Töpferofen

Reste zweier Irdenware-Töpferöfen der Hafnerei Staub in Langenthal BE (Foto Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Andreas Heege)

Der Töpferofen (oder einfacher der “Ofen”),  ist das wichtigste Arbeitsgerät des Töpfers bzw. des industriell arbeitenden Fayence-, Steingut-, Steinzeug- oder Porzellanproduzenten. Es erstaunt daher nicht, dass es in allen Ländern der Welt mit Keramikproduktion unterschiedliche technologische Lösungen gegeben hat, um die gewünschten Brenntemperaturen und die benötigte Ofenatmosphäre zu erreichen.

Schnitte durch den Porzellanbrennofen der Manufaktur Frankental aus dem Jahr 1765 (Foto BNM).

Töpferöfen sind zwischen dem 6. und 20. Jh. in D, B, NL, A, CH ein recht häufiger archäologischer Befund. Betrachtet man die Qualität der Grabungsdokumentationen, die Erhaltung der Öfen und ihre regionale oder zeitliche Verteilung, so werden verschiedene Forschungsdefizite deutlich. Nur wenige Öfen sind vollständig im Aufgehenden erhalten oder in Form von historischen Planunterlagen dokumentiert. Die meisten Öfen wurden bei archäologischen Ausgrabungen freigelegt und dokumentiert. Seit dem zweiten Weltkrieg handelt es sich in der betrachteten Region um über 100 Töpferöfen pro Jahrzehnt.

Die Anzahl nachgewiesener Töpferöfen schwankt in Abhängigkeit von der Flächengrösse des untersuchten Landes. Daher überrascht die Vielzahl der Öfen in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Untersucht man jedoch die Verteilung auf die einzelnen deutschen und österreichischen Bundesländer, schweizerischen Kantone, belgischen Regionen bzw. niederländischen Provinzen so werden erhebliche Unterschiede deutlich. Die Ursachen für die regionalen Unterschiede sind zumindest teilweise in spezifischen Forschungs- und Arbeitsschwerpunkten der verschiedenen archäologischen Institutionen bzw. sonstigen Fachdisziplinen (z.B. Volkskunde, europäische Ethnologie, Baudenkmalpflege) zu suchen.

In allen betrachteten Ländern gibt es erhebliche Lücken in der chronologischen Verteilung der Töpferofenbefunde. Chronologische Problemhorizonte sind nahezu überall das 10.-11. Jh. sowie das späte 14. bis frühe 16. Jh. Auch für das 18. und 19. Jh. mangelt es an Ausgrabungsbefunden. Dies wird jedoch durch Pläne aus Bauakten oder bauhistorische Aufmasse etwas ausgeglichen. Das 6.-8. Jh. bzw. das späte 12. bis frühe 14. Jh. können als tendenziell gut untersucht gelten. Die vorhandenen chronologischen Lücken erschweren die Erarbeitung kontinuierlicher technologischer Entwicklungslinien oder machen sie teilweise sogar unmöglich. Sie bewirken auch, dass zu Fragen der wechselseitigen technologischen Beeinflussungen kaum mehr als Spekulationen möglich sind. Zum besseren Verständnis, vor allem der frühen westeuropäischen Einflüsse (liegende Öfen), bedürfte es dringend einer kritischen Sichtung der (nord)französischen Ofenbefunde.

Die Existenz grosser Töpferzentren oder Töpfereiregionen wirkt sich in der Tendenz zwar zahlenmässig auf den Nachweis von Töpferöfen aus. Jedoch spiegelt sich die große Anzahl ehemals vorhandener Werkstätten nicht zwingend in einer vergleichbaren Zahl an Ausgrabungen oder Dokumentation oberirdisch erhaltener Öfen (z.B. Brunssum-Schinveld NL, Siegburg, Nordrhein-Westfalen D, Westerwald, Rheinland-Pfalz D, sächsische Steinzeugzentren D, Kröning in Bayern D etc.).

Aus den Ofenbefunden lassen sich zwei Grundtypen herauskristallisieren:

1. Stehende Öfen mit horizontaler Trennung von übereinander liegendem Feuerungs- und Brennraum durch eine Loch- oder Schlitztenne, konzipiert als Kuppelofen oder Schachtofen. Es handelt sich um Öfen mit vertikalem Zug.

2. Liegende Öfen mit vertikaler Trennung von schräg hintereinander liegendem Feuerungs- und Brennraum. Die Trennung bildet eine durchbrochene Ständerwand oder ein Feuergitter aus Topf- oder Tonsäulen. Es handelt sich um Öfen mit diagonal/horizontalem Zug. Das Zugsystem setzt entsprechend angeordnete Abzugslöcher im Ofengewölbe oder an der hinteren, unteren Ofenbasis voraus. Ein Schornstein oder Kamin ist nicht zwingend erforderlich, sorgt jedoch für optimaleren Zug.

Diese Grundtypen lassen sich aufgrund der Grundrisse und verschiedener baulicher Details weiter differenzieren. Bei den stehenden Öfen gibt es zwei Gruppen mit rundlichem und rechteckigem Grundriss, die beide auf römische Wurzeln zurückgehen. Für die liegenden Öfen lassen sich zwei unterschiedliche Entwicklungsstränge erkennen. Zum einen werden stehende Öfen mit Schlitztenne zu liegenden Öfen mit Ofenzunge weiterentwickelt. Zum anderen führt die Reduktion der Ofeninnenkonstruktion zu liegenden Einkammeröfen bzw. liegenden Öfen mit Feuergitter. Diese bilden die Grundlage für die zwei weiterführenden Entwicklungsstränge der rheinländischen ovalen Steinzeugöfen mit untergebauter Feuerung und der liegenden Irdenware- und Steinzeugöfen mit langovalem Grundriss. Letztere sind in Niedersachsen, Sachsen, Thüringen und Bayern verbreitet.

Eine letzte umfassende Zusammenstellung zum Thema (ohne den angloamerikanischen und asiatischen Raum) erfolgte 2007 (Heege 2007; Heege 2013; Heege 2015). Für den Stand der Forschung in Frankreich vgl. Thuillier/Etienne Louis 2015. Eine grundlegende Bearbeitung der Porzellanöfen Mitteleuropas steht aus (Milly 1771;  Hofmann 1921-1923; Weihs 1990, Weihs 1993; Krabath 2011; Matter 2012). Für den technologischen Stand der industriellen Öfen in Mitteleuropa im frühen 19. Jahrhundert siehe Brongniart 1844.

Weiterführende Literatur zu Töpferöfen

Töpferöfen – Fours de potiers – Pottery kilns – Deutsch

Fours de potiers – Töpferöfen – Pottery kilns – Französisch

Pottery kilns – Fours de potiers – Töpferöfen – Englisch

Pottenbakkersovens – Töpferöfen – Pottery kilns – Niederländisch

Töpferöfen – Pottery kilns – Fours de potiers: Glossar D – F – E

Töpferöfen im 15./16. Jahrhundert – Deutsch

Craftmen’s Pottery Kilns in Belgium, The Netherlands, Germany, Austria and Switzerland – Englisch

Töpferofen in der Region Heimberg und der Schweiz – Deutsch

Töpferöfen in Langenthal

Frz.: Four, Four de potier

Engl.: Kiln, Pottery kiln

Bibliographie:

Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.

Brongniart 1844
Alexandre Brongniart, Traité des arts céramiques ou des poteries considérées dans leur histoire, leur pratique et leur théorie, Paris 1844.

Heege 2007
Andreas Heege, Töpferöfen-Pottery kilns-Fours de potiers. Die Erforschung frühmittelalterlicher bis neuzeitlicher Töpferöfen (6.-20. Jh.) in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz (Basler Hefte zur Archäologie 4), Basel 2007.

Heege 2007
Andreas Heege, Töpferöfen-Pottery kilns-Fours de potiers. Die Erforschung frühmittelalterlicher bis neuzeitlicher Töpferöfen (6.-20. Jh.) in Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz (Basler Hefte zur Archäologie 4), Basel 2007.

Heege 2009
Andreas Heege, Töpferöfen im 15./16. Jahrhundert. Innovation oder Stagnation?, in: Barbara Scholkmann/Sören Frommer/Christina Vossler u.a., Zwischen Tradition und Wandel. Archäologie des 15. und 16. Jahrhunderts, Bd. 3 (Tübinger Forschungen zur historischen Archäologie), Büchenbach 2009, 181-190.

Heege 2010
Andreas Heege, Töpferöfen im Rheinland, in: Thomas Otten (Hrsg.), Fundgeschichten. Archäologie in Nordrhein-Westfalen, Köln 2010, 193-197.

Heege 2013
Andreas Heege, Craftmen’s Pottery Kilns in Belgium, The Netherlands, Germany, Austria and Switzerland, in: Natascha Mehler, Historical Archaeology in Central Europe (Society for Historical Archaeology, Special Publication Number 10), 2013, 279-294.

Heege 2015
Andreas Heege, Fours de potier du haut Moyen Âge en Allemagne, Suisse, Belgique, aux Pays-Bas et en Autriche, in: Freddy Thuillier/Etienne Louis, Tourner autour du pot … Les ateliers de potiers médiévaux du Ve au Xiie siècle dans l’espace européen (Publications du Centre de Recherches Archéologiques et Historiques Médievales, CRAHAM), Turnhout 2015, 583-593.

Hofmann 1921-1923
Friedrich H. Hofmann, Geschichte der Bayerischen Porzellan-Manufaktur Nymphenburg. Bd. I: Wirtschaftsgeschichte und Organisation. Bd. II: Werkbetrieb und Personal. Bd. III: Produktion und Verschleiß, Leipzig 1921-1923.

Krabath 2011
Stefan Krabath, Luxus in Scherben. Fürstenberger und Meissener Porzellan aus Grabungen, Dresden 2011.

Matter 2012
Annamaria Matter, Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren. Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763-1906 (Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43), Zürich 2012.

Milly 1771
Nicolas Chrétien de Thy Comte de Milly, L’ art de la porcelaine (Nachdruck Slatkine Reprints Genève 1984) (Description des arts et des métiers), Paris 1771.

Thuillier/Etienne Louis 2015
Freddy Thuillier/Etienne Louis, Tourner autour du pot … Les ateliers de potiers médiévaux du Ve au Xiie siècle dans l’espace européen (Publications du Centre de Recherches Archéologiques et Historiques Médievales, CRAHAM), Turnhout 2015.

Weihs 1990
Michael Weihs, Ergebnisse der archäologischen Untersuchungen zwischen 1985 und 1989 auf dem Gelände der ehemaligen Porzellanmanufaktur Ludwigsburg, in: Wilhelm Siemen (Hrsg.), Die Ludwigsburger Porzellanmanufaktur einst und jetzt (Schriften und Kataloge des Museums der Deutschen Porzellanindustrie 23), Hohenberg 1990, 30-61.

Weihs 1993
Michael Weihs, Zum Abschluß der Grabungen in der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1992, 1993, 396-399.