Roland Blaettler, 2019
In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erfuhr das Keramikindustriezentrum von Renens mit der Gründung der «Poterie moderne» im Jahr 1902 in der kleinen angrenzenden Gemeinde Chavannes-près-Renens und 1912 mit der Eröffnung der «Schweizer Keramikschule» (siehe Kapitel «Chavannes-près-Renens, École suisse de céramique») eine erhebliche Aufwertung. Diese beiden Institutionen entstanden dank der persönlichen Initiative von Lucien Ménétrey (1853–1930), einer «originellen und populären Persönlichkeit aus der Gegend, einem Mann, der unbestritten in der Region eine herausragende Rolle spielte und zu ihrer Entwicklung beitrug», wie es in seinem Nachruf steht (Feuille d’avis de Lausanne vom 4. August 1930, S. 7 unter der Signatur «A. T.»). Aus eben diesem Nachruf stammen die wichtigsten Informationen, mit denen wir versucht haben, eine Biografie über diese bedeutende Persönlichkeit zu verfassen.
Lucien war der Sohn von Jacques Louis Ménétrey (1820–1901), Landwirt, Holzhändler und ehemaliger Bürgermeister von Chavannes. Nach seiner Schulzeit lebte er mehr als ein Jahr in Uebendorf bei Thun, um Deutsch zu lernen. 1879 zog der junge Mann nach Paris, wo er sein Debüt als «Kommissionär und Bankbote» gab, bevor er Handelskurse bei der französischen Grossloge der Freimaurer, Grand-Orient de France, besuchte. War der junge Mann bereits vorher in die Freimaurerei eingetreten, war er der Protegé eines älteren «Bruders» (seines Vaters)? Dafür gibt es derzeit keine Anhaltspunkte. Dem Nachruf gemäss scheint Ménétrey etwa fünfzehn Jahre lang in Paris gelebt zu haben. Erst 1894 kehrte er nach Chavannes zurück, wo er zehn Jahre lang das Dorfcafé betrieb. Im selben Jahr trat er dem Gemeinderat in den Reihen der Freisinningen-Demokratischen Partei bei. Später definierte er sich selbst als «progressiven Freisinningen» (Nouvelliste vaudois vom 28. Februar 1901, 2).
Ménétrey wurde 1904 zum Bürgermeister von Chavannes gewählt, ein Amt, das er bis zu seiner Abwahl im Jahr 1913 ausübte. Bei den Wahlen im November 1913 wurde die von Ménétrey geführte Liste von den Sozialisten und einer Gruppe von freisinnigen Abtrünnigen faktisch besiegt, und es war gerade ein freisinniger Abweichler, der sein Amt an der Spitze der Gemeinde übernahm. Ein Beobachter wird feststellen, dass «auf den Siegerlisten mehrere Namen aus der Liste von Ménétrey erschienen» (La Revue vom 17. November 1913, 2; Nouvelliste vaudois vom 6. Dezember 1913, 3). Offenbar standen nicht alle Parteimitglieder geschlossen hinter dem lebhaften Politiker.
Während seiner Amtszeit leistete Lucien Ménétrey einen bedeutenden Beitrag zur Modernisierung der Gemeinde, unter anderem schreibt man ihm den Bau der Bahnhofstrasse, die den Ort mit dem Bahnhof Renens verband, die Elektrifizierung der öffentlichen Beleuchtung und den Bau von Trinkwasser-, Gas- und Kanalisationsnetzen zu. Nachdem er Firmenchef geworden war, liess er fünfzehn Arbeiterhäuser für die Angestellten seiner Töpferei bauen.
Ménétrey, der sich aktiv am öffentlichen Leben seiner Region und seines Kantons beteiligte, äusserte regelmässig seine Standpunkte in der Presse, insbesondere im Journal de Morges, unter den Pseudonymen «Pierre Dif», «Pierre» oder «Jean-Pierre». Im Jahr 1907 trat er als einziger Kommanditär der Firma auf, die das 1906 gegründete Journal et Feuille d’avis de Renens herausgab (SHAB, Bd. 26, 1908, 1361). Zwei Jahre später kaufte er die Zeitung (Nouvelliste vaudois vom 25. Februar 1909, 2).
Lucien Ménétrey war aktives Mitglied der Waadtländer Handelskammer und bekleidete leitende Positionen in den Freimaurerkreisen von Lausanne (Historisches Lexikon der Schweiz). In den Danksagungen, die von der Familie von Ménétrey am Tag nach seiner Beerdigung veröffentlicht wurden (Feuille d’avis de Lausanne vom 9. August 1930, 6), erscheinen die Loge «Le Progrès», das Kapitel «Souverain Chapitre L’Amitié» und der Areopag «Les Amis de la lumière», die drei Lausanner Institutionen, die es den Eingeweihten ermöglichten, sich bis zum 30. Grad (von 33) der freimaurerischen Hierarchie des «Alten und Angenommenen Schottischen Ritus» (AASR) zu entwickeln. Ein zweiter, kurzer Nachruf, der in der Feuille d’avis de Lausanne vom 5. August 1930 (S. 6) veröffentlicht wurde, erinnert daran, dass der Verstorbene 1910 den «höchsten Grad erreicht hatte».
Die nachhaltigsten Spuren, die Ménétrey hinterliess, waren zweifellos die beiden von ihm gegründeten Institutionen im Bereich der Keramikindustrie: Die erste wurde zur innovativsten Töpferei des Kantons und die zweite war lange Jahre die erste Keramikfachschule, die diesen Namen in der Westschweiz verdiente.
Poterie moderne – Lucien Ménétrey, 1902-1905
Poterie moderne S. A. 1905-1972/73 (?)
Lucien Ménétrey liess seine «Poterie moderne» im August 1902 ins Handelsregister eintragen (SHAB, Bd. 20, 1902, 1282). Das neue Unternehmen, das in einem nagelneuen, heute noch existierenden Gebäude an der Ecke Avenue de la Gare und Rue de la Blancherie untergebracht war, dürfte schon einige Zeit in Betriebe gewesen sein, da der erste Brand «etwa im Monat August 1902» stattfand (La Tribune de Lausanne vom 29. Juni 1905, 2–3). Im selben Artikel erklärt der Journalist, dass nach «einigen unvermeidlichen Veränderungen diese Fabrik im Ort mit ihrer Produktion der Waren begann, die sofort Aufmerksamkeit erregten und geschätzt wurden». Aus dem Artikel geht auch hervor, dass das Rohmaterial an Ort und Stelle gefunden wurde, zur vollen Zufriedenheit des Unternehmens.
Ab September veröffentlichte Ménétrey Werbeanzeigen zur Förderung seiner «Kunst- und Gebrauchskeramik» und seiner Bau- und Ofenkeramik. Die Inserate kündigten auch eine Ausstellung seiner «künstlerischen Produktserie» an, die in den Schaufenstern des Kaufhauses Martinioni in der Rue Centrale in Lausanne präsentiert wurden (Nouvelliste vaudois vom 12. September 1902, 4). Drei Tage später begrüsste dieselbe Zeitung das Entstehen der neuen Firma mit folgenden Worten: «In der Schweiz gibt es wenig Kunsttöpfereien. Die bekannteste ist die von Thun. Auch Ferney-Voltaire, im Pays de Gex, hat sich einen Ruf erworben, der weit zurückreicht, und Liebhaber von schönen Nippsachen werden sie sicherlich dort kaufen. Eine dritte Fabrik ist vor den Toren der Hauptstadt eröffnet worden, in der Nähe des Bahnhofs von Renens […]» (Ausgabe vom 15. September 1902, 2).
Ohne Zweifel gehörte das Alltags- oder Kochgeschirr zu den Basisprodukten der Poterie moderne und ihr Stil entsprach den Produkten, wie sie auch in anderen Töpfereien der Genferseeregion zu finden waren. Hierzu gehört auch eine mit grüner Glasur überzogene, engobierte Aufrahmschüssel aus Irdenware, die die erste Blindmarke der Firma mit den Initialen des Besitzers – «L. M.» in einem Oval trägt (MHL AA.46.D.22). Diese Firmenmarke wurde am 17. September 1902 ordnungsgemäss registriert (SHAB, Band 20, 1902, 1362).
Die Schüssel ist bis anhin das einzige bekannte, gemarkte Exemplar aus der sicher umfangreich produzierten Gruppe der undekorierten Gebrauchsgeschirre.
Dank eines weiteren gemarkten Exemplars, das im Musée régional du Val-de-Travers in Môtiers (NE) verwahrt wird, wissen wir, dass in der Poterie moderne auch verzierte zylindrische Milchtöpfe mit verdicktem Rand hergestellt wurden, ein weiterer Typus, der charakteristisch ist für die engobierte Irdenware aus der Genferseeregion (MRVT Nr. 26).
Ambitioniertere, «künstlerische» Objekte, die der frühen Produktionsphase des Unternehmens zugeschrieben werden, finden sich unter den Auftragsarbeiten für verschiedene Gemeinden anlässlich der Feierlichkeiten zum Waadtländer 100-Jahr-Jubiläum von 1903 (MHV 5245; MVVE 5180; MVM M 909; MCAHL HIS 11-19; MCAHL HIS 11-16; MCAHL HIS 11-10; MCAHL HIS 11-15; MCAHL HIS 11-12; MCAHL HIS 11-11; MHPN MH-1998-95). Die meisten dieser Stücke tragen die oben erwähnte Blindmarke, manchmal eingerahmt mit dem vollständigen Text «POTERIE MODERNE CHAVANNES RENENS» (MCAHL HIS 11-14).
Wie andere Berufskollegen nutzte auch Ménétrey geschickt die durch die Hundertjahrfeier erzeugte Euphorie in der Bevölkerung. Soweit wir beurteilen können, konnte er mindestens sieben Gemeinden mit Gedenkgeschirr versorgen: Pully, Cully, Grandson, Vevey, Moudon, Riex und Vuarrens. Wie bei Samuel Jaccard in Renens besteht der grösste Teil des Dekors aus heraldischen Motiven und die ganze Spezialserie ist in der traditionellen Technik der engobierten Irdenware ausgeführt, ergänzt mit gemodelten und applizierten Reliefornamenten und versehen mit einer bleihaltigen Glasur. Allerdings ist die Ausführung im Detail raffinierter als bei Jaccard: Einige besonders feine Auflagen sind aus weissem Ton, dessen Wirkung an Steingut erinnert, und die eingelassenen Inschriften – die Namen der Gemeinden oder der Wahlspruch des Waadtländer Wappens – sind mit Druckbuchstaben eingedrückt.
Anhand der einzigen noch vorhandenen Suppenschüssel aus der Reihe der Gedenkkeramik, die für die Stadt Moudon hergestellt wurde (MVM M 909), erahnt man die Palette von Spezialverfahren, die die Töpfer von Ménétrey entwickelt haben, um beispielsweise eine «naturalistische» Gestaltung der Griffe in Form von Zweigen zu kreieren.
Im Conteur vaudois vom 18. Juni 1904 berichtet ein gewisser J. M. von einem von Ménétrey begleiteten Besuch in der Töpferei. In seinem Artikel beschreibt er die kunstvolle Keramik «mit originellen Formen und schillernden Farben», verziert mit farbiger Glasur im Laufdekor, und auf der anderen Seite «das in grosser Menge produzierte Alltagsgeschirr aus rotem oder gelbem Ton, verziert mit bizarren und vielfarbigen Mustern, dem unsere Bauern treu geblieben sind». Das einzige bisher bekannte Motiv, das diesen «bizarren und vielfarbigen Dekoren» entsprechen könnte, ist genau dieser Marmordekor, der von dem Milchtopf im Museum von Môtiers (MRVT Nr. 26) bezeugt wird.
Im Frühjahr 1905 beschloss Lucien Ménétrey, nachdem er «die Gewissheit erlangt hatte, dass diese Industrie eine angemessene Dividende ausschüttet», seine Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, «um bei allen Personen Interesse zu wecken, die entweder als Produzenten oder als Händler in direkter Beziehung zu ihr stehen» (Tribune de Lausanne vom 29. Juni 1905, 2-3). Rund vierzig Subskribenten versammelten sich daher am 20. März, um das neue Unternehmen zu gründen. Der Journalist der Tribune bemerkte auch, dass Ménétrey, ermutigt durch die Beispiele französischer Unternehmen wie «Le Louvre», «Le Bon Marché» oder «Familistère de Guise», beschlossen hatte, die Arbeiter des neuen Unternehmens teilhaben zu lassen, indem er ihnen Aktien zu Vorzugspreisen anbot, eine vom Unternehmen finanzierte Unfallversicherung schuf und zehn Prozent des Gewinns unter dem Direktor und den Angestellten aufteilte.
Am 1. April 1905 wurde der alte Firmenname gelöscht, während die «Poterie moderne de Chavannes-Renens S. A.» neu im Schweizerischen Handelsamtsblatt eingetragen wurde (Bd. 23, 1905, 579). Ihr Zweck bestand darin, die Vermögenswerte der ehemaligen Einrichtung, die Gebäude, das Material und den Kundenstamm zu übernehmen. Das Kapital von 100 000 Franken wurde auf 400 Inhaberaktien aufgeteilt. Den Vorsitz im Verwaltungsrat führte Ménétrey, die Geschäftsführung wurde Henri Magnin von Collex-Bossy (GE), wohnhaft in Chavannes, anvertraut. Einige Jahre zuvor führte Magnin den Vorsitz der Chambre syndicale des ouvriers tourneurs en poterie du canton de Genève (siehe Kapitel «Poteries engobées de la région lémanique»).
Zwei Jahre später übergab Magnin seine Stelle als Direktor an seinen Schwiegersohn Henri Dusserre (1882–1950; Feuille d’avis de Lausanne vom 18. Oktober 1907, 4). Ganz in den Fussstapfen von Ménétrey wurde Dusserre 1921 in den Gemeinderat von Chavannes gewählt, ebenfalls aus den Reihen der Freisinnig-Demokratischen Partei, und 1925 übernahm er das Bürgermeisteramt, das er bis September 1945 bekleidete.
Kurz nach seinem Aufstieg zum Direktor des Unternehmens und angesichts der Verwirrung, die durch die angebliche Fusion der Töpfereien Jaccard und Pasquier-Castella entstanden war, sah sich Dusserre gezwungen, folgende Mitteilung zu veröffentlichen:
«Die Leitung der Poterie moderne teilt ihren ehrenwerten Kunden mit, dass sie nicht mit den anderen Renens-Werken fusioniert hat. Die grosse Zahl der Bestellungen ist der einzige Grund für die Verzögerung vieler Lieferungen» (La Revue vom 24. Dezember 1907, 4).
Ab 1908 wird in verschiedenen Werbeanzeigen, die im Indicateur vaudois erscheinen, auf eine neue Produktserie hingewiesen: die feuerfesten Kochgeschirre. In dieser Kategorie, wie übrigens auch in allen anderen, haben wir für die nächsten zwei Jahrzehnte kein der Poterie moderne zugeschriebenes Exemplar identifizieren können. Wir wissen jedoch, dass das Unternehmen 1912 an der Gartenbauausstellung von Montreux den ersten Preis gewann (Le Grutli, 18. Oktober 1912, 3). Im folgenden Jahr organisierte die Zeitung Lausanne Artistique für ihre Leser einen Wettbewerb mit mehreren Preisen. Der erste Preis bestand aus einem Paar grosser Majolikavasen aus der Poterie moderne im Wert von 25 Franken (Ausgabe vom 15. November 1913, 3).
Am 23. Mai 1925 liess das Unternehmen ein neues Firmenzeichen registrieren, diesmal in Form eines Rechtecks mit den Initialen «PM» (SHAB, Bd. 43, 1925, 1049). Derzeit ist uns kein Gegenstand bekannt, der diese neue Fabrikmarke trägt.
In ihrem Bericht über das Comptoir de Lausanne beschreibt die Zeitung L’Artistique vom 24. September 1927 den Stand der Poterie moderne. Der diensthabende Journalist bewundert insbesondere ein «ausgefallenes Frühstücksgedeck für zwei Personen in verschiedenen Farben», «Töpfe und Schalen mit offiziellen Motiven für die Fête des vignerons sowie entzückende kleine Amphoren, die ein grosser Erfolg sind und sich zu Hunderten verkaufen». Tatsächlich war die Poterie moderne vom Festkomitee als offizieller Lieferant für eine Serie von dekorativem Geschirr mit Unterglasurmalerei ausgewählt worden (Anzeige in der Revue vom 30. und 31. Juli 1927, S. 4). Eine andere Anzeige, die vom einzigen autorisierten Einzelhändler der Stadt Lausanne, der Firma Pamblanc Frères, aufgegeben wurde, zeigte drei Exemplare dieser Gedenkreihe, Platten mit jeweils einem Trommler in historischer Tracht, einer Traubenpflückerin und einem Traubenpflücker in traditioneller Tracht (Feuille d’avis de Lausanne vom 28. Juli, S. 7).
Die Website notrehistoire.ch zeigt eine Fotografie des Tellers mit der Traubenpflückerin und ein viertes Modell mit einem Müller (?), der ein Glas Wein in der Hand hält. Laut einem Kommentar von Christian Gerber zu diesen beiden Fotografien wurden die Prototypen an der Schweizer Keramikschule von seinem Vater Paul Gerber (1900–1977) hergestellt, der eine Zeitlang an dieser Institution lehrte (siehe Kapitel «Eysins, Paul Gerber»). Das Schweizerische Nationalmuseum verwahrt eine Bonbondose, die in der Poterie moderne für die Festspiele 1927 hergestellt wurde (SNM LM-167681), die Grundfarbe ist blau gesprenkelt und der Deckel verziert mit dem Porträt eines Pfeife rauchenden Sennen. Auch dieses Modell wird Gerber zugeschrieben.
Dank der immensen Ausstrahlung der Fête des vignerons und der anregenden Zusammenarbeit mit der benachbarten Keramikfachschule wurde die Bestellung von 1927 ein höchst profitabler Auftrag für die Poterie moderne, die von nun an und für einige Zeit sich einen Namen als leistungsfähigste Institution des Kantons auf dem Gebiet der Kunstkeramik gemacht hatte. Dieser Ruf führte dazu, dass sie als offizieller Lieferant für das 24. Eidgenössische Sängerfest ausgewählt wurde, das vom 6. bis 17. Juli 1928 in Lausanne stattfand (Tribune de Lausanne vom 6. Juli 1928, 1–2).
Zu diesem Anlass produzierte die Poterie moderne eine Reihe von Tellern, die einige der Kostüme darstellten, die der Waadtländer Maler Ernest Biéler (1863–1948) für die von Émile Jaques-Dalcroze geschaffene grosse Schau «Notre Pays» entworfen hatte, die einer der Höhepunkte der Feierlichkeiten sein sollte (MHL AA.46.B.58A; MHL AA.46.B.58B; MHL AA.VL 89 Di 534.64). Dieselben Motive wurden auch in Form von Postkarten vermarktet (Tribune de Lausanne vom 6. Juli 1928, Abb. S. 1). Die 1928 hergestellten Teller tragen eine neue, unter der Glasur aufgedrückte Stempelmarke in Form eines Wappenschildes, das einen Brückenbogen und drei Kirschen zeigt, den beiden wichtigsten Symbolen des Gemeindewappens von Chavannes-près-Renens. Oberhalb und unterhalb dieser Motive befinden sich die Inschriften «POMONE» (wahrscheinlich eine Verkürzung von «POterie MOderNE») und «CHAVANNES»(siehe MHL AA.46.B.58B). Zu diesem bereits 1905 angenommenen Gemeindewappen ist anzumerken, dass es vom Bürgermeister Lucien Ménétrey selbst gezeichnet wurde (Revue historique vaudoise, 28, 1920, 62)!
Auch wenn die Zahl der bisher inventarisierten Exemplare überraschend gering ist, kann man davon ausgehen, dass Bestellungen von Gedenkgegenständen für mehrere Jahrzehnte eine regelmässige Einnahmequelle der Poterie moderne gewesen sein dürften, ähnlich wie für Marcel Noverraz in Carouge. Und es ist immer die Technik der engobierten Irdenware, die zur Anwendung kommt, mit gemalten oder schablonierten Verzierungen auf einem sehr glatten und feinen Engobe-Untergrund (wahrscheinlich mit Spritzpistole aufgetragen), alle Stücke oft in sorgfältiger Ausführung (siehe z.B. MHL AA.46.B.56; MHL AA.VL 89 Di 534.66).
In seiner 1929 veröffentlichten kurzen Geschichte der Töpferei in Renens und Chavannes (siehe Renens VD, Les poteries) stellt der Schulinspektor Grivat fest, dass die Poterie moderne neben der Gebrauchskeramik/Alltagsgeschirr auch «[…] Kunstkeramik produzierte, wovon einige interessante Produkte auch in Lausanne, Montreux und Zermatt erhältlich sind. Einige wurden sogar nach Frankreich und England versandt» (Feuille d’avis du District de la Vallée vom 21. November 1929, 7). Der internationale Tourismus war offenbar eine der Zielgruppen für diese bedeutende Kunstkeramikproduktion.
Im Frühjahr 1932 sah sich die Poterie moderne mit einem Streik ihrer acht Töpfer konfrontiert, der vom 12. April bis Mitte August dauerte. Mit dem Argument, dass seine Produktionskosten es ihm nicht mehr erlauben würden, mit der Konkurrenz Schritt zu halten und das Unternehmen unter einem chronischen Defizit leide, hatte Dusserre eine allgemeine Lohnkürzung von 10 Prozent angekündigt, was die Töpfer kategorisch ablehnten, zumal ihr Lohnniveau – nach ihren Angaben – bereits niedriger war als das der anderen Töpfereien der Region, in Renens, Colovrex und Carouge. Die kantonale Schlichtungsstelle versuchte es mit einem Kompromiss, indem sie eine auf 5 Prozent begrenzte Kürzung des Gehalts vorschlug. Die Betriebsleitung stimmte dem zu, aber die Streikenden lehnten den Vorschlag ab und beschlossen, ihren Kampf mit Unterstützung des waadtländischen Gewerkschaftskartells fortzusetzen (Le Droit du Peuple vom 19. April 1932, 4). In der Ausgabe vom 1. Juni veröffentlichte die Feuille d’avis de Lausanne (S. 6) den Standpunkt von Dusserre, aus dem hervorgeht, dass der durchschnittliche Monatslohn der Töpfer 1931 von 280 auf 370 Franken erhöht worden war und dass die 5-prozentige Senkung leicht ausgeglichen werden könne, da die Arbeiter im Akkord bezahlt würden. Der Direktor beschwerte sich erneut über den Umsatzrückgang und den damit einhergehenden Preisverfall. Er prangerte auch das aggressive Verhalten der Föderation der Holz- und Bauarbeiter an, die nicht gezögert habe, Arbeitnehmer einzuschüchtern, die sich entschieden hatten, auf ihrem Posten zu bleiben. Zudem übte sie durch Androhung eines Boykotts Druck auf die Händler aus, die das Geschäft mit der Poterie moderne beibehielten. In der Antwort des «Verbands der Töpfer von Renens», die teilweise in der Feuille d’avis de Lausanne, dann in aller Ausführlichkeit im Le Droit du Peuple vom 16. Juni (S. 5) veröffentlicht wurde, erfahren wir, dass Dusserre die Streikenden zumindest teilweise durch zwei junge Töpfer mit frischem Abschluss der Schweizerischen Keramikfachschule ersetzt hatte und einen «kroumir» (einen verachtenswerten Streikbrecher). Wenige Tage später veröffentlichte Dusserre tatsächlich eine Ankündigung, in der er erklärte, dass «trotz des Streiks einiger Töpfer die Poterie moderne in Chavannes ohne Unterbruch weiterarbeite» (Feuille d’avis de Lausanne vom 25. Juni 1932, 8). Der Konflikt wurde schliesslich im August gelöst, ohne dass wir auch nur die geringste Information über die getroffenen Abmachungen finden konnten. Immerhin verkündet Le Droit du Peuple vom 29. August 1932 (S. 5) : «Streik vorbei».
Um auf die Produktion der Poterie moderne zurückzukommen, von der wir wissen, dass sie durch die Ereignisse nie völlig lahmgelegt wurde, bleibt festzuhalten, dass wahrscheinlich Anfang der 1930er-Jahre eine neue Stempelmarke in Form eines auf einer Spitze stehenden Dreiecks eingeführt wurde. Das Dreieck enthält dieselben heraldischen Motive wie die vorherige Version der Firmenmarke und trägt die Umschrift «CHAVANNES POTERIE MODERNE», oftmals begleitet von der Erwähnung «handgemalt» (siehe MHL AA.46.B.56).
Eine dritte Stempelmarke ist aus den späten 1930er-Jahren belegt: Die Inschriften «POTERIE MODERNE CHAVANNES» und «handgemalt» sind hier in einem Kreis eingeschrieben, der ausserdem die drei Kirschen enthält, der Brückenbogen fehlt. Das einzige Beispiel, das wir bisher gesehen haben, befindet sich auf der Rückseite eines Gedenktellers von 1939, der im Musée du Léman in Nyon verwahrt wird (ML 2012-17-3).
Zusätzlich zu den Gedenktellern versuchte die Töpferei ein neues Nischenprodukt zu entwickeln: Gegenstände mit Familienwappen. Einer Werbung für die «Familienwappenteller» der Poterie moderne entnehmen wir, dass das Unternehmen dazu sogar «Gratisrecherchen» anbieten würde, sehr wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit erfahrenen Heraldikern (z.B. in Le Grutli vom 9. März 1934, 3).
Aus der Linie der eigentlichen «Kunstkeramik», die in der Poterie moderne produziert wurde, kennen wir nur zwei relativ späte Beispiele. Die 1949 dem Musée des arts décoratifs de Lausanne gestifteten Objekte entsprechen dem Zeitgeist der Moderne, sie sind immer noch in der Technik der engobierten Irdenware ausgeführt, manchmal unter farbiger Glasur (MHL AA.MI.1893; MHL AA.MI.1892). Diese beiden Objekte tragen eine Blindmarke mit der Aufschrift «DE CHAVANNES SUISSE» in einem Kreis angeordnet, in dessen Mitte sich die drei Kirschen befinden (siehe MHL AA.MI.1892). Diese Marke wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre eingeführt.
Dieselbe Marke befindet sich auf der Rückseite eines Gedenktellers von 1953 (MHL AA.VL 92 C 2282). So überraschend dies für eine Institution, die bis Anfang der 1970er-Jahre tätig war, erscheinen mag, so ist der erwähnte Teller doch das späteste Beispiel in den öffentlichen Sammlungen des Kantons Waadt. Eine weitere Besonderheit des Exemplars ist die Herstellungstechnik, eine jahrtausendealte Technik zwar, die jedoch eine absolute Neuheit im Bereich der Poterie moderne darstellt: Fayence, die sich durch ihre Blei-Zinn-Glasur auszeichnet. Obwohl der Teller von 1953 die einzige Fayence ist, die wir der Poterie moderne zuschreiben können, glauben wir, dass das Unternehmen diese Technologie etwa zu dieser Zeit – Anfang der 1950er Jahre – eingeführt hat, ohne die traditionelle engobierte Irdenware aufzugeben.
Vom 20. Februar bis 30. März 1956 veranstaltete das Lausanner Warenhaus «Innovation» in seinen Räumlichkeiten eine «Ausstellung der Waadtländer Industrie». Auch die Poterie moderne gehörte zu den 21 Unternehmen, die eingeladen waren, einen Stand zu präsentieren. Innovation veröffentlichte in der Feuille d’avis de Lausanne vom 20. Februar vier Werbeseiten mit einer kurzen Beschreibung der verschiedenen Firmen. Über die Poterie moderne lesen wir, dass «[…] 1927, anlässlich des grossen Winzerfests, das Unternehmen mit der Herstellung von Gedenktellern und kunstvoll verzierten Vasen beauftragt wurde und so einen wichtigen Platz einnahm unter den schönsten ausgeführten Kunstkeramiken. […] Bemerkenswert unter den schönsten Objekten dieser Kunstrichtung sind die schönen Fayencen verfeinert mit einer Blei-Zinn-Glasur in prächtigen Pastelltönen.» (S.7).
Ab den 1940er-Jahren fehlt es an Dokumenten, die Aufschluss über die Entwicklung des Unternehmens geben könnten, sei es in Form von Keramikobjekten oder Erwähnungen in der Presse. Die wichtigsten Informationen, die uns heute zur Verfügung stehen, stammen aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt und betreffen vor allem die Veränderungen, die an der Spitze des Unternehmens stattgefunden haben. So erfahren wir, dass die Firma 1944 ihre Statuten geändert hat. Neben der industriellen Herstellung der Keramik behält sich das Unternehmen fortan das Recht vor, ihre Geschäftstätigkeit «auf alle Geschäftsfelder auszudehnen, die mit dieser Tätigkeit zusammenhängen»; sie «kann sich auch direkt oder indirekt an allen Industrien oder Unternehmen beteiligen, die in irgendeiner Weise mit ihrer eigenen Geschäftstätigkeit zusammenhängen, Beteiligungen erwerben, Finanzgeschäfte im kommerziellen und industriellen Bereich sowie im Handel mit Mobilien und Immobilien tätigen, die mit dem Gesellschaftszweck zusammenhängen» (SHAB, Bd. 63, 1945, 371–372).
Diese wesentliche sowie ehrgeizige Statutenänderung steht in einem klaren Zusammenhang mit Roger Corthésy und vor allem Antoine Pfister, zwei neuen Persönlichkeiten, die an die Spitze des Unternehmens berufen worden waren. Beide wurden an der Seite von Henri Dusserre, Direktor und Präsident des Verwaltungsrats zu Geschäftsführern ernannt. Die Position des Präsidenten wurde gleichzeitig geschwächt: seine «Einzelunterschrift als Direktor» wurde gelöscht, und das Unternehmen wurde nun durch die Kollektivunterschrift von zweien der Geschäftsführer Dusserre, Pfister oder Corthésy vertreten (SHAB, Bd. 63, 1945, 372).
Im Juni 1945 nahm die Generalversammlung der Aktionäre den Rücktritt von Dusserre als Mitglied und Präsident des Verwaltungsrats zur Kenntnis. Mit seinen Funktionen wurde Pfister beauftragt (SHAB Bd. 63, 1945, 1923). Bereits 1946 erschien Antoine Pfister unter seiner Privatadresse in Renens mit dem Titel «Direktor der Poterie moderne», während Dusserre mit dem gleichen Titel aufgeführt war, aber nur unter der Geschäftsadresse der Töpferei. Wurde Pfister dazu aufgerufen, Dussere zu entlasten, da er dazumal schon gesundheitlich angeschlagen war, oder spiegelte die Aufteilung der Verantwortung, in Form einer zweiköpfigen Geschäftsleitung, lediglich die neuen Machtverhältnisse im Unternehmen? Nach dem Tod von Dusserre im Jahr 1950 (La Nouvelle Revue de Lausanne, 21. Dezember, S. 8) übernahm Pfister die Leitung des Unternehmens, offenbar bis zu seinem Tod im Jahr 1982.
Antoine Pfister, ursprünglich aus Tuggen im Kanton Schwyz, war bereits seit mehreren Jahren im Grosshandel mit Keramikprodukten tätig: 1940 gründete er die Firma «A. Pfister Keramik» (SHAB, Bd. 58, 1940, 619) in Zürich. 1945 verlegte er den Firmensitz an seine Privatadresse in Renens (SHAB, Bd. 63, 1945, 1939). Im Juli des folgenden Jahres wurde eine neue Aktiengesellschaft unter dem Namen «A. Pfister S. A.» an der avenue Fraisse 6 in Lausanne eingetragen, um den Grosshandel mit Keramik-, Glas- und Goldschmiedeprodukten zu betreiben. Der deklarierte Unternehmenszweck umfasste «den Import, Export und die Vertretung dieser Produkte sowie den Betrieb von Lagerhallen ausländischer Fabriken». Die Geschäftsführer der Firma waren Antoine Pfister und Alfred Froidevaux, wahrscheinlich sein Schwager (SHAB Bd. 64, 1946, 2094). Fünf Jahre später wurde der Sitz dieses Handelsunternehmens nach Chavannes-près-Renens verlegt, an die gleiche Adresse der Poterie moderne, Avenue de la Gare 33 (SHAB, Bd. 69, 1951, 1794). Pfister und Froidevaux traten 1981 aus dem Verwaltungsrat zurück (SHAB Bd. 100, 1982, 98). Das Unternehmen wird unter dem gleichen Namen weitergeführt; sein Sitz wurde 1985 nach Stäfa im Kanton Zürich verlegt.
Der Werdegang von Roger Corthésy (verstorben1990 in seinem 78. Lebensjahr) ist schwieriger zu fassen, wir haben versucht, ihn so gut wie möglich zu rekonstruieren, wobei wir uns fast ausschliesslich auf die Informationen aus den verschiedensten Waadtländer Verzeichnissen stützen können, zu denen wir Zugang hatten. Roger Corthésy erwarb 1932 das Töpferdiplom an der Schweizerischen Keramikfachschule (Feuille d’avis de Lausanne vom 30. März 1932, S. 2). In den Jahren 1933/34 wird er im Indicateur pratique du Canton de Vaud (Branchenverzeichnis) mit dem Beruf des Keramikers erwähnt. Er wohnte zu dieser Zeit im Lausanner Stadtteil Bellevaux. Im Annuaire et indicateur vaudois réunis wird ein Roger Corthésy zwischen 1938/39 und 1946 in Lausanne als Polizist erwähnt; bis 1942 lebte er am Chemin de la Motte, später in der Avenue Riant-Mont 20. Von 1947 bis 1960, und immer unter der gleichen Adresse, wird ein Roger Corthésy als «Direktor der Keramikfachschule von Chavannes» verzeichnet, zwischen 1961 und 1982 als «Geschäftsführer der Poterie moderne». Dieselbe Adresse, dieselbe Telefonnummer: Es scheint, dass wir es mit demselben Mann zu tun haben.
Wir vermuten, dass Roger Corthésy keine zufriedenstellende Arbeit in seinem Beruf fand und sich daher für einige Jahre für eine stabilere Karriere bei der Polizei entschied. Seine erste Ausbildung würde die Tatsache erklären, dass er bereits 1947 am Betrieb der Keramikfachschule beteiligt war. Ein äusserst merkwürdiger Umstand: In den Verzeichnissen erscheint er mit dem Titel als «Direktor» nur unter seiner Privatadresse und nirgends unter den Einträgen, die die Schule betreffen. Ebenso wenig wird sein Name im Zusammenhang mit der Schule in Chavannes in der Presse erwähnt.
Hinsichtlich seiner Verbindungen zur Poterie moderne wissen wir, dass er 1944 die Funktion als Geschäftsführer übernahm. Es ist wahrscheinlich, dass Corthésy im Verlauf der Zeit – vielleicht nach dem Tod von Dusserre – mehr Verantwortung übernommen hat, insbesondere im administrativen Bereich. Nichtsdestotrotz gibt er sich in den Verzeichnissen den Titel «Verwaltungsdirektor der Poterie moderne» von 1961 bis 1982; und wieder einmal erscheint dieser Titel nur unter seiner Privatadresse, während sein Name unter den Firmeneinträgen nicht erscheint. Die von den Verzeichnissen gelieferten Informationen sind wahrscheinlich nicht ganz zuverlässig, insbesondere wenn es sich um einzelne Einträge handelt. So wurde Corthésy in der Presse bereits 1954 als «Direktor der Poterie moderne» bezeichnet (Feuille d’avis de Vevey vom 4. Oktober 1954, S. 6). Es kommt noch besser: Bei zwei Stücken, die die Töpferei 1949 dem Musée d’art industriel et d’art décoratif de Lausanne geschenkt hat, ist in den alten Inventaren des Museums eindeutig «eine Schenkung von M. Corthésy, Direktor der Poterie moderne» angegeben, zu einer Zeit, in der Corthésy auch als «Direktor der Keramikschule» bezeichnet wurde!
Es liegt auf der Hand, dass diese Unklarheiten nur durch weitere Nachforschungen, insbesondere in den Beständen des Kantonsarchivs, beseitigt werden können. Vorläufig wissen wir, dass Corthésy 1972 aus dem Verwaltungsrat der Töpferei zurückgetreten ist, als das Unternehmen die Produktion eingestellt zu haben scheint (SHAB, Bd. 90, 1972, 383).
Der Firmenname «Poterie moderne» wurde bis 1997 beibehalten, dann wurde das Unternehmen in «S I. Gare 33» umbenannt, während der erklärte Firmenzweck nun «Immobiliengeschäfte» sind (SHAB, Bd. 115, 1997, 6492). Die lange Lebensdauer des Firmennamens ist irreführend, zumindest in seiner ursprünglichen Bedeutung betrachtet, da die Herstellung von Keramik, lange vor 1997 eingestellt wurde. Die Änderung der Statuten im Jahr 1944 bedeutete, dass sich Pfister seit seiner Ankunft das Recht vorbehielt, die Aktivitäten des Unternehmens zu diversifizieren. Hat diese Diversifizierung tatsächlich stattgefunden, in welche Richtung und zu welchem Zeitpunkt? Was war die genaue Verbindung zwischen der Keramikfabrik und Pfisters zweiter Firma, «A. Pfister S. A.»? Diese Fragen bleiben bis auf weiteres unbeantwortet.
Dank Inseraten in der Presse wissen wir, dass die Töpferei 1961 immer noch Glasierer und 1962 Dreher suchte. In den Verzeichnissen findet man die Poterie moderne unter der Rubrik «Keramifabrik» bis 1973, danach, von 1974 bis 1980, erscheint sie nur noch in der alphabetischen Einwohnerliste und ab 1981 verschwindet sie ganz aus den Verzeichnissen. Daraus lässt sich ableiten, dass die Fabrik 1971/72 ihren Betrieb einstellte, ohne dass über das Ereignis in der Presse ausdrücklich berichtet wurde.
Die Aktiengesellschaft Poterie moderne S. A. blieb trotz der Aufgabe ihrer ursprünglichen Tätigkeit weiterhin bestehen. Wie aus den im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichten Mitteilungen hervorgeht, wurden die Aktionäre bis 1992 zu Versammlungen einberufen. Im Jahr 1977 wurde das Aktienkapital durch die Vernichtung der alten Aktien mit einem Nennwert von 5 Franken herabgesetzt. Im folgenden Jahr annulierte man 400 Genussscheine ohne Nennwert. 1978 wurden die Statuten anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung geändert, ohne den Inhalt dieser Änderungen zu präzisieren. Für die Geschäftsjahre 1978 bis 1989 gewährte man den Aktionären sogar Dividenden.
Antoine Pfister starb im November 1982 (24 Heures vom 10. November 1982); Alfred Froidevaux trat seine Nachfolge als Verwaltungsratspräsident an, während die Tochter des Verstorbenen, Katrin Pfister, zur Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift ernannt wurde (SHAB, Bd. 101, 1983, 3790). Seit 1981 nicht mehr präsent, taucht der Name der Firma «Poterie moderne de Chavannes-près-Renens S. A.» ein letztes Mal im Telefonbuch 1996/97 unter der Privatadresse von Katrin Pfister in Corcelles-le-Jorat auf, wobei Letztere als «alleinige Geschäftsführerin» bezeichnet wird.
Ein besonderer Fall: die Kunsttöpferei von Jules Merminod, 1907-1912
Im Musée de la vigne, du vin et de l’étiquette, im Château d’Aigle, fanden wir eine engobierte Irdenwarekanne mit geformtem, modelliertem und appliziertem Reliefdekor, der Weinranken und ein freimaurerisches Motiv trägt (MVVE 5095). Die Gestaltung des Dekors ist offensichtlich von den berühmten vaterländischen Kannen aus den Töpfereien Knecht inspiriert (siehe z.B. MVVE 2411 und MVVE 2355). Die Form ist eine perfekte Eigenkreation, ihre Verarbeitung von guter Qualität und durchaus vergleichbar mit den Kannen der Knecht-Töpfereien.
Aussergewöhnlich für diese Art Produkt ist jedoch eine eingeritzte Signatur auf der Unterseite des Objekts: «J. Merminod – Kunsttöpferei – Chavannes-Renens – Waadt». Unter der Annahme, dass es in Chavannes eine bisher unbekannte Töpferei gab, gingen wir zurück zu den Verzeichnissen; und im Indicateur vaudois der Jahre 1907 bis 1912 finden wir unter der Bezeichnung «Kunsttöpferei» tatsächlich einen Jules Merminod (sein Vorname wird manchmal mit «J.-L.» abgekürzt) in Chavannes, aufgeführt unmittelbar nach der Poterie moderne S. A., der die Kennzeichnung «Fabrique de poterie» vorangestellt ist. Wichtiges Detail: Merminods Name wird die Erwähnung «Poterie moderne» hinzugefügt.
Daraus leiten wir ab, dass Merminod keine unabhängige Werkstatt hatte, sondern seine Tätigkeit mit einem Sonderstatus innerhalb der Poterie moderne ausübte, der ihn beispielsweise dazu berechtigte, seine persönliche Produktion zu signieren. Es ist möglich, dass ihm dieser Status unter der Bedingung gewährt wurde, dem Unternehmen seine Fachkenntnisse zur Verfügung zu stellen. Zu beachten ist auch, dass Merminod als Unternehmer nicht im Schweizerischen Handelsamtsblatt erscheint. Nach 1912 findet sich kein Töpfer Merminod mehr in den Verzeichnissen.
Die Kanne aus dem Château d’Aigle ist bisher ein Einzelfall. Daraus könnte man ableiten, dass Merminods persönliche Produktion nur wenigen bekannt war und er wahrscheinlich auch am Betrieb der Poterie moderne mitgewirkt hat. Es sei auch darauf hingewiesen, dass seine Stellung als Kunsttöpfer dennoch mindestens fünf oder sechs Jahre lang aufrechterhalten wurde. Es ist auch möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass er nicht alle seine Werke signiert hat.
Übersetzung Stephanie Tremp
Quellen
Die Waadtländer und Genfer Presse sowie die Verzeichnisse des Kantons Waadt (konsultiert auf der Website Scriptorium der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne und auf der Website letempsarchives.ch)
Das Schweizerische Handelsamtsblatt, ab 1883 (verfügbar auf e-periodica.ch)
Bibliographie :
Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.
Huguenin 2010
Claire Huguenin (éd.), Patrimoines en stock. Les collections de Chillon. Une exposition du Musée cantonal d’archéologie et d’histoire de Lausanne en collaboration avec la Fondation du château de Chillon, Espace Arlaud, Lausanne et Château de Chillon. Lausanne 2010.