Horizontalstreifendekor

Horizontalstreifendekor in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2022

Eine für die Zeit zwischen 1850 und 1900 sehr charakteristische Gruppe der Irdenwaren trägt in der Deutschschweiz einen weissen, schwarzen, blauen oder schwarzen und weissen Horizontalstreifendekor, der wohl mit einem Pinsel aufgemalt wurde.

Der Dekor findet sich auf zahlreichen Gefässformen: Tassen und Untertassen, Milchtöpfen, kleine Terrinen oder Schüsseln mit eingerollten Horizontalgriffen, Röstiplatten mit scharfkantigem Kragenrand, Butterfässern, Blumentöpfen und schüsselförmigen Deckeln. Alle Stücke tragen eine weisse, beige oder rote Grundengobe. Horizontalstreifendekor ist als zeittypisches Phänomen in der Deutschschweiz sehr weit verbreitet (aktuelle Zusammenstellung mit weiterer Literatur: Heege 2021, 130-131). 1870 war eine Heimberger Terrine mit Horizontalstreifen sogar auf einer Industrieausstellung in London zu sehen (Victoria & Albert-Museum, London Inv. C.612&A-1921). 1894 fertigten die Hafner von Berneck Milchtöpfe mit diesem Dekor (Heege 2016, Abb. 15). Gute Übereinstimmungen im Dekor finden sich auch bei «Milchkannen, Fassform», wie sie das kurz vor 1859 erschienene Warenverzeichnis der Scheller‘schen Steingut-Manufaktur in Kilchberg-Schooren ZH zeigt (Ducret 2007, 28). Auch in einem Verkaufskatalog der Steingutmanufaktur Schramberg (nach etwa 1855) finden sich vergleichbare Irdenware-Produkte (Staffhorst 2020, Nr. 273, «Milchtopf, engobiert»), was angesichts der engen typologischen Verflechtungen der keramischen Fabriken in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht erstaunt. Vermutlich repräsentieren diese Gefässe eine Reaktion auf die ab dem frühen 19. Jahrhundert zunehmend importierten englischen Steingutgeschirre mit horizontaler, bandförmiger Dekoration, sog. «annular» oder «banded wares» (Hume 1969, 131; Majewski/O´Brien 1987, 160–161). Es muss also damit gerechnet werden, dass dieser beliebte Dekor bei zahlreichen Gefässformen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an verschiedenen Orten der Deutschschweiz produziert wurde. Datierte Vorkommen vor 1850 fehlen bislang. Wie weit die Fertigung dieses Dekors ins 20. Jahrhundert hineinreicht (1920/1930?), ist derzeit unklar.

Französisch: décor à bandes horizontales

Englisch: horizontal bands

Bibliographie:

Ducret 2007
Peter Ducret, Bedrucktes Steingut aus der Manufaktur Scheller in Kilchberg, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt Nr. 119/120, 2007.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Heege 2021
Andreas Heege, Neuzeitliche Keramik aus der Chesa Giorgio, S-chanf, Cinuos-chel, in: Archäologie Graubünden 4, 2021, 117-177.

Hume 1969
Ivor Noël  Hume, A guide to artifacts of Colonial America, Philadelphia 1969.

Majewski/O´Brien 1987
Teresita Majewski/Michael O´Brien, The use and misuse of nineteenth-century english and american ceramics in archaeological analysis, in: Michael B. Schiffer, Advances in Archaeological Method and Theory, Bd. 11, 1987, 97-209.

Staffhorst 2020
Andreas Staffhorst, Schramberger Steingut 1820-1882 (Schriftenreihe des Stadtarchivs und Stadtmuseums Schramberg 30), Schramberg 2020.