Schüpbach BE, Töpferei Kohler

Schüpbach, um 1928. 1 Standort der ersten Töpferei im Keller des Gasthof Kreuz, 1869-1879. 2 Töpferei von 1879-1926. 3 Neuerbaute Töpferei Kohler von 1927 bis heute. Nördlich der Brücke über die Emme liegen die Dorfteile „Bord“ und „Fuhren“.

Noch in Bearbeitung

Andreas Heege, Andreas Kistler, 2023
Unter intensiver Nutzung der Seminararbeit von Fanny Ruesch (1984) und aufgrund von Erzählungen und Informationen von Ueli Kohler

Keramik der Töpferei  Kohler in CERAMICA CH

Einleitung – Die Töpfer in der Gemeinde Signau

Schüpbach im Emmental ist ein Teil der heutigen Gemeinde Signau im Kanton Bern. Als Töpferort lag Schüpbach immer etwas im Schatten von Langnau, wo seit Beginn des 17. Jahrhunderts eine grössere Anzahl von Werkstätten der Töpferfamilie Herrmann existierte.

Ein erster Töpfer in der Gemeinde Signau lässt sich 1798 nachweisen, als ein Johannes Schüpbach aus Schüpbach (1750-?) mit dem Wohnort Signau im Helvetischen Bürgerregister verzeichnet wird (Rohrbach 1999, Bd. 2, S. 701). Wo er seine Werkstatt hatte, wissen wir nicht. Archivalisch lässt sich belegen, dass zwischen 1835 und 1848 in Signau ein Töpfer mit Namen Christian Herrmann (1793-1851) arbeitete, der aus Langnau stammte. Auch hier sind die Lage der Werkstatt und das Produktionsspektrum unbekannt (Heege/Kistler 2017, 90-91). Gleiches gilt für den Töpfer Jakob Ryser, für den Nachweise zwischen 1851 und 1864 vorliegen (StAB Bez Signau B19 und B20). Nach Informationen von Ulrich Kohler, existierte die Töpferei Ryser in Signau , im Moserhaus (Dorfstrasse 58), bis 1920. Familienmitglieder arbeiteten später bei Oswald Kohler und einzelne Teile der Werkstatt-Ausstattung wurden von Kohlers übernommen.

Die ersten nachweisbaren Töpfer auf dem Gemeindeteilgebiet von Schüpbach waren die Töpfer Johann Liechti (1856 und 1860) und Carl Liechti (1860 und 1861, StAB Bez Signau B20).

Lage der 2022/2023 abgebrochenen Töpferei in Schüpbach-Fuhren bzw. Port/Bord, Kartengrundlage Swisstopo, Zeitreise, Datierung 1893.

Zumindest für Letzteren wird als Wohnort Schüpbach-Fuhren bzw. Schüpbach-Fuhren, Port (Bord) angegeben. Damit hätte die Töpferei auf der Nordseite der Emme Richtung Langnau gelegen. Einer der Töpfer Liechti war der Lehrmeister für Niklaus Kohler (s.u.).

Für den Standort Schüpbachfuren finden sich auch noch Angaben zum Töpfer Johannes Lüthi (1859 und 1860, StAB Bez Signau B20). Vielleicht existierten in diesem Ortsteil von Schüpbach kurzfristig also zwei Töpfereibetriebe, über deren weiteres Schicksal wir nichts wissen.

Der Hafner Johannes Lüthi wurde am 2.2.1834 geboren (alle folgenden Informationen von Daniel Dähler, Wynigen, herzlichen Dank!). Seine Eltern Johannes Lüthi (Heimatort Lauperswil) und Anna Barbara Riser (Heimatort Sumiswald) lebten damals in Bowil (KR Grosshöchstetten, 10/94). Administriert wurde Johannes 1850 in Signau (KR Lauperswil 21/58). Er heiratete am 1. Juli 1858 in Laufen ZH Anna Gisel (1830-?) aus Wilchingen SH (KR Lauperswil 21/58). Beim Hochzeitseintrag wird als Beruf „Hafner in Wilchingen“ (Kanton Schaffhausen) angegeben.  Am 24.10.1858 tauften sie dort ihre erste Tochter Elisabeth (KR Lauperswil 17/93). Das zweite Kind Johann Willibald tauften sie dann aber am 9. Dezember 1859 in Signau BE, dabei wird  Johannes als „Hafner auf der Schüpbachfuhren“ bezeichnet (KR Lauperswil 171/110). Hier blieb Johannes aber nur kurz. Am 13. Juli 1860 verkaufte Niklaus Schärer, der Zimmermann im Wächterhäusli zu Wynigen die Töpferei seines verstorbenen Sohnes Jakob Schärer in Wynigen, Neumattweg 11,  „DAS VON IHM SELBST NEU AUFGEBAUTE WOHNHAUS MIT HAFNEREI, aussenher Wynigendorf,  … mit dem Recht zum halben Wasser, von dem dabei auslaufenden Brunnen. Dazu das Erdreich, worauf das Gebäude steht, samt dem Garten vor demselben, alles ca. ¼ Jucharte haltend …“  an Johannes Lüthi, Heimatort Lauperswil, als Hafner wohnhaft in Schüpbach bei Signau (Grundbuch Wynigen 15/322). Mit dem Kauf eines Hafnerhauses in Wynigen wurde Lüthi offenbar nicht glücklich, denn er verkaufte es bereits am 16. Dezember 1861 wieder an die Gebrüder Jakob und Ludwig Althaus von der Schwarzenegg, Hafner in Langnau (Grundbuch Wynigen 15/554). Er selbst ging offenbar mit seiner Familie zurück nach Wilchingen SH, wo der „Hafner zu Wilchingen“ am 3. Januar 1864 eine Tochter mit Namen Anna taufen liess (KR Lauperswil 17/166).

Für das südlich gelegene Dorf Schüpbach selbst haben wir erste Töpfernachweise aus den Jahren 1865 und 1866 (Töpfer Lehmann, StAB Bez Signau B20), 1867 und 1868 (Töpfer Gottlieb Wüthrich, StAB Bez Signau B20) und 1868 und 1869 (Töpfer Christian Bieri,  StAB Bez Signau B20). Für keine dieser Töpfereien kennen wir die Bestandszeit oder das Grundstück). Einer dieser Betriebe mag, nach den Erinnerungen von Familie Kohler, an der heutigen Hauptstrasse 17 in Schüpbach gelegen haben.

Töpfermeister Fr. Dällenbach (1864-1937) lässt sich aufgrund von Archivalien und Zeitungsinformationen zwischen 1898 und 1937 sicher nachweisen (StAB Bez Signau B 754, B 755). Seine Töpferei lag nach Aussage von Familie Kohler „Im Schachen“, Schachenweg 5.

Töpfer Jakob Berchtold erscheint zwischen 1902 und 1908 in Zeitungsannoncen und Quellen (StAB Bez Signau B 755). Diese Töpferei lag nach Aussagen von Familie Kohler an der Eggiwilstrasse 43 und soll um 1935 die Produktion eingestellt haben (Ruesch 1984, 1) .

Die Töpferei Kohler in Schüpbach

Niklaus und Marianne Kohler und ihre Kinder, Schüpbach, vor 1922 (Foto Ulrich Kohler, Schüpbach).

Niklaus Kohler (1843-1927), der nach familiärer Überlieferung seine Töpferei 1869 in Schüpbach einrichtete, scheint aufgrund von beschäftigten Gesellen nur 1891 und 1904/1905 in den Quellen auf (StAB Bez Signau B 753, B 755), jedoch ist die familiäre Überlieferung aufgrund der Arbeit von Fanny Ruesch (Ruesch 1984) wesentlich dichter.

Stammbaum Kohler-Gerber-Aebi

Familie Kohler ist in Landiswil BE heimatberechtigt (Burgerrodel Landiswil, 4, 21). Niklaus Kohler (1843-1927, Burgerrodel Landiswil 5, 616) , der erste Töpfer, wurde in Langnau als Sohn eines Ziegenhirten in ärmlichen Verhältnissen geboren und wuchs dort auf. Er machte nach Familienüberlieferung seine Lehre bei Töpfer Liechti in Schüpbach (also wohl Schüpbach-Fuhren), nachdem er bereits vorher eine Lehre als Bierbrauer im Gasthof „Löwen“ in Langnau absolviert hatte.

Er liess sich vor 1869 in Schüpbach nieder und richtete seine Töpferei zunächst in einem Kellerraum des heutigen Gasthauses „Kreuz“ in Schüpbach, Eggiwilstrasse 1, ein (Ruesch 1984, 9). Am 6.7.1866 heiratete er Marianne Salzmann aus Signau, die in der Gegend als „Heilerin“ bekannt war. Nach Familienerinnerungen hat sie im Betrieb nicht als Malerin mitgearbeitet. Etwa 10 Jahre blieb die Töpferei an diesem Ort. Die Familie lebte im gleichen Haus. Um 1879 erwarb Niklaus Kohler in der Nachbarschaft am Schüpbachkanal eine ehemalige Gerberei (ehemals Eggiwilstrasse 81, heute Eggiwilstrasse 11).

Töpferei Eggiwilstrasse 11, gezeichnet von Oswald Kohler, 1929.

Ausser der Werkstatt gehörte ein kleiner Stall mit Scheune zur Einrichtung des Hauses. Im Nachbarhaus, auf der anderen Seite des Schüpbachkanals (ehemals Eggiwilstrasse 80, heute Eggiwilstrasse 9), war zu diesem Zeitpunkt eine Glätte- bzw. Glasurmühle untergebracht. Von dort bezog Niklaus Kohler seine Glasuren. Den Ton grub Niklaus Kohler zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der Gemeinde Eggiwil beim „Gäumenhüsi“. Die anfallenden Fehlbrände habe man normalerweise in der Emme versenkt.

Im Haus Eggiwilstrasse 11 lebten im frühen 20. Jahrhundert zeitweilig vier Parteien, neben den Familien von Niklaus und Oswald Kohler u.a. auch die Familie Adolf Gerber und Marie Kohler. Das grösste Problem dieser Liegenschaft war ein sehr hoher Grundwasserstand, der offenbar immer wieder auch den Brennofen und seine Basis beeinflusste und zu erheblichen Verlusten beim Brenngut führte. Pläne den Ofen anzuheben, wurden letztlich nicht realisiert.

Aus der ersten Zeit der Töpferei haben sich auch vier signierte und teilweise datierte Malhörnchen erhalten.

Möglicherweise stammen aus der Zeit von Niklaus Kohler auch ein Sieb und ein Schmalztopf mit Stülpdeckel.

Im Besitz der Töpferfamilie Kohler hat sich ein grosser Teller erhalten, der im Blumendekor (Veilchen und Tulpen) und in der Tatsache, dass eine weisse Grundengobe über einer dunkelbraunen Grundengobe liegt, noch Anklänge an Heimberger Traditionen der 1860er- bis späten 1870er-Jahre zeigt. Allerdings ist die Rückseite in einem ungewöhnlichen Gelbgrün glasiert, sodass die Datierung des Stücks (1880er-/1890er-Jahre?) nicht leicht fällt. Aufgrund einer Familientradition wird dieses Stück Oswald Kohler, sen. (1886-1955) zugeschrieben, müsste aus chronologischen Gründen aber eher in der Zeit von Niklaus Kohler entstanden sein. Zudem erinnert der ausgestreckte Arm der Helvetia an das zwischen 1850 und 1874 übliche Münzbild der sitzenden Helvetia mit ausgestrecktem Arm und nicht an jenes der stehenden Helvetia mit Speer und Schild, das seit 1874/1875 geprägt wurde. Die Zeit der Pfahlbaubegeisterung lag ebenfalls in den 1870er-Jahren.

Niklaus Kohler und Marianne Salzmann bekamen elf Kindern, von denen nur Oswald Kohler (1886-1955) in die Fussstapfen seines Vaters trat. Eine unverheiratete Schwester arbeitete in der Töpferei mit. Oswalds Schwester Marie (1882-1935) heiratete am 11. Mai 1904 den Töpfergesellen Adolf Gerber (1879-1951) von Hasle. Oswald Kohler (1886-1955) machte seine Lehre im Betrieb seines Vaters und besuchte nie eine Berufsschule. Einzige Weiterbildung war der Besuch der Zeichenkurse durch den Kunstgewerbelehrer Paul Wyss, der sich sehr um die Neubelebung des Töpferhandwerks bemühte.

Ab November 1909  bildete Paul Wyss auch in Langnau  die Hafner und Keramikmalerinnen weiter (Zeichenkurs). In einem biographischen Abriss zu seinem 60. Geburtstag wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass Hafner aus Langnau, Schüpbach, Grünenmatt und Oberburg an seinen Kursen teilnahmen (Messerli 2017, 93).

Intelligenzblatt der Stadt Bern  16. und 25. August 1910.

Leider werden keine Namen genannt, doch dürfen wir auch aufgrund der späteren Kontakte und Produkte davon ausgehen, dass es sich u.a. um Mitarbeiterinnen, Kinder, Gesellen oder Meister der Töpfereien Gerber in Hasle, Gerber in Grünen bei Sumiswald, Kohler in Schüpbach, Mosimann in Oberburg sowie Röthlisberger, Aegerter und Werthmüller in Langnau gehandelt haben dürfte (vgl. Heege/Kistler 2017, Hafnertabelle).

1909 übernahm Oswald Kohler (1886–1955)  zusammen mit seinem Schwager Adolf Gerber (1879–1951) die Werkstatt in Schüpbach pachtweise. Jedoch trennte man sich vermutlich auch aus räumlichen Gründen bereits 1911 wieder und Adolf Gerber übernahm die Werkstatt Langnau, Güterstrasse 3.

Aus der gemeinsamen Zeit von 1909 bis 1911 haben sich immerhin einige wenige Keramikobjekte erhalten, die auch den Einfluss von Paul Wyss sehr schön verdeutlichen.

 

Herausragend ist eine 1910 datierte und gemarkte Kanne, die sich heute in der Sammlung Werner Gut (KunstGut), Triengen befindet.

Undatierter Entwurf, Archiv Töpferei Kohler.

 

Undatierter Entwurf, Archiv Töpferei Kohler.

Aus der gemeinsamen Zeit von Adolf Gerber und Oswald Kohler (1909 bis 1911) haben sich immerhin einige wenige Keramikobjekte erhalten.

Unsignierter Teller wohl aus der Werkstatt Kohler/Gerber, 1909-1911, dazu eine Skizze aus dem Archiv der Töpferei Kohler.

Perlrollstempel aus Messing. In der Werkstatt Adolf Gerber in Hasle bzw. in Langnau und in der Werkstattgemeinschaft Gerber/Kohler dekorierte man damit Standringe der Bodenunterseite und selten umlaufende Grate der Schauseite (siehe oben).

Die Spuren von Paul Wyss sind im Schaffen von Oswald Kohler, sen. gut zu verfolgen und durch verschiedene in der Töpferei erhaltene Entwurfszeichnungen dokumentiert. Welche Entwürfe dabei tatsächlich von Wyss stammen und welche von Oswald Kohler oder Adolf Gerber, ist mangels Signaturen unklar. Denkbar sind auch Nachschöpfungen nach Ideen oder Vorbildern von Paul Wyss.

Vorlagen aus der Zeit um 1909 wurden noch 1998 für die Dekoration verwendet (Archiv Töpferei Kohler).

Die Zeit des ersten Weltkrieges war eine Krisenzeit für die Werkstatt Kohler, da Oswald Kohler, wiederholte Male zum Kriegsdienst und der Grenzbesetzung eingezogen wurde und die Werkstatt ohne Gesellen keinen Verdienst abwarf. Bertha Lüthi (1884-1933), die Ehefrau von Oswald Kohler, hatte grosse Schwierigkeiten die Familie mit zwei kleinen Kindern (Hans, geboren 1909 und Oswald, geboren 1914) durchzubringen. Im Jahr 1920 übernahm Oswald Kohler den Betrieb von seinem Vater Niklaus. Von 1925 bis 1933 war Oswald neben Johann Röthlisberger aus Langnau, Adolf Schweizer aus Steffisburg und Franz Aebi aus Hasle Beisitzer im Vorstand des Bernischen Töpfermeisterverbandes (SHAB 48, 1930, 2401; 53, 1934, 60). Präsident und Vizepräsident waren zu diesem Zeitpunkt Gottfried und Fritz Hänni aus Heimberg. Oswald grub seinen Ton ebenfalls in der Gemeinde Eggiwil in der „Mosmatt“.

Hafnerei Kohler, Eggiwilstrasse 15, 1927. Vor dem Haus stehen Niklaus Kohler, Franz Kohler, Hans Kohler und Bertha Kohler-Lüthi mit der Tochter Erna Kohler auf dem Arm.

Nun wurden Pläne geschmiedet, eine neue Werkstatt zu bauen. 1926 nahm man auf dem heutigen Grundstück Eggiwilstrasse 15 einen Neubau in Angriff, der 1927 fertiggestellt war. Die Werkstatt befand sich im Erdgeschoss, darüber die Wohnräume, eine Stallteil mit Kuh- und Schweinestall war angebaut. Die Wohnung im Obergeschoss war über eine Treppe auf der Gebäuderückseite erreichbar. Das Gebäude war teilunterkellert. Im Keller befand sich das Tonlager und die Tonaufbereitung. In der Aufteilung entsprach das Haus typischen Töpferhäusern, wie wir sie auch aus Heimberg und Steffisburg kennen. Auf der Strassenseite richtete man einen kleinen Verkaufsladen ein. Die Masse des Verkaufs lief jedoch über Zwischenhändler und Hausierer, die oft Ware zweiter Wahl mitnahmen.

Oswald Kohler schaffte zu einem unbekannten Zeitpunkt für sich einen Markenstempel an, der im Original erhalten ist, dessen Gebrauch  aber bislang nur auf sehr wenigen Keramiken auch wirklich nachgewiesen werden konnte.

 

Besonders charakteristisch sind für die Hafnerei Kohler in dieser Zeit die mit der Schablone aufgemalten Bären auf Milchtöpfen, Terrinen und Tabaktöpfen.

 

Oswald Kohlers Ehefrau Bertha Lüthi (1884-1933) starb bereits 1933. Er heiratete später Ida Ramseier (1905-1987), die nach Berthas Tod als Haushälterin in die Familie gekommen war.

Nach 1920 arbeitete die Hafnerei Kohler möglichst ohne externes Personal, während alle Kinder aus erster Ehe (Hans, Oswald, Franz, Erna, und Bertha) zumindest vorübergehend in irgendeiner Form im Betrieb tätig waren. Hans wurde später Landwirt. Die beiden jüngsten Söhne aus der zweiten Ehe mit Ida Ramseier (1905-1987), Niklaus (1942-?) und Rudolf (1947-?), wurden Mechaniker bzw. kaufmännischer Angestellter.

Datierte Keramiken sind aus den 1930er-Jahren quasi nicht erhalten.

Im Oktober 1935 beteiligte sich die Hafnerei Kohler auch an dem zum zweiten Mal stattfindenden Chachelimärit im Bernischen Gewerbemuseum.

1935 wurde aus der Liquidation der Töpferei Karl Hodel, Steffisburg-Station, Alte Bernstrasse 135 (1907-1936) die erste elektrische Töpferscheibe für den Betrieb angeschafft. Im Laufe der Zeit kamen zwei weitere elektrische Scheiben hinzu.

1938 wurde die Töpferei Oswald Kohler auch im Schweizerischen Handelsamtsblatt verzeichnet (SHAB  56, 1938, 2357).

1938 errichtete man auf der Nordseite einen zusätzlichen Schuppen für eine Tonaufbereitung. Sämtliche Maschinen und Geräte hatte man von der in Konkurs gegangenen Töpfergenossenschaft in Steffisburg zum Preis von Fr.  5.000 (Neupreis Fr. 13.000) kaufen können. Diese Anlage blieb bis 2013 in Betrieb (Film zur Tonaufbereitung ab Minute 0:23 bis 3:05).

Tonaufbereitung, Zustand vor 1984 (aus Ruesch 1984).

Vor dem Kauf der Trommelmühle war die Tonaufbereitung bei Kohlers sehr mühsam. Bis Ende der 1920er-Jahre wurde der Ton in der Werkstatt nur mit Muskelkraft aufbereitet. Man schichtete zwei qualitativ verschiedene Tonsorten aufeinander und trat mit Holzschuhen an den Füssen die Tonmasse solange, bis sie hinreichend gemischt war. Danach wurden Tonbrocken auf einen im Keller stehenden Tisch geschlagen um Luft zu entfernen. Anschliessend wurde der Ton aufgeschichtet und mit einer Sichel in schmale Scheiben geschnitten und gröbere Verunreinigungen (Steine und Wurzeln) herausgelesen. Anschliessend wurde der Ton im Erdgeschoss von Hand durch eine „Lättwalze“ gedreht. Dabei konnten die letzten Steinchen herausgelesen werden. Der fertige Ton wurde im Tonkeller gelagert, wo er „reifen“ konnte. Vor der eigentlichen Verwendung wurde er noch einmal angefeuchtet, durchgeknetet (entlüftet) und nach Augenmass portioniert. In späteren Jahren wurden die Tonmengen je Objekt möglichst genau ausgewogen, um die Arbeit beim Abdrehen zu reduzieren.

Vor 1938 wurde wiederholt auch Ton gebrauchsfertig zugekauft. 1949 mischte man 2/3 blaugrauen Ton aus der Gegend von Sumiswald BE mit 1/3 rotem Ton aus Herbligen BE. Ab 1980 verwendete man selbtstabgebauten blauen Ton aus Eggiwil BE „Hindten Grosstannen“ (70%) und roten, kalkfreien Ton aus Dättnau ZH (20%). Daneben wurden in kleineren Mengen je 5% Schlämmsand mit hohem Kalkanteil (Verhinderung von Glasurrissen) , Glimmermehl (Leukophyllit, Rissfestigkeit bei hohen Temperaturen)  und Tonabfälle zugesetzt.

Vor dem zweiten Weltkrieg kaufte man die Glasuren überwiegend in Meissen, später wich man auf Lieferanten aus der Tschechoslowakei aus. In den 1980er-Jahren existierten fünf verschiedene Glasurrezepte, die alle einen transparenten Überzug ergaben. Die vorbereitete, teilweise selbst in einer speziellen Trommelmühle gemahlene Glasur, wurde in Fässern aufbewahrt. Die Glasur wurde in der Regel angegossen, seltener wurden kleinere Gefässe getaucht oder die Glasur wurde mit der Spritzpistole aufgetragen.

Aufgrund der Kriegskonjunktur während des zweiten Weltkriegs waren die Absatzmöglichkeiten gesichert. Zugleich waren die Töchter zu Malerinnen herangewachsen, sodass die Malstube zusätzlichen Platz benötigte.  1943 erweiterte man daher die Töpferei durch einen rückwärtigen Flügelanbau auf etwa die doppelte Grundfläche.

Grundriss Kellergeschoss, vor 1984 (Fanny Ruesch 1984).

Grundriss Erdgeschoss, vor 1984 (Fanny Ruesch 1984).

Im Keller entstand ein Lager, die Werkstatt wurde in diesen neuen Trakt verlegt. Gebrannt wurde nach wie vor in einem für die Region typischen rechteckigen, stehenden Holzbrandöfen. Der Kohler’sche Ofen fasste etwa 5 m3. In der untersten eingesetzten Ofenlage befanden sich meist Blumentöpfe, bessere Ware darüber. Ein Brand verbrauchte vier Ster Holz und dauerte 14 Stunden. Gebrannt habe man vor allem bei Bise, wegen Flugaschebildung aber nie bei Föhn. Vor allem um Ascheverunreinigungen zu vermeiden, wurden Flachformen wie Teller und Röstiplatten im Ofen vertikal (gerollt) eingesetzt.

Im Gegensatz zu Ihrem Vater Oswald lernten die beiden Söhne Oswald, jun. (1914-2003) und Franz (1921-1998) nach ihrer betriebsinternen Lehre bzw. Ausbildungskursen an der Keramikfachschule in Bern auch andere Hafnereibetriebe kennen.

Prüfungsstück als Dreher von Oswald, jun., in der Keramikfachschule in Bern im Wintersemester 1932/33  von einem/einer anderen Keramikmaler/Keramikmalerin bemalt.

Oswald arbeitete in den 1930er-Jahren für längere Zeit bei Robert Gottfried Hänni (1900-1947) in Steffisburg, Alte Bernstrasse 161, wo er das Malen mit dem Malhorn erlernte. Diese Fertigkeit gab er schliesslich an seine Schwestern Bertha und Erna weiter. Erna bildete sich auch für kurze Zeit in der Keramikfachschule in Bern weiter und wurde von der Porzellanmalerin Frau Fischer, die oft im Betrieb arbeitete (nicht als Angestellte) in ihren Maltechniken und den Dekoren beeinflusst.

Von Franz Kohler haben sich Arbeiten mit einem gehackten Dekor aus dem zweiten Lehrjahr 1938 erhalten. Diese Art der Oberflächenstrukturierung wurde im Betrieb bis in die 1970er-Jahre gefertigt.

Das Prüfungsstück von Franz Kohler aus dem Jahr 1940, wirkt fast schon wie Keramiken aus den 1950er-Jahren.

Franz Kohler kam 1944 für eine kurze Zeit nach Luzern, wohl zur Kunstkeramik A.G. Die dortige Weiterbildung musste er jedoch wegen einer Gelbsucht seines Vaters bald wieder abbrechen. Eine Zeit lang arbeitete er auch in der Töpferei Willy Lanz in Gwatt bei Thun, wo er vor allem den Brand im Elektroofen kennenlernen sollte. Anschliessend arbeitete er einige Zeit in der Werkstatt Meister in Dübendorf, wo er die maschinelle Herstellung von Tellern und die Nutzung einer Spritzkabine erlernte (Ruesch 1984, 7). Ausserdem arbeitete er von Oktober 1945 bis Februar 1946 bei der Firma Albert Hans „Hans-Keramik“ (gegründet 1945), wo er die Herstellung von Gipsformen erlernte. Er heiratete 1948 in Signau Martha Liechti (1923-2018) mit der er eine erste Wohnung über dem Werkstattanbau von 1943 bezog. Martha Kohler-Liechti war gelernte Schneiderin und hatte vor der Heirat keinen Bezug zur Keramikherstellung. Im Betrieb war ihre wesentliche Aufgabe der Verkauf über den Laden.

Zum 1.4.1946 übernahmen Oswald und Franz Kohler die Werkstatt von ihrem Vater zur Miete und gründeten die Firma „Gebrüder Kohler“. Diese Geschäftsübergabe wurde auch im Schweizerischen Handelsamtsblatt eingetragen (SHAB 64, 1946, 1850). Oswald Kohler, sen. besorgte weiterhin das Brennen, Oswald Kohler, jun. das Drehen und Franz leitete den Aussendienst, die Schreibarbeiten und die Tonaufbereitung.

1946 wurde schliesslich ein erster BBC-Elektro-Brennofen angeschafft, der bis 2013 in Betrieb war. 1947 wurde die Werkstatt um eine Spritzkabine erweitert und 1952 schaffte man sich als erstes Auto einen Mercedes an, um vor allem die Kundenbetreuung optimieren zu können.

Aus dieser Zeit um 1946 haben sich einige wenige Werkstattfotos erhalten.

1946, Oswald Kohler, jun. beim Drehen von Vasen.

1946, Bertha und Erna Kohler in der Malstube beim Dekorieren von Keramik.

Zum 80. Jubiläum der Werkstattgründung erschien ein schön bebilderter Bericht über die Hafnerei Kohler in der Zeitschrift „Der Hochwächter“ (Schnellmann 1949).

Ausserdem wurde beschriftete Jubiläumskeramik gefertigt, die uns einen Eindruck von der Produktion des Jahres 1949 vermittelt („Ordinäres“ mit Asternmuster, „Sgraffito“ mit Hammerschlagglasur)

Wohl zu diesem Zweck wurden verschiedene informative Fotos gemacht und teilweise gedruckt:

1949, Oswald Kohler, jun. beim Drehen.

1949, Oswald Kohler, jun. und Lehrling Willy Wüthrich beim Henkeln. Die Henkelstränge werden mit der Henkelpresse ausgestossen, eine Schablone gibt den gewünschten Querschnitt vor.

1949, Franz Kohler trägt Zierkeramik zum Trocknen vors Haus.

1949, Franz Kohler beim Engobieren der lederharten Keramik mit Hilfe einer hölzernen Schöpfkelle.

1949, Erna Kohler (später Erna Schröter-Kohler) bemalt eine vorgeritzte Terrine im Stil Alt-Langnau mit dem Malhörnchen. Vor ihr auf dem Tisch Pinsel und diverse Malengoben.

1949, Oswald Kohler, sen. nimmt den Elektro-Brennofen aus (man beachte die „gerollten“, vertikal eingesetzten Platten). Noch in den 1980er-Jahren wurden bei Kohlers bestimmte Geschirrtypen nur einmal gebrannt, d.h. es wurde auf einen Schrühbrand verzichtet. Gebrannt wurde aus Kostengründen mit Nachtstrom. Für den Glasurbrand wurden Temperaturen von 960 bis 970 Grad Celsius angestrebt.

1955 überschrieb Oswald Kohler, sen. den Betrieb testamentarisch an seinen Sohn Franz, da Oswald, jun. kinderlos geblieben war. Oswald wechselte daraufhin die Arbeitsstelle und trat in die Firma Rössler in Ersigen ein.

Die Gesellschaft „Gebrüder Kohler“ wurde zum 1. Januar 1956 aufgehoben und neuer, alleiniger Besitzer wurde Franz Kohler  (SHAB 74, 1956, 474). Oswald, jun.  kehrte allerdings 1959 in den Betrieb zurück und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1979. Noch 1980 baute Franz Kohler selbst Ton in der Gemeinde Eggiwil auf dem Platz „Hindten Grosstannen“ ab. Eine Zeit lang war Franz Kohler auch Mitglied des Vorstandes des bernischen Töpfermeisterverbandes.  Eine seiner Hauptarbeiten in der Töpferei waren die administrativen Aufgaben (Buchführung, Auftragseingang und Auslieferung der Ware, Betreuung des Lagers, Brennen der Keramik, Materialbeschaffung und Tonaufbereitung). Die in der Werkstatt beschäftigten Familienmitglieder bzw. angestellte Dreher besorgten bei den von Ihnen hergestellten Stücken jeweils alle anfallenden Arbeiten inkl. Abdrehen, Henkeln, Engobieren und Glasieren. Engobieren mit der Spritzpistole durch die Lehrtöchter kam ebenfalls vor.

Bei den Malerinnen bestand der Grundsatz, dass alle möglichst alle Arbeiten ausführen können sollten. In der Realität gab es jedoch durchaus Unterschiede, welche Malerin welche Dekortechniken oder Motive lieber ausführte. verschiedene charakteristische Gerätschaften haben sich in der Malstube erhalten:

Geräte für die Herstellung des Dekors „Alt-Langnau“, Kritzer, gezähnte Rollrädchen für die Herstellung des typischen Langnauer „Springfederdekors“ und Malhörnchen. Die ebenfalls benötigten Pinsel fehlen auf diesem Bild.

Die Kinder von Franz Kohler und Martha Kohler-Liechti, Ulrich „Ueli“ (1949-), Dora (1951-), Werner (1955-) und Eduard (1960-) haben alle eine keramische Ausbildung genossen. Ulrich wurde allerdings erst in einer Zweitausbildung Töpfer und übernahm anschliessend von seinem Vater Franz ab 1987 die Irdenware-Töpferei.  Werner machte seine Keramikerausbildung im Betrieb, orientierte sich später aber anders,  Eduard besuchte die Keramische Fachschule in Bern und spezialisierte sich nach Auslandsaufenthalten, u.a. in Frankreich, auf die Steinzeugproduktion. Dora wurde im eigenen Betrieb zur Keramikmalerin ausgebildet und arbeitete später in der Keramikfabrik Kohler in Biel. Sie lebt heute als Bäuerin.

Die Produkte der Werkstatt

Nach der Aussage von Oswald Kohler, sen. und Franz Kohler zerfällt die Entwicklung der Produktion bei Kohlers in zwei grosse Abschnitte. Bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg dominiert mengenmässig die Herstellung von einfachem, wenig verziertem Gebrauchsgeschirr, das zudem fast nie gemarkt war. Dementsprechend gibt es quasi keine museale Überlieferung, die erkannt und der Hafnerei Kohler zugeschrieben werden könnte.

Eine grosse, in der Werkstatt benutzte Glasur- oder Engobeschüssel dürfte aufgrund des Horizontalstreifendekors noch aus der Werkstattzeit von Niklaus Kohler vor 1920 stammen.

Nur aufgrund eines gemarkten Milchtopfes wissen wir, dass diese Art schablonendekorierte Keramik wohl in den 1920er/1930er-Jahren in Schüpbach entstand. Die ungemarkte Suppenschüssel wurde aus der Hafnerei Kohler ins Museum in Trubschachen gegeben.

Zwischen den 1930er-Jahren und etwa 1970 fertigte die Werkstatt sog. „ordinäres Geschirr“, das auf drei einfache Arten mit dem Pinsel verziert wurde: Mit Rosen, Astern und einem „Kränzli“.

1930-1970: Variationen mit dem Motiv „Aster“ und „Kränzli“.

 

Die weisse, auch als „Blaurandgeschirr“ bezeichnete Keramik, bildete in den 1940er-/1950er-Jahren das Hauptangebot für einfache Haushalte – meist Milchkrüge und Gemüseplatten – und wurde noch 2023 von Ulrich Kohler gefertigt.

Gefertigt wurden um 1983 mit diesem Dekor: Milchtöpfe (1/4-4 Liter), Gemüseplatten und Tassen mit Untertassen.

Motiv „Berna“, Produktionszeit etwa 1940-1980 (Entwurf Oswald Kohler, jun.).

Motiv „Edelweissrand“, Produktionszeit etwa 1940-1980 (auch in rot).

Aufgrund seiner Erfahrungen als Geselle in Steffisburg übernahm Oswald Kohler, jun. für die Hafnerei auch weiss, blau, rot und braun engobiertes Geschirr, das etwa ab den 1940er-Jahren hergestellt und noch um 1980 produziert wurde. Keramik mit blauer Grundengobe und Edelweissdekor lieferte man vor allem an Souvenirläden im Berner Oberland.

Zwischen etwa 1945 und 1960 wurde das sog. „Gerzensee-Geschirr“ mit einem aufwändigen Pinseldekor gefertigt. Es war nach einem wichtigen Kunden aus Gerzensee benannt. Es erinnert mit seiner eher creme- bis elfenbeinfarbigen Grundengobe und dem feinen Pinseldekor an Dekore wie „Alt-Beromünster“ der Luzerner Keramik.

Nach dem 2. Weltkrieg fand sukzessive eine Verlagerung in Richtung auf „Sonntags-“ und „Ziergeschirr“ statt. Die Werkstattbeschreibung von 1949 (Schnellmann 1949) vermittelt einen kleinen Eindruck von der damaligen Produktion.

Seit den späten 1940er-Jahren gab es Ziergeschirr das mit „Neapelgelb“ (Ritz- und Malhorndekor) und „Hammerschlag“ (Ritzdekor) bezeichnet und später vom Geschirr „Alt-Langnau“ verdrängt wurde.

Dekor „Neapelgelb“.

Beim „Neapelgelb“ wurde der gelbe Farbton mit der zweiten Engobe erzielt, beim „Hammerschlag“ die kräftiggelbe Farbe durch den Zusatz von Eisenhammerschlag aus der Dorfschmiede zur Glasur. Auch „Hammerschlag“ hatte meist eine dunkle Grundengobe unter einer weissen Engobe.

Dekor „Hammerschlag“, kräftig gelbe Glasur über einem geritzten Muster, datiert 1948.

Dekor „Hammerschlag“, kräftig gelbe Glasur über einer doppelten Grundengobe – weiss über schwarz – mit einem geritzten Muster, datiert 1958.

Vor allem Keramik mit dem Muster „Alt-Langnau“ war jahrzehntelang besonders gefragt. Dies war die aufwendigste Art von Keramik, die von der Töpferei Kohler hergestellt wurde. Im Prinzip handelt es sich um traditionelle Langnauer Pflanzenmotive der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, deren Grundelemente die Tulpe, die Rosette und das Herzchen sind. Kombiniert wurden Blätter und Knospen. Die Muster wurden auf konzentrische Ornamentbänder verteilt oder als kompaktes Blumenbouquet im Mittelteil von Tellern und Platten gemalt (siehe Musterbücher).

Eine Röstiplatte mit dem Muster „Alt-Langnau“ entsteht (2013)

Die Musterbücher der Hafnerei Kohler

Auf Wandtellern konnte der Dekor „Alt-Langnau“ auch mit moralisierenden oder lustigen Sprüchen kombiniert werden. Die Wiederbelebung der alten Langnauer Muster geht auf die gemeinsamen Bemühungen von Adolf Gerber, Oswald Kohler, sen. und den Kunstgewerbelehrer Paul Wyss zurück.

Entwürfe für Trachtenteller mit Randdekor „Alt-Langnau“, nach 1950.

Für die Töpferei Kohler hatte diese Keramikgattung nach dem zweiten Weltkrieg eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung und sicherte grosse Teile des Umsatzes. Daher reagierten Kohlers auch empfindlich als 1984 unter Mitwirkung des Keramikers Heinz Gerber im Langnauer Töpferhus Herrmann eine neue Töpferei eingerichtet wurde, die vor allem im «Alt-Langnauer» Stil fertigte und sich in der Presse als „Retter der einheimischen Töpferkunst und Pionier in diesem Bereich der Keramikherstellung“ positionierte, nachdem man vorher versucht hatte einen der Kohlerschen Söhne als technischen Leiter der neuen Töpferei abzuwerben (Ruesch 1984, 78).

Zwei signierte Teller aus dem Regionalmuseum in Langnau erinnern im Dekor sehr an Stücke, die ab 1984 im Töpferhaus Herrmann in Langnau entstanden. Bei der Signatur „O. Kohler“ kann es sich daher nur um Oswald Kohler, jun. (1914-2003) handeln.

1983 wurden folgende Gefässformen mit dem Muster „Alt-Langnau“ verziert: Mostkrug, Tabaktopf mit Deckel, Würstli-Hafen mit Henkeln und Deckel, Röhrenkrug, Milchkrug, Teekanne, Crèmier, Suppenschüssel, Saladier, Henkelschale, Leberschüssel, Gemüseplatte, Crème-Schale, Fruchtknopfdose, Bicher-Schüsseli, Suppenbols, Bols-Tassli (mit oder ohne Ohren), Käsli-Dose, Konfektdose mit Henkel und Deckel, Nidel-Näpfli, Honigdose mit Deckel, Becher, Tassen, Schale mit Untertasse, Mocca-Tasse, Suppenteller mit oder ohne Rand, Fleischteller, Dessertteller, Nipp-Schäli, Güetzi-Teller, Wandteller, Röstiplatte (Dm. 18, 21, 27 cm), Tortenplatte, Cakeplatte, Butterteller.

Neben dem Muster Alt-Langnau wurden, um der Konkurrenz des Porzellans zu begegnen, für eine begrenzte Zeit zwischen etwa 1940 und 1960 sogar Fayencegeschirre mit Pinseldekor hergestellt.

Selbstverständlich wurden auf Kundenwunsch auch Wappenteller oder Ereigniskeramik für Sportanlässe oder Schützenfeste etc. hergestellt, die verschiedene Grundengoben oder Dekorarten aufweisen konnten. Beim sog. „Schwarzgrauen“ Geschirr wurde die schwarzbraune Grundengobe zusätzlich mit einer grauen Engobe überschüttet oder später überspritzt. Dieser Dekor wurde noch bis etwa im Jahr 2000 hergestellt.

Aufgrund seiner Erfahrungen als Geselle in Steffisburg übernahm Oswald Kohler, jun. für die Hafnerei auch weiss, blau, rot und braun engobiertes Geschirr, das etwa ab den 1940er-Jahren hergestellt und noch um 1980 produziert wurde. Von der durch die Heimberger Keramik beeinflussten Ware mit schwarzbrauner oder roter Grundengobe und Malhorndekor produzierte man anfänglich nur Einzelstücke, während in den 1980er-Jahren auch ganze Service von den Kunden erworben wurden.

Keramik „Güggelbrun“.

Keramik „Schwarz-Weiss“, ca. 1955-1970.

Diese Ware wurde aufgrund eines von Oswald Kohler, jun. entworfenen Musters mit einem Hahn in der Werkstatt als „Güggelbrun“ bzw. als „Plattenrot“ bezeichnet. Mit dieser Dekorvariante bemalte man um 1983 folgende Geschirrformen: Milchkrüge (1/4-2 Liter), Kaffeekanne, Crèmier, Teekanne, Tasse mit Untertasse, Würstli-Hafen, Suppenschüssel, Saladier, Zuckerdose, Suppenteller, Fleischteller, Dessertteller, Röstiplatte (18, 21, 24, 27 cm Dm.), Tortenplatte, Cakeplatte, Butterteller.

Keramik „Plattenrot.

In den 1950er-Jahren wurde noch eine weitere Dekorvariante hergestellt, die sog. „Klinkerware“. Bei dieser wurde derselbe Ton aufbereitet aber sehr fein abgesiebt. Die Aussenseite wurde mit roter oder dunkelbrauner Sinterengobe mit der Spritzpistole überspritzt, das Gefässinnere glasiert. Der Dekor wurde anschliessend eingekratzt, sodass die hellere Scherbenfarbe in der dunkleren Sinterengobe den Dekor ergab. In dieser Dekortechnik wurden Vasen und Blumenampeln hergestellt.

Eine weitere, als „Lättbrun“ bezeichnete Keramik trug keine Grundengobe und in der Regel nur eine sehr einfache Malhorndekoration bzw. weisse dicke Punkte (Tropfen) unter der Glasur. Die auf der Tonfarbe basierende Malengobe wurde im Betrieb als „Lättfarbe“ bezeichnet. 1983 stellte man mit dieser Dekorvariante folgende Gefässtypen her: Milchtöpfe (1/4-4 Liter), Rahmhäfeli, Tassen und Untertassen, Dessertteller, Fleischteller, Suppenteller, Butterteller, Wandteller und Röstiplatten. Daneben gab es auch einfache Milch- und Löcherbecken (Siebe) mit weissem Horizontalstreifendekor. Bauchigere Teigschüsseln bekamen innen einen Beguss aus weisser Engobe und einen schwarzen Randstrich.

In der Spätzeit der Werkstatt unter Ueli Kohler entstand noch der neue Dekor „Jubilé“ (ab 1994).

Daneben gab es ab etwa dem Jahr 2000 das Muster „Fleurs“ (blau auf weiss) und das Muster „Margritten“ (auf hellgrün).

Seit Niklaus Kohler (Schnellmann 1949, 266) wurden immer wieder auch kleine Tierfiguren als Spielzeuge für Kinder mit zweiteiligen Gipsformen gepresst. Die mühsame Herstellung , an die sich auch Ueli Kohler noch gut erinnert, war eine typische Arbeit für die Töpferkinder, um das Taschengeld aufzubessern.

Leider wurden die Figuren nicht signiert, sodass sich die der Töpferei Kohler nur schwer von denen der übrigen Hersteller in der Region Heimberg bzw. Langnau unterscheiden lassen. Eine grössere Anzahl an Original- und Arbeitsformen aus Gips existiert heute noch in der Werkstatt, sodass identische Tiere und Dragoner auch 2023 immer noch hergestellt werden können.

Der Absatz

Der Verkauf der Ware erfolgte noch bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg mehrheitlich über Zwischenhändler und Hausierer (oft Ware zweiter Wahl) und in geringerem Umfang über den eigenen kleinen Laden. Die Kunden wurden zu Fuss oder mit dem Fahrrad besucht. Die bestellte Ware wurde regelhaft per Bahn verschickt. Ab 1950 besuchte Franz Kohler die Kunden mit einem betriebseigenen Auto. Mit Ware zweiter Wahl ging man bis 1982 auch an die Blapbach-Chilbi um diese Keramik mit „Zwirbele“ (eine Art Glücksrad) unter das Volk zu bringen. In den 1980er-Jahren hatte daneben der eigene Laden an Bedeutung gewonnen, gleichzeitig gab es jedoch immer noch einzelne grössere Abnehmer als Wiederverkäufer. Zum Kundenkreis gehörten in den 1980er-Jahren auch immer noch Vereine, die Wandteller, Krüge, Becher etc. als Siegespreise oder als Anerkennung für treue Mitglieder in Auftrag gaben. Auch von privater Seite oder von Firmen wurden regelmässig Hochzeits- und Jubiläumsgeschenke bestellt.

Nebenerwerb

Niklaus und Oswald Kohler und ihre Familien waren Selbstversorger auf einem kleinen Stück Land (Kuhweide und Kartoffelacker) und mit einer Gartenparzelle (Gemüse). Es gab meist 1-2 Kühe, einige Schweine und Ziegen. Im Laden wurden ausserdem Glaswaren und zugekauftes Geschirr (Rössler, Ersigen) verkauft. Die Aufbereitung von Ton und der Weiterverkauf können ebenfalls zum Nebenerwerb des Betriebs gerechnet werden.

Die Hafnerei von Ueli Kohler im Film

 

Hinweis: Ueli Kohler kann auf Bestellung (Eggiwilstrasse 11, 3535 Schüpbach BE, 034 497 12 08) auch heute immer noch alle Keramiktypen der Töpferei Kohler anfertigen und liefern. Sein Bruder Eduard fertigt in seiner Töpferei Steinzeug, das vor Ort gekauft oder bestellt werden kann (Eggiwilstrasse 15, 3535 Schüpbach BE, 034 497 21 67).

Bibliographie:

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Rohrbach 1999
Lewis Bunker Rohrbach, Men of Bern: The 1798 Bürgerverzeichnisse of Canton Bern, Switzerland, Rockport 1999.

Ruesch 1984
Fanny Ruesch, Töpferei Kohler, Eggiwilstrasse, 3535 Schüpbach i.E. – Ethnologisches Seminar der Universität Basel, Ethnographische Feldarbeit: Berner Töpferei 15. August – 2. September 1983, Basel 1984.

Schnellmann 1949
Paul Werner Schnellmann, Besuch in einer ländlichen Töpferei, in: Der Hochwächter. Blätter für heimatliche Art und Kunst 5, 1949, 254-266.