Knibisdekor

Steinzeug “Westerwälder Art”, Koppchen und Untertassen mit Knibisdekor, Fundstelle Bern, Waisenhausplatz, ca. 1700-1740 (Foto Badri Redha,  Archäologischer Dienst des Kantons Bern)

Andreas Heege 2019

Der Knibisdekor ist eine alte, seit dem Neolithikum, u.a. in der Sahara,  aber auch bei indigenen Völkern der USA (Hopewell pottery) existierende Verzierungstechnik, eine Spezialvariante des Stempeldekors. Sie kann auch als Wiegedekor, Wiegebanddekor oder Schaukeldekor bezeichnet werden.  Besonders häufig begegnet der Knibisdekor in Mitteleuropa seit der Zeit um 1700 auf Steinzeug “Westerwälder Art”.

Unten Modellierholz zur Herstellung von Knibisdekor sowie darüber Einzelstempel zur Verzierung von Steinzeug, Keramikmuseum Oberbetschdorf.

Beim Knibisdekor werden mit dem spatelförmigen Ende eines Modellierhölzchens  (Knibishölzchen, Deijholz) flächige, band-, fächer- oder herzförmige Muster in einer schaukelnden Wiegetechnik in die meist monochrom graue Oberfläche der Gefässe eingedrückt (Foto der Knibistechnik: Bauer u. a. 1986, 180 Abb. 22). Die Kante des Hölzchens kann glatt oder in vielfachen Variationen kammartig gezähnt sein, was eine grosse Variabilität der Muster erlaubt (zur Herstellungstechnik: Reineking-von Bock 1986, 87; Ernewein/Dietrich-Schneider 2006, 14;  Fries 1993, 117-118).

Knibisdekor auf einer Kanne des 19. Jahrhunderts aus Betschdorf, Elsass.

Es entsteht optisch eine ähnliche, jedoch nicht so ausgeprägt reliefierte Oberflächenwirkung wie bei den meist älteren Steinzeuggefässen mit einem flächendeckenden Kerbschnittdekor. Allerdings dürfte der Vorgang der Dekoration wesentlich einfacher auszuführen gewesen sein. Das Fehlen des Knibisdekors in Altenrath bei Siegburg kann als Hinweis gewertet werden, dass diese Dekorationstechnik frühestens kurz vor 1700 allmählich aufkommt (vgl. Francke 1999; Büttner 1997, 56).

Frz.: l’impression pivotante. Bezeichnungen, die die Töpfer in Betschdorf, Elsass verwenden: décor rayonnant (la lame en bois est basculée en mouvement), décoration à la bascule, frise à la bascule, décor basculé

Engl.: rocker-stamped decoration, rocker stamping, rocker stamp decoration

Bibliographie:

Bauer u.a. 1986
Ingolf Bauer/Werner Endres/Bärbel Kerkhoff-Hader u.a., Leitfaden zur Keramikbeschreibung (Mittelalter-Neuzeit). Terminologie-Typologie-Technologie (Kataloge der prähistorischen Staatssammlung Beiheft 2), Kallmünz 1986.

Büttner 1997
Andreas Büttner, Steinzeug Westerwälder Art des ausgehenden 16. Jh. bis 1800 in Lüneburg (Archäologie und Bauforschung in Lüneburg Band 3), Lüneburg 1997.

Ernewein/Dietrich-Schneider 2006
Jean-Louis Ernewein/Caroline Dietrich-Schneider, La poterie de grès au sel, Haguenau 2006.

Francke 1999
Ursula Francke, Kannenbäcker in Altenrath. Frühneuzeitliche Steinzeugproduktion in Troisdorf-Altenrath, Siegburg 1999.

Fries 1993
Heribert Fries, Kurrimurri. Erinnerungen an die Kannenbäcker in Höhr-Grenzhausen, Höhr-Grenzhausen 1993.

Reineking-von Bock 1986
Gisela Reineking-von Bock, Steinzeug (Kataloge des Kunstgewerbemuseums Köln 4), Köln 1986.