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Famille rose, Stil (chinesisches Porzellan)

Chinesisches Porzellan der Qing-Dynastie,  ab etwa 1720 entwickelt, das unter den Kaisern Yongzheng (1723–1735) und Qianlong (1735–1795) in Mengen nach Europa exportiert wurde. In den mit polychromen Aufglasurfarben gemalten Dekoren tritt ein opakes Rosa bestimmend auf.

Frz.: Famille rose

Engl.: Famille rose

Famille verte, Stil (chinesisches Porzellan)

Chinesisches Porzellan mit klassischem Dekorstil in Aufglasurmalerei. In den mit polychromen Aufglasurfarben gemalten Dekoren tritt ein opakes Grün neben Eisenrot bestimmend auf. Dieser Stil wurde während der Kangxi Periode (1661-1722) auf der Basis des älteren Wucai-Dekors der Wanli-Periode (1573-1620) entwickelt.

Frz.: Famille verte

Engl.: Famille verte

Farbkörper in der Grundengobe

Andreas Heege, 2019

Farbkörper in der Grundengobe in CERAMICA CH

Dekor, der nach 1800 überall in der Deutschschweiz, in Liechtenstein und Vorarlberg, aber erstaunlicherweise nicht in Baden-Württemberg oder Bayern produziert wurde. Er kommt selten auch in den Kantonen Freiburg  und Jura vor und wurde dort möglicherweise ebenfalls produziert. Es handelt sich um manganviolette bis schwarzbraune, unterschiedlich stark verlaufene Glasursprenkelungen, die aufgrund von Farbkörpern in der Grundengobe entstanden sind. Bei den Farbkörpern handelt es sich um gemahlenen Braunstein oder Eisenhammerschlag, Eisen-Manganverbindungen, die unter anderem im normalen Schmiedeprozess in grosser Menge anfallen und der weissen Grundengobe beigemischt werden. Die beim Brand ausschmelzende Bleiglasur führte zu einer partiellen oder vollständigen Lösung des Metalls und damit zu dem färbenden Effekt. Als Variation findet sich bei der so verzierten Keramik gelbe und grüne statt farbloser Glasur sowie zusätzlicher Malhorn- und Spritzdekor. Vor allem bei offenen Gefässformen (Tellern und Schüsseln) kann die äussere Gefässseite zusätzlich mit einer roten Grundengobe versehen sein.

Die beschriebene Dekortechnik erzielt eine sehr ähnliche optische Wirkung, wie wir das auch von der Faïence blanche mouchetée (weisse Fayence mit Spritzdekor) kennen und ist auf den ersten Blick leicht zu verwechseln.

Faïence blanche mouchetée, Bern-Brunngasshalde, um 1800 (Foto Badri Redha, Archäologischer Dienst des Kantons Bern).

Bei Faïence blanche mouchetée handelt es sich jedoch um einen manganvioletten oder sehr selten auch grünen Spritzdekor, der auf die Oberfläche einer weissen Fayenceglasur aufgespritzt  wurde (Heege 2010, Abb. 52; Babey  2003, 163 Abb. 22). Es handelt sich dabei also um eine Form der “Inglasur-Technik”, während sich die Farbkörper in der Grundengobe unter der Glasur befinden und in der Kontaktzone zwischen Grundengobe und Glasur ausschmelzen (“Unterglasur-Technik”).

Frz.:  décor moucheté  (mouchetis ferro-manganique ou pigments de manganèse à l’engobe blanc)

Engl.: speckled decoration (iron/manganese particles in white slip)

Bibliographie:

Babey 2003
Ursule Babey, Produits céramiques modernes. Ensemble de Porrentruy, Grand’Fin (Cahier d’archéologie jurassienne 18), Porrentruy 2003.

Bourgarel 2018
Gilles Bourgarel, L’atelier de potiers de Bulle-Rue de la Poterne (1765-1895), in: AS – Archäologie Schweiz/SAM – Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit/SBV – Schweizerischer Burgenverein, Die Schweiz von 1350 bis 1850 im Spiegel archäologischer Quellen. Akten des Kolloquiums/Actes du Colloque Bern, 25.–26.1.2018, Basel 2018, 337-359, bes. Pl. 8,1-4.

Heege 2010
Andreas Heege, Keramik um 1800. Das historisch datierte Küchen- und Tischgeschirr von Bern, Brunngasshalde, Bern 2010, bes. 78-79.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016, bes. 90.

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017, bes.  167-168.

 

Fayence

Fayence in CERAMICA CH

Fayence ist herstellungstechnisch eine Irdenware mit unterschiedlich eisenhaltigem, gelb, rosa oder rötlich gebranntem Scherben, der einen gewissen Kalkgehalt haben muss, damit die Glasur hält (Maggetti 2007; Maggetti 2012). Die Aussen- und Innenseite der Gefässe wird nach einem ersten Schrühbrand mit einer deckenden weissen Blei-Zinn-Glasur versehen. Dabei dient Zinn als Trübungsmittel der Glasur. Die Glasur ist in der Regel das Definitionskriterium für Fayence.

Hiervon gibt es nur eine definitorisch problematische Ausnahme, wenn der Scherben des Gefässes aus einem eisenarmen, weiss bzw. hell brennenden Ton mit hohem Kalkgehalt besteht, der aufgrund seiner Zusammensetzung eigentlich als (hellscherbiges) “Kalksteingut” bezeichnet werden müsste. Solches Kalksteingut mit Fayenceglasur ist z.B. aus der Produktion von Kilchberg-Schooren ZH (Matter 2012, 99-100, Tab. 1-3) und weiteren französischen Manufakturen (z.B. Niderviller und Saint-Clément: Maggetti 2017, 106-107 und Maggetti 2023) bekannt. Dies ergibt aus heutiger Sicht ein definitorisches Bezeichnungsproblem, sofern der Scherben (= Steingut) und nicht die Glasur (= Fayence)als Hauptklassifikationskriterium benutzt wird.

In die Glasur kann mit sogenannten «Scharffeuerfarben» gemalt werden (Inglasurmalerei). In einem zweiten Glattbrand (1000–1190 °C) werden die Farben in die Glasur eingeschmolzen. Fayencen können nach dem Glattbrand zusätzlich mit weiteren Aufglasurfarben bemalt und dann mit einer zusätzlichen, transparenten, glänzenden Bleiglasur («Coperta») überzogen werden. Der letzte Brand erfolgt dann im Muffelofen bei 650–850 °C. Die Farbpalette umfasst Kobaltblau, Manganviolett, Kupfergrün, Antimongelb, Eisenbraun und Eisenrot.

Einfaches, in grosser Menge hergestelltes und relativ flüchtig bemaltes Fayencegeschirr galt als «…Prestigegeschirr der Mittelschichten, der besser gestellten Handwerker, Bauern, Kaufleute, Beamten und niederen Geistlichkeit…», die echtes Porzellan meist nur in Einzelstücken besassen.

Engl.: Faience (if tin-glazed on both surfaces), tin-glazed earthenwares (if tin-glazed just on the front surface), Delftware

Frz.: Faïence

Literatur zur Fayenceherstellung:

Bartels 1999
Michiel Bartels, Steden in Scherven, Zwolle 1999, 201-236

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique: vocabulaire technique, Paris 2001, 75-81.

Guyot 2018
Claude Guyot, Étude des terres de pipe, formes et décors entre faïence et porcelaine. Lunéville 2018.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016, 271-288.

Maggetti 2007
Marino Maggetti, Technique de la faïence française (fin XVIIIe/debut XIXe siècle), in: Marino Maggetti (Hrsg.), La faïence de Fribourg: 1753-1844, Dijon 2007, 14-31.

Maggetti 2012
Marino Maggetti, Technology and Provenancing of French faience, in: José Miguel Herrero/Marius Vendrell, XXXII Reunión de la Sociedad Espanola de Mineralogía. International seminar on Archaeometry and Cultural Heritage: the contribution of Mineralogy, Bilbao, 27 de Junio 2012 (Seminarios de la Sociedad Espanola de Mineralogía 9), Mdrid 2012, 41-64.

Maggetti 2017
Marino Maggetti, Technologische Analyse eines frühen (1800-1806) Matzendorfer Steinguts, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 131, 2017, 105-123.

Maggetti 2023
Faïence ou terre blanche? Le Bois d’Épense ou Saint-Clément? Keramikfreunde der Schweiz Bulletin 101, 25-31.

Matter 2012
Annamaria Matter, Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren. Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763-1906 (Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43), Zürich 2012.

Feinsteinzeug (Steingut, industrial wares, Grès fin)

Keramik aus einer künstlichen, teilweise farbigen Masse, sehr dicht und fest. In den 1760er- und 1770er-Jahren entwickelte Josiah Wedgwood in Staffordshire eine Serie von regelhaft unglasierten (dry-bodied), in der Oberfläche matt glänzenden Feinsteinzeugen (wie Biskuit) unterschiedlicher Farbigkeit, unter anderem das bewunderte Schwarz (sog. „black basalt“). Diese farbigen Massen wurden in den keramischen Manufakturen des Kontinents sehr bald nachgeahmt.

Feinsteinzeug wird zwischen 1200 und 1350 ºC gebrannt. Es handelt sich um eine technologisch nicht eindeutige Bezeichnung, denn der Scherben ist meist nicht völlig dicht gesintert wie beim Steinzeug. Verschiedene dieser im industriellen Massstab hergestellten «künstlichen» keramischen Massen (z. B. Basalt Ware, Achat Ware, Cane Ware, Red Ware, Jasper Ware etc.) werden daher im deutschsprachigen bzw. niederländischen Sprachgebrauch auch als «Steingut» oder «industrial wares» eingestuft.

Grès fin rouge – Redware – industrial redwares, Entwicklung in England/Staffordshire ab etwa 1690, angestossen durch die Brüder John Philip und David Elers (nach England ausgewanderte Töpfer mit deutschen und niederländischen Wurzeln)
Grès fin noir – Basalt Ware (black basalt) – industrial blackwares, Entwicklung von Josiah Wedgwood um 1768.
Grès fin bleu foncé – Jasper ware (solid Jasper) – Jasperware, von Josiah Wedgwood in Staffordshire in den 1770er-Jahren entwickelt und ab den späten 1770er-Jahren im Verkauf.  Die keramische Masse der Jasperware kann uch grün, lila und gelb eingefärbt werden .
Grès fin blanc, engobe bleu foncé – Jasper ware (dipped Jasper) – Weisser Steingut-Gefässkörper mit blauer Jasper Engobe.

Übersicht über die Datierung der «industrial wares» (Stellingwerf 2019, Appendix I, mit frdl. Genehmigung des Autors)

Bibliographie :

Bartels 1999
Michiel Bartels, Steden in Scherven, Zwolle 1999, bes. 237-259.

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique : vocabulaire technique, Paris 2014, pp. 86-87

Edwards/Hampson 1998
Diana Edwards/Rodney Hampson, English dry-bodied stoneware: Wedgwood and contemporary manufacturers 1774 to 1830, Woodbridge Suffolk 1998.

Stellingwerf 2019
Wytze Stellingwerf, The Patriot behind the pot. A historical and archaeological study of ceramics, glassware and politics in the Dutch household of the Revolutionary Era: 1780-1815, Zwolle 2019, bes. 42-46, 201-202

Frz.:  Grès fin

Engl.: jasper ware, cane ware, solid jasper, dipped jasper, redware, black basalt, industrial wares

Feldspatglasur

Feldspat ist ein opakweisses Mineral, welches zwischen 1200°C und 1300°C schmilzt und eine sehr glänzende, harte, farblose und durchsichtige Glasur ergibt. Bei Porzellan- und Steinzeugglasuren macht Feldspat oft den Hauptanteil der Glasur aus.

Frz.: Glaçure au feldspath

Engl.:  Feldspathic glaze (used on porcelain), Feldspar glaze

Flechtwerktechnik

Körbchen, Frankreich? um 1870-1920 Steingut, Wandung in Flechtwerktechnik, Auflagendekor, hellblaue Glasur.

Flechtwerktechnik in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2023

Um Keramikwandungen flechten zu können, braucht es spezielle keramische Massen, die biegsam bleiben und bei der Verarbeitung zu runden Strängen nicht spröde werden oder Risse bekommen. Diese Bedingungen scheinen vor allem für Steingut-Massen gegeben zu sein. Beim Flechten können sowohl dichte als auch lockere Geflechte entstehen.

Geflochtenes Körbchen und gemodelter Untersetzer mit Reliefdekor und Durchbruchdekor aus Steingut, Schweiz, Kanton Waadt, Nyon, Manufaktur Robillard & Cie, um 1818-1832/33.

Besonders oft begegnen Körbchen nach Vorbildern aus Staffordshire, die in Süddeutschland oder in Nyon hergestellt wurden.

Oberflächen, die nur geflochten aussehen, aber mit Hilfe von Modeln entstanden sind, fallen nicht unter die Flechtwerktechnik sondern gehören zum Reliefdekor.

Französisch: céramique tressée

Englisch: basket weave

Bibliographie:

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2001, 122.

Fotodruck (Photolithographie), Aufglasur

Tasse, Deutschland; Schlesien?, um 1890-1900, Porzellan, Photolithographie (Aufglasur-Fotodruck), Vergoldung.

Aufglasur-Fotodruck (Photolithographie) in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2023

Die Photolithographie ist ein in der Mitte des 19. Jahrhunderts perfektioniertes Verfahren ein Foto mit Hilfe eines gerasterten Films auf einen Lithographiestein (feinen Kalkstein) zu übertragen. Mit dessen Hilfe konnte auch Glasurfarbe auf ein Trägerpapier gedruckt und damit auf eine glasierte keramische Oberfläche übertragen und dann eingebrannt werden. Der Aufglasur-Fotodruck ähnelt technologisch dem Aufglasur-Druckdekor (Abziehbilddekor).

Bibliographie:

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2001, 332.

Dohmen 1982
Walter Dohmen: Die Lithographie: Geschichte, Kunst, Technik, Köln 1982.

Zeidler 2008
Jürgen Zeidler: Lithographie und Steindruck in Gewerbe und Kunst, Technik und Geschichte, Stuttgart 2008.

Französisch: impression photographique sur la glaçure (photolithographie)

Englisch: photolithographic printed decoration, overglaze

Gabeldekor

Andreas Heege 2019

Gabeldekor in CERAMICA CH

Gabeldekor ist eine Variante des Ritzdekors. Als Gabeldekor wird eine spezifische Dekortechnik des Steinzeugs „Westerwälder Art“ bezeichnet, bei der mit einem  mehrzinkigen Gerät (Gabel) lineare Rillenbänder, Ranken und Blütenstiele in die Gefässoberfläche meist von Kugelbauchkrügen, frühen Birnbauchkrügen oder Humpen eingeritzt wurden. Am Ende der Rillenbänder sitzt meist eine florale, blüten- oder blattartige Relief-Auflage. Zusätzlich können die Gefässe mit Kobaltsmalte geblaut oder manganviolett bemalt sein.

«Gabeldekor» und Birnbauchkrüge gehören zu keramischen Neuerungen des späten 17. Jahrhunderts, die auch unter den Funden vom Waisenhausplatz in Bern belegt sind (Heege 2009, Abb. 39, vgl. dort auch Liste 4 mit weiteren bernischen Belegen). Gabeldekor ist insgesamt auf den relativ kurzen Zeitraum von etwa 1675 bis 1710/15 begrenzt. Es fällt auf, dass der Dekor unter den Funden von Steinzeug „Westerwälder Art“ von Altenrath bei Köln, die etwa 1680/1690 enden sollen, nicht vertreten ist (Francke 1999, 96; Büttner 1997, 57 und 76).

Eine Reihe von Keramiken mit datierten Reliefauflagen unterstützt den Datierungsansatz  des Gabeldekors: Koetschau 1924, Taf. 71 , auflagendatiert 1680; Falke 1908, Bd. 2, 112 Abb. 258, auflagendatiert 1685; Reinhold 1990, 42, auflagendatiert 1687; Solon 1892, 107 Fig. 183 und Pl. XXV bzw. 114 Fig. 190, auflagendatiert 1687 und 1691; Seewaldt 1990, Kat. Nr. 371, 392a, auflagendatiert 1689 und 1691; Strauss/Aichele 1992, Kat. Nr. 85, auflagendatiert 1710, 86, auflagendatiert 1687; Hume 2001, 105 Fig. V.14, auflagendatiert 1700; Gaimster 1997, Kat. 120, 122,  123, auflagendatiert  1679, 1680, 1683, 1687, 1687 und 1691; Skerry/Hood 2009, 41-51, auflagendatiert vor 1702, vor 1714; Keramikmuseum Westerwald Inv. A 3401, auflagendatiert 1676; D 5644, auflagendatiert 1693; St 0303, auflagendatiert vor 1702; Reineking von Bock 1986, Kat. 531, 533, 538, 539, auflagendatiert 1680, 1687, 1693, 1699.

Steinzeug “Westerwälder Art”, Ritzliniendekor (später Gabeldekor) und Knibisdekor.

In der Spätphase des Dekors (frühes 18. Jahrhundert) wurde die Anzahl der parallelen Ritzlinien auf zwei reduziert, was die Ritzung lockerer, verschlungener Linien erleichtert (Skerry/Hood 2009, 49, auflagendatiert 1724).

Der Keramikentwicklung der Zeit um 1700 entspricht in der Schweiz die Zusammensetzung eines Winterthurer Kloakeninventars vom Areal Glocke besonders gut: Neben inschriftlich datierter Irdenware der Jahre 1678–1700, fand sich ein 1697 auflagendatierter Westerwälder Steinzeughumpen mit Gabeldekor und Rosettenauflagen, kobaltblau und manganviolett bemalte Humpen und Krüge, ein Kugelbauchkrug mit streifenförmigen, vertikalen Auflagen, Humpen mit Diamantbuckelfriesen und ein Kugelbauchkrug mit Gabeldekor. Birnbauchkrüge fehlen dagegen noch (Frascoli 1997, Taf. 42, 58 und 60).

Kugelbauchkrug mit Gabeldekor und achteckiger Reliefauflage, datiert 1688 und 1694, (Bernisches Historisches Museum H2299)

Das Bernische Historische Museum besitzt ein besonders schönes Exemplar dieses Dekortyps mit achteckigem Reichsadlerwappen, signiert G.R. und datiert 1688. Der Kugelbauchkrug trägt eine zusätzliche kleine Auflage in Form eines zweihenkeligen Topfes mit eingeschriebenem Putto, datiert 1694. «G.R.» steht in diesem Fall aufgrund der beigefügten Jahreszahl also sicher nicht für Georg Rex (erst ab 1714 Georg I. König von England) sondern bezeichnet wie die auch bei anderen Reichsadlerauflagen belegten Buchstaben «W.R.», den unbekannten Töpfer bzw. Modelschneider aus dem Westerwald.

Kugelbauchkrug mit “GR” (Georg Rex)-Auflage, zweizinkigem Ritzdekor zur Einfassung der Auflage und einfachem, einlinigem Ritzdekor für die übrigen Dekorflächen, ca. 1720/1730

Der Gabeldekor leitet zum charakteristischen Ritzdekor (im Westerwald «Reddekor») des späten 17. vor allem aber des 18. und 19. Jahrhunderts über, bei dem einfache Ritzlinien geblaute und ungeblaute Flächen trennen und das Verlaufen der Farbe verhindern.

 

Engl.: incised decoration made with a forklike tool

Frz.:  décor à la fourchette

Bibliographie:

Büttner 1997
Andreas Büttner, Steinzeug Westerwälder Art des ausgehenden 16. Jh. bis 1800 in Lüneburg (Archäologie und Bauforschung in Lüneburg Band 3), Lüneburg 1997.

Falke 1908
Otto von Falke, Das rheinische Steinzeug, Osnabrück 1908.

Francke 1999
Ursula Francke, Kannenbäcker in Altenrath. Frühneuzeitliche Steinzeugproduktion in Troisdorf-Altenrath, Siegburg 1999.

Frascoli 1997
Lotti Frascoli, Handwerker- und Kaufmannshaushalte im frühneuzeitlichen Winterthur. Untersuchungen zu vier Liegenschaften in der Altstadt (Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 29), Zürich/Egg 1997.

Gaimster 1997
David R. M. Gaimster, German Stoneware 1200-1900. Archaeology and cultural history, London 1997.

Heege 2009
Andreas Heege, Steinzeug in der Schweiz (14.–20. Jh.). Ein Überblick über die Funde im Kanton Bern und den Stand der Forschung zu deutschem, französischem und englischem Steinzeug in der Schweiz, Bern 2009.

Hume 2001
Ivor Noël Hume, If these pots could talk. Collecting 2000 years of British household pottery, Milwaukee, WI 2001.

Koetschau 1924
Karl Koetschau, Rheinisches Steinzeug, München 1924.

Reineking-von Bock 1986
Gisela Reineking-von Bock, Steinzeug (Kataloge des Kunstgewerbemuseums Köln 4), Köln 1986.

Reinhold 1990
Harald Reinhold, Zur Geschichte des Keramikmuseums Westerwald, in: Keramikmuseum Westerwald. Deutsche Sammlung für historische und zeitgenössische Keramik Höhr-Grenzhausen (Museum), Braunschweig 1990, 18-67.

Seewaldt 1990
Peter Seewaldt, Rheinisches Steinzeug. Bestandskatalog des Rheinischen Landesmuseums Trier, Trier 1990.

Skerry/Findlen Hood 2009
Janine E. Skerry/Suzanne Findlen Hood, Salt-Glazed stoneware in early America, Williamsburg 2009.

Solon 1892
Marc Louis Emmanuel Solon, The Ancient Art Stoneware of the Low Countries and Germany or ‘Grès de Flandres’ and ‘Steinzeug’ : Its Principal Varieties and the Places Where it Was Manufactured During the XVIth and XVIIth Centuries, London 1892.

Strauss/Aichele 1992
Konrad Strauss/Frieder Aichele, Steinzeug (Battenberg Antiquitäten-Kataloge), Augsburg 1992.

Gebürsteter Dekor

Die Bezeichnung für diese Dekorart ist ein Notbehelf, da sich zu dieser Dekortechnik bisher in der Literatur kein spezifischer Begriff gefunden hat. “Gebürsteter Dekor” wurde in der “Kunstkeramik A.G. Luzern” unter Franz Loder von etwa 1957 bis 1962 hergestellt. In der vorliegenden Art wurde er das letzte Mal 1962 auf der MUBA in Basel den Kunden angeboten.

Messestand der “Kunstkeramik A.G. Luzern, MUBA 1962, Basel (Foto aus dem Firmenarchiv, heute im Staatsarchiv Luzern).

Zur Herstellung der Dekorschattierungen wird zunächst ein lederhartes Gefäss mit einer dünnen Engobe oder Glasur überzogen (mit der Spritzpistole) und dann ein erstes Mal gebrannt. Anschliessend wird der Schrühbrand nochmals engobiert oder glasiert und gewartet, bis die aufgetragene Schicht angetrocknet ist. Dann werden die Negativmuster mit einem steifborstigen Pinsel in die staubtrockene Oberfläche gebürstet und dabei dort die deckende, oberste Schicht entfernt. Eventuell wird noch eine weitere, z. B. blaue Glasur übergespritzt oder das Stück wird sofort ein zweites Mal gebrannt. Die unterschiedliche Schichtdicke ergibt die Farbabstufungen des Dekors bzw. der Glasurschicht.

Freundliche Hinweise zur Herstellungstechnik Margret Loder, Kunstkeramik A.G. Luzern.

Frz.: décor brossé

Engl.: brushed decoration (selective removal of glaze)