen einer in den Sammlungen des Landes ziemlich verbreiteten Art von der lange unklar war, wo sie fabriziert wurde (KMM 502; KMM 500; KMM 501; KMM 503). Es wurde vorgeschlagen, es könnte sich hier um frühe Erzeugnisse von Matzendorf handeln. Die Verantwortlichen des Museum haben Stücke deshalb von Maggetti und Galetti archäometrisch beproben lassen mit einem für Matzendorf negativen Resultat (Mitteilung von Markus Egli). Diese Produktion kann nunmehr der Manufaktur von Johann Jakob Nägeli in der Zeit um 1810 in Kilchberg-Schooren zugewiesen werden. Dafür sprechen sowohl die Formen als auch die Farbgebung (Mitteilung von Peter Ducret).

Tonwarenfabrik Aedermannsdorf

Pionierarbeit leistet das Museum Matzendorf auf dem Gebiet der in der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf zwischen 1883 und 1960 hergestellten Produkte. Es ist die einzige Institution, die sich systematisch um die Dokumentation der Aktivitäten dieses aus der alten Manufaktur hervorgegangenen Unternehmens kümmert. Über Ankäufe und viele Schenkungen hat das Museum bis heute einen beträchtlichen Bestand an Erzeugnissen zusammengetragen, von dem wir nur eine Auswahl vor allem aus der Periode von der Mühll (1927–1960) publizieren (Blaettler/Schnyder 2014, 342-343). Neben dem traditionellen «Braungeschirr» (Geschirr mit dunkelbrauner Eisenmanganglasur, z.B. KMM 420), das bis in die Jahre 1950 einen wichtigen Teil der Produktion darstellte, schuf die Manufaktur gegen Ende des 19. Jahrhunderts dekorative Ware im Stil des Historismus, die man «Majolika» nannte (bunte, bleiglasierte Irdenware, z.B. KMM 454). Das Modell «Brodkörbli» zeigt, dass man sich dabei gelegentlich von Formen der ausländischen Konkurrenz inspirieren liess (KMM 443; KMM 442).

Die Periode von der Mühll brachte dann eine Ausweitung im Angebot von Gebrauchsgeschirr (z.B. KMM 466) insbesondere mit der 1934 geschaffenen Kunstabteilung, deren Leiter Benno Geiger (1903–1979) wurde. Geiger nahm die Technik der Fayence wieder auf und erneuerte sie durch eigene Recherchen besonders auf dem Gebiet des Rauchbrandes. Im Geiste des Heimatstils der Kriegszeit entwickelte er das «Alt-Matzendorf» mit Trachtenbildern (z. B. KMM 408). Seine Ritzdekore auf Engobeware oder auf Fayence sind zugleich rückwärtsgewandt und modernistisch.

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 37-40.

Häusler 1962
Fritz Häusler, Dr. Fritz Huber-Renfer 1900–1961. Burgdorfer Jahrbuch, 1962, 9–13.

Vogt et al. 2000
Albert Vogt, Marino Maggetti et Giulio Galetti, 200 Jahre keramische Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798–1998. Matzendorf 2000.