Roland Blaettler, Rudolph Schnyder 2014
1883 wurde am Ort der Vorgängermanufaktur Matzendorf (die auf dem Grund und Boden der Gemeinde Aedermannsdorf lag) die Aktiengesellschaft «Thonwarenfabrik Aedermannsdorf» gegründet. Die meisten Aktionäre wohnten nun nicht mehr im Dünnerntal und gehörten der politischen und wirtschaftlichen Oberschicht des Kantons an. Das neue Unternehmen entwickelte sich gut. Der Aufstieg der Uhrenindustrie im Tal gab der Bauindustrie Auftrieb und in der Fabrik entwickelte sich die neue Abteilung der Ofen- und Tragofenherstellung zu einem hochprofitablen Geschäft. Seit Ende 1890 verzichtete die Manufaktur auf lokale Rohstoffe und importierte den Ton aus der Pfalz und aus der Tschechoslowakei. 1884 hatte sie 13 Mitarbeiter, 1885 waren es 38 und 1897 54.
Aus dem Jahr 1895 hat sich ein vollständiges Musterbuch der Firma erhalten (“Preis-Verzeichniss über Braunes Kochgeschirr“) , das einen guten Eindruck vom Produktionsspektrum vermittelt.
Die Fabrik wurde durch zwei Feuersbrünste 1887 und 1913 zerstört, aber sofort wieder aufgebaut und modernisiert. So wurde die Produktion 1913 teilweise mechanisiert, und die Öfen wurden auf Kohle umgestellt. Man stellte nun zu gleichen Teilen einerseits Öfen und Ofenkacheln, anderseits Braungeschirr (manganglasiertes Geschirr) her, was auch Fernand Schwab 1924 bei einem Besuch der Fabrik feststellte.
1927 kaufte der Basler Unternehmer Alfred von der Mühll die Tonwarenfabrik, die sich damals in einer Krise befand. Die Zahl der Arbeiter ging seit 1926 zurück. Mit dem neuen Besitzer verbesserte sich die Situation, bis auch die Manufaktur die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu spüren bekam. 1934 wurde eine Kunstabteilung eröffnet, deren Leitung dem Schweize Keramiker Benno Geiger anvertraut wurde. Als im Zweiten Weltkrieg der Geschirrimport aus den Nachbarländern vollständig wegfiel, erlebte die Fabrik einen Aufschwung, der zu einer Ausweitung der Produktion nebst dem traditionellen manganglasierten Geschirr führte (vgl. Vogt et al. 2000, 80-81). Nach 1947 hatte die Fabrik dann erneut mit der wachsenden Konkurrenz aus dem Ausland zu kämpfen.
1960 wurde sie vom Industriellen Emil Rössler von Ersigen im Emmental gekauft. Die Aktiengesellschaft Rössler spezialisierte sich nun auf die Produktion von Geschirr aus Steingut und seit 1963 aus Porzellan. 2004 schloss die Firma ihre Tore in Aedermannsdorf.
Das Keramikmuseum Matzendorf ist der Geschichte der Keramik aus Matzendorf und Aedermannsdorf gewidmet und besitzt die grösste Sammlung von Keramiken dieser Herstellungsregion.
Bibliographie
Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 16–17.
Schwab 1927
Fernand Schwab, Die industrielle Entwicklung des Kantons Solothurn und ihr Einfluss auf die Volkswirtschaft. Festschrift zum fünfzigjährigen Bestehen des solothurnischen Handels- und Industrievereins. Solothurn 1927.
Vogt 2000
Albert Vogt Die Geschichte der keramischen Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798-1998. In: Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» (Hsg.), 200 Jahre keramische Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798-1998. Matzendorf, 9-90.