Nyon VD, Terribilini, Henri (1898-1982)

Roland Blaettler 2019

Keramik von Henri Terribilini in CERAMICA CH

Der in Montreux geborene Henri Terribilini (1898–1982) wurde im Alter von drei Jahren Waise und folglich mit seiner Schwester und zwei Brüdern von einer Familie in Noville bei Villeneuve aufgenommen. Er besuchte die Schweizerische Keramikschule in Chavannes-Renens (wahrscheinlich 1913/14, da Paul Bonifas sein Klassenkamerad war, wie Familienangehörige dem Museum von Nyon mitteilten) und darauf die von seiner Tutorin Nora Gross (1871–1929) gegründete Schule für dekorative und angewandte Kunst in Lausanne.

In den Jahren 1917 und 1918 dekorierte er flache Schüsseln aus Steingut, deren Marken die Erwähnung «Nyon» tragen (MHPN MH-FA-10010; MHPN MH-1998-140). Im Gegensatz zu gewissen Autoren (Pelichet 1985/2, 36; Desponds 1999, 80) können wir nicht davon ausgehen, dass Terribilini bereits zu diesem Zeitpunkt bei der Manufacture de poteries fines beschäftigt war. Er stand der Manufaktur sicherlich nahe, wahrscheinlich im Gefolge von Nora Gross, die in der gleichen Zeit mit der Manufaktur zusammenarbeitete (siehe das Kapitel «Nora Gross»), aber unserer Meinung nach blieb die Arbeit, die er dort verrichtete, punktuell und rein persönlich. Wie wir dem Kapitel über die Manufaktur entnehmen, pflegte diese, ihre Infrastruktur immer wieder unabhängigen Dekorateuren zur Verfügung zu stellen.

1920 wird er von Georges Vallotton nach Nyon berufen, um ihn in seiner Manufacture de porcelaines décorées als Werkstattmeister zu unterstützen (siehe Kapitel «Georges Vallotton»). Tatsächlich wurde Terribilini erstmals im Mai 1920 im Einwohnerregister von Nyon als Porzellandekorateur eingetragen. Weiter erfahren wir, dass er aus Langenthal kam, wo er in der Porzellanmanufaktur gearbeitet hatte. Nach Angaben der Einwohnerkontrolle reiste Terribilini im Juni 1921 nach Paris. Wahrscheinlich besuchte er zu dieser Zeit, der Familientradition folgend, kunsthistorische Kurse an der École du Louvre.

Im Frühjahr 1922 ernannte ihn der Staatsrat provisorisch zum Fachlehrer für den praktischen Unterricht an der Schweizerischen Keramikschule (Gazette de Lausanne, 4. Mai 1922, S. 2). Im Juni stellt er auf der Exposition nationale d’art appliqué, die vom 6. Mai bis 25. Juni in Lausanne stattfand, zwei Steingutvasen «mit Unterglasurmalerei» aus (Kat. Nr. 222 und 223). Die angegebene Adresse ist Lausanne. Im Indicateur vaudois von 1923 erscheint Terribilini als «Fachlehrer an der Schweizerischen Keramikschule in Renens».

Der einzige bekannte Gegenstand, der mit Terribilinis Tätigkeit an der Keramikschule in Verbindung steht, ist ein kleiner Flacon aus dem Jahr 1923 (MHPN MH-FA-10008). Im Jahr 1924 hielt er sich in Frankreich auf, wo er sein Fachwissen in verschiedenen Keramikfabriken weiter ausbaute, insbesondere in Givors (MHPN MH-FA-10007; MHPN MH-FA-10001; MHPN MH-FA-10003).

Im Jahr 1925 liess sich Henri Terribilini dauerhaft in Nyon nieder, nachdem er von Louis Michaud mit der Leitung der Dekorationswerkstatt der Manufacture de poteries fines beauftragt worden war. Im November desselben Jahres trägt ihn das Einwohnerregister von Nyon zum zweiten Mal ein, diesmal allerdings als «Keramiker».

In der Manufaktur war er wahrscheinlich der Hauptverantwortliche für den Aufschwung des bemalten Dekors in der laufenden Produktion (siehe Kapitel «Manufacture de poteries fines de Nyon S. A.»). Die Vase MHPN  ist vielleicht ein Prototyp des «Cataneo»-Dekors, ein Motiv, das zu einem der wichtigsten Merkmale der Fabrik wurde (siehe z. B. MHPN MH-2003-110; MHPN MH-2003-109; MHPN MH-2015-408; MHPN MH-2003-108).

Ausser der oben gezeigten Vase sind nur wenige von Terribilini signierte Stücke aus der Produktion der Manufaktur bekannt (MHPN MH-FA-10011; MHPN MH-FA-10005). Auch einige unsignierte, innovative Entwürfe können ihm zugeschrieben werden (z. B. MHPN MH-FA 4037; MHPN MH-FA-4039; MHPN MH-FA-4648; MHPN MH-2014-18; MHPN MH-2000-75).

Henri Terribilini verliess die Manufaktur 1928, um sich in der «Villa Saint-Jean» eine eigene Werkstatt einzurichten. Im selben Jahr organisierte er einen «Cours breveté de peinture sur porcelaine par correspondance» (La Revue vom 11. Juli 1928, S. 6, Anzeige), eine Initiative, die gemäss dem Zeugnis eines Familienmitglieds offenbar nur mässigen Erfolg hatte. Im Jahr 1930 zog er in die Villa «La Primevère», rue du Canal 15, wo er bis zu seinem Tod lebte.

Mehr als dreissig Jahre lang widmete sich Terribilini der Malerei auf Porzellan, die weissen Stücke stammten aus deutschen Manufakturen oder aus Langenthal. Am 4. Januar 1930 liess er seine Werkstattmarke eintragen, die aus seinen Initialen, dem Fisch der ehemaligen Porzellanfabrik und dem Schriftzug «Nyon» bestand (SHAB, Bd. 48, S. 349). Die ursprünglichen Fabrikmarken sind in der Regel unter einer goldenen Oberfläche verborgen (MHPN MH-PO-4033; MHPN MH-PO-4036). Die Marke wurde 1950 erneut eingetragen und blieb bis zur Aufgabe des Ateliers in Kraft.

Mit der Zeit verzichtete Terribilini immer mehr auf seine persönlichen Kreationen (MHPN MH-PO-10028; MHPN MH-PO-10029; MHPN MH-PO-10024; MHPN MH-2000-227E), um sich hauptsächlich der Erhaltung der Dekore aus dem Repertoire des Nyoner Porzellans des 18. Jahrhunderts zu widmen (MHPN MH-PO-4036; MHPN MH-PO-4033).

Seinem Beispiel folgten unzählige selbstständige, mehr oder weniger professionelle Dekorateure in der Region Nyon und in der ganzen Schweiz. Keiner dieser Maler erreichte den Ruhm von Henri Terribilini, der 1957 sogar mit der Dekoration des Staats-Service des Waadtländer Staatsrats betraut wurde, einer Serie von 350 Stücken, die für Regierungsempfänge im Schloss Chillon reserviert waren und mit einem «Louis XVI»-Dekor aus «roten Rosen und violetten Schnörkeln» verziert wurden (Nouvelle Revue de Lausanne vom 10. September 1957, S. 5 – Idem, Ausgabe vom 25. März 1965, S. 15).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen

Schweizerisches Handelsamtsblatt ab 1883 (konsultiert auf der Website e-periodica.ch)

Waadtländer Presse und Jahresbücher, konsultiert auf der Website Scriptorium der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne.

Bibliographie

Blaettler 2017
Roland Blaettler, CERAMICA CH III/1: Vaud (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2017, 67-68, 444.

Desponds 1999
Liliane Desponds, Terre d’argile et mains agiles. La poterie de Nyon 1860-1978. Collection Archives vivantes. Yens-sur-Morges 1999.

Pelichet 1985/2
Edgar Pelichet, Les charmantes faïences de Nyon. Nyon 1985.