Luzern, Historisches Museum

Historisches Museum Luzern
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Keramik aus dem Historischen Museum Luzern in CERAMICA CH

Das Historische Museum Luzern wurde bislang nicht vollständig inventarisiert. Eine Ausnahme bildet der Bestand der “Luzerner Keramik” der Sammlung Rochat (Inventar HMLU 11732.001-11732.806) bzw. des Nachlasses der Kunstkeramik AG, Luzern aus dem Besitz von Margret Loder, Ebikon (HMLU Inv. 13865.001-13865.570).

Die Sammlung Luzerner Keramik von Hans Rochat befindet sich als Geschenk der Freunde des Historischen Museums Luzern seit dem 28.11.2003 im Besitz des Historischen Museums Luzern. Hans Rochat (geb. Dez. 1937 – ), Luzern, ist ein gelernter Schriftsetzer, ausserdem hat er lange als Korrektor für Deutsch und Französisch gearbeitet, meist bei den Luzerner Neuesten Nachrichten. Seine Arbeit war Schichtarbeit. In der Freizeit besuchte er vor allem Flohmärkte und Brockenstuben in der ganzen Schweiz und sammelte die unterschiedlichsten Materialgruppen: Silber, Zinn, Münzen und Karnevalsorden, vor allem aber Zuckerdosen und Langenthaler Porzellan (vgl. Rochat 1986; Schumacher/Quintero 2012, 118–122) und Luzerner Keramik. Verschiedene Museen in der Schweiz, unter anderem das Musée Ariana in Genf und das Schweizerische Nationalmuseum in Zürich, verdanken seinem Sammeleifer wesentliche Ergänzungen ihrer Sammlungen, da er immer wieder auch wichtige Stücke seiner Sammlung an diese Institutionen weiterverschenkte oder verkaufte.

Hans Rochat war nicht nur aktives Mitglied der Keramikfreunde der Schweiz sondern von 1987–2003 auch Vorstandsmitglied der Freunde des Historischen Museums Luzern. Was lag also näher, als sich intensiv mit den Objekten der lokalen Keramikproduktion in Luzern zu befassen, vor allem der 1925 gegründeten „Kunstkeramik AG” von Emil Loder-Schenk. Aber auch Stücke weiterer luzernischer Hersteller wie z.B. des 1944 gegründeten Keramikbetriebes der Gebrüder Müller gelangten in seine Sammlung, über die er sorgfältig Buch führte und Karteikarten mit Fotos und allen relevanten Informationen anlegte. Diese bilden die Basis für die jetzt erfolgte digitale Inventarisation und Dokumentation in CERAMICA CH. Die Sammlung entstand nach eigenen Angaben in den Jahren zwischen 1982 und 2003. Erste Karteikarteneinträge zeigen das Datum vom 21.3.1982, letzte Zugänge datieren noch vom 5.7.2004. Nach diesem Zeitpunkt hat Hans Rochat seine Sammlungstätigkeit stark reduziert.

Die in seiner Sammlung der Luzerner Keramik vereinigten Objekte hat er überwiegend in Luzern oder im unmittelbaren Umfeld der Stadt auf Flohmärkten, bei Basaren oder in Brockenhäusern erworben. Nur sehr wenige Stücke stammen von Trödlern, Altwaren- oder Antiquitätenhändlern und noch weniger Stücke stammen von ausserkantonalen Flohmärkten oder Sammlerbörsen. Dieses eher seltene Vorkommen ausserhalb des Kantons Luzern überrascht, waren doch Hauptabsatzorte der Luzerner Keramik bis 1974 die Basler Mustermesse (MUBA, Gründungsjahr 1917) und später (zu Zeiten von Franz Loder und Margret Loder-Rettenmund) die zweimal jährlichen Ornaris-Messen in Bern und Zürich (Gründungsjahr 1973). Angesichts eines Verkaufsladens in der Innenstadt in Luzern sowie dem Verkauf zweiter Wahl ab Werkstatt in Ebikon und dem Direktabsatz an amerikanische Einrichtungshäuser über einen Zürcher Zwischenhändler (bis in die 1970er-Jahre) ist allerdings mit Luzerner Keramik auch in Händen zahlreicher angloamerikanischer Touristen und Kunden zu rechnen.

Hans Rochat hat nicht alle Luzerner Keramiken gekauft, die die Flohmärkte und Brockenhäuser zu bieten hatten. Er hat nach eigenen Aussagen (Interview mit Andreas Heege 3. März 2020) eine ganz bewusste Auswahl getroffen. Das oberste Kriterium für die Auswahl lautete „Qualität“. Es war ihm extrem wichtig, dass die Stücke möglichst fabrikneu, vollständig, unbeschädigt, nicht bestossen, berieben oder sonstwie verändert waren. Das zweite Kriterium war „Schönheit“ und zwar sowohl Schönheit der Form als auch des Dekors. Dies dürfte dazu geführt haben, dass nicht alle produzierten Dekore gleichmässig gesammelt wurden. Ein wesentliches weiteres Kriterium war „Zuweisbarkeit“, d.h. er hat zu fast 100% gemarkte oder eindeutig signierte Stücke gekauft. Dies könnte mit einer der Gründe sein, warum Keramiken von Margret Loder-Rettenmund, die seit 1954 im Betrieb arbeitete und seit 1957 mit Franz Loder verheiratet war, fast vollständig fehlen. Sie signierte nach eigenen Aussagen ihre Stücke quasi nie. Auch sind die durch Firmenfotos und Standfotos von der MUBA überlieferten Tierfiguren oder Plastiken von Emil Loder oder nach Entwürfen anderer Luzerner Künstler nicht vorhanden (einen weiblichen Akt hat Hans Rochat allerdings an das Schweizerische Nationalmuseum verkauft, SNM LM-117524). Dabei ist unklar, ob das an einer fehlenden Signatur liegt oder ob solche Stücke tatsächlich in all den Jahren nicht auf dem Markt waren.

Auch die Grösse der Objekte spielte eine Rolle. Hans Rochat versuchte meist übergrosse Objekte zu vermeiden, was bedeutet, dass grosse Bodenvasen, wie sie sowohl Emil als auch Franz Loder herstellten, in der Sammlung eher untervertreten sind. Ausserdem versuchte er keine „Dubletten“ zu kaufen, was aber nicht immer gelang. Bei gleicher Gefässform musste zumindest der Dekor abweichend sein. An den meist datierten Keramiken, die für Vereine oder für spezielle lokale oder regionale Anlässe gefertigt wurden (Feiern, Schützenfeste, Sportveranstaltungen, Jubiläen und Ehrungen), hatte Hans Rochat besondere Freude. Sie machen demnach einen bedeutenden Teil der Sammlung aus.

Darüber hinaus gibt es einen weiteren überlieferungsspezifischen Filter, der die Repräsentativität der Sammlung im Vergleich mit der tatsächlichen Produktion, die wir aus Firmenfotos und Standfotos der MUBA sowie der firmeneigenen Mustersammlung von Margret Loder kennen, beeinflusst. Bis bestimmte Keramiken nach der Produktion und einer Phase der Nutzung oder Aufbewahrung auf dem Flohmarkt bzw. in einem Brockenhaus landen, vergeht ein gewisser, kaum genauer zu spezifizierender Zeitraum. Oft scheint es sich jedoch um mindestens ein bis zwei Generationen, d. h. 30-50 Jahre zu handeln. Die Kinder- oder Enkelgeneration löst nach dieser Zeit die Wohnungen der Eltern oder Grosseltern auf. Bei einem Sammlungszeitraum von 1982 bis 2004 würde das bedeuten, dass in der Sammlung vor allem Stücke vor 1970 eher noch vor 1960 vertreten sein müssten. Dies ist mit einer Dominanz der Keramiken, die in die 1940er-bis frühen 1960er-Jahre datieren (wie z.B. den vielen Stücken des Dekors Beromünster), tatsächlich der Fall. Umgekehrt bedeutet dies, das Stücke der 1920er- bis 1940er-Jahre eher in geringerem Umfang vorhanden sein müssten, denn ihre Wiedereinbringung in den Antiquitäten- oder Trödelmarkt wäre bereits zwischen 1940/50 und 1970/80 erfolgt, zu einem Zeitpunkt also, als Hans Rochat Luzerner Keramik noch gar nicht sammelte. Es ist also ein grosser Glücksfall und Spiegel seiner sehr intensiven Sammeltätigkeit, dass die Sammlung gleichwohl einen so hochwertigen Keramikanteil aus dieser Zeit umfasst, der auch eine chronologische Gliederung der verschiedenen Firmenmarken der Produktionszeit 1925 bis 1940 ermöglicht.

Der Sammlungsteil von Margret Loder, Ebikon, gelangte als Schenkung 2020/2021 ins Historische Museum, während gleichzeitig alle noch vorhandenen Firmenarchivalien dem Staatsarchiv Luzern übergeben wurden. Sie sind mittlerweile unter der Signatur PA 1421/1-112, PLA 202/1 – 51 verzeichnet und für Forschungszwecke frei zugänglich. Die Sammlung umfasst Restbestände, die bei der Firmenauflösung 1996 noch im 1948 erbauten Fabrikationsgebäude vorhanden waren. Darunter befinden sich sowohl Objekte aus dem Musterzimmer der Firma als auch Objekte, die aus unbekannten Gründen nicht verkauft wurden und sich irgendwo im Gebäude befanden. Diese Stücke wurden von Margret Loder vorinventarisiert und entsprechend einer eigenen Fotosammlung chronologisch eingeordnet.

Die beiden Sammlungsteile bieten heute einen umfassenden Überblick über die keramische Produktion der Luzerner Keramik, auch wenn Standfotos von der Mustermesse Basel (MUBA), die von 1925 bis 1974 der Hauptabsatzort war, belegen, dass nicht von jeder produzierten Form und von jedem Dekor Originale vorhanden sind. Gleichwohl ist die Sammlung ein singulärer Referenzkomplex für die Entwicklung von Formen und Dekoren in der schweizerischen Keramikproduktion des 20. Jahrhunderts. Er reicht vom Ausklang des Historismus über späten Jugendstil und Art Deco zum Heimatstil der 1930er-Jahre, und über die Aufbruchstimmung der 50er-Jahre unter dem Einfluss der schweizerischen Keramikfachschulen hin zu handgefertigten, fast immer auf der Töpferscheibe gedrehten und nur selten gegossenen Gebrauchskeramiken in Kleinserien, die man eher einem «studio potter», denn einer mittelständischen Keramikproduktion zuordnen würde. Franz und Margret Loder, die beiden Keramiker der zweiten Generation, sahen in der Luzerner Keramik immer ihre «Werkstatt», eine Töpferei, einen Handwerksbetrieb und nie eine «Keramikfabrik», obwohl der Betrieb zeitweise bis zu 30 Mitarbeiter umfasste.

Die Datierung der inventarisierten Keramik basiert auf unterschiedlichen Argumenten, die nicht bei jedem Einzelstück angeführt werden können. Das Grundgerüst bildet die Firmengeschichte in Kombination mit den inschriftlich datierten Keramiken. Daraus liess sich in Kombination mit den verschiedenen verwendeten Blindmarken für die Zeit zwischen 1925 und 1939 ein relativ engmaschiges Datierungsnetz knüpfen. Ab 1940 bis etwa 1955/1956 wurden die eingestempelten Blindmarken durch die aufgepinselten Signaturen der Keramikmalerinnen und -maler ersetzt. Danach folgten bis 1996 die Verwendung einer dreizeiligen Herstellermarke «LUZERNER KERAMIK HANDARBEIT» und gelegentlich persönliche Marken von Margret und Franz Loder. Zusätzlich verfügen wir für die Zeit zwischen 1944 und 1974 über eine fast lückenlose, jahrgenau datierte Serie von Standfotos der Luzerner Keramik auf der MUBA. Diese wird ergänzt durch eine grosse von Margret Loder meist nach der Erinnerung datierte Fotoserie der Produkte aus der Zeit zwischen etwa 1952/1953 und 1996. So ergeben sich für eine bestimmte Keramikform oder einen bestimmten Dekor kürzere oder längere Datierungszeiträume, manchmal aber auch jahrgenaue Datierungen eines einzelnen Gefässes.

Bibliographie:

Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2022
Andreas Heege, Margret Loder-Rettenmund und Andreas Kistler, Luzerner Keramik 1925–1996, Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 40, 2022, 39-74.

Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2023
Andreas Heege/Margret Loder-Rettemnund/Andreas Kistler, Luzerner Keramik 1925–1996, Teil 1: Loder-Schenk, Luzern, Kunstkeramik (1925–1933) und Kunstkeramik A.G. Luzern (1933–1948), in: Keramik-Freunde der Schweiz Revue 137, 2023, 1-101.

Rochat 1986
Hans Rochat, “Langenthal” – Vom Jugendstil zum Art Deco, in: Keramikfreunde der Schweiz Bulletin 30, 1986, 11-16.

Schumacher/Quintero 2012
Anne-Claire Schumacher/Ana Quintero, La manufacture de Porcelaine de Langenthal, entre design industriel et vaisselle du dimanche – Die Porzellanmanufaktur Langenthal, zwischen Industriedesign und Sonntagsgeschirr, Milan 2012, bes. 118–122.