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Schlicker

In Wasser aufgeschlämmter Ton, benutzt für das Giessen von Keramik in Gipsformen, als «Klebemittel» zum Verbinden von Gefässteilen vor dem Brand (Befestigung eines Henkels, Ausgusses oder Fusses an einem Gefässkörper) oder als Grundlage für Malengoben. In diesem letzten Fall ist der Schlicker deutlich dickflüssiger eingestellt, als wenn er als Grundengobe zur Engobierung verwendet werden sollte. Als Schlicker werden auch die Tonreste bezeichnet, die beim Drehen an den feuchten Händen haften bleiben und vom Töpfer gelegentlich in einen speziellen Schlickkasten oder ein separates Becken abgestreift werden.

Frz.: barbotine

Engl.: slip

Schrühbrand

Bei der Fayence- und Porzellanproduktion zwingend notwendiger erster Brand an dessen Ende die Gefässe um ca. 8% geschrumpft und zu Biscuit gebrannt sind. Bei der Irdenwareproduktion ist ein separater Schrühbrand nicht unbedingt notwendig, sondern wird nur zur Qualitätsverbesserung im sog. zweistufigen Brennverfahren (Schrüh- und Glattbrand) angewendet.

Frz.: Premier feu, cuisson de dégourdi

Engl.: Biscuit-firing, Bisque-firing, first firing

Bibliographie:

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 175.

Maggetti 2007
Marino Maggetti, Technique de la faïence française (fin XVIIIe/début XIXe siècle), in : Marino Maggetti, La faïence de Fribourg : 1753-1844, Dijon 2007, 14-31.

Schwammdekor/Schwämmeldekor/Schwämmeln

Keramik kann auch mit Hilfe eines Schwammes verziert werden. Aufgrund des verwendeten Werkzeugs wird die Arbeitsweise auch als «Schwämmeln» bezeichnet. Ursprünglich handelt es sich  in Mitteleuropa und England um eine Stempeltechnik der Fayence- und Steingut-Dekoration (z.B. Utzschneider & Cie., Sarreguemines: Gauvin/Becker 2007, 29), die z. B. in der Deutschschweiz schon vor der Mitte des 18. Jahrhunderts auch in die lokale Irdenware-Produktion (Produktion von Bäriswil, Bodenfunde aus Bern) übernommen wurde.  Als Rohmaterial zur Herstellung von Stempelschwämmen eignete sich wegen seiner Saugfähigkeit für die Dekorfarbe vor allem der Elefantenohr-Schwamm. Die Schwämme wurden ab etwa 1840/1845 in England auch in industriellem Rahmen zu Musterschwämmen geschnitten (cut sponge) und so gehandelt.  Dekor mit diesen Schwämmen war in der Deutschschweiz dann vor allem ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bei einfachem Haushaltsgeschirr aus Irdenware zunehmend en vogue (Region Langnau und Heimberg-Steffisburg).

10. Dezember 1880, Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland.

Besonders bekannt für seinen Schwämmeldekor mit Musterschwämmen war in Deutschland (Schlesien, heute Polen) die Bunzlauer Keramik.

Frz.: décor à l’éponge, empreintes d’éponges, tamponné à l’éponge

Engl.: sponged decoration, sponge printing, sponge decorated wares, spongewares, cut sponge patterns

Bibliographie:

Henri Gauvin/Jean-Jacques Becker, Cent ans de faïences populaires peintes à Sarreguemines et à Digoin, Sarreguemines 2007.

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017, bes. 171-177.

Kelly/Kowalsky/Kowalsky 2001
Henry E. Kelly/Arnold A. Kowalsky/Dorothy E. Kowalsky, Spongeware 1835-1935. Makers, Marks and Patterns, Atglen 2001.

Spindler 1997
Konrad Spindler, Zum Beginn des Schwämmelns in Bunzlau, in: Nearchos 5, 1997, 123-136.

Sgraffitodekor mit vertieftem Hintergrund

Andreas Heege, 2020

Sgraffitodekor mit vertieftem Hintergrund in CERAMICA CH

Diese Dekortechnik gehört  technisch zu den materialentnehmenden „Negativ-Techniken“ und im weitesten Sinne zu den Ritz- oder Sgraffitodekoren, die es in dieser Form z. B. in der italienischen Renaissance seit dem 16. Jahrhundert gibt (ceramica ingobbiata e graffita a fondo ribassato). Die Technik kommt jedoch auch schon vorher und in anderen Kulturbereichen dieser Welt vor (iranisch-persischer Raum, Korea).

Die lederharte Keramik wird mit einer andersfarbigen weissen, grünen, blauen oder roten Engobe überzogen, die auch sehr dünn mit einem Pinsel aufgetragen sein kann.  Anschliessend wird das gewünschte Motiv vorgezeichnet und der Hintergrund voll- oder teilflächig rund um das Motiv bis auf den darunterliegenden Scherben freigekratzt. Zusätzliche Strukturen oder Muster werden mit einer feinen Spitze in das Motiv eingeritzt. Anschliessend werden die Gefässe mit einer Bleiglasur überzogen, die den Untergrund, je nach Brennfarbe des Scherbens , in einer vom Dekor abweichenden Farbe erscheinen lässt.

Im Deutschen gibt es für die Dekortechnik keinen eingeführten Begriff, jedoch fällt der beschreibende Blick am ehesten auf den weggekratzten, also eingetieften oder vertieften Hintergrund. Ein Bezeichnung als „Sgraffitodekor mit vertieftem Hintergrund“ erschiene also durchaus passend. Im Französischen findet sich der technologisch eher „frei“ verwendete Begriff „Décor gravé en champlevé“, „décor champlevé“ oder „motif champlevé“ (Blondel 2001, 201), der der Emailtechnologie entlehnt ist. Als herausgehobenes Feld wird im Falle der Keramik, wie in der Edelsteinschleiferei (Kamee, Kameo), das Motiv gesehen und bezeichnet. Im Gegensatz zum Grubenschmelzemail werden die tieferliegenden Felder jedoch in vorliegenden Fall nicht mit einer abweichenden Farbe aufgefüllt. Vielmehr wird diese durch den Scherben gebildet.

In der Schweiz ist diese Dekortechnik bis in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg  offenbar unbekannt. Ab 1913 fand sie als ungewöhnliche Neuheit Eingang in die Produktpalette der „Poterie commune de Nyon S.A.„, zu einem Zeitpunkt als diese  von dem italienisch-französischen Paar Henriette Morello und Théophile Thomas Morello geleitet wurde.

In der kleinen Fabrik arbeiteten auch Henriettes Brüder sowie ein Keramiker mit Namen Abel Gervais, von dem eine erste datierte Platte mit der fraglichen Dekortechnik aus dem Jahr 1913  erhalten ist.

1916 ging die Fabrik an die Gebrüder Richard aus Nyon über, die diese Dekortechnik bis zu ihrem Konkurs im Jahr 1921 fortsetzten.

     

Zwischen 1917 und 1923 verwendete auch die Kunsttöpferei Hermann Kaeppeli  in Nyon diese optisch ansprechende Technik.

Deutsch: Sgraffitodekor mit vertieftem Hintergrund

Französisch: Décor gravé en champlevé

Englisch: Cameo-type sgraffito decoration

Italienisch: ceramica ingobbiata e graffita a fondo ribassato

Bibliographie :

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique: vocabulaire technique, Paris 2001, 201.

Sponse

Andreas Heege 2019

Zur Herstellung identischer Dekore oder Muster bediente man sich in den Fayence- und Porzellanmanufakturen Europas sogenannter Sponsen (dies ist eine niederländischer Begriff, hochdeutsch auch: Pausen, Lochschablonen, Durchstaubschablonen) aus Papier, Ölpapier, Metallfolie oder Pergament. Auf diesen wurde das Motiv vorgezeichnet und dann die Konturen mit einer feinen Nadel eingestochen.

Sponse/Lochschablone aus fester Alufolie, Meissen, Porzellanmanufaktur, 2008

Anschliessend legte man die Sponse auf die zu verzierende Oberfläche und puderte feinen schwarzen Kohlenstaub darüber, der durch die feinen Löcher fiel. Nach Abnahme der Sponse  hatte man dann in Punktlinien ein immer gleich grosses Motiv, das man nur noch ausmalen musste (zur Technik siehe z. B.  Gauvin/Becker 2007,  12-13, 36).

Dekoration mit Hilfe einer Sponse, Meissen, Zwiebelmuster, 2008

Bibliographie:

Bastian 2003
Jacques Bastian, Strasbourg, faïences et porcelaines : 1721-1784, Strasbourg 2003, 99-105, 121-128

Gauvin/Becker 2007
Henri Gauvin/Jean-Jacques Becker, Cent ans de faïences populaires peintes à Sarreguemines et à Digoin, Sarreguemines 2007.

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 304

Frz.: poncif, poncis, chablon perforé

Anglais : Punched pattern (pierced image transfer paper), pouncing (Pounce – loose graphite or charcoal – is rubbed through a series of small holes punched in a paper pattern to transfer the design to an item to be decorated).

Springfederdekor

Langnau im Emmental, Kanton Bern, Teller mit Springfederdekor, Ritzdekor und Malhorndekor, datiert 1727. Die Verwendung nur einer einfachen weissen Grundengobe lässt die Dekormotive und die runden Punkte des Springfedermotivs rötlich schimmern.

Zu den Techniken, bei denen beim Dekorieren Ton aus der Oberfläche des Scherbens entfernt oder verdrängt wird, gehört auch der in der Deutschschweiz und im gesamten nordwestdeutschen bzw. skandinavischen Raum bekannte Springfederdekor. Diese Technik findet sich aber auch schon in der Antike bei Griechen und Römern und heute in Indien und Japan («tobikanna»). Er kann aufgrund seiner Herstellungstechnik auch als «gehackter Dekor» oder wegen der Herstellungsgeräusches als «Ratterdekor» oder «Ratterblechverzierung» bezeichnet werden. Im Zusammenhang mit der schweizerischen Keramik Heimberger Art ist  vom «Hämmerband» die Rede (Heege 2019a; Heege 2019b mit relevanter Literatur zum Thema).

Herstellung von Springfederdekor in Røros in Südnorwegen  (links) bzw. in der Werkstatt von Ulrich Kohler in Schüpbach BE (rechts). In beiden Fällen befindet sich unter der weissbrennenden Engobe eine dunkle Engobe, die die eingehackten Löcher des Musters nach dem Glasieren dunkel hervortreten lässt.

Der Dekor kann bei nichtengobierten und engobierten Gefässen angebracht werden und findet sich meist in Kombination mit anderen Dekortechniken. Für die Herstellung dieses Dekors gibt es mindestens zwei technische Lösungen. Zum einen handelt es sich um die Herstellung mit Hilfe einer federnden Metall-Lamelle mit unterschiedlich breitem oder spitzem, abgewinkeltem, scharfkantigem Ende. Der Töpfer drückt diese leicht gegen den sich auf der Töpfer- oder Rändelscheibe drehenden Keramikgegenstand, der aufgrund der Drehenergie die Lamelle in einer repetitiv-federnd-wippenden Bewegung reflektiert. Dabei werden je nach Trocknungszustand des Gefässes kleinere oder grössere, rundliche bis längliche Mulden in die Grundengobe oder Gefässoberfläche geschlagen, die unter der Glasur tendenziell «dunkel» wirken. So lassen sich Kreise oder Spiralen bilden.

Moderne Springfedern in der Potteriet Røros in Südnorwegen, 2019 (Foto mit freundlicher Genehmigung von Potteriet Røros).

Rollrädchen «Rouleau» aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit ihrer Hilfe stellt die Werkstatt Kohler in Schüpbach BE «Springfederdekor» her.

Dasselbe Muster kann jedoch auch mit einem Metallrädchen oder «Rouleau» erzeugt werden. Gegenüber Originalscherben mit Springfederdekor lässt sich nach dem Glasieren mit dem blossen Auge kein Unterschied erkennen. Technologisch korrekt müsste diese zweite Herstellungsvariante eigentlich den Rollstempeldekoren zugeordnet werden.

 

Schleswig-Holsteinischer Fischteller (Ehlers 1967, 82), Foto Frauke Witte, Haderslev (SOC)

Springfederdekor ist in der Neuzeit eine mecklenburgische oder schwedische Erfindung der Zeit um 1600. Die älteste, absolut datierte Keramik mit Springfederdekor befand sich an Bord der 1628 untergegangenen «Vasa». Im Verlaufe des 17. und frühen 18. Jahrhunderts verbreitete sich die Dekortechnik in ganz Skandinavien, Polen, Tschechien, Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Es verwundert nicht, dass sie mit ausgewanderten deutschen oder schweizerischen Töpfern auch in die USA gelangte und z.B. in Pennsylvania gefertigt wurde.

Heute wird Springfederdekor in Europa nur noch in sehr wenigen Werkstätten traditionell gefertigt. Eine dieser Werkstätten befindet sich in Røros in Südnorwegen. In Skandinavien wird Springfederdekor mit  «Hemring» oder «Hammerkrok» bezeichnet.

Film zum Springfederdekor

Film zum Springfederdekor

Frz.: décor guilloché, guilloché à la roulette dentelée

Engl.: chattered decoration, chattering

Bibliographie:

Barber 1903
Edwin Atlee Barber, Tulip ware of the Pennsylvania-German Potters. An historical Sketch of the Art of Slip-Decoration in the United States (Neuauflage 1970), New York 1903.

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 204.

Ehlers 1967
Louis Ehlers, Dansk Lertøj, København 1967.

Heege 2019
Andreas Heege, Springfederdekor – Chattering – Décor guilloché – Hemrad dekor. The history and development of a decorative technique found on 17th- to 19th century earthenware ceramics from Scandinavia, Poland, Germany, Switzerland, Austria and Liechtenstein, in: Europa postmedievalis 1, 2019, 1-12.

Heege 2019
Andreas Heege, Springfederdekor – Zur Entstehung einer speziellen Dekortechnik im deutschen Sprachraum, in: Hans-Georg Stephan, Keramik in Norddeutschland. Beiträge des 48. Internationalen Symposiums für Keramikforschung (Hallesche Beiträge zur Archäologie des Mittelalters 3), Langenweissbach 2019, 84-99.

 

Spritzdekor

Der Spritzdekor gehört zu den einfachsten und am schnellsten herzustellenden Dekoren überhaupt. Eine Unterscheidung von eher getropften Varianten, die also mit geringerer Intensität aufgebracht wurden, ist in der Regel nicht eindeutig möglich. Auch gibt es ein weites Übergangsfeld zu stark verlaufenen, schlierigen Dekoren, bei denen nicht klar ist, ob sie intentionell so hergestellt wurden oder ein Ergebnis der Glasurschmelze sind.  Es gibt zwei grundsätzliche Unterscheide in der Herstellung. Im ersten Fall wird farbige Engobe auf den lederharten oder geschrühten Scherben, der auch engobiert sein kann, gespritzt und anschliessend wird farblos oder farbig glasiert. Im zweiten Fall wird farbige oder farblose Glasur auf eine bereits glasierte, aber noch sehr feuchte  Oberfläche gespritzt, was wesentlich stärker verlaufende, diffuse Muster erzeugt.

Spritzdekor ist bei Geschirr ohne oder mit weisser bzw. roter Grundengobe sowie auf heller Irdenware  sehr häufig. Gelbe oder grüne Glasur kann das Bild zusätzlich variieren. Ein grober Pinsel, eine Gänsefeder, ein Strohwisch oder ein Reisigbesen werden in eine farblich vom Gefässuntergrund oder der Glasurfarbe abweichende Mal- oder Grundengobe oder Glasur getaucht und dann auf die engobierte oder bereits glasierte Oberfläche nebeneinander aufgestellter Gefässe gespritzt. Oft werden auch mehrere Farben nacheinander verwendet (z. B. weiss und schwarzbraun, grün und schwarzbraun). War die verwendete Grundengobe oder die Glasur noch sehr feucht, so liessen sich durch ruckartiges Schütteln Marmorierungen und vielfältige Verläufe erzeugen (Nass-in-Nass-Technik).

Spritzte man farblose Glasur auf eine bereits aufgetragene grüne oder manganviolette/dunkelbraune Glasur auf weisser Grundengobe, so ergaben sich hell gefleckte Geschirre.

Spritzdekor, hergestellt mit Hilfe einer Spritzpistole und Schablonen.

Sprachlich wird bei der Verwendung des Begriffs „Spritzdekor“ nicht eindeutig differenziert, ob der oben beschriebene einfache Spritzdekor gemeint ist oder ob es sich um mechanisiert, d.h. mit Hilfe einer Spritzpistole (Aerograph) aufgetragenen Spritzdekor handelt. Dieser kommt erst seit der Zeit um 1900 allmählich auf und ergibt optisch deutlich abweichende Motive, die vor allem in der Zeit zwischen 1918 und 1933 sehr beliebt waren (vgl. Anthonioz 2019). Oft wird dieser aufgesprühte Dekor mit Hilfe von Schablonen hergestellt (siehe Schablonendekor).

Frz.: décor tacheté, décor moucheté, décor pommelé, céramique engobée à taches brunes ou vertes

Engl.:  splashed decoration

Bibliographie:

Anthonioz 2019
Stanislas Anthonioz, À la table de lárt moderne. Céramique de la République de Weimar (1919-1933), Genf 2019.

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 308, 344.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016, bes. 88-89.

Spritzdekor (Spritzpistole)

Spritzdekor, hergestellt mit Hilfe einer Spritzpistole und Schablonen.

Sprachlich wird bei der Verwendung des Begriffs „Spritzdekor“ nicht eindeutig differenziert, ob der einfache Spritzdekor gemeint ist oder ob es sich um mechanisiert, d.h. mit Hilfe einer Spritzpistole (Aerograph) aufgetragenen Spritzdekor handelt. Der Aerograph kommt erst seit der Zeit um 1900 allmählich auf und ergibt optisch deutlich abweichende Motive, die vor allem in der Zeit zwischen 1918 und 1933 sehr beliebt waren (vgl. Anthonioz 2019). Oft wird dieser aufgesprühte Dekor mit Hilfe von Schablonen hergestellt (siehe Schablonendekor).

Frz.: décor vaporisé. Si le décor tacheté est réalisé avec un instrument mécanique (p. ex. vaporisateur, pulvérisateur, aérographe, pinctographe, aérostyle, chromographe), on parle alors d’un décor par pulvérisation ou d’un décor par insufflation ou encore d’un décor pointillé, poudré, tamponné, soufflé, fouetté ou tapoté.

Engl.: air-brushed decoration

Bibliographie:

Anthonioz 2019
Stanislas Anthonioz, À la table de lárt moderne. Céramique de la République de Weimar (1919-1933), Genf 2019.

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 308, 344.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016, bes. 88-89.

Steingut

Steingut in CERAMICA CH

Steingut wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Staffordshire und Yorkshire (England) auf der Basis salzglasierten, weissen Steinzeugs entwickelt. Ab dem mittleren und späten 18. Jahrhundert produzierte man es auch zunehmend in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Es hat in der Regel einen schwach cremefarbenen bis leicht gelblichen oder fast weissen, sehr feinkörnigen, nicht gesinterten, spezifisch leichten Scherben mit einer gut erkennbaren, abgesetzten Glasurschicht. Diese weist bei archäologischen Fundobjekten relativ häufig ein deutliches Craquelé auf. Keramiktechnologisch handelt es sich um eine bleiglasierte, poröse Irdenware aus weiss brennendem Ton, Kaolin und SiO2 (Quarz, oft gemahlener Feuerstein), eventuell auch nur mit Anteilen von Kalk oder Feldspat oder einer Mischung aller drei Komponenten. In Abhängigkeit von der Zeitstellung und dem Produktionsort gibt es in der Zusammensetzung der keramischen Masse unzählige Variationen. Die keramische Masse des Steinguts lässt sich mit Hilfe von Gipsformen pressen und giessen und eignet sich daher, im Gegensatz zu den Tonen der normalen scheibengedrehten Keramik, zur industriellen Massenproduktion.

Generell werden Steingutobjekte in einem ersten Schrühbrand zu Biscuit gebrannt. Der gemalte, im Umdruckverfahren hergestellte, mit der Schablone aufgetragene oder geschwämmelte Dekor wird aufgebracht und das Stück anschliessend mit einer Bleiglasur überzogen. Ein zweiter Glattbrand wird dann bei einer Termperatur von etwa 1000 ºC durchgeführt. Zusätzlich können in einem dritten Schritt Aufglasurfarben oder Lüster aufgetragen und dann bei einem Muffelbrand (um 800 ºC) fixiert werden.

Aufgrund der Scherbenfarbe und Scherbenstruktur wird Steingut berechtigterweise auch als «weisse Irdenware» – «white earthenware» oder «white-bodied industrial earthenware»  – «terres blanches» bezeichnet. Aufgrund ihrer industriell geprägten Fertigung werden alle Varianten des Steinguts auch als «industrielle Keramik» eingeordnet (Bartels 1999, 250-259; Stellingwerf 2019,  42-51). Durch Hinzufügung von Kobalt zur Scherbenmasse entwickelte sich in England aus der gelblichen oder cremefarbenen «creamware» im frühen 19. Jahrhundert die weisse «whiteware».

Ein Zwischenschritt war die Entwicklung von «China glaze» (Staffordshire um 1775) oder «pearl-white» (Josiah Wedgwood um 1779). Dabei wurde eine geringe Menge Kobalt sowohl der Glasur als auch der keramischen Masse hinzugefügt, was das Steingut tendenziell «weisser» und weniger cremefarben erscheinen liess und es dem Porzellan ähnlicher machte. Dieses Steingut bezeichnet man heute zusammenfassend mit einem nicht zeitgenössischen Begriff als «pearlware».  Pearlware ist im Gegensatz zur creamware jedoch meistens in irgendeiner Form verziert oder dekoriert oder trägt Umdruckdekore.

Die Steingutmanufakturen, vor allem in England, entwickelten auch weitere farbige  meist unglasierte (dry-bodied) Steingutmassen (schwarz, rot, gelb, blau und grün, violett). Ihre technologische Einordnung unter die Gruppenbezeichnung  «Steingut» ist nicht  unumstritten. Es finden sich in der Literatur auch Zuweisungen zum „Feinsteinzeug“. Im anglo.amerikanischen Sprachraum werden sie auch als «dry-bodied stoneware» bezeichnet (Edwards/Hampson 1998).

Die französische Entwicklung von Steingut oder zeitgenössisch «terre façon anglaise», «terre de pipe», «terre d’Angleterre» bzw. «cailloutage» begann ebenfalls in den frühen 1740er-Jahren.  Im zeitgenössischen, französischen Sprachgebrauch lösen sich die Begriffe «terre de pipe» (ca. 1743-1790), «cailloutage» (ca. 1790-1830) und «porcelaine opaque» bzw. «demi-porcelaine»  (nach 1830) ab. Es ist darauf hinzuweisen, dass in Frankreich Keramik mit einem weissen, steingutartigen Scherben «terre de pipe» sowohl eine Fayenceglasur als auch eine einfache Bleiglasur aufweisen kann. Im deutschen Sprachgebrauch würde daraus eine Zuweisung zu «Fayence» bzw. «Steingut» resultieren.

Im 19. Jahrhundert entwickelte die keramische Industrie weitere Varianten des Steinguts, die wesentlich weisser und stossfester waren. Ihre keramische Masse enthielt höhere Anteile an Feldspath und Kaolin. Diese neuen Mischungen erhielten unterschiedliche Bezeichnungen, wie z. B. «Porcelaine opaque», «Granit» oder «ironstone». Sie wurden bei Temperaturen von 1180 et 1300ºC gebrannt. Der Glasurbrand erreichte 1050 et 1080ºC.

Frz.: faïence fine, terre façon anglaise, terre de pipe, terre d’Angleterre,  cailloutage,  porcelaine opaque,  demi porcelaine, céramique industrielle

Engl.: Creamware, pearlware, whiteware, queen’s ware,  English industrial ceramics

Übersicht über die Datierung der «industrial wares» (Stellingwerf 2019, Appendix I, mit frdl. Genehmigung des Autors).

Bibliographie:

Barker 2007
David Barker, Creamware in Context, in: Tom Walford/Roger Massey, Creamware and Pearlware Re-examined, Beckenham 2007, 31-42.

Bartels 1999
Michiel Bartels, Steden in Scherven, Zwolle 1999, bes. 250-259.

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 75.

Edwards/Hampson 1998
Diana Edwards/Rodney Hampson, English dry-bodied stoneware: Wedgwood and contemporary manufacturers 1774 to 1830, Woodbridge Suffolk 1998.

Kybalová 1990
Jana Kybalová, Steingut, Prag 1990.

Maggetti/Rosen/Serneels 2011
Marino Maggetti/Jean Rosen/Vincent Serneels, White earthenware from Lorraine (1755- c. 1820): Provenance and Technique, in: Archaeometry 53, 2011, 765-790.

Maggetti/Heege/Serneels 2015
Marino Maggetti/Andreas Heege/Vincent Serneels, Technological Aspects of early 19th c. English and French white earthenware assemblage from Bern (Switzerland), in: Periodico di Mineralogia, 84, 2015, Heft 1 (Special issue: EMAC 2013, Inside the pottery: composition, technology, sources, provenance and use), 139-168.

Maggetti 2018
Marino Maggetti, Archaeometric Analyses of European 18th-20th Century White Earthenware – A Review, in: Minerals, 2018, Heft 8.

Maire 2008
Christian Maire, Histoire de la faïence fine française 1743-1843, Le Mans 2008, 11-36.

Massey 2007
Roger Massey, Understanding Creamware, in: Tom Walford/Roger Massey, Creamware and Pearlware Re-examined, Beckenham 2007, 15-30.

Roberts 2007
Gaye Blake Roberts, Early Wedgwood Creamware 1759-1769, in: Tom Walford/Roger Massey, Creamware and Pearlware Re-examined, Beckenham 2007, 51-64.

Stellingwerf 2019
Wytze Stellingwerf, The Patriot behind the pot. A historical and archaeological study of ceramics, glassware and politics in the Dutch household of the Revolutionary Era: 1780-1815, Zwolle 2019, bes.  42-51, 202

Steinzeug

Andreas Heege 2019

Steinzeug in CERAMICA CH

Steinzeug ist eine spezielle, meist bei 1200 bis 1400 °C gebrannte Keramik mit einem weitgehend verglasten bzw. glasartig dicht gesinterten, undurchsichtigen, farbigen Scherben. Dieser weist nur einen geringen Anteil offener Poren auf. Meist ist keine Magerung vorhanden oder sichtbar. Frühe  Faststeinzeuge und Steinzeuge haben oft eisenrote Engobeüberzüge oder Ascheanflugglasuren (Herstellungsorte z. B. Bengerode, Coppengrave, Reinhardswald, Bad Schmiedeberg). Jüngere Steinzeuge tragen ab dem späten 15. Jahrhundert zunehmend  und ab dem 16. Jahrhundert regelhaft Salzglasurüberzüge (Gaimster 1997, 46-48). Bemalung mit dem feuerfesten Kobalt  („Smalte“, blau) oder Eisenmanganverbindungen (manganviolett) kommt erst im 16. und 17. Jahrhundert auf.

Die Entwicklung von sehr hart gebrannten Irdenwaren zu weitgehend gesintertem Faststeinzeug oder Steinzeug vollzog sich im 13. Jahrhundert im Rheinland. Vollständig durchgesintertes, magerungsloses Steinzeug wurde erstmals um 1300 in Siegburg bei Bonn erzeugt. In Abhängigkeit von der Existenz qualitativ hochwertiger Tone entwickelten sich in den folgenden Jahrhunderten in Mitteleuropa (Deutschland, Belgien und Frankreich, aber auch England) verschiedene Steinzeugregionen und Töpferorte. Unter diesen sind die westsächsischen Produktionszentren (z.B. Waldenburg) und ostsächsischen  Produktionszentren (z.B. Bad Muskau, Triebel)  und die rheinischen Orte Siegburg, Köln, Frechen, Langerwehe und Aachen bzw. Raeren und Bouffioulx in Belgien und seit dem späten 16. Jahrhundert der Westerwald bzw. die Steinzeugzentren im Elsass und ihre Filiationen in Baden-Württemberg (z. B. Oppenau, Rotenfels) besonders hervorzuheben.

Steinzeug aus dem Westerwald oder seinen Filiationen kann oft typologisch oder aufgrund der Dekore nicht nach Herstellungsorten unterschieden werden und muss daher als Steinzeug „Westerwälder Art“ klassifiziert werden.

Im Mittelalter und in langen Phasen der Neuzeit bestand aufgrund fehlender Tonqualitäten in der Schweiz, Österreich und in Liechtenstein sowie in grossen Teilen Süddeutschlands keine Möglichkeit zur Steinzeugproduktion.

Hoch gebrannte, industrielle gefertigte, oft unglasierte Keramiken der zweiten Hälfte des 18. und des 19. Jahrhunderts (dry-bodied caneware, black basaltware, jasperware, red stoneware) zunächst aus England, Staffordshire, und später auch aus den grossen Keramikfabriken des Kontinents, werden in der Literatur unterschiedlich, d.h. sowohl dem Steingut (Heege 2010, 59-66; gelbes Steingut, schwarzes Steingut, rotes Steingut, blaues Steingut) als auch dem Steinzeug zugeordnet, obwohl der Scherben nicht immer vollständig gesintert ist und durchaus auch Bleiglasuren vorliegen können. Dies stellt ein terminologisches und keramiktechnologisches Problem dar, was Michiel Bartels veranlasste diese Waren zusammen mit dem normalen Steingut generell als „industrial wares“ einzustufen (Bartels 1999, 240-259, industrial whitewares, industrial redwares, alle übrigen industrial wares). In jüngster Zeit findet sich für diese Industriewaren auch eine Einordnung als „fine stoneware – Feinsteinzeug –  grès fin“ (Stellingwerf 2019, 42-46, 202).

Frz.: Grès, Proto-Grès

Engl.: stoneware, near-stoneware

Bibliographie:

Bartels 1999
Michiel Bartels, Steden in Scherven, Zwolle 1999.

Gaimster 1997
David R. M. Gaimster, German Stoneware 1200-1900. Archaeology and cultural history, London 1997.

Heege 2009
Andreas Heege, Steinzeug in der Schweiz (14.–20. Jh.). Ein Überblick über die Funde im Kanton Bern und den Stand der Forschung zu deutschem, französischem und englischem Steinzeug in der Schweiz, Bern 2009.

Stellingwerf 2019
Wytze Stellingwerf, The Patriot behind the pot. A historical and archaeological study of ceramics, glassware and politics in the Dutch household of the Revolutionary Era: 1780-1815, Zwolle 2019.