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Blankenburg BE, Abraham Marti (1718-1792)

Blankenburg, Abraham Marti in CERAMICA CH

Andreas Heege, ]onathan Frey, Alfred Spycher, Andreas Kistler, 2023

Abraham Marti wurde im Jahr 1718 in Fraubrunnen im Berner Mittelland als ältester Sohn des Hafners Hans Rudolf Marti (1691–1742) und seiner Frau Anna Barbara Reutlinger (1699–1744) geboren. Er starb  am 18. Juli 1792 in Blankenburg, in der heutigen Gemeinde Zweisimmen. Bis 1741 wurden noch drei Brüder, Johannes, Jakob und Peter, geboren, von denen später auch Jakob (1736-1813) als Hafner in Fraubrunnen arbeitete.

Abraham Marti heiratete am 25. November 1740 in Oberburg Magdalena Hamm (1712–1784) von Münchenbuchsee. In einem Ehebrief erhielten sie die Zusage von Hans Rudolf Marti, das Hafnerhaus und ein halbes anstossendes Haus nutzen zu können. Für den 14. Januar 1742 ist eine erste Kindstaufe belegt, der bis 1746 drei weitere folgen sollten. Heirat und Ehevertrag dürften auch bedeuten, dass Abraham ab 1740/41 die elterliche Werkstatt in Fraubrunnen übernahm. Am 17. Mai 1742 starb sein Vater Hans Rudolf im Alter von nur 51 Jahren und am 4. Oktober 1744 seine Mutter Anna Barbara im Alter von 45 Jahren. Nach ihrem Tod kam es 1745 zu einer Erbteilung zwischen den vier Söhnen, in deren Folge Abraham Marti das elterliche Haus mit allen darauf ruhenden Lasten übernahm. Offenbar waren diese jedoch zu gross, sodass er das Haus bereits im Jahr 1746 an den Vogt seiner drei Brüder, den Metzgermeister und Wirt Hans Georg Marti (1710–1754) aus Fraubrunnen, verkaufte. Er erhielt dafür 1000 Pfund, jedoch lag die Schuldsumme bei 1058 Pfund. Abraham Marti musste beim Verkauf also sogar noch etwas zahlen. Offenbar blieb er jedoch zur Miete in der Liegenschaft wohnen, denn im März 1748 verzeichnete der Rodel der zuständigen Pfarrkirche von Grafenried den Tod des einzigen Sohnes des Abraham Marti «von Fraubrunnen, dem Hafner».

Unbekannte, wohl familiäre Gründe (zeitweiliges böswilliges Verlassen der Familie?) führten schliesslich zu Abrahams Wegzug aus Fraubrunnen. Möglicherweise war der Tod seines einzigen Sohnes im Jahr 1748 der Anlass zu dieser Krise. Für das Jahr 1748 lässt sich eine Kachelofenarbeit von ihm in Schloss Wimmis (Kastlanei Niedersimmental) nachweisen. Aus den Jahren 1749 und 1750 gibt es keine archivalischen Informationen.

Zwischen 1751 und 1757/58 ist anschliessend die Anwesenheit von Abraham Marti und seiner Familie in Saanen archivalisch gut belegt. Aufgrund von datierter Keramik dürfte der dortige Produktionsbeginn aber schon im Jahr 1749 liegen. Die Lage der Werkstatt kennen wir nicht. Aus der Produktionsphase in Saanen ist ein kleines, aber wichtiges Geschirrspektrum erhalten. Es ist eine Zeit des stilistischen Übergangs, weg von blau-weissem hin zu polychromem Unterglasur-Pinseldekor, den er farblich expressiv einsetzte und mit eigenständigen Töpfersprüchen kombinierte. Das Motivspektrum auf den Tellern und Platten verfestigte sich seit diesem Zeitpunkt und es entwickelte sich eine Art immer wiederkehrendes und später nur im Detail variiertes Standardrepertoire.

Vermutlich weil der Landvogt von Blankenburg Aufträge zu vergeben hatte, verlegte Abraham Marti 1757 oder 1758 seine Werkstatt nach Betelried bei Blankenburg, in die unmittelbare Nähe des Landvogteischlosses. Dort reparierte er spätestens ab 1759 die alten Kachelöfen und stattete das Landvogteischloss nach und nach mit neuen Öfen aus.

Im Jahr 1761 musste er sich vor dem Chorgericht Zweisimmen wegen einer Tochter mit dem Namen Elisabeth verantworten. Diese hatte er mit Margreth Wälten aus Lenk ausserehelich gezeugt. Sie wurde am 2. Juli 1761 in der Kirche Zweisimmen getauft. Im Herbst desselben Jahres erwarb Abraham Marti in Betelried, einem Ortsteil von Blankenburg, in der heutigen Gemeinde Zweisimmen für nur 25 Bernkronen ein kleines Wohnhaus und ein Werkstattgebäude, das später sogenannte Obere Haus. Es kann nur vermutet werden, dass er in der vorangehenden Zeit am selben Ort mit seiner Werkstatt eingemietet war, wird er in den Verkaufsverträgen doch als in Betelried wohnhaft bezeichnet. 1763 kaufte er für 37 Bernkronen einen weiteren, unmittelbar benachbarten «Hausstock», d. h. eine Haushälfte mit Bescheuerung, im sogenannten Unteren Haus. Vom Kaufpreis blieb er 30 Bernkronen schuldig. 1784 starb seine Ehefrau Magdalena im Alter von 72 Jahren. Abraham selbst verstarb acht Jahre später am 18. Juli 1792 im hohen Alter von 74 Jahren.

Nach seinem Tod vermietete die jüngste Tochter Elisabeth (1761–1805) das Obere Haus mit der Werkstatt an den Hafner Johann Jakob Hächler (1763–1811) von Hasle bei Burgdorf und arbeitete («diente») wohl auch in dessen Werkstatt. Sie selbst blieb im Unteren Haus wohnen. Nach ihrem Tod 1805 konnte Hächler 1806 das Werkstattgebäude im Oberen Haus für nur 80 Bernkronen oder 200 Schweizer Franken von der Gemeinde Fraubrunnen kaufen. Das Gebäude bestand aus Stube, Nebenstübli, einer Küche, dem Gaden, der als Töpferwerkstatt genutzt wurde, und dem Brennofen unter dem gleichen Dach. Ausserdem gehörte dazu eine kleine Scheune mit zwei Ställen und einer Heubühne sowie ¼ Juchart Land (ca. 900 m2) mit Bäumen und Garten. Dem Einwohnerverzeichnis von 1806 kann entnommen werden, dass die Werkstatt offenbar zunächst florierte, denn Hächler beschäftigte immerhin drei Gesellen und einen Lehrling. Nach dem Tod seiner ersten Frau Katharina Dällenbach von Aeschlen im Jahr 1808 und einer zweiten Heirat mit der Witwe Susanna Weissmüller (1779–1839) aus Zweisimmen im Jahr 1810 starb Hächler bereits 1811 im Alter von nur 48 Jahren.

Das Obere Haus mit der Töpferei übernahm seine Heimatgemeinde Hasle als Unterpfand für existierende Schulden. Noch 1827 bestand die Hafnerwerkstatt im Haus, jedoch fand mit grosser Wahrscheinlichkeit keine Keramikproduktion mehr statt. Das Haus wurde Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen, das Grundstück um 1980 modern überbaut. Das Untere Haus verkaufte die Gemeinde Fraubrunnen als Vormund der verstorbenen Elisabeth Marti 1806 für 300 Kronen an den Schärer Peter Allenbach; es steht heute noch (Blankenburg, Hüsy-Stutz 6).

In Museen und Sammlungen der Schweiz, Deutschlands und Englands haben sich bis heute etwa 230 keramische Objekte erhalten, die der Produktion von Abraham Marti zugeschrieben werden können. Hervorzuheben sind die Bestände im BHM, MAG, MAHN und SNM. 46 dieser Objekte tragen Jahreszahlen zwischen 1749 und 1789 (MAG AR 906). Dies entspricht der Blankenburger Produktionsphase Martis. Bei den frühesten Stücken sind deutliche Bezüge zum bernischen Mittelland und der Region Fraubrunnen zu erkennen (MAG R 172). Grundlage für die Zuweisung von Keramik zur Produktion von Abraham Marti sind vor allem die wenigen mit seinen Initialen versehenen Objekte, von denen das Musée Ariana das eindrucksvollste Stück besitzt (MAG AR 932). Keramiken, die laut Inschriften und Initialen für Landvögte in Blankenburg und hochrangige Persönlichkeiten im Umfeld Blankenburgs gefertigt wurden, stützen diese Gruppenbildung zusätzlich. Demnach produzierte Marti Geschirr mit einer weissen Grundengobe und blauem oder polychromem Unterglasur-Pinseldekor, in sehr charakteristischen Formen sowie mit stilistisch eindeutig bestimmbaren Beschriftungen. Die in der Literatur immer wieder zu findende Angabe, es handele sich um Blankenburger oder Simmentaler «Fayence», d. h. eine Keramik mit einer Blei-Zinnglasur und Inglasurmalerei, ist falsch. Auch weitere, früher dem Simmental zugeschriebene Keramikgruppen entstammen wohl nicht seiner Werkstatt (vgl. Wyss 1966, 15–23, nicht dem Simmental zuzurechnen sind Wyss 1966, Taf. 1 und 2, Abb. 1–8). Die Zuschreibung «Simmental» kann heute nur noch im eingeschränkten Masse aufrecht erhalten werden und sollte künftig lediglich das Werk Abraham Martis umfassen.

Das museal erhaltene Keramikspektrum Martis wird von den typischen flachen Platten dominiert, die rückseitig normalerweise keine Aufhängeöse tragen, also nur in einem Tellerbord verwahrt werden konnten. Andere Gefässformen sind ausgesprochen selten überliefert: Es finden sich zwei Butterfässer, eine Teekanne, eine Flasche, zwei Tintengeschirre, zwei Töpfe und mehrere Wandbrunnen bzw. Handwaschbecken. Eine archäologische Überlieferung gibt es zu Abraham Marti leider nicht. Bodenfunde aus dem Verbrauchermilieu fehlen vollständig. Da das Werkstattgebäude in Betelried um 1980 überbaut wurde, besitzen wir leider auch keinerlei weitergehende Informationen zur Werkstatt und zu eventuellen Produktionsabfällen.

Stammbaum Abraham Marti

Bibliographie

Heege/Frey/Spycher u.a. 2023
Andreas Heege/]onathan Frey/Alfred Spycher u.a., Keramik aus Blankenburg, Abraham Marti (1718–1792), ein bernischer Landhafner, Bd. 16 (Schriften des Bernischen Historischen Museums), Bern 2023.

Bonfol (bei Porrentruy) JU

Keramik aus Bonfol in CERAMICA CH

Ursule Babey 2019

Die kleine Gemeinde Bonfol, an der Grenze zwischen dem Kanton Jura und dem Elsass (F) gelegen, ist vor allem für die aussergewöhnliche Qualität ihres Tons bekannt. Eine lange Tradition des Töpferhandwerks zieht sich durch die Geschichte des Orts. Die frühesten Aufzeichnungen über die Verwendung des hervorragenden Tons für Keramikprodukte stammen aus den Stadtrechnungen der nahe gelegenen Stadt Delsberg, deren Behörden am 15. August 1544 einen Kachelofen für das Rathaus bei Küna, Sohn des Henri von Bonfol, bestellt haben. Archäologische Untersuchungen erlauben uns derzeit nicht Kachelöfen aus Bonfol zu identifizieren. Auch lässt sich mithilfe von Dokumenten nicht belegen, ob Bonfols Töpfer die Waldglashütten von Court (BE, 1699–1714) mit Schmelztiegeln für die Produktion von Trinkgläsern belieferten. Dank anderer Ausgrabungen, die während des Baus der Autobahn A16-Transjurane stattfanden (Porrentruy-Grand’Fin und Rebeveulier-La Verrerie), konnte man das im 18. und 19. Jahrhundert weit verbreitete Alltagsgeschirr identifizieren, das aus Bonfoler Werkstätten stammt. Keramikanalysen stützen diese Zuordnung. Der Erfolg dieser Keramikprodukte ist auf zwei Faktoren zurückzuführen: Zuallererst auf den geologischen Zufall, der einen natürlich feuerfesten Ton hervorbrachte, sowie auf die für den Abbau des Rohstoffs günstige geopolitische Lage des Orts.

Geologische Besonderheit und die damit verbundenen technischen Einschränkungen in der Verarbeitung des Rohstoffs

Bei den abgebauten Rohstoffen, die als «argiles bigarrées de Bonfol» – «bunte Bonfol-Tone» bezeichnet werden, handelt es sich um Tone fluvialen Urspungs aus dem Ende des Tertiärs. Sie liegen in Form von kleinen linsenförmigen Ablagerungen vor. Durch das fast vollständige Fehlen von Kalk in ihrer Zusammensetzung sind die Tone hitzebeständig. Bonfol-Ton erfordert keine aufwändige Behandlung, er wurde praktisch so verwendet, wie er aus dem Boden kam. Nach einer Zeit der Reifung unter freiem Himmel folgte eine Säuberung durch Entfernen der mit blossem Auge sichtbaren unerwünschten Einschlüsse wie zum Beispiel Holzpartikel, Blätter oder Kieselsteine. Diese Arbeit wurde durch die Töpfer kurz vor der Formgebung auf der Drehscheibe durchgeführt. Es wurden dem Ton keine weiteren Zusätze oder Magerungspartikel hinzugefügt. In der Schweiz sind bis heute keine weiteren vergleichbaren Tonvorkommen mit dieser Qualität bekannt.

Das Fehlen von Kalziumoxid hat neben dem positiven Aspekt der Feuerfestigkeit des Tons auch einen negativen Aspekt: Die Glasur haftet schlechter am Scherben, was die Töpfer in der damaligen Zeit dazu zwang, eine transparente Glasur auf Bleibasis zu verwenden, die leicht an ihrem gelblichen Farbton zu erkennen ist. Die Glasurzubereitung in Handmühlen stellt nicht nur ein Gesundheitsrisiko für die Handwerker dar, dazu kommt, dass diese Art von Glasur gegen Säuren wenig beständig ist und dadurch in Kontakt mit Lebensmitteln und Getränken löslich ist.

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts brannte man die Produkte in grossen, stehenden Öfen, die mit Holz befeuert wurden. Der Raubbau an den Waldflächen war derart gross, dass einige Werkstattleiter  empfindliche Bussen wegen Waldfrevels (Holzdiebstahls) bekamen, die das eher fragile wirtschaftliche Gleichgewicht ihrer Unternehmen gefährdeten. Um dieses Problem durch Reduktion des Holzverbrauchs so weit wie möglich zu begrenzen, haben die Töpfer ihre Produkte in nur einem Durchgang gebrannt (Einzelbrand), eine an diesen Typ Keramik angepasste Lösung.

Um Keramik herzustellen, braucht es als Voraussetzung nicht nur reichliche Tonvorkommen, gleichzeitig muss auch die Zugangsmöglichkeit zu dieser Ressource sichergestellt sein. Unter dem Ancien Régime gehörte der Ton, wie Eisenerz oder Steinvorkommen, zum Bergregal und war somit Eigentum des Fürstbischofs von Basel. Um jedoch die Produktivität der Töpfer nicht zu behindern, erlaubte dieser den freien Zugang zu den Tonvorkommen, ohne dass dafür Zahlungen an die Herrschaft fällig wurden. Die einzige Bedingung war, dass die beim Tonabbau entstandenen Gruben abgesperrt werden mussten, um Knochenbrüche des Viehs zu verhindern. Zudem mussten die Gruben am Ende der Nutzung wieder zugeschüttet werden.

Die Organisation der Töpfer

Bis ins 19. Jahrhundert war der Gebrauch von feuerfesten Keramikgefässen weit verbreitet, da die meisten Menschen am offenem Feuer oder auf einem holzbefeuerten Kochherd kochten. Das in Bonfol produzierte Geschirr war perfekt an die Bedürfnisse der Bevölkerung angepasst und daher sehr begehrt. Im Bewusstsein des De-facto-Monopols aufgrund der Qualität ihres Rohmaterials haben sich die Töpfer, bewusst oder unbewusst, auf sehr originelle und unabhängige Weise organisiert. Ihre sozioökonomische Gruppe war innerhalb des Orts von grosser Bedeutung: Mehr oder weniger die gesamte Bevölkerung war an der Produktion beteiligt, entweder direkt (Töpfer, Töpferinnen, Gesellen und Lehrlinge) oder als Arbeiter bei der Gewinnung von Ton, beim Holzschlag oder beim Verkauf der Waren. Diese Situation begünstigte die Bindung zwischen den Familien, was in einer starken beruflichen Endogamie und einem ausgeprägten Gefühl des Unter-sich-Seins zum Ausdruck kam.

Erst wenn sich die Töpfer der Aussenwelt, vor allem den in Pruntrut ansässigen Korporationen stellen mussten, schlossen sich die Werkstattleiter zusammen. Dabei ging es vor allem darum den Ausbildungsverpflichtungen, insbesondere der Gesellenwanderung zu entgehen. Dieses Ziel erreichten sie dann auch.

Aufgrund  der guten Beschaffenheit und der einfachen Verarbeitbarkeit des Bonfol-Tons, verfügten die Töpfer nur über begrenzte Kenntnisse ihres Handwerks. Sie kannten und beanspruchten nur dieses von Generation zu Generation weitergegebene Wissen, was sie daran hinderte, sich anderswo in anderen Arbeitsumgebungen zurechtzufinden. Sie blieben daher im Dorf ansässig. Es gibt nur wenige Beispiele von ausgewanderten Töpfern. Meistens arbeiteten sie allein in Familienwerkstätten, bestenfalls zusammen mit einem Sohn, einem Lehrling oder einem Gesellen. Nur für den Keramikbrand mussten sie sich mit ihren Kollegen arrangieren, denn im 19. Jahrhundert gab es nicht so viele Brennöfen wie Töpfer. Man geht davon aus, dass die gemeinsame Nutzung oder Vermietung von Töpferöfen üblich war, obwohl es an Beweisen in Form von notariellen Urkunden fehlt.

Um den Verkauf ihrer eher zerbrechlichen Waren sicherzustellen, hatten die Bonfol-Töpfer einen unschlagbaren Verkaufspreis zum Ziel. Zu diesem Zweck reduzierten sie ihre Investitionen in Zeit, Energie und Geld in der ganzen Produktionskette: Der Ton wurde praktisch ohne grosse Vorbereitung verwendet, die Formen der Gefässe waren einfach und standardisiert, die mit dem Malhorn angebrachten stilisierten Dekore bewegten sich in einer begrenzten Farbpalette (Weiss, Dunkelbraun, grünliche Akzente). Nur Stücke, die auf den Tisch kamen, werden bemalt,  Kochgeschirr und Lagerbehälter waren dagegen ohne Dekor und glasiert werden nur Behälter, die mit Lebensmitteln und Flüssigkeiten in Kontakt kamen. Die Glasur bestand aus Bleiglätte, die normalerweise in Basel eingekauft werden musste. Zudem wurden die Produkte nur einmal gebrannt, um Brennmaterial zu sparen.

Während das ästhetische Ergebnis dieser Produktionskostenreduzierung fragwürdig ist, ist die wirtschaftliche Effizienz klar erwiesen. Dank der mineralogischen, petrografischen und chemischen Analysen, die von Gisela Thierrin-Michael durchgeführt wurden, war es möglich, diese ganz besondere Produktion zu charakterisieren, sie aufgrund der beschriebenen Merkmale mit blossem Auge zu identifizieren und in der Folge ohne Analyse zu erkennen. Ihr Platz sowie ihr wirtschaftliches Gewicht innerhalb der reichlich vorhandenen Gebrauchskeramik der Neuzeit wurde so gebührend evaluiert.

Keramik aus Bonfol wurde in fast der ganzen Schweiz nördlich der Alpen, in Süddeutschland und Ostfrankreich verkauft, das grosse Absatzgebiet ist entweder urkundlich oder durch archäologisches Fundmaterial gut belegt. Ein Beweis dafür ist beispielsweise die Marktordnung der Stadt Freiburg (CH), die eine Ausnahme für die Töpfer von Bonfol vorsah, die als einzige nicht Ortsansässige nur zugelassen wurden, weil sie ein begehrtes Gut lieferten, das anderswo nicht produziert werden konnte. Die Produkte wurden von den Strassenhändlern und Hausierern, die manchmal mit der ganzen Familie unterwegs waren, und auf den Jahrmärkten der Grossstädte von Händlern an die Kunden verkauft. Der Verkaufserfolg machte die bescheidenen Handwerker weder reich noch zu anerkannten Bürgern. Man verstand sich nicht als Individuum oder Künstler, weshalb die Keramik normalerweise unsigniert blieb. Die Arbeit konnte die Armut der Töpfer nicht beseitigen, wie Inventare nach dem Tod verschiedener Produzenten zeigen, aber sie garantierte ihre Unabhängigkeit, die ihnen wichtiger gewesen zu sein scheint.

Dreibeinkanne aus Bonfol. Höhe: 26 cm. Ende 18.  bis Anfang 19. Jahrhundert. Porrentruy-Grand’Fin. Aus der Sammlung des Amts für Kultur der Republik und Kanton Jura – Abteilung Archäologie. Foto: OCC-SAP, Bernard Migy.

Palette der hergestellten Produkte

Im Allgemeinen zeichnet sich die Keramik aus Bonfol durch ihre warme, bräunlich ockergelbe Farbe aus, die durch das Auftragen einer transparenten, gelben Glasur direkt auf einen durch Eisenoxid rot brennenden Ton entsteht (Gelb + Rot = Braun). Die Töpfer verwenden zwischen Scherben und Glasur keine zusätzliche Engobe. Die Bruchstellen zeigen eine reichlich vorhandene, kieselsäurehaltige, feine Magerung (zwischen 20 und 30 Prozent des Volumens), deren grösste Körner selten 2 mm überschreiten. Diese Magerung besteht hauptsächlich aus grossen quarz- und eisenhaltigen Tonknollen in leuchtend rotbrauner Farbe, sekundär aus Kalifeldspat, Plagioklas, Glimmer oder Hornblende. Alle Bestandteile liegen in einer oft faserigen Matrix.

Röstiplatte. Durchmesser: 31 cm. Porrentruy-Grand’Fin. Spätes 18. und frühes 19. Jahrhundert. Aus der Sammlung des Amts für Kultur der Republik und Kanton Jura – Abteilung Archäologie. Foto: OCC-SAP, Bernard Migy.

Das Koch- und Vorratsgeschirr ist ohne Dekor. Hingegen werden Essgeschirr und sogar Nachttöpfe  systematisch mit Malhorndekor auf der Grundlage einer weiss brennenden Malengobe versehen. Letztere erscheint gelb unter der gelben Glasur, manchmal wird auch grüne oder dunkelbraune Glasur appliziert, um das Stück zu veredeln. Unglasierter Malhorndekor ist sehr selten.

Dreibeinpfanne mit hohlem Griff aus Bonfol. Durchmesser: 24 cm. Porrentruy-Grand’Fin. Spätes 18. und frühes 19. Jahrhunderts. Aus der Sammlung des Amts für Kultur der Republik und Kanton Jura – Abteilung Archäologie. Foto: OCC-SAO, Bernard Migy.

Die wegen ihrer feuerfesten Eigenschaften gefragte Keramik aus Bonfol besteht in erster Linie aus einer Reihe von Produkten, die zum Kochen auf offenem Feuer oder im Ofen geeignet sind, im Allgemeinen sind sie ohne Dekor. Das Caquelon ist nach wie vor das wichtigste Stück dieses Kochgeschirrs, sehr beliebt und weitum verkauft machte es die Region um Porrentruy bekannt. Ursprünglich und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war es ein einfacher runder Kochtopf mit flachem Boden oder mit drei Füssen mit einem horizontalen, meist hohlen Stiel. Einige Exemplare haben einen Kragenrand. Die Töpfe werden fast nie verziert. Ihr Durchmesser variiert zwischen 15 und 30 cm. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts sind sie manchmal beidseitig glasiert. Ergänzt wird das Kochgeschirr durch Ofengefässe oder ovale Bräter, Bratpfannen mit und ohne Füsse sowie Dreibeinkannen, die man in die Glut stellen konnte.

Das Sortiment ist jedoch nicht auf Kochgefässe beschränkt. Derselbe Ton wurde für Mehrzweckformen (Terrinen in Kegelstumpfform ohne Ausguss oder Henkel) sowie für Geschirr (kalottenförmige Teller, Röstiplatten) verwendet. Runde Vorratstöpfe mit zwei vertikalen Henkeln mit Kragenrand, verschiedene Deckeltypen und Nachttöpfe mit breit ausbiegendem Rand ergänzen die Palette.

Ab 1820 wurden in mehreren Ziegelfabriken mit dem lokalen Ton auch Dachziegel hergestellt, ein Handwerk, das von einem Töpfer ins Leben gerufen wurde, der damit die Produktionspalette diversifizierte. Die Dachziegelproduktion wurde ab 1889 mechanisiert. Nach einem Brand im Jahr 1919 wurden die Aktivitäten in der Ziegelei eingestellt. Ziegel aus der mechanisierten Ziegelei, die mehr als hundert Jahre alt sind, bedecken noch heute Dächer der Region, was zeigt, dass feuerfester Ton auch erfolgreich für andere Zwecke verwendet werden kann.

Niedergang, industrielle Wiederbelebung und Ende der Massenproduktion

Bestand die Töpfergemeinde 1751 aus nur 9 Vertretern, stieg die Anzahl der Töpferbetriebe ab 1764 auf 24, von 1770 bis 1813 stabilisierte sich die Zahl zwischen 24 und 35 Familienoberhäuptern mit diesem Berufsstand. Die blühendste Periode war der Zeitraum zwischen 1817 und der Mitte des 19. Jahrhunderts.1821 existierten 57 Werkstätten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es dagegen zu einem starken und plötzlichen Rückgang der Töpferbetriebe, 1876 waren es nur noch 15 Töpfer. Was die Stärke dieses Handwerks sowohl lokal als auch regional und sogar auch international ausmachte – der natürlich feuerfeste Ton – verursachte auch seinen Untergang. Die technische Routine, die mit einer selbstgewählten Isolation einherging, verhinderte, dass man sich der Entwicklung der Wirtschaftswelt und insbesondere der Konkurrenz neuer Materialien bewusst wurde. Diese Materialien wurden von den Kunden als praktischer und widerstandsfähiger angesehen. Die fehlende Infragestellung des eigenen Wirtschaftsmodells ging auf Kosten der Kreativität und der Anpassung an die Nachfrage. Die traditionelle Produktion wurde, so gut es ging, bis zum Ersten Weltkrieg aufrechterhalten.

Sortiment der industriellen Keramikproduktion von Bonfol: Teigwarenschüssel, Schmalztopf, Kaffeekanne, Fondue-Caquelon, Ofenformen, Bräter, 1920-1950. Sammlung Fondation des poteries de Bonfol. Foto: OCC-SAP, Bernard Migy.

Im 20. Jahrhundert konzentrierte sich die Produktion in Fabriken, das Sortiment der Produkte änderte sich mehrmals, was wohl als Versuch zu werten ist, sich dem Markt besser anzupassen. Drei Unternehmen wurden gegründet: Fabrique de céramique Bregnard et Cie SA (1912-1957); Fabrique Chappuis et Cie, die zur Céramique d’Ajoie SA wurde (1924-1949) und die CISA SA (Céramiques industrielles SA, 1951-1999).Trotzdem ging die Massenproduktion von Gebrauchskeramik Ende der 1950er-Jahre endgültig zurück, obwohl gerade in diesem Zeitraum eine Fabrik für Boden- und Wandbeläge (CISA) gegründet worden war (1950) und ein Unternehmen mit grossem handwerklichem Know-how und künstlerischer Ausrichtung (von der CISA durch Armand Bachofner übernommen) gegründet wurde (1950). Diese letzten beiden Unternehmen wurden 1991 respektive 1999 geschlossen.

Felicitas Holzgang, Keramikmeisterin sowie Kuratorin des Töpfereimuseums in Bonfol, ist künftig alleine verantwortlich für die Weitergabe des überlieferten Wissens. Das mit der Keramikproduktion verbundene Kulturerbe wird im Töpfereimuseum (www.jurapoterie.ch) bewahrt.

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

Babey Ursule, Produits céramiques modernes. Ensemble de Porrentruy, Grand’Fin. Office de la culture et Société jurassienne d’Emulation, Porrentruy, 2003. (Cahier d’archéologie jurassienne 18). Accès en ligne : http://doc.rero.ch/record/21328?ln=fr

Emmanuelle Evéquoz et Ursule Babey, Rebeuvelier-La Verrerie, redécouverte d’un passé préindustriel. Office de la culture et Société jurassienne d’Emulation, Porrentruy, 2013. (Cahier d’archéologie jurassienne 35). Accès en ligne : http://doc.rero.ch/search?p=20190117172250-JE

Jonathan Frey, Court, Pâturage de l’Envers. Une verrerie forestière jurassienne du début du 18e siècle. Vol. 3: Die Kühl- und Haushaltskeramik. Berne, 2015.

Babey Ursule, Archéologie et histoire de la terre cuite en Ajoie, Jura, Suisse (1750-1900). Les exemples de la manufacture de faïence de Cornol et du centre potier de Bonfol. Office de la culture et Société jurassienne d’Emulation, Porrentruy, 2016. (Cahier d’archéologie jurassienne 37). Pour se procurer un exemplaire : https://www.jura.ch/fr/Autorites/Archeologie-2017/Publications/Les-cahiers-d-archeologie-jurassienne-CAJ.html

Boult (Haute-Saône) F, Manufaktur von Claude Gautherot (1752 und 1772)

Objekte in CERAMICA CH

Fayencen aus der Franche-Comté in Solothurner Sammlungen

Roland Blaettler 2019

Im 18. Jahrhundert war die Westschweiz ein sehr wichtiges Absatzgebiet für die Manufakturen der Franche-Comté. Dementspre­chend findet man viele Beispiele in Schweizer Sammlungen, vor allem entlang dem Jura-Südfuss, von denen man denkt, dass sie ursprünglich von dort herkom­men.

Zu dieser verhältnismässig schlecht dokumentierten Gruppe gehört eine beachtliche Reihe von Fayencen mit einer Marke, die einem «g» gleicht und die von Rudolf Schnyder als «cg» gelesen wurde (siehe z. B. SFM 36; SFM 34; SFM 38). Dementsprechend werden solche Fayencen heute der Manufaktur von Claude Gautherot in Boult im Departement Haute-Saône zugewiesen (Rosen 2013, 17–22).

Claude übernahm die Direktion des von seinem Vater Jacques Gautherot gegründeten Unternehmens nach dessen Tod im Jahr 1762, bevor er eine zweite Fabrik in dem nahe bei Boult gelegenen Le Cordonnet einrichtete. Die Dekore von Boult (oder Le Cordonnet) sind oft Imitationen von verbreiteten Dekoren der lothringischen Manufaktur von Chambrette in Lunéville, insbesondere des camaieu-violetten, sogenannten «Kranichdekors» (bei dem es sich eigentlich um einen Phönix chinesischer Herkunft handelt) und seiner Varianten (SFM 36; SFM 34; SFM 38; SFM 39; SFM 37; SFM 35; HMO 8712). Zum originalen «Kranichdekor» siehe z. B. MAHN AA 1666; MAHN AA 1668; MAHN AA 1664; Schny­der 1973, Abb. 9 und Rosen 2013, 17–19.

In den 1940er Jahren reklamierte Maria Felchlin diese Produkte für Matzendorf als Erzeugnisse der damals noch schlecht dokumentierten Periode von 1812–1820 (Felchlin 1942, 25–26). Felchlin stützte ihre Zuschreibung mit dem Hinweis, dass sich 1808 der Fayencier Marx Frei von Lenzburg in Matzendorf auf­hielt (Felchlin 1968, 160–161). Da damals der «Kranichdekor» in seiner originalen Form gleich wie auch andere Dekore der Lunéviller Produktion Lenzburg zugewiesen wurde, schien dies Sinn zu machen. Der Irrtum konnte erst 1973 durch Rudolf Schnyder aufgedeckt und korrigiert werden (Schnyder 1973).

Man wird übrigens feststellen, dass fast alle Fayencen mit «Kranichdekor», die im Kanton Solothurn aufgenommen wurden, aus der privaten Sammlung von Maria Felchlin kommen. Siehe auch «Matzendorf/Aedermannsdorf, Fayencemanufaktur».

Bibliographie:

Felchlin 1942
Maria Felchlin, Die Matzendorfer Keramik. Ein Beitrag zur Geschichte der schweizerischen Keramik, in: Jahrbuch für solothurnische Geschichte 15, 1942, 1–72.

Felchlin 1968
Maria Felchlin, Matzendorf in der keramischen Welt, in: 968–1968: Tausend Jahre Matzendorf, Solothurn 1968, 151–216.

Rosen 2013
Jean Rosen, De Lunéville à la Franche-Comté: un exemple de diffusion précoce des décors de la Manufacture Chambrette, vers 1755-1760, in: Deuxième table ronde franco-suisse: Faïences et faïenceries de l’Arc jurassien et ses marges. Procédés techniques et décors. L’apport des sources et de l’archéologie, Fribourg 2013, 15-22.

Schnyder 1973
Rudolf Schnyder, Fayencen 1740–1760 im Gebiet der Schweiz, Zürich 1973.

Bugnei GR, Töpferei Sep Anthoni Deragisch (Vater und Sohn)

Jau Baibel Bugien Cafe 1842 – Ich trinke gern Kaffee!  Sicher das eindrucksvollste Werk von Sep Antoni Deragisch aus Bugnei.

Keramik aus Bugnei in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019

Die Hafnerei in Bugnei, Gemeinde Tavetsch, Bezirk Surselva im Bündner Oberland am Fusse des Oberalppasses geht auf Sep (Josef) Antoni Deragisch (*13. März 1815, + 6. August 1882, Lebensdaten nach HLS), den Sohn eines katholischen Bauern zurück (alle Informationen basieren auf: Curti 1920; Gadola/Curti 1929; Frei 1947, 31; Creux 1970, 128–129, Kat. 4 und 5; Schnyder 1979, 331. Freundliche Hinweise lieferte auch Tarcisi Hendry, Museum La Truaisch, Sedrun. Unveröffentlicht: Haldner 1982. Ohne weitere eigenständige Informationen: Jenny 1991, 136; Erstveröffentlichung dieses Textes Heege 2016).

Sep Antoni Deragisch machte seine Lehre bei dem Hafner Fidel Wölfle in Wangen im Allgäu. 1920 war das Original seines Gesellenbriefes von 1834 noch im Besitz der Familie (Curti 1920, 270, Verbleib unbekannt). Nach dem Abschluss der Lehre gründete er in seinem Heimatdorf in seinem Haus einen eigenen Töpfereibetrieb.

Sep Antoni d. J. (*21. September 1842, + 27. Oktober 1930)

Sein Sohn und Nachfolger Sep Antoni d. J. (*21. September 1842, + 27. Oktober 1930), der in Flüelen die Hafnerlehre bei einem nicht überlieferten Meister absolvierte, stellte die Produktion wohl bald nach 1918 ein, wobei das genaue Schlussjahr unbekannt ist (Curti 1920). Er dürfte der Gewährsmann für die Informationen gewesen sein, die sich in den Veröffentlichungen von Pater Notker Curti aus dem Benediktinerkloster Disentis finden.

 

Überblick über das hauptsächliche Produktionsspektrum von Bugnei, Sammlung des Klostermuseums Disentis.

Einen Eindruck von der produzierten Keramik vermitteln die Sammlungsbestände des Rätischen Museums, die teilweise von Pater Notker Curti und von Sep Antoni Deragisch d.J. selbst stammen sowie der grösste Bestand in der Sammlung des Klostermuseums Disentis. Daneben gibt es entsprechende Keramik in der Sammlung des Museums La Truaisch in Sedrun sowie im Museum Nutli Hüschi in Klosters. Erhalten hat sich auch ein in romanischer Sprache geschriebenes Geschäftsbuch mit Eintragungen von 1866–1882 (also wohl von Sep Antoni Deragisch d. Ä., Transkription Tarcisi Hendry, 2021) sowie ein bislang nicht ausgewertetes Skizzenbuch mit Datierungen ab 1875 (zumindest teilweise also wohl von Sep Antoni Deragisch d. J.; RMC Inv. H1981.1134, H1982.12). Sollte Pater Notker in seinem Aufsatz von 1920 dieses Skizzenbuch vor Augen gehabt haben, so ergibt sich eine Diskrepanz zwischen den handschriftlichen Daten im Buch und Notkers Zuordnung. Notker Curti nimmt an, dass es sich vor allem bei den Zeichnungen der Kachelöfen um Skizzen von Sep Antoni Deragisch dem Älteren handelt. Diese Information kann er eigentlich nur vom letzten Hafner selbst haben, denn das Buch liefert dafür keinen Beleg.

Es enthält darüberhinaus einen technischen Schnitt durch einen typischen stehenden Töpferofen, wie er im 19. Jahrhundert in der Deutschschweiz erwartet werden kann. Ob der holzgefeuerte Töpferofen in Bugnei jedoch ebenfalls diesem Bautypus entsprach, ist unbekannt.

Skizzenbuch aus dem Rätischen Museum: Töpferofenquerschnitt, Kachelofen, Gebrauchsgeschirr (RMC H1981.1134).

Daneben gibt es zahlreiche Skizzen zu Kachelöfen. Sep Antoni Deragisch d. Ä. begeisterte sich offenbar vor allem für den Dekor und den Kachelofenstil des biedermeierlichen Empire bzw. des beginnenden Historismus. Gleichzeitig wurden im Skizzenbuch aber auch andere technische Details notiert (z. B. eine wasserradgetriebene Töpferscheibe oder Glasurmühle) und offenbar im eigenen Betrieb gefertigte Gefässformen skizziert.

Zu den Produkten der Werkstatt Deragisch äusserte sich Pater Notker vermutlich auf der Basis der von ihm zusammengetragenen Klostersammlung sowie der nach Chur an das Rätische Museum vermittelten Stücke folgendermassen:

«Die gangbaren Hausierwaren bieten leider nicht viel an Dekor und Form. Sie teilen sich in zwei Gruppen: In Gebrauchs- und Ziergegenstände. Zur ersten Abteilung gehören all die verschiedenen Töpfe, Krüge und Häfen, vom einfachen unglasierten Blumentopf bis zum grossen Kaffeekrug, die grösseren Stücke meist dunkel, fast schwarz (RMC Inv. H1971.459, KMDis Inv. 1999-350, U15, RMC Inv. H1971.451, H1971.460. Alle Stücke, die das RMC heute verwahrt, wurden von Pater Notker angekauft. Weitere typische Bügelkannen: KMDis Inv. 1999-347, U20, U22, U24, U32, RMC Inv. H1971.1174, H1973.885, H1984.3 (Kauf in Rodels). Kaffee- und Teekannen: KMDis Inv. 1999-351, U31, U34, RMC Inv. H1971.451, H1971.460), die anderen schmutzigweiss oder gelbbraun, die Blumentöpfe gern grün (KMDis Inv. U16, 1999-344, U21–U23). Mit Verzierungen war man in Bugnei stets sparsam, das schwarze Geschirr ist ohne Schmuck, das helle wird mit einem mageren Blattkranz, dem Rest von Deragischs Empirekunst, oder mit dünnem Punktdekor abgemacht (KMDis Inv. U1, U4, RMC Inv. H1971.477, KMDis Inv. U6. Weitere Stücke, die hier stilistisch wohl zugeordnet werden können: KMDis Inv. 1999-346, U5, U18, U137 und U137a (Tassen, Kauf in Bugnei 1947), RMC Inv. H1964.233 (Kauf in Trun 1910), H1970.203, H1971.478, H1971.1164 (Fehlbrand, Kauf in Bugnei in der Werkstatt Deragisch).

Originell sind fast nur die sog. broccas, die allerdings sehr altertümlich anmuten. Es sind Bauernkrüge, heute meist für Kaffee verwendet, mit kleinem rundem Ausguss und zwei Henkeln, einem kleinen dem Ausguss gegenüber und einem grösseren gedrehten Traghenkel. Da dieser aber das gefüllte Gefäss nicht trägt, wird er mit Draht oder Schnur verstärkt. Zwei Löcher an den Henkelansätzen dienen zur Befestigung der Verstärkung. Auch die Ziergegenstände sind nicht sehr dekorativ, weder in Form noch Farbe.

Nicht nur die rohen Weihwasserkessel (RMC Inv. H1970.216, H1970.217. Weitere: KMDis Inv. 1996-298, 1996-299, RMC Inv. H1971.474. In der Klostersammlung Disentis ist für eine der Weihwasserbecken-Rückseiten ein «JAD» signierter Model erhalten: KMDis Inv. 1999-345) und Kruzifixe (KMDis Inv. U109a),…, auch die Leuchterchen (ev. KMDis Inv. U7, RMC Inv. H1971.453) sind recht plump und manchmal wenig ansprechend in der Färbung. Besser machen sich die einfachen dunklen Tintengeschirre mit runden Löchern als Verzierung (KMDis Inv. U10, ausserdem wohl zuzuordnen U26, Kauf in Tavetsch 1926, U139, Kauf in Bugnei 1947). Auch die Bilderrahmen aus gedrehten Schnüren in Blauviolett und Weiss sind gar nicht übel (KMDis Inv. U122, auch KMDis Inv. U2). Vielleicht das Beste stellen die Giessfassbecken (romanisch: butschidas) dar, die mit ihren Gehängen und Festons noch lebhaft an die Lehrzeit des alten Deragisch erinnern (RMC Inv. H1973.455, gut vergleichbar: KMDis Inv. U29). Leider ist die Färbung oft nicht sehr ansprechend, ein Mittelding zwischen Weiss und Grün. Kurz, was in Tavetsch hergestellt wurde, ist für eine Kundschaft berechnet, die einfache billige Ware wünschte und an Form und Farbe keine grossen Anforderungen stellte, weil sie mit dem Geschirr nicht präsentieren wollte…» (Curti 1920, 272–273).

Es gibt darüber hinaus eine Reihe von Beobachtungen, die Pater Notker nicht mitteilt. So tragen die Bügelkannen auf der Bodenunterseite gelegentlich eine eingeritzte Zahl, die sich auch auf der Unterseite des zugehörigen Deckels wiederfindet. Dies erleichterte nach dem Ausnehmen des Töpferofens die Zuordnung der passgenau angefertigten Deckel zu jedem Gefäss. Daneben ist auf die Verzierung des schwarzbraun glasierten Geschirrs mit eingeritzten Wellenlinien oder Rollstempeldekor hinzuweisen.

Ein Aktenbeschwerer in der Sammlung des Rätischen Museums trägt die eingepressten Initialen des Herstellers «J a D», den rechteckigen Abdruck eines Models mit einem Herz-Jesu-Motiv, flankiert von zwei Engeln, und zudem die Blindmarken «BUGNEI» und «Tujetsch» (RMC Inv. H1970.221, KMDis Inv. U13.). Die beiden Blindmarken finden sich auch bei einem der kleinen Henkeltöpfe und dem Tintengeschirr und bestätigen auf diese Weise die Zuordnung zur Hafnerei Deragisch. Das Herz-Jesu-Motiv findet sich auch auf der Vorderseite eines kleinen grünen Kerzenleuchters, des rechteckigen Beckens von 1912, auf der Schulter eines Blumentopfes (KMDis Inv. U21) und seitlich am Sockel des Kruzifixes. Die Vorderseite des Sockels ziert ein schwach abgedrücktes Lamm-Gottes-Motiv, das sich identisch im Spiegel einer flachen Kragenrandschüssel findet (KMDis U006). Die rückseitige Auflage eines Streichholzhalters zeigt eine halbplastische Büste in einem Perlkreis (RMC H1971.453). Dieselbe Auflage findet sich sowohl an einem Blumentopf (KMDis Inv. U23), der zusätzlich mit gedrehten Schnüren verziert ist, als auch an der keramischen Einfassung eines Hausaltärchens (KMDis Inv. U150).

Kachelofen (H. 148 cm, Br. 117 cm, T. 72 cm), der bis zum September 1980 im Töpferhaus Deragisch, Via Romana 5, in Bugnei stand. Teile von identisch verzierten Wandfliesen gelangten auch ins Museum Al Truaisch in Sedrun.

Daneben produzierten Vater und Sohn Deragisch in unbekanntem Umfang offenbar auch Kachelöfen mit grün, gelb oder schwarzbraun glasierten Kacheln, die zusätzlich ein Zickzackmuster aufweisen konnten (Einzelkachel RMC Inv. HXIII.220, Erwerb von Pater Notker, Disentis; weitere Kacheln verwahrt das Museum in Sedrun). Für diese Musterung, die auch bei einem rechteckigen, schnurverzierten Kasten vorkommt (RMC H1971.454), wurde in der Werkstatt ein Gipsmodel verwendet, der sich heute im Rätischen Museum befindet (RMC HXIII.227). Die Gesimskacheln waren oft dunkelbraun gehalten und mit mageren Blumengirlanden versehen. Ein solcher Ofen stand zumindest bei Deragisch selbst im Haus (Curti 1920, 272–273). Er gelangte aufgrund von Umbauarbeiten im Töpferhaus 1980 in das Rätische Museum (Jenny 1991, Abb. S. 131; RMC H1980.224).

Nach Pater Notker Curti handelte Sep Antoni Deragisch mit seiner Keramik im ganzen Bündner Oberland zwischen Bugnei und Ilanz. Zeitweise hatte er Geschirr-Niederlagen in Ilanz, Disentis und Trun. Ob Teile seiner Keramik auch den Weg zu Käufern in Chur oder sogar weiter rheinabwärts bis nach Liechtenstein fanden, entzieht sich unserer Kenntnis. Die abgelegene Produktion von Tavetsch reflektiert, bei erkennbarer Eigenständigkeit, vor allem die typologischen Elemente und Dekormoden des 19. Jahrhunderts der Deutschschweiz bzw. Süddeutschlands.

Dank

Ich danke Pater Theo Theiler, dass er mir den Zugang zu den Stücken aus dem KMDis ermöglicht hat. Ein Gesamterfassung der Klostersammlung konnte 2020 realisiert werden. Darüber hinaus verwahrt das SNM zwei Objekte (einen Kinderkochherd aus Keramik; einen Krug), die angeblich in Bugnei hergestellt worden sein sollen (SNM Inv. LM-60575, LM-114745). Ausserdem gibt es offenbar Keramik aus Bugnei in einer mir nicht zugänglichen Privatsammlung in Flims-Waldhaus (Creux 1970, 129 Kat. 4). Konrad Schmid in Chur danke ich, dass ich seine schöne kleine Sammlung begutachten durfte. Über weitere Keramiken verfügen das Museum der Kulturen in Basel sowie die Museen in Ilanz, Sedrun, Trun und Klosters. Im Familienbesitz erhaltene Keramiken bearbeitet demnächst Livia Deragisch, aus Bugnei.

Neue, umfassende Monographie zum Thema: 

Hendry/Heege 2022
Tarcisi Hendry/Andreas Heege, Vischala da Bugnei – Keramik aus Bugnei, La historia dall hafnaria Deragisch (1835-1920) – Die Geschichte der Hafnerei Deragisch (1835-1920). Sedrun 2022.

Bibliographie

Creux 1970
René Creux, Volkskunst in der Schweiz, Paudex 1970.

Curti 1920
Notker Curti, Eine Töpferei im Tavetsch, in: Bündnerisches Monatsblatt, 1920, Heft 9, 269-273.

Frei 1947
Karl Frei, Keramik des Mittelalters und der Neuzeit, in: Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.), Ausstellung Schweizerische Keramik von der Urzeit bis heute, Zürich 1947, 27-46.

Gadola/Curti 1929
Guglielm Gadola/Notker Curti, La Fabrica da vischalla da tiara cotga a Bugnei, in: Il Glogn, calender dil pievel, annalas per historia, litteratura e cultura romontscha 3, 1929, 34-37.

Haldner 1982
Priska Haldner, Die Töpferei von Sep Antoni Deragisch in Bugnei Tavetsch. Maschinenschriftliches Manuskript im Rätischen Museum Chur, 1982, Chur.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Jenny 1991
Valentin Jenny, Handwerk und Industrie in Graubünden im 19. Jahrhundert. Bestrebungen zur Förderung von Handwerk und Einführung von Industrie als Massnahme zur Hebung des Volkswohlstandes, Chur 1991.

Schnyder 1979
Rudolf Schnyder, Bündner Keramik-, Glas und Lavezsteingewerbe, in: Hans Erb, Das Rätische Museum, ein Spiegel von Bündens Kultur und Geschichte, Chur 1979, 328-347.

Bugnei GR, Vischlaria Sep Antoni Deragisch (bab e fegl)

Jau Baibel Bugien Cafe 1842 – Segiramein la pli  impressiunonta lavur da Sep Antoni Deragisch da Bugnei

Keramik aus Bugnei in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019 / Versiun romontscha Tarcisi Hendry 2020

La vischlaria a Bugnei, Tujetsch, va anavos sin Sep Antoni Deragisch, 13 da mars 1815 – 6 d’uost 1882 *. Sep Antoni Deragisch ha absolviu siu emprendissadi tiel vischler Fidel Wölfle a Wangen egl Allgäu. Igl onn 1920 fuva igl original da sia brev d’emprendissadi digl onn 1834 aunc en possess dalla famiglia, denton ei il document deplorablamein sparius. Suenter igl emprendissadi fundescha el ina atgna vischlaria e pignaria a Bugnei en sia casa.

Sep Antoni Deragisch, il giuven, 21 da settember 1842 – 27 d’october 1930.

Siu fegl e successur Sep Antoni, il giuven (1842-1930) fa igl emprendissadi da vischler a Flüela. Il luvratori ei buca enconuschents. Cuort suenter igl onn 1918 cala el culla producziun da vischala, precis tgei onn ei buca enconuschent, il Museum La Truaisch posseda ina scadiala cugl orsal 1919. La publicaziun da pader Notker Curti dalla clasutra da Mustér, davart la vischlaria a Bugnei cul tetel “La Fabrica da vischalla da tiara cotga a Bugnei”, el Glogn,1929, pag. 34-37, sebasa carteivel sin las informaziuns da Sep Antoni Deragisch, il giuven.

Survesta dil spectrum principal da ses products a Bugnei, collecziun dalla claustra da Mustér.

Ina impressiun dalla cheramica producida paleisa igl inventari dalla collecziun dil Museum Retic a Cuera, che deriva per part da pader Notker Curti e da Sep Antoni Deragisch, il giuven, sco era igl inventari dalla collecziun dil museum dalla claustra a Mustér. Dasperas dat ei cheramica ella collecziun dil Museum La Truaisch sco era el museum Nutli Hüschi a Claustra.

Ei exista aunc in cudischet da menaschi cun impurtaziuns denter 1866 e 1882 (Transcripziun e translaziun Tarcisi Hendry, 2021) , pia da Sep Antoni Deragisch, il vegl. Plinavon dat ei in cudisch da skizzas ch’ei entochen oz aunc buca vegnius examinaus da rudien. Quel datescha digl onn 1875, silmeins parzialmein da Sep Antoni Deragisch, il giuven. Vess pader Notker duvrau quei cudischet da skizzas igl onn 1920 per sia lavur historica, dess ei negina discrepanza denter las notizias manuscrettas el cudisch e l’attribuziun da pader Notker. Il pader suppona che oravontut las skizzas da pegnas derivien dil Sep Antoni, il vegl. Quella informaziun sa el mo dil davos vischler sez, damai ch’il cudisch sez consigna negin mussament.

El cuntegn ultra da quei in tagl traversal tecnic atras ina tipica pegna da quadrels sidretg sco ella fuva derasada ella Svizra Tudestga. Schebein la pegna da Bugnei corrispundeva per propi a quei tip ei buca segiramein enconuschent.

Cudischet da skizzas el Museum Retic: tagl traversal d’ina pegn da tiaracotga, pegna da quadrels e differenta vischala da diever.

Dasperas dat ei numerusas skizzas da pegnas da tiaracotga. Sep Antoni Deragisch, il vegl, s’entusiasmava apparentamein ed oravontut per decoraziun ed il stil da pegnas dil stil da Biedermeier, respectivamein dall’entschatta dil historissem. Il medem mument vegnan era auters detagls nudai el cudisch da skizzas, per exempel ina rundella da vischler messa en moviment cun ina roda d’aua ed in mulin da glasura. Plinavon cuntegn il cudischet fuormas da vischala ord il luvratori Deragisch.

Davart ils products dil luvratori da Bugnei sebasa la lavur da pader Notker probabel sin la collecziun en claustra, rimnada entras el sez, sco era dalla collecziun dil Museum Retic procurada medemamein entras il pader:

«La rauba da casegliar porscha buca gest bia en fuorma e decoraziun. Ella fuorma duas gruppas: rauba da diever ed objects decorativs. Tier l’emprema gruppa s’audan la brocca, ils ruogs e naschors, ils ruogs da flurs senza glasura, ils ruogs gronds da caffè, ils gronds pil pli stgirs, gie quasi ners. Vinavon pliras hontas cun moni, hontas da caffè e tè. Auters products ein d’in alv cut ni mellen-brin, ils ruogs da flurs il pli bugen verds.

Cun decoraziuns ein ils vischlers da Bugnei spargnus, la vischala nera ei senza decor, la vischala clara cun in mudest e magher tschupi da feglia, il rest dils Deragischs ei art empiric, ni fini cun in sempel decor satel da puncts.

Originalas ein quasi mo las aschinumnadas broccas, mo paran denton da moda plitost antica. Ei satracta da vischala purila, oz il pli savens duvradas per caffè, cun in pign e rodund biutsch e duas manetschas, ina pli gronda visavi il biutsch e suren ina pli gronda manetscha da purtar strubegiada. Quella teness buca il vischi empleniu e vegn rinforzada cun fildirom ni corda. Duas ruosnas all’entschatta dalla manetscha surveschan per fermar il rinforzament. Era las caussas decorativas ein buca fetg garnidas, ni ella fuorma ni ella colur.

Buca mo ils parlets d’aua benedida empau ruhs ed ils crucifixs, mo era las cazzolas ein plitost groppas e mintgaton pauc attractivas ella colur. Pli bein sepresentan ils vischals sempels e stgirs per la tenta cun ruosnas rodundas sco decoraziun. Era ils roms da maletgs cun cordas strubegiadas en violet-blau ed alv ein buca mal. Forsa dil meglier ein las butschidas, che regordan aspramein cun siu penderlem e girlandas da feglia al temps d’emprendissadi da Sep Antoni Deragisch, il vegl.

Deplorablamein ei la colur il pli savens buca fetg plascheivla, enzatgei denter alv e verd. Detg cuortamein, ils products da Tujetsch ein previ per ina clientella che giavischava rauba da bienmarcau e cun pintgas pretensiuns da fuorma e colur. La vischala fuva buca cheu per sepresentar. …» (Curti, 1920, pag. 272-273)

Dapli dat ei ina retscha dad observaziuns, che pader Notker ha buca communicau. Aschia portan ils ruogs e la brocca cun manetschas magari ina numera sgarflada el funs. Quella ei lu era d’anflar sil funs dil corrispundent uvierchel. Quei levgiava il metter ensemen suenter il prender ord il fuorn, il dretg uvierchel sil dretg vischi. Dasperas eisi necessari da mussar vi sin la decoraziun dalla vischala da glasura e brin-nera cun lingias undadas sgarfladas en ni decoraziuns fatgas cun in bul rullont.

In smaccactas ella collecziun dil Museum Retic porta las inizialas J e D, in bul dretgangular d’ina fuorma cun in motiv dil cor da Jesus flancaus da dus aunghels e leutier ils buls en reliev BUGNEI e Tujetsch. Quels dus buls ein era d’anflar sin in pign ruog da manetscha e sil vischi da tenta e confirman la derivonza dalla vischlaria da Deragisch. Il motiv dil cor d’Jesus ei era d’anflar sin la fatscha d’avon d’in candelier pign-verd, sin ina butschida dretgangulara da 1912, sin in ruog da flurs e d’ina vart dil sochel dil crucifix. Il frontispezi dil sochel decorescha in fleivel motiv dil Tschut da Diu ch’ei identics ed era d’anflar sin ina scadialetta platta cun culier.

La part davos d’in porta-zulprins muossa ina mesa plastica en in rudi da perlas. Il medem ei era da cattar sin in ruog da flurs ch’ei aunc supplementarmein decoraus cun cordas strubegiadas. Semegliontamein sepresenta era l’enramaziun d’in altaret da casa.

Pegna da tiaracotga (altezia 148 cm, ladezia 117 cm, profunditad 72 cm), che sesanflava tochen il settember 1980 en casa Deragisch, Via Romana 5, a Bugnei. Parts da semeglionts identics quadrels sesanflan el Museum La Truaisch, Sedrun.

Dasperas producevan bab e fegl Deragisch en nunenconuschent volumen apparentamein era pegnas da tiaracotga cun quadrels da glasura verds, mellens ni brin-ners. Per part eran quels decorai cun musters da zic zac. Per la decoraziun, ch’ei era d’anflar tier las butschidas dretgangularas ed ornadas cun cordas, ei vegniu duvrau el luvratori in model da gep. Quel sesanfla oz el Museum Retic a Cuera. Ils quadrels pil baun da seser fuvan savens stgir-brins ed ornai magramein cun girlandas da flurs. Ina tala pegna sesanflava era en stiva dils Deragischs. Quella ei igl onn 1980 arrivada a Cuera el Museum Retic a caschun da renovaziun ed adattaziuns en casa a Bugnei.

Tenor pader Notker Curti casegliava Sep Antoni Deragisch cun sia cheramica ella Surselva, denter Bugnei e Glion. Per part veva el deposits a Mustér, Trun e Glion. Schebein rauba ei vegnida vendida engiuviars tochen Cuera ni schizun vinavon entochen al Prinzipadi da Liechtenstein ei buca enconuschent. La producziun isolada en Tujetsch reflectescha, cun veseivla originalitad, oravontut elements tipologics e modas da decorar dil 19avel tschentaner en Svizra ed el sid dalla Tiaratudestga.

Engraziament

Jeu engraziel a pader Theo Theiler, che ha possibilitau igl access alla collecziun dalla Claustra da Mustér. L’entira registraziun dalla collecziun claustrala ha saviu vegnir realisada igl onn 2020. Dapli conservescha il Museum Naziunal Svizzer dus objects, ina pegna da cuschinar per affons ord cheramica ed in ruog, che dueien derivar da Bugnei.

Ulteriuramein secatta, sco ei para cheramica da Bugnei, en ina collecziun privata buca accessibla a Flem. Konrad Schmid a Cuera engraziel jeu che jeu hai astgau examinar sia pintga e biala rimnada. Ulteriura cheramica dispona il museum da cultura a Basel sco era Glion, Sedrun, Trun e Claustra. Cheramica en possess dalla  famiglia Deragisch tracta proximamein Livia Deragisch da Bugnei. **

* Tuttas informaziuns sebasan sin pader Notker Curti 1920; Gadola/Curti 1929; Frei 1947, 31; Creux 1970, 128–129, cat. 4 e 5; Schnyder 1979, 331. Indicaziuns era da Tarcisi Hendry, Museum La Truaisch, Sedrun. Nunpublicau: Haldner 1982. Senza ulteriuras indicaziuns: Jenny 1991, 136; Emprema publicaziun da quei text entras A. Heege 2016.
** Ella part tudestga ein d’anflar supplementarmein numerusas indicaziuns davart las fotografias dalla vischala els differents museums.

La fabrica da vischala da tiaracotga a Bugnei  

Bibliografia :

Creux 1970
René Creux, Volkskunst in der Schweiz, Paudex 1970.

Curti 1920
Notker Curti, Eine Töpferei im Tavetsch, in: Bündnerisches Monatsblatt, 1920, Heft 9, 269-273.

Frei 1947
Karl Frei, Keramik des Mittelalters und der Neuzeit, in: Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.), Ausstellung Schweizerische Keramik von der Urzeit bis heute, Zürich 1947, 27-46.

Gadola/Curti 1929
Guglielm Gadola/Notker Curti, La Fabrica da vischalla da tiara cotga a Bugnei, in: Il Glogn, calender dil pievel, annalas per historia, litteratura e cultura romontscha 3, 1929, 34-37.

Haldner 1982
Priska Haldner, Die Töpferei von Sep Antoni Deragisch in Bugnei Tavetsch. Maschinenschriftliches Manuskript im Rätischen Museum Chur, 1982, Chur.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Jenny 1991
Valentin Jenny, Handwerk und Industrie in Graubünden im 19. Jahrhundert. Bestrebungen zur Förderung von Handwerk und Einführung von Industrie als Massnahme zur Hebung des Volkswohlstandes, Chur 1991.

Schnyder 1979
Rudolf Schnyder, Bündner Keramik-, Glas und Lavezsteingewerbe, in: Hans Erb, Das Rätische Museum, ein Spiegel von Bündens Kultur und Geschichte, Chur 1979, 328-347.

 

 

Burgdorf BE, Hafner Vögeli

Andreas Heege, 2019

In Burgdorf und Oberburg arbeiteten ab dem 16. Jahrhundert verschiedene Hafner (Abb. 1), unter anderem Johannes und Jakob Vögeli, die bislang als Vater und Sohn eingestuft wurden (Boschetti-Maradi 2006, 195–199).

Abb. 1 Bekannte Standorte von Burgdorfer Hafnereien (siehe Liste im Anhang)

Um herauszufinden, welche Keramik von welchem Hafner gefertigt wurde, ist man in Burgdorf, wie im übrigen Kanton Bern, zumeist auf stilistische Kriterien oder auf Bodenfunde (Fehlbrände, Abwurfhalden) aus Hafnereien angewiesen, da im 18. und 19. Jahrhundert nur wenige Hafner ihre Produkte signierten. Es gibt jedoch einige wenige Ausnahmen.

Abb. 2 Wandbrunnen von Hafner Johannes Vögeli aus Burgdorf, datiert 1707, Br. max. 16,5 cm (Basisplatte), 15,7 cm (Kasten), H. 24 cm, T. 10,3 cm (Basisplatte), 9,8 cm (Kasten), (RSB Inv. IV-1026, Foto A. Heege)

Hierzu gehört der 1923 dem Rittersaalverein geschenkte Wandbrunnen (Abb. 2) des Burgdorfer Hafners Johannes Vögeli (RSB IV-1060; Erstmalige Einordnung: Boschetti-Maradi 2006, 196 Abb. 230). Diesem lassen sich stilistisch eine Reihe weiterer Keramiken anschliessen, so dass erstmals Aussagen über die stilistischen Charakteristika dieser Burgdorfer Werkstatt möglich werden. Eine kurze Zusammenstellung unseres derzeitigen Kenntnisstandes ist auch deshalb gerechtfertigt, da Trudi Aeschlimann zahlreiche bislang unbekannte Dokumente zu Johannes und Jakob Vögeli ausfindig machen konnte, die die bisher postulierte Verwandschaft in anderem Licht erscheinen lassen (Die folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf das Burgerarchiv Burgdorf (BAB): Taufverzeichnisse von Pfr. Joh. Rudolf Gruner 1758 (BBB, MS HH VIII 33); Genealogien von Chronist Joh. Rudolf Aeschlimann 1795 (BAB Manuskript);  Kirchenbücher von Burgdorf, speziell Totenrodel 1 1706–1726 im Staatsarchiv Bern (StABE), KA 4 II, Kopien im BAB; Burgdorfer Ratsmanuale nach Registern, Zeitraum 1658 bis 1719 (BAB); Akten der Zunft zu Schmieden und Zimmerleuten (BAB).

Betrachten wir zunächst den über weisser Grundengobe grün glasierten Wandbrunnen. Er ist kastenförmig, mit rechteckigem Querschnitt. Sein oberer Abschluss besteht aus einem dreieckig gestalteten Zinnenkranz und einem Deckel in Form eines abgewalmten Daches mit verstärktem First und Graten. Zwei rundstabige Ösen (eine abgebrochen) dienten ursprünglich der Aufhängung in einem Stubenbuffet. Die Schmalseiten und die Schauseite des Unterteiles tragen Ritzdekor in Form von Feldern, die mit Doppellinien eingefasst sind. Die Schauseite ist mit zwei mehrblütigen Blumen (Tulpen?) verziert. Die linke Schmalseite trägt den Spruch «der dich Im guten Stand wol gmeind und hoch ge=Ehrt, Wüschen die Fus an dich, wann du Bist umb gekehrt» (sinngemäss auf Hochdeutsch: Der Dich ehrt, wenn es Dir gut geht, wird seine Füsse an Dir abwischen, wenn es Dir schlecht geht). Die rechte Schmalseite Hafnersignatur und Datierung «den 4ten Aprellen Anno 1707 Johannes Vögeli haffner in Burgdorff». Der Deckel auf beiden Breitseiten ebenfalls jeweils einen Spruch «Thu das, weil du noch bist gesund, was du wünschest zur Sterbens Stund» und «Wann Irgend einer wär, der könt den tod vertreiben, so würden gar Leüt, auff erden Lebend Bleiben». Die linke Deckelseite nennt erneut die Datierung «den 4ten aprellen» und die rechte Seite zeigt zusätzlich die Initialen «HV».

Es zeugt von einem für einen Hafner ungewöhnlichen Selbstbewusstsein, dass Johannes Vögeli dieses Stück mit seinem Namen signierte. Besonders charakteristisch ist die Schreibweise der Buchstaben und Zahlen sowie die Verwendung einer kleinen Raute als Begrenzungs- und Trennungszeichen. Da im Kanton Bern im 18. Jahrhundert in der Regel nur die Männer in der Schule schreiben lernten (Vgl. Heege/Kistler/Thut 2011, 144 und 154) ist anzunehmen, dass die Keramiken von Johannes Vögeli in der Werkstatt selbst beschriftet wurden und diese Arbeit nicht einer Hilfskraft überlassen wurde. Vögeli ist im Bernbiet der erste, der umfangreichere Sprüche auf die Teller ritzte. Die eventuell existierenden literarischen Quellen dieser Sprüche sind bislang unbekannt. Es kann nur vermutet werden, dass Winterthurer Produkte, die bereits im frühen 17. Jahrhundert Spruchinschriften aufweisen (Wyss 1973; Schnyder 1989), als Vorbild gedient haben. Im Bernbiet wurden Sprüche im frühen 18. Jahrhundert auch in der Technik des Unterglasur-Pinseldekors ausgeführt, jedoch haben sich hier keine vollständigen Museumsobjekte erhalten (Boschetti-Maradi 2006, 138–143).

Wer war nun dieser Johannes Vögeli?

Er wurde am 21. März 1642 getauft. Sein Grossvater Hans/Johannes (1585–1651) und sein Vater Jakob (1613–1696) waren beide Seiler und zugleich Burger von Burgdorf. Johannes wurde 1659 ebenfalls als Burger in Burgdorf angenommen und wurde Mitglied in der Zunft zu Schmieden und Zimmerleuten. Er heiratete am 4. August 1662 Catharina Leeman. Die Ehe blieb kinderlos.

Unter dem 4. Juni 1659 verzeichnet das Ratsmanual von Burgdorf: «Johannes Vögeli dem Hafner ist zwar bewilliget, in seines Vatters se: behusung ein Brönofen ze machen. In Form wi er sölches den Hrn., so den Augenschein ingenommen, angegeben. Jedoch nur so lang es mHerren gefalt.» (RM 45 1658–1662, S. 31). Dieser Eintrag bedeutet, dass Johannes mit 17 Jahren, unmittelbar nachdem er als Burger angenommen worden war, eine Töpferwerkstatt mit Brennofen im elterlichen Haus einrichtete. Es erstaunt daher nicht, wenn Johannes Vögeli nach 1660/61 auch in den bernischen Amtsrechnungen für Burgdorf vorkommt (Boschetti-Maradi 2006, 194 Anm. 1122). Wo die Werkstatt genau lag, ist leider unbekannt.

Der Töpferofen von Johannes sollte in den kommenden Jahren immer wieder für Probleme sorgen. Im Juli 1663 meldete das Ratsmanual, dass zum Schrecken der Nachbarn aus dem erlaubten Brennofen des Hafners Johannes Vögeli Flammen schlugen. Vögeli erklärte daraufhin, er habe nur grösseres Geschirr gebrannt und kein kleineres. Er wurde ermahnt in Zukunft vorsichtiger zu sein. Für April 1667 ist ein ähnlicher Vorfall belegt (RM 46 1663-1666. S. 41; RM 47 1666-1669, S. 66). 1673 musste Vögeli sogar den Um- oder Neubau eines Töpferofens in seinem Haus stoppen, nachdem sich offenbar die Nachbarschaft über die potentielle Feuergefahr beim Rat beschwert hatte. Schliesslich wurde beschlossen: «Dass er den zu machen vorhabenden anderwertigen Brönoffen in seiner Mutter Haus (Verena Venner, Erg. Verf.) werschafft ze machen begehren.» Ausserdem müsse er für alle auftretenden Schäden aufkommen (RM 49 1672–1676, S. 83, 84).

Streit um die Standorte der als feuergefährlich eingestuften Töpferöfen, gab es in Burgdorf immer wieder, auch im Zusammenhang mit anderen Hafnern. So drohte z. B. 1683 der Hafner Oswald Schönberger (geb. 1642), wenn man ihm keinen anderen Platz zu einem Brennofen als im Kloster anbiete, gehe er fort und lasse Frau und Kinder im Stich. Daraufhin erhielt er die Bewilligung «im Graben einen Brennofen zu machen» (RM 51 1679-1684, S. 267. Kloster = Franziskanerkloster zwischen Ober- und Unterstadt, zur Lage vgl. Baeriswyl 2003, Abb. 25). Möglicherweise handelt es sich um den Grabenbereich neben dem Mühletor, denn dort gehörte Oswald Schönberger 1715 zu den Geschädigten des Unterstadtbrandes. 1697 wurde er erneut abgewiesen, als er einen Brennofen im Graben an der Ringmauer errichten wollte (RM 56/57/58 1696-1698, S. 146). 1690 wollte der Hafner Bendicht Gammeter (geb. 1648) bei seinem Haus «im Graben vorem underen Thor» (=Wynigentor) einen neuen Brennofen errichten. Dies wurde jedoch wegen Beschwerden der Nachbarschaft abgewiesen. Schliesslich genehmigte ihm der Rat einen Brennofen in seinem Haus anzulegen, wenn dieser die Nachbarschaft nicht gefährde (RM 53 1687-1690, S. 178, 189 und 190, 200).

In Bezug auf die Werkstatt des Johannes Vögeli gab es 30 Jahre lang keine Beschwerden mehr. Erst 1703 wird er erneut «wegen allzu starker Feuerung» befragt. Er gab an, dass sein Geselle etwas zu stark gefeuert habe, was ihm leid tue (RM 62a 1702-1709, S. 77).

1676 lässt sich belegen, dass Johannes Vögeli aus dem Lohn des Hafners Jacob Knup d.J. von Oberburg (verstorben 1690), wöchentlich 2 Batzen zur Unterstützung von Knups Frau und seinen drei Kindern beitragen musste. Offenbar arbeitete Knup in Vögelis Betrieb (RM 50 1676-1679, S. 7. Verschiedene weitere Hinweise auf die Oberburger Hafner Jakob Knup d.Ä., Jakob Knup d. J. und Hans Knup finden sich auch im Stubenbuch der Burgdorfer Schmiedenzunft 1673–1700 sowie im Zinsrodel der Schmiedenzunft, ca. 1686/1691–1713). Aufgrund von leider undatierten Einträgen im Zinsrodel der Schmiedenzunft (ca. 1686/1691–1713) lässt sich belegen, dass Johannes Vögeli auch Lehrlinge ausbildete. Vögelis Arbeiten waren inzwischen wohl von einer solchen Qualität, dass man ihm 1677 auch einen öffentlichen Auftrag zukommen liess. Für 20 Kronen samt Trinkgeld wurde ihm das Setzen eines neuen Kachelofens in der hinteren Ratsstube verdingt (RM 50 1676-1679, S. 96; Schweizer 1985, 269). Zwischen 1689/90 und 1697/98 lassen sich Arbeiten von Johannes Vögeli auch in den bernischen Amtsrechnungen für die Landvogtei Brandis belegen (Boschetti-Maradi 2006, 194 Anm. 1122).

Von 1680–1684 wirkte Johannes als «Iseler», d.h. Aufseher über Mass und Gewicht (RM 51 1679-1684, S. 75). Als Mitglied des 32er Rates versah er von 1684–1688 das Amt des «Einungers» (RM 52 1684-1687, S. 115; RM 53 1687-1690, S. 65, letzte Einungeramtsrechnung von Hafner Johannes Vögeli). Damit führte er als eine Art städtischer Polizeibeamter die Aufsicht über Forsten und Holzabgaben. Im Alter von 60 Jahren heiratete er 1702 ein zweites Mal Magdalena Matter. Ein gemeinsamer Sohn Johann Christian wurde am 14. Okt. 1703 getauft.

Es war eher ungewöhnlich für einen Hafner, dass er zu Ratswürden kam, doch war dies bei Johannes Vögeli der Fall. Als Mitglied des 32er Rates wurde er ab 1705 für 5 Jahre zum Kirchmeier, d.h. dem Verwalter Kirchenfinanzen gewählt (RM 62a 1702-1709, S. 383; RM 65, 1709-1714, S. 180).

Für seinen tapferen Einsatz beim Burgdorfer Oberstadtbrand von 1706 (Zum Oberstadtbrand von 1706 vgl. Schweizer 1985, 242–244) erhielt der Geselle von Johannes Vögeli eine »Discretion» Belohnung). Vögeli selbst verteilte nach dem Feuer jeder betroffenen Haushaltung «etliche Stücke irdenes Geschirr» (Aeschlimann 1847, 194).

1706 lässt sich ein Streit zwischen dem Kirchmeier und Hafnermeister Johannes Vögeli und dem Hafner Bendicht Gammeter belegen. Gammeter war die Errichtung eines Kachelofens im Sigristenhaus (am Kirchbühl/Beginengässli) vom Burgermeister verdingt worden. Der Ofen wurde jedoch, so erkennt der Rat zu Recht von Vögeli gemacht, da die Obhut über Öfen und Fenster zu den Amtsaufgaben des Kirchmeiers gehört (RM 62a, 1702-1709, S. 571).

Dem Meisterbuch der Schmiedenzunft kann unter dem 26. Dezember 1712 ein weiterer Hinweis auf Johannes Vögeli entnommen werden. Ihm wurde «wegen vorgeschützten hohen Alters (70 Jahre!) und Leibsunvermöglichkeiten die Besuchung der Leichten (Leichenbegräbnisse) gegen 5 Bz» erlassen. Er «solle aber das Meisterbott so weit wie möglich besuchen oder sonst Ersatzzahlung von 1 lb leisten» (Meisterbuch der Schmiedenzunft 1701–1766, S. 87). Leider gibt es 1713-1714 eine Lücke in den Burgdorfer Totenrodeln, so dass unklar ist, wann Johannes Vögeli starb. Laut dem städtischem Chronisten Joh. Rudolf Aeschlimann hat Johannes Vögeli bei seinem Tod keine Kinder hinterlassen (Genealogien von Chronist Joh. Rudolf Aeschlimann 1795, 553ff.). Auch im Zusammenhang mit dem Unterstadtbrand von 1715 wird kein Geschädigter mit Namen Johannes Vögeli in den Archivalien genannt (vgl. Baeriswyl/Gutscher 1995, 76). Vermutlich kann man für Johannes aufgrund der bisher ermittelten Daten mit einer Produktionszeit von 1659 bis maximal 1714 rechnen.

Abb. 3 Aktenbeschwerer aus der Werkstatt von Johannes Vögeli, datiert 1669, Dm. max. 10,9 cm., H. max. 10 cm (Foto BHM Inv. 2091, A. Heege)

Die beschriebenen Charakteristika des Wandbrunnens von 1707 erlauben es, eine Reihe von Keramiken aus aus schweizerischen Museen und Privatsammlungen dem Hafner Johannes Vögeli bzw. seiner Werkstatt zuzuweisen. Das älteste datierte Stück ist ein Aktenbeschwerer aus Burgdorfer Familienbesitz, der die Jahreszahl 1669 und die typische kleine Raute trägt (Abb. 3).

Abb. 4 Humpen, datiert 1672, Aussenseite grüne, Innenseite gelbe Glasur, Rdm. 8 cm, H. 14,3 cm (Foto BHM Inv. 20728, A. Heege)

Ein Humpen von 1672 wurde 1930 beim Antiquitätenhändler Schumacher in Langenthal erworben (Abb. 4). Die Form der Jahreszahl und die Raute sind auch hier eindeutige Kriterien der Zuordnung.

Abb. 5 Teller, datiert 1677, Rdm. 37,1 cm, H. 8,1 cm (Foto BHM Inv. 5076, A. Heege)

Ein herausragendes Stück aus der Werkstatt von Johannes Vögeli ist ein 1677 datierter Teller (Abb. 5). Es handelt sich dabei um das älteste bekannte Stück im Kanton Bern mit einem zweifarbigen, rot-grünen Borstenzugdekor auf dem Rand und im Spiegel. Zugleich ist es das älteste Stück mit einem Spruch: «Die Kinder mutter liebt und wirt zu gleich geliebet, hiemit wirt beiderseits was Gott geliebet verlobet». Der Teller wurde 1903 in Montreux erworben.

Abb. 6 Handwaschbecken, datiert 1696, Br. Beckenrückseite max. 41 cm, H. Beckenrückseite max. 18 cm, T. Becken max. 34,8 cm, H. Beckenvorderseite 8,2 cm (RSB Inv. IV-209, Foto A. Heege)

Erst mit einer zeitlichen Lücke von fast 20 Jahren haben wir dann weitere Belegstücke. Hierzu gehört ein 1696 datiertes Handwaschbecken oder Lavabo (Abb. 6), das der Rittersaalverein bald nach seiner Gründung als Geschenk des Burgdorfer Tierarztes Isel erhielt (Bereits einmal vorgelegt von Boschetti-Maradi 2006, Abb. 144). Solche Becken wurden im 17. und 18. Jahrhundert normalerweise im Dekor passend zu den Giessfässern oder Wandbrunnen gefertigt. Das vorliegende Stück trägt über weisser Grundengobe innen und aussen grüne Glasur, die Rückwand ist als Spritzschutz erhöht bzw. gerade gestaltet und damit der Unterbrinung in einem Schrank angepasst. Zwei massive Henkel ermöglichten es, das Becken mit dem Schmutzwasser wegtragen und ausschütten zu können. Der Rand der Rückseite trägt den Spruch «freünd hier, freünd dort, an allem ort, wann ich nichts hab wer hilfft fort». Die Vorderseite gibt als Datierung an «den 15 wintermonat im Jar 1696».

Abb. 7 Zwiebeltopf, datiert 1696, Rdm. 13,3 cm, H. 19,6 cm (RSB IV-618, Foto A. Heege)

In dasselbe Jahr datiert ein sog. Zwiebeltopf, der von Uhrmacher Henzi aus Burgdorf um 1900 dem Museum verkauft wurde. Aufgrund der Form seiner eingeritzten Jahreszahl kann der Topf ebenfalls der Produktion von Johannes Vögeli zugewiesen werden (Abb. 7). Er ist über weisser Grundengobe grün glasiert und besitzt zwei randständige Ösen für die Aufhängung in der warmen Küche. An Martini mit kleinen Zwiebeln und Erde gefüllt, wuchsen bis Weihnachten aus den Löchern des Zwiebeltopfes die grünen Triebspitzen der Zwiebeln, die dann im Winter und Frühjahr anstelle von Schnittlauch für die Suppe verwendet wurden.

Abb. 8 Scherben eines Zwiebeltopfes aus einer Ausgrabung an der Kornhausgasse in der Burgdorfer Unterstadt. Der Topf entstand wahrscheinlich in der Hafnerei von Johannes Vögeli (ADB, Foto Badri Redha).

Aus einer Grabung an der Kornhausgasse in Burgdorf stammt der Bodenfund eines weiteren Zwiebeltopfes  (Abb. 8), der formal und aufgrund einer einzigen eingeritzten Jahreszahl möglicherweise ebenfalls hier angeschlossen werden kann (ADB Fnr. 45768).

Abb. 9 Wandbrunnen, datiert 1699, Br. mit Henkel noch 22 cm, H. 16 cm, T. 10 cm (SNM Inv. 8243, Foto Donat Stuppan)

Aufgrund der Form und des Ritzdekors gehört vermutlich auch ein 1699 datierter, über weisser Grundengobe grün glasierter Wandbrunnen aus dem Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich zu den Produkten der Hafnerei Vögeli (Abb. 9, vgl. Abb. 2). Die Vorderseite trägt in einer doppellinigen Rahmung einen typischen floralen Dekor. Schwierig gestaltet sich die Lesung der geritzten Inschrift, bei der es sich um einen Namen und eine Datierung handeln dürfte: « Melcker Wittewer (?)» und «Jener Lest Tag 1699» (gemeint Januar, letzter Tag 1699?). Der Schriftduktus ist nicht so gekonnt wie bei den übrigen Keramiken aus Vögelis Werkstatt. Handelt es sich um die Handschrift eines seiner Gesellen oder Lehrlinge?

Abb. 10 Teller, datiert 1696, Rdm. 38 cm, H. 8 cm (FMST Inv. K157, Foto A. Heege)

In einer bernischen Privatsammlung haben sich zwei 1696 und 1701 datierte Teller mit charakteristischer Schrift und passendem Dekor erhalten (Abb. 10 und 11). Der Teller von 1696 ist nur auf der Innenseite grün glasiert und trägt im Spiegel einen locker geritzten Pflanzendekor. Auf der Fahne stehen in zweizeiliger Anordnung die Sprüche: «So frech und mutig ist kein Mann, welchen der Muth nicht fehlt alsdann, wann er gedenckt und wird ermahnt, des Vatters oder der mutter Schand» sowie «Wuchs Laub und Gras wie Neid und Hass, so hetten Pferd und Rinder, heuer einen guten Winter». Datiert ist das Stück mit «den 9. Jenner Anno 1696» (Bereits veröffentlicht von Boschetti-Maradi 2006, 98 Abb. 122).

Abb. 11 Teller, datiert 1701, Rdm. 26 cm, H. 4,5 cm (FMST Inv. K122, Foto A. Heege)

Der Teller von 1701 (Abb. 11)  ist beidseitig über weisser Grundengobe grün glasiert. Im Spiegel finden sich eine Rosette und die Datierung «den 2 7ber Ao. 1701». Auf der Fahne stehen in zweizeiliger Anordnung die Sprüche: «Rede das du kanst bestehn, warheit mus durch alles gehen, Lügen schimpffet Jederman, drumb red was man glauben kann, 1701» sowie «Wan irgendeiner wer, der könt den Tod vertreiben, so würden gar vill Leüt auf erden lebend bleiben».

Abb. 12 Teller, datiert 1702, Rdm. 29 cm, H. 7 cm (Privatbesitz , Foto A. Heege)

Ein weiterer Teller von 1702 ist in einer Privatsammlung in der Westschweiz erhalten (Abb. 12). Er ist über einer weissen Grundengobe beidseitig sehr dünn grün glasiert. Den Spiegel ziert eine geritzte Blume. Auf der Fahne stehen in zweizeiliger Anordnung die Sprüche und die Datierung: «Ein reicher soll bedencken eben, das er hie hab kein Ewigs Leben, und sich so halten in dieser Zeit, das er mög Leben in Ewigkeit den 17 Aprellen Ao. 1702» sowie «Wer Welt tichten, Sinn und Muht, steht nur nach Kunst, Gunst, Ehr und gut, und wann sie solches erwerben, Ligen sie nider und sterben».

Abb. 13 Rasierbecken, datiert 1709, Rdm. 26,8 cm (SNM Inv. LM-45041, Foto Donat Stuppan)

Aus dem Jahr 1709 ist auch eine eher seltene Gefässform überliefert, ein über weisser Grundengobe innen und aussen gelb glasiertes Rasierbecken (Abb. 13). Der Ausschnitt des Randes sorgte dafür, dass man sich das Becken gut an den Hals halten konnte, während einen der Schärer rasierte. Auf der Rückseite hat das Becken eine Öse, so dass man es mit der Schauseite auch zur Dekoration an die Stubenwand hängen konnte. Im Spiegel findet sich wieder ein typisches geritztes Blumenmotiv zusammen mit der Jahreszahl 1709. Umgeben ist das Ganze von einem Kranz liegender Blumen. Die Fahne trägt in zweizeiliger Anordnung zwei Sprüche: «Rede das du kanst bestahn, warheit muß durch alles gahn, Lügen schimpffet Jederman, drum red was man glauben kann» sowie «mancher mich aufricht, der gedenckt sein nicht, dann, gedächt er sein, so vergäs er mein. den 23 augsten».

Abb. 14 Handwaschbecken, datiert 1710, Br. max. 34,5 cm, T. max. 28,6 cm, H. max. 19,5 cm (SNM Inv. IN-137.22b, Foto Donat Stuppan)

Stilistisch eng mit dem Handwaschbecken von 1696 (vgl. Abb. 6) ist ein weiteres 1710 datiertes Becken verwandt (Abb. 14). Es befindet sich heute im Schweizerrischen Nationalmuseum in Zürich. Die Zuordnung erfolgt aufgrund der Beckenform und der Art der Blumenritzung und Datierung auf der Beckenrückwand.

Abb. 15 Stülpdeckelterrine, datiert 1683, (MKB Inv. 1908-65, Foto A. Heege)

Schwieriger ist dagegen die Zuordnung einer 1683 datierten ungewöhnlich verzierten Stülpdeckelterrine (Abb. 15), die laut Inschrift der «IVNGFRAV ANMARIA ZENDER» gewidmet ist (Hinweis auf dieses Stück bei Boschetti-Maradi 2006, 117 Abb. 150). Sie ist überreich mit Stempeldekor und zusätzlich Kerbschnitt-Sternen verziert. In der Stülpdeckeloberseite ist ein Stück Spiegelglas eingelassen. Der Ritzdekor im Schüsselboden und im Inneren des Deckels entspricht dagegen stilistisch dem, was wir aus der Werkstatt Vögeli kennen. Ganz vergleichbare Stülpdeckelterrinen mit Puttokopf-Grifflappen lagen ausserdem auch im Brandschutt des Burgdorfer Unterstadtbrandes von 1715 (ADB, Fnr. 39791 aus Schicht 103), was als zusätzlicher Hinweis auf eine Herstellung in Burgdorf gewertet werden mag.

Abb. 16 Bodenfunde von Keramik aus Burgdorf, die Johannes Vögeli zugewiesen werden können. Oberer Teil Kornhausgasse 9-11, Ausgrabung 1992; vorletzte Zeile Kindergarten Kronenhalde, Ausgrabung 1991; unterste Zeile Kornhaus, Ausgrabung 1988/1989 (Foto ADB, Badri Redha)

Aus dem Verbrauchermilieu gibt es bislang drei Fundstellen mit Keramik aus der Werkstatt von Johannes Vögeli. Sie liegen alle in der Burgdorfer Unterstadt, im Bereich der Häuserzeile Kornhausgasse 9-11, im Brand- und Planierungsschutt der Unterstadtbrandes von 1715 unter dem Kornhaus und im Bereich des Neubaus des Kindergartens Kronenhalde (Abb. 16) vor dem Wynigentor (ADB, Fnr. 46103, Kornhausgasse 9–11; 26870, 26876, 30877, 32305, 39782, Kornhaus, 39770, Kindergarten Kronenhalde). Die Schrift und der geritzte Blumendekor erlauben eine eindeutige Zuweisung. Wichtig ist auch im Hinblick auf die nachfolgend zu besprechenden Funde die Tatsache, dass in Verbindung mit dem Ritzdekor von Johannes Vögeli nur Borstenzugdekor als weitere Dekortechnik belegt ist, während z.B. der sog. Springfederdekor fehlt. Ausserhalb von Burgdorf sind derzeit keine Fundpunkte bekannt.

Angesichts der Qualität der Produkte von Johannes Vögeli ist es sehr bedauerlich, dass wir die Lage der Werkstatt nicht kennen. Es kann nur vermutet werden, dass seine Hafnerei in der Burgdorfer Unterstadt, wohl in der Nähe des Mühletores bzw. eventuell an der nach 1715 aufgehobenen Röhrlisgasse lag (Frdl. Hinweis Trudi Aeschlimann. Zur Lage vgl. Schweizer 1985, 387 Abb. 330; Baeriswyl/Gutscher 1995, Abb. 69).

Hafner Jakob Vögeli (1680-1724)

Genau andersherum verhält es sich mit der Werkstatt des Hafners Jakob Vögeli, die beim Unterstadtbrand von 1715 zerstört wurde. Jakob Vögeli wurde am 9. Mai 1680 getauft. Er starb am 31. März 1724 (Totenrodel 1 von Burgdorf 1706–1726, mit Lücken, S. 489). Seine seit dem 16. Jahrhundert in Burgdorf ansässigen Vorfahren waren Schuhmacher, Metzger und Seiler. Sie waren, und das ist das Verblüffende, trotz gleichen Namens eindeutig nicht mit dem Stamm des Johannes Vögeli verwandt. Jakob Vögeli erlernte ab 1696 bei Hans Knup (wohl 1647–1715) in Oberburg das Hafnerhandwerk (RM 55 1694-1696, S. 214; auch BAB T9, Zinsrodel der Schmiedenzunft, Eintrag ohne Datum, um 1696). Anschliessend ging er auf Wanderschaft, wobei wir leider seine Reiseroute nicht kennen. Das Meisterbuch der Schmiedenzunft verzeichnet unter dem 20. Juni 1706, dass Jakob Vögeli eine Bescheinigung seiner Lehr- und Wanderzeit verlangt habe. «Ist erkennt, dieweilen er das Hafnerhandwerk ordentlich erlehrnet, seine Wanderzeit völlig zugebracht, auch MeH. Ordnung nach Alter verrichtet, ist ihme ein Schein ausgestellt» (BAB T2, Meisterbuch der Schmiedenzunft 1701–1766, S. 63). Nur sechs Tage später wird er auch als Burger aufgenommen und Zunftgenosse zu Schmieden und Zimmerleuten (RM 62a, 1702-1709, S. 491). 1707 heiratete er Barbara Trechsel von Burgdorf.

Das Ratsmanual bestimmte zusammen mit seiner Burgeraufnahme: « Soll aber keinen Brennofen machen, es werde ihme dan ein gewisser Ort von MeHrn darzu bewilligt». Offenbar hat Jakob Vögeli unmittelbar anschliessend seine Tätigkeit aufgenommen, denn er gehört zu den Handwerkern, die nach dem Oberstadtbrand von 1706 beim Wiederaufbau mitarbeiteten. Im Dezember (wohl 1708) setzte er für 10 Kronen und 4 Batzen dem Kupferschmied Johannes Stähli in der Schmiedengasse 10 einen neuen Kachelofen (Rodel über Wiederaufbaukosten im Rittersaalverein Burgdorf RSB, Inv. RS X 214, auch: Schweizer 1985, 244). Wo er die dafür benötigten Kacheln brannte, ist unklar, denn es gab längere Querelen um den Bauort für seine Brennhütte mit dem Töpferofen. Am 15. Dezember 1706 wurde ihm bewilligt «… in dem Stattgraben vor dem Wyniger Thor eine Brönnhütten auf linker Seithen, am äusseren Ecken, der Mauer nach aufzurichten…». Durch den Bau dürfe jedoch keine Gefahr für die Nachbarn entstehen. Gleichzeitig wurde er verpflichtet, falls in Zukunft ein weiterer Burgerssohn das Hafnerhandwerk erlernen möchte, so müsse er diesen Lehrlingen seinen Brennofen zur Verfügung stellen. Am 9. April 1707 wurde ihm das Bauholz für seine Brennhütte zugewiesen, unter dem 13. April der Bauplatz aber in den Graben am unteren Turm, «Selsthurm» genannt, verlegt (Turm in der Nordwestecke der Unterstadtbefestigung). Dieser Bauplatz befriedigte Jakob Vögeli jedoch nicht, denn am 27. Februar 1708 wurde beschlossen, das zwei Ratsherren ihm einen anderen Bauplatz im Stadtgraben vor dem Mühletor anweisen sollten. Auch hier gegen prostestierte Jakob Vögeli offenbar erfolgreich, denn am 14. April 1708 wurde ihm schliesslich bewilligt, den Ofen in seinem eigenen Haus zu errichten. Dieser müsse jedoch so eingerichtet sein, dass keine Feuergefahr bestünde. Ausserdem dürfe er wie die anderen Burgdorfer Hafner nicht in der Nacht Geschirr brennen (RM 62a, 1702–1709, S. 591, 593, 665, 671, 780, 793).

Jakob Vögeli war möglicherweise ein weniger umgänglicher Zeitgenosse als sein Berufskollege Johannes Vögeli. Am 1. August 1711 wurde er bestraft, weil er widerrechtlich Holz bezogen hatte (RM 65, 1709-1714, S. 301). Gleichwohl erhielt er öffentliche Aufträge z.B. für Arbeiten in «MeHrn neuem Haus in der Schmiedengasse» oder dem Wasenmeisterhaus (RM 65, 1709-1714, S. 371). Im April 1713 musste Jakob Vögeli wegen «ungebührlichen Benehmens» zur Rede gestellt werden (RM 65, 1709–1714, S. 558). Da sein Brennofen angeblich gefährlich sei, wurde vom Rat am 2. Mai 1715 ein Augenschein anberaumt, jedoch ist das Ergebnis nicht bekannt (RM 66, 1714-1720, S. 100). Da Vögeli im Juli 1715 erneut Holzfrevel zum Bau seines Schweinestalles nachgewiesen werden konnte und er ausserdem unflätige Reden führte, kam er für 24 Stunden in Gefangenschaft (RM 66, 1714–1720, S. 120).

Dann brach am 14. August 1715 im «hindern Haus» des Hafners Heinrich Gammeter an der Röhrlisgasse ein Feuer aus (Brandschadennr. 7), das grosse Teile der Unterstadt einäscherte (Zum Unterstadtbrand von 1715 vgl. Aeschlimann 1847, 199–200; Schweizer 1985, 386–406; Baeriswyl/Gutscher 1995, 74–77; Baeriswyl 2003, 62–78; Boschetti-Maradi 2006, 67–70). In diesem Zusammenhang erfahren wir auch, dass Gammeter zumindest zwei Jahre vorher sein «Brönnhüttlin aussert der Statt am Kreutzgraben», also nicht innerhalb der Stadtmauern hatte (RM 66, 1714-1720, S. 148).

Jakob Vögeli gehörte ebenfalls zu den Geschädigten dieses Stadtbrandes (Brandschadennr. 15). Aufgrund der in diesem Zusammenhang entstandenen Akten lässt sich sein Wohnhaus mit dem Töpferofen identifizieren. Es hatte einen Wert von 550 Pfund, lag direkt an der Stadtmauer der Unterstadt unter dem 1770 erbauten Kornhaus (vgl. Abb. 1,8a) und wurde dort 1988/1989 ausgegraben (Baeriswyl/Gutscher 1995, 76).

Abb. 17 Töpferofenrest des Jakob Vögeli. Im Vordergrund die Einfeuerung, dahinter der Feuerungsraum. Der eigentlich Brennraum im Aufgehenden ist nicht erhalten. Der Töpferofen wurde beim Unterstadtbrand 1715 zerstört und anschliessend eingeebnet. (Foto ADB)

Bei dem ebenerdig in der Werkstatt angelegten Töpferofen (Abb. 17) handelt es sich um einen holzbefeuerten, rechteckigen Ofen vom Typ «Piccolpasso», wie er zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert in der Deutschschweiz bei den Hafnern üblich war.

Abb. 18 Längsschnitt durch einen typischen, bernischen Töpferofen vom Typ Piccolpasso. (Boschetti-Maradi 2006, Abb. 48).

Bei diesem Ofentyp gibt es eine leicht vorgezogene Einfeuerung, einen Feuerungsraum, der durch eine Lochtenne vom darüber liegenden Brennraum getrennt ist, ein separates Rauchgewölbe und einen Schornstein als Abzug für die Rauchgase (Abb. 18).

Abb. 19 Brennhilfen aus dem Brandschutt im Bereich der Werkstatt des Jakob Vögeli unter dem Kornhaus in Burgdorf. (Foto ADB, Badri Redha)

Da der Brandschutt von Vögelis Haus und allen Nachbargebäuden an der Stadtmauer offenbar sehr systematisch durchsucht und anschliessend grossflächig ausplaniert wurde, lassen sich nur wenige Brennhilfen mit grösserer Wahrscheinlichkeit der Werkstatt von Jakob Vögeli zuweisen (Abb. 19). Solche Brennhilfen benötigte man beim Einsetzen der zu brennenden Ware im Töperofen.

Abb. 20 Schrühbrand eines Zwiebeltopfes aus dem Brandschutt im Bereich der Werkstatt des Jakob Vögeli unter dem Kornhaus in Burgdorf. (Foto ADB, Badri Redha).

Möglicherweise gehören auch einige unglasierte Gefässe, sog. Schrühbrände, zu seinen Produkten. Darunter befindet sich auch ein sog. Zwiebeltopf (Abb. 20). Alle übrigen Funde können sowohl die Produktion Vögelis als auch normalen Hausmüll bzw. Besitzstand seiner Nachbarn darstellen. Immerhin lassen sich alle verbrannten Keramiken in die Zeit vor den 14. August 1715 datieren.

Abb. 21 Verbrannte Keramik aus dem Brandschutt im Bereich der Werkstatt. Produkte des Jakob Vögeli? (Foto ADB, Badri Redha).

Und hier lässt sich nun, im Vergleich mit den Produkten des Johannes Vögeli, eine interessante Beobachtung machen (Abb. 21). Während der Borstenzugdekor schon bei Johannes Vögeli vorkommt, finden sich jetzt auch vollflächige Marmorierungen und mehrfarbige Malhorndekore. Erstmals lässt sich auch der sog. Springfederdekor nachweisen, der gut 100 Jahre vorher in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt wurde. In der Deutschschweiz stellen die vorliegenden Funde, abgesehen von einigen wenigen Stücken aus Winterthur, den ältesten Nachweis für diese im Kanton Bern vorher unbekannte Dekortechnik dar (Zur Technik des Dekors und seiner Herkunft vgl. Heege 2016, Kap. 4.1). Was liegt näher als anzunehmen, das Jakob Vögeli diese Technik auf seiner Gesellenwanderung in Deutschland kennengelernt hat?

Nach dem Stadtbrand errichtete Jakob Vögeli ein neues Wohnhaus an der Mühlegasse 10 in der Burgdorfer Unterstadt (vgl. Abb. 1,8b; Baeriswyl/Gutscher 1995, 76; RM 66, 1714–1720, S. 368). Wir dürfen wohl annehmen, dass sich seine Werkstatt ebenfalls dort befand. 1716/1717 arbeitete er auch bei der Wiederherstellung des Mühletores samt Wärterwohnung mit (Schweizer 1985, 39). 1719 hören wir ein letztes Mal von handgreiflichen Streitigkeiten mit seiner Nachbarin Maria Trechsel (Mühlegasse 8), die Vögeli für Arbeiten an einem Stubenofen noch eine halbe Krone schuldete (RM 66, 1714-1720, S. 785).

Jakob Vögeli wurde nur 44 Jahre alt. Er verstarb am 31. März 1724 ohne das wir den Grund dafür kennen (Totenrodel 1 von Burgdorf 1706–1726, S. 489). Mit ihm enden die Töpfereiaktivitäten auf der Parzelle Mühlegasse 10. Aufgrund der bekannten Lebensdaten kann für ihn eine Produktionszeit von 1706 bis 1724 angenommen werden. Jakobs Sohn und Erbe Jakob Vögeli-Flückiger (1710–1778) war Schneider (Hinweis Trudi Aeschlimann).

Zusammenfassung:

Hafner Johannes Vögeli (1642–ca. 1714), Sohn eines Burgdorfer Seilers, war offenbar ein erfolgreicher und sozial gut vernetzter und angesehener Hafner, der bis in der 32er Rat in Burgdorf aufstieg und zeitweise auch das Amt des Iselers, des Einungers bzw. des Kirchmeiers inne hatte. Aufgrund charakteristischer Beschriftungen lässt sich eine kleine Keramikgruppe eindeutig seiner Werkstatt zuweisen. Hierzu gehören auch Bodenfunde aus Burgdorf. Das Besondere seiner Keramik sind die zahlreichen geritzten Sprüche und Datierungen sowie die gelegentliche Verwendung des Borstenzugdekors. Bis zur Auffindung der Werkstatt von Johannes Vögeli können wir nur spekulieren, dass er auch ganz normale, wenig verzierte Gebrauchskeramik produzierte, die sich formal von der der übrigen Hafner in Burgdorf oder Bern kaum unterscheiden dürfte. Gesichert ist, dass Johannes Vögeli auch Kachelöfen produzierte und setzte, doch sind das Aussehen und der Dekor seiner Kacheln unbekannt.

Hafner Jakob Vögeli (1680–1724) stammte ebenfalls aus einer Burgdorfer Seilerfamilie, die jedoch mit der von Johannes Vögeli nicht verwandt war. Nach einer Lehre in Oberburg und Wanderjahren als Geselle, arbeitete er ab 1706 in Burgdorf als Hafner und Kachelofenproduzent. Seine Produktion lässt sich nicht zweifelsfrei von der anderer Burgdorfer Hafner unterscheiden. Es besteht jedoch der Verdacht, er könnte die Technik des Springfederdekors, der im 18. Jahrhundert vor allem bei der Langnauer Keramik grosse Bedeutung erlangen sollte, auf seiner Gesellenwanderung in Deutschland kennengelernt und mit nach Burgdorf gebracht haben.

Alle genealogischen und chronikalischen Informationen wurden von Trudi Aeschlimann , Burgdorf, zusammengetragen, der ich in diesem Zusammenhang sehr herzlich für ihre Hilfe und die Anregung zu diesem Artikel danken möchte.

Erstveröffentlichung:

Heege 2015
Andreas Heege, Die Hafnereien Vögeli in der Burgdorfer Unterstadt, in: Burgdorfer Jahrbuch 83, 2015, 41-68.

Standorte von Hafnereien in Burgdorf  (Legende zu Abb. 1)

1 + 2               Röhrlisgasse, Jakob Knup der jüngere und der ältere, erwähnt 1689-1699
3                      Beginengässli West, Hafner Johannes Dübelts Witwe, Oberstadtbrand 1706
4                      Metzgergasse 4, bis 1712 Bendicht Gammeter, nachher seine Witwe K. Ris
14                    Metzgergasse 4, um 1746 Heinrich Gammeter „anderer“ Hafner
5                      Nähe untere Mühle/ Röhrisgasse, bis spätestens 1714 Johannes Vögeli
6                      wohl Chnuppenmatt (Post) Oberburg, eigentlich Gemeindebezirk Burgdorf,                                 der Burgdorfer Hafner Hans Knup, erwähnt 1688-1715
7                      beim Mühletor/Stadtgraben, Oswald Schönberger, erwähnt 1683-1719
8a                    „unter“ dem Kornhaus, 1708-1715 Jakob Vögeli
8b                    Mühlegasse 10, ab 1715 Jakob Vögeli
9a                    Röhrisgasse, bis Brandausbruch 1715 Heinrich Gammeter
9b                    Milchgässli (westl. obere Badstube), Heinrich Gammeter, erwähnt 1746
19a                  Milchgässli (westl. obere Badstube), Emanuel Aeschlimann, erwähnt ab 1775
10                    Hofstatt 7, „Gammeterhaus“, Jakob Gammeter-Flückiger, erwähnt 1737-1754
15                    Hofstatt 7, Joh. Jakob Gammeter-Aeschlimann älter, erwähnt 1754-1800
11                    Hintere Gasse (Kornhausgasse) 10, Samuel I Gammeter, erwähnt 1746-1758
12                    Hintere Gasse (Kornhausgasse) 10, Samuel II Gammeter, erwähnt 1758-1761
18                    Hintere Gasse (Kornhausgasse) 10, Rudolf Samuel Gammeter, erwähnt 1800
13                    Hintere Gasse, neben späterem Kornhaus, Johann Heinrich Gammeter jun.                                 verzinst 1759 bis 1770 die Hafnerhütte (siehe Aeschlimannplan 1773)
16                    Rütschelengasse 6/Hofstatt 5, Joh. Jakob Gammeter Sohn, erwähnt 1800
19b                 Rütschelengasse 23, beim Tor, ca. ab 1795-1832 Emanuel Aeschlimann
17                    Rütschelengasse 23, bis 1828 Joh. Heinrich I Aeschlimann
20                    Rütschelengasse 23, bis 1866 Heinrich II Aeschlimann
21                    Rütschelengasse 23, bis 1908 Joh. Arthur Aeschlimann „Deuchelfabrikant“

Bibliographie:

Aeschlimann 1847
Johann Rudolf Aeschlimann, Geschichte von Burgdorf und Umgegend, Zwickau 1847.

Baeriswyl 2003
Armand Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter. Archäologische und historische Studien zum Wachstum der drei Zähringerstädte Burgdorf, Bern und Freiburg im Breisgau (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 30), Basel 2003.

Baeriswyl/Gutscher 1995
Armand Baeriswyl/Daniel Gutscher, Burgdorf Kornhaus, Eine mittelalterliche Häuserzeile in der Burgdorfer Unterstadt (Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern), Bern 1995.

Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Die Geschirrkeramik des 12. bis 20. Jahrhunderts, Vaduz 2016

Heege/Kistler/Thut 2011
Andreas Heege/Andreas Kistler/Walter Thut, Keramik aus Bäriswil. Zur Geschichte einer bedeutenden Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 10), Bern 2011.

Schnyder 1989
Rudolf Schnyder, Winterthurer Keramik, Winterthur 1989.

Schweizer 1985
Jürg Schweizer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern, Land, Bd. 1, Die Stadt Burgdorf (Die Kunstdenkmäler der Schweiz 75), Basel 1985.

Wyss 1973
Robert L. Wyss, Winterthurer Keramik. Hafnerware aus dem 17. Jahrhundert (Schweizer Heimatbücher 169-172), Bern 1973.

Burri, Werner (1898-1972), Dornburg, Velten, Carouge, Marwitz, Keramikfachschule Bern

Werner Burri erteilt Unterricht im Drehen (aus Tschabold 1945).

Keramik von Werner Burri in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2022

Die folgende Zusammenstellung will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie soll lediglich einige Eckdaten zum Leben Werner Burris mitteilen, der als Keramikfachlehrer an der Keramikfachschule in Bern zwischen 1941 und 1963 einen grundlegenden Einfluss auf eine Vielzahl von Keramikerinnen und Keramikern im Kanton Bern und der Deutschschweiz hatte. Die vorliegenden Daten stammen aus der Literatur (Schnyder 1985; besonders grundlegend zuletzt Messerli 2017, 135-158).

1898, 18. Oktober Werner Burri geboren in Bern.

1919-1920 Studium der Ingenieurwissenschaften am Polytechnikum in Zürich abgebrochen, um sich der Malerei zu widmen.

1921, Herbst Student am Bauhaus in Weimar, absolvierte den Vorkurs bei Johannes Itten. Wechsel in die Bauhaus-Töpferei in Dornburg an der Saale (Leitung Gerhard Marcks).

1922, 1. April Beginn der Lehre in Dornburg, Ende des Lehrvertrages 31.3.1925.

1924/25, Wintersemester Gesellenprüfung als Töpfer.

1925 Umzug des Bauhauses nach Dessau, dort war keine Keramikwerkstatt mehr eingerichtet. Burri arbeitete bis zum 1. Juni 1927 als Geselle in der von Otto Lindig weitergeführten Dornburger Werkstatt.

1927, Juli Arbeitsbeginn in der Steingutfabrik Velten-Vordamm, Kontakt mit Hedwig Bollhagen, Leiterin der Malabteilung.

1927, Dezember Arbeitszeugnis von Gerhard Marcks für Werner Burri: “Herr Werner Burri hat sich am Bauhause, zeitweise unter meiner Leitung, handwerklich in der Töpferei 5 Jahre lang beschäftigt. In Entwurf und Ausführung zeigte er eine durchaus selbständige Begabung. Seine graphischen Fähigkeiten schätze ich hoch ein. Sie zeigen eine ungewöhnliche Empfindung und reiche Phantasie. Herr Burri wäre wohl imstande, auf Grund seiner Begabung und Ausbildung Unterricht zu erteilen und eine Klasse zu leiten. Halle 10. XII 27 gez. Prof. G. Marcks“ (Nachlass Burri).

1928, 26. Januar Leiter der Modell- und Formwerkstatt in der Steingutfabrik Velten-Vordamm. Dort zeichnete er für viele der bekannten Serienformen und Einzelstücke verantwortlich (Dittmar 1997, 17). Drei Skizzenhefte sind aus dieser Zeit erhalten.

1931 Konkurs Steingutfabriken Velten-Vordamm, Rückkehr in die Schweiz.

1932-1933 Arbeit in der Werkstatt La Chapelle von Marcel Noverraz (1899-1972) in Carouge.

1934 , ab April Arbeit in Perugia (C.I.M.A., Consorzio Italiano Maioliche Artistiche) und Deruta. Wohnort Oberwil im Simmental.

1934-1939 in den Sommermonaten bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges freier künstlerischer Mitarbeiter der HB-Werkstätten für Keramik bei Hedwig Bollhagen  in Marwitz bei Velten (Dittmar 1997, 19). Produkte von Werner Burri. In Marwitz eignete er sich unter dem Einfluss des früheren Kollegen Charles Crodel auch die Sgraffitotechnik für seine Keramiken an: “vielfach schmückte er sie aber auch mit Stillleben, Schiffen, floralen und phantasievollen, reichen figürlichen Dekoren […], Tierdarstellungen, heitere figürliche Szenen mit Paaren und Akten, häufig Putti, italienische Frauenfiguren mit Wein, Bacchus, Kindern, Weihnachtsszenen etc. Hierbei wandte er  […] die Sgraffitotechnik in heller Engobe auf dunklerem (zumeist dunkelbraunschwarzem, manganhaltigem) Scherben an, zuweilen kombiniert mit partieller farbiger Unterglasurbemalung” (Heger 2005, 93-94, 368-369).

1941, 19. Mai, Wiedereröffnung der Keramikfachschule Bern unter Fachlehrer und Schulleiter Benno Geiger (bis 1969/1970, vgl. zur Person Schnyder 1985; Messerli 2017) und Werkmeister Werner Burri (bis 1963, vgl. zur Person Schnyder 1985; Messerli 2017) am alten Standort. Mit der Wahl von Geiger und Burri gelang es dem bernischen Regierungsrat, zwei qualifizierte Fachmänner einzustellen, welche aufgrund ihrer Auslandaufenthalte stilprägende Einflüsse (und Gegensätze!) aus der Wiener Kunstgewerbeschule und der Dornburger Bauhaustöpferei mit sich brachten. Burri pendelte bis zu seine Pensionierung täglich von Oberwil im Simmental nach Bern. Burri hatte nie ein eigenes Atelier, d.h. alle seine Arbeiten nach 1941 entstanden in der Keramikfachschule in Bern.

1942, 1. Januar, Die Keramische Fachschule erhielt ein eigenes Reglement.

1942 Umzug der Keramischen Fachschule von der Felsenburg in grössere Räumlichkeiten an der Spitalackerstrasse 63 in Bern.

Bericht über die Keramikfachschule in einer unbekannten Illustrierten, zwischen 1945 und 1950.

1951 Ziele der Keramikausbildung in Bern: “Beide Lehrer waren lange im Ausland tätig gewesen, der eine in Berlin, der andere in Wien und Paris. Wir waren also durchaus moderne alte Praktiker. Trotzdem sagten wir uns: Wir sind hier in Bern; Bern hat eine berühmte keramische Tradition; es ist selbstverständlich, dass wir an diese Tradition anknüpfen. Wir wollten allerdings die alten Heimberger und Langnauer Keramiken nicht sklavisch kopieren, sondern uns von der soliden Handwerklichkeit der Formen, der Leuchtkraft der Farben und der naiven Fröhlichkeit der Darstellungen inspirieren lassen, um mit der Zeit zu eigenen, neuen Lösungen zu kommen. Wir wollten also gewissermassen Pflanzen sein, deren Wurzeln im alten, heimatlichen Boden stecken, deren Blüten aber neue Formen und Farben treiben.” (Geiger 1952, 8-9). Inwieweit diese Ziele erreicht wurden, liesse sich nur bei einem Abgleich der Schüler/Schülerinnenlisten (in Messerli 2017) mit deren jeweiligem Lebenswerk feststellen (vgl. z.B. Jakob Stucki, Franz Loder und Margret Loder-Rettenmund).

1959 Die Keramikfachschule in der Presse

1950er-Jahre Ablösung der Sgraffitotechnik durch formunterstützende Liniendekore, schliesslich Verzicht auf jegliche Dekoration, dünnwandige, schlanke Vasen, als spielerisch arrangierte Formgruppen (Schnyder 1985, 13-15), schliesslich nur noch unglasierte Schrühbrände. Aus Furcht davor, dass sein Spätwerk auf Unverständnis stossen könnte, verzichtete Burri auf Ausstellungsteilnahmen. Leitgedanke seines Spätwerkes “Am Ende ist die Form” (Messerli 2017, 153).

1959  Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Keramiker.

1960 Die Keramikfachschule und wichtige Schüler der Keramikfachklasse präsentieren sich im Kunstgewerbemuseum in Zürich in Form einer Ausstellung (Fischli/Rotzler 1960).

1963 Werner Burri wird pensioniert. Nachfolger wird der Fachlehrer Urs Adolf Gremli.

1972, 13. Mai Werner Burri stirbt nach mehreren Schlaganfällen im Altersheim Engeried  in Bern. Die Arbeitsgemeinschaft Schweizer Keramiker (ASK) würdigte sein Wirken mit einer Sonderausstellung anlässlich der 7. Ausstellung der ASK in Schloss Schadau (Thuner Tagblatt, Band 95, Nummer 155, 5. Juli 1972; Neue Zürcher Zeitung, Nummer 340, 24. Juli 1972).

1985 Erinnerungsausstellung in Schloss Spiez: Werner Burri, Benno Geiger, Jakob Stucki und Margrit Daepp-Linck (Thuner Tagblatt, Band 109, Nummer 163, 16. Juli 1985; dazu Schnyder 1985).

2019 Anlässlich der 100. Geburtstages des Bauhauses wurde 2019 im Düsseldorfer Hetjens-Museum eine Ausstellung mit Entwürfen von Walter Burri gezeigt:  Wechselwirkungen – Meister und Gesellen des Bauhauses zwischen Werkstatt und Industrie.

Keramik von Werner Burri in Drammens Museum

Keramik von Werner Burri und Luise Harkort im MFA, Boston

Bibliographie:

Dittmar 1997
Monika Dittmar, Vollendung des Einfachen : Hedwig Bollhagen wird neunzig ; eine Ausstellung des Fördervereins Ofen- und Keramikmuseum Velten e.V., Velten 1997.

Geiger 1952
Benno Geiger, Keramische Fachschule Bern 1941 -1951, Bern 1952.

Heger 2005
Andreas Heger, Keramik zum Gebrauch – Hedwig Bollhagen und die HB-Werkstätten für Keramik, Dissertation, Weimar 2005.

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik. Von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017, bes. 135-158 (zu Werner Burri).

Schnyder 1985
Rudolf Schnyder, Vier Berner Keramiker. Werner Burri, Benno Geiger, Margrit Linck, Jakob Stucki, Bern 1985.

Tschabold 1945
Alfred Tschabold, Geschichte des Gewerbemuseums 1869-1944, in: Kantonales Gewerbemuseum Bern, 75 Jahre Kantonales Gewerbemuseum Bern 1869-1944, Bern 1945, 9-51.

Tschabold 1969
Alfred Tschabold, 100 Jahre Gewerbemuseum in Bern. Zeittafel zu seiner Geschichte 1869 bis 1969, Bern 1969.

Campione d’Italia, Bezzola, Cooperativa

Andreas Heege und Ulrich Linnemann, 2021

Keramik der Cooperativa Bezzola Campione in CERAMICA CH

Über die “Cooperativa Bezzola Campione” in der norditalienischen Gemeinde Campione d’Italia (einer italienischen Exklave im Kanton Tessin) am Ufer des Luganersees, wissen wir bis heute nur sehr wenig. Weder sind ihr Gründungsdatum noch das Datum des Produktionsendes bekannt.  1881 wird in einem Artikel zur “Esposizione industriale italiana del 1881 in Milano” berichtet (Gilardi 2018):

“Auf dem Weg zur Schweizer Grenze, am Seeufer und gegenüber von Lugano, finden wir zwei Fabriken für gewöhnliches Geschirr aus weichem Steingut, die den Firmen Verda Napoleone und Bezzola Beniamino gehören. Die Fabrik Verda ist über vierzig Jahre alt, die andere, die Bezzola Beniamino gehört, wurde erst kürzlich gegründet. Etwa achtzig Mitarbeiter sind in beiden Unternehmen beschäftigt.”

Die “Zeitschrift für Schweizerische Statistik, Bd. 7” meldete allerdings bereits 1871, S. 71 für den Kanton  Tessin (Rapport de la Direction du 4e arrondissement des péages fédéraux):

Einen weiteren sehr ähnlichen Bericht gibt es für das Jahr 1869 (abgedruckt in der Zeitschrift Scuola Ticinese 157, Ottobre-Novembre 1989,  3-9, bes. 8).

Nun konnte noch ein älterer Zeitungsbericht aus dem Jahr 1863 gefunden werden (Tag- und Anzeigeblatt für Kempten und das Allgäu : Amtsblatt für das Königliche Amtsgericht Kempten : Organ für land- und milchwirtschaftliche Interessen. vom 30.10.1863):

“Bern, 19. Oct. Zu Campione, in der Nähe von Lugano, hat sich verflossenen Freitag Nachts, ein Naturereignis zugetragen, welches an die Katastrophe von Marcotte [Morcote] im vergangenen Jahre erinnert. In dieser Nacht ist nämlich die große Thonwaaren-Fabrik von Campione, welche hart am Ufer des Luganer See’s liegt, zum größten Theil von dessen Fluthen verschlungen worden. Da das dortige See-Ufer sehr fest ist und auch die Grundlagen der Fabrik sehr solid angelegt worden waren, so ist das Unglück ohne vorhergegangenen Erdstoss schwer zu erklären. An der Stelle, wo die Gebäulichkeiten gestanden, bemerkte man gleich nach der Katastrophe nichts, als eine Art Aufzischen des See’s, dann war Alles ruhig. Die Fabrik gehört einem Herrn Bezzola, der Mitglied der italie­nischen Deputirtenkammer ist.”
Der Bund in Bern brachte schon am 19. Oktober 1863 einen Augenzeugenbericht der Katastrophe vom 16./17. Oktober, in dem ausdrücklich die im See versunkenen Druckmaschinen für den Umdruckdekor erwähnt werden:
Die Seekatastrophe löste ein grösseres Medienecho in der Schweiz aus:

Thuner Wochenblatt 21. Oktober 1863, Zürcherische Freitagszeitung 23. Oktober 1863, Zuger Volksblatt 24. Oktober 1863, Fögl d’Engiadina 31. Oktober 1863.

Bislang konnten in den Museumssammlungen Graubündens immerhin zwei Keramiken der Firma Bezzola gefunden werden, die den Export in die Schweiz belegen. Das Heimatmuseum Rheinwald in Splügen verwahrt eine gemarkte Schüssel (HMRW_01):

Die Marke (siehe Titelbild) orientiert sich formal sehr eng an der älteren Marke der bedeutenden französischen Firma Utzschneider und Cie. in Sarreguemines, die dort ab etwa 1856 verwendet wurde (Gauvin 2005, 122-123). Die Schnecke der Fabrikmarke Bezzola findet sich auch im Gemeindewappen von Campione.

Das Rätische Museum in Chur (RMC H1979.50) verwahrt eine mit Umdruckdekor verzierte Kaffeeschale mit der Blindmarke “F. BEZZOLA” (Fabbrica Bezzola?). Das Stück stammt aus der Sammlung von Margrith Schreiber-von Albertini und soll ursprünglich aus dem Engadin, aus Casaccia/Cumvent, Haus Klösterchen, stammen.

Bibliographie:

Gauvin 2005
Henri Gauvin, Sarreguemines. Les marques de fabriques, Sarreguemines 2005.

Gilardi 2018
Sabato Gilardi, Christian, La manifattura ceramica “Ghirla”, in: Enrico Brugnoni/Christian Gilardi Sabato, La ceramica di Girla. Artigianato e preziosità delle terre dell’Abbazia di san Gemolo in Valganna, San Gemolo in Valganna 2018.

Dank

Herzlichen Dank an Marcella Giorgio für den Literaturhinweis Gilardi 2018 und Dank an Franca Liggenstorfer, Walchwil, für die Übersetzung der Textpassage.

Castel Durante I, Piccolpasso, Cipriano (1523-1579)

Cipriano Piccolpasso ist vor allem berühmt durch sein Werk

I tre libri dell’arte del vasaio

das er um 1557 in Castel Durante schrieb und illustrierte. Es vermittelt in Wort und Bild grundlegende Erkenntnisse zum technologischen Knowhow der italienschen Fayenceproduzenten der ersten Hälfte und Mitte des 16. Jahrhunderts.

Das bedeutende Werk, das sich heute im Victoria & Albert Museum in London befindet (MSL/1861/7446), kann inzwischen online eingesehen werden.

Eine kommentierte Übersetzung existiert (Lightbown/Caiger-Smith 1980)

Bibliographie

Lightbown/Caiger-Smith 1980
Ronald Lightbown/Alan Caiger-Smith, Cipriano Piccolpasso, I tre libri dell’arte del vasaio = The three books of the potter’s art: a facsimile of the manuscript in the Victoria and Albert Museum, London, London 1980.

Champ-du-Moulin (Boudry) NE, Werkstatt von Vincent Diana (1890–1905)

Keramik aus der Werkstatt von Vincent Diana in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Im Kanton Neuenburg haben wir eine uns völlig unbekannte Keramikwerkstatt entdeckt, oder besser gesagt wiederentdeckt. Sie wird in der Literatur kaum erwähnt, ausser in einer Studie der beiden Schülerinnen Marianne Biselli  und Antonella Simonetti mit dem Titel Travail de l’argile au Val-de-travers hier et aujourd’hui. Sie entstand im Jahr 1984 unter der Leitung von Pierre-André Klauser. In dieser nicht sehr ambitionierten Forschungsarbeit, in Form eines Daktyloskripts vorliegend, wird in der Tat eine Töpferei erwähnt, die Vincent Diana in Champ-du-Moulin (Gemeinde Boudry) in den Jahren 1890-1905 führte.

In einer kürzlich entdeckten Zeitungsnotiz, erschienen in Le Nouvelliste vaudois vom 10. März 1900 (S. 2), finden sich weitere Informationen zu den offiziellen Anfängen von Dianas Werkstatt. Darin heisst es: «Auf der malerischen Lichtung von Champ-du-Moulin hat sich gerade ein neues Unternehmen niedergelassen. Es handelt sich um eine Töpferei, deren Produkte aus Mergel oder lokalem Ton hergestellt werden.» Das Neuenburger Museum für Kunst und Geschichte (Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel) verfügt über zwei unvollendete Keramiken aus dieser Werkstatt, die vom Töpfer selbst überreicht wurden, sowie über drei etwas feiner ausgearbeitete Exemplare, eine Schenkung von Alfred Godet und Théodore Delachaux. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich das Museum für das zeitgenössische Schaffen interessierte, insbesondere für eine Werkstatt, die vor kurzem im Kanton eingerichtet worden war und in die man offensichtlich einige Hoffnungen gesteckt hatte.

Die beiden unvollendeten Exemplare – Schrühbrände (MAHN AA 1321; MAHN AA 1320) –, die von Diana gestiftet wurden, gelangten 1899 in die Sammlung, ebenso wie die von Alfred Godet gestiftete und von einer gewissen Frau O. Godet dekorierte Schale (MAHN AA 2072), was beweist, dass der Töpfer einige Monate vor dem Frühjahr 1900 mit der Arbeit begonnen hatte, ohne jedoch den gesamten Herstellungsprozess zu beherrschen. Tatsächlich wurde die bemalte Schale «in Nyon emailliert und gebrannt», wahrscheinlich in den Einrichtungen der Manufacture de poteries fines de Nyon. Diese drei frühen Beispiele tragen eine Blindmarke, ein verziertes «C» (wahrscheinlich für Champ-du-Moulin), die in den noch feuchten Ton eingedrückt wurde (siehe MAHN AA 1321; MAHN AA 1320; MAHN AA 2072).

Die beiden Vasen in etwas feinerer Ausführung, aus der Schenkung von Théodore Delachaux (MAHN AA 1870; MAHN AA 2084), werden erst 1935 mit der Erwähnung «Erste Versuche von M. Diana, April 1901» in die Sammlungen aufgenommen. Aus dem alten Inventar des Museums geht auch hervor, dass die Formen der beiden Vasen «von Clement Heaton» (1861–1940) stammten, dem berühmten Glasmacher und Dekorateur englischer Herkunft, der zwischen 1893 und 1914 in Neuenburg lebte.

Nachforschungen, insbesondere beim Zivilstandsamt, ergaben keine Hinweise zu den Lebensdaten von Vincent Diana, noch zum Zeitraum seiner Niederlassung in der Region. Auch ein Besuch bei Herrn Maximilian Diana, dem Neffen von Vincent, der noch immer in Travers lebt, erlaubte uns nicht, diese Wissenslücken vollständig zu schliessen. Wir können nur bestätigen, dass die Dianas, eine Emigrantenfamilie aus Brusnengo (Piemont), in Frankreich und Portugal gelebt haben, bevor sie sich in Champ-du-Moulin niederliessen, wo Vincents Mutter ein Restaurant betrieb, wie ein von Herrn Diana aufbewahrtes Kontobuch von 1869 bezeugt. Letzterer besitzt auch etwa fünfzehn von seinem Onkel hinterlassene Keramiken. Darunter befindet sich ein signierter, 1898 datierter Schrühbrand eines Irdenwarekruges: ein etwa 30 cm hohes balusterförmiges Gefäss mit einem gemodelten Frosch als Henkel. Die Form zeigt ein komplexes Profil, erzeugt durch Abdrehen auf der Töpferscheibe. Eine weitere Vase ohne Glasur zeigt die Dekorationstechnik, die der Töpfer bei einigen seiner Stücke anwendete: eine gemodeltes Auflage wird auf das Objekt appliziert, die feinen Details werden von Hand kunstvoll eingearbeitet, und dann wird das Ganze mit einer farbigen Engobe überzogen (siehe MAHN AA 1870; MAHN AA 2084).

Die Mehrzahl der Stücke, die wir in Travers untersuchen konnten, sind kleine Vasen mit einfachen, eleganten Formen, wahrscheinlich mit einer rosa Glasur überzogen und mit relativ nüchternen geometrischen oder pflanzlichen Motiven verziert, die in Blau, Schwarz und Gelb gemalt sind, ein wenig im Geist des niederländischen Jugendstils. Tatsächlich ist die Hintergrundfarbe durch eine Engobe gegeben, die mit einer semi-opaken Glasur überzogen ist; die Motive scheinen auch mit farbigen Engoben ausgeführt zu sein, die unter der Glasur aufgetragen wurden. Die meisten dieser verzierten und glasierten Objekte sind sehr genau bezeichnet und datiert: «V. Diana – Champ-du-Moulin – 15.XII.1900». Wie die im MAHN aufbewahrten Exemplare zeichnen sie sich durch ihren experimentellen Charakter aus: Die Glasur und die darunter liegenden Dekore weisen regelmässig Brennfehler auf.

Es ist offensichtlich, dass Vincent Diana verschiedene Techniken der Tonformung perfekt beherrschte: Drehen, Giessen, Eindrehen, und es ist wahrscheinlich, dass er dieses Know-how bereits besass, als er sich vermutlich Ende der 1890er-Jahre in Champ-du-Moulin niederliess. Hingegen scheint es ihm nie gelungen zu sein, das Glasieren vollständig zu beherrschen. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, warum er die Region um 1905–1906 in Richtung Tessin verliess, wo er als Angestellter der 1904 gegründeten Keramikfabrik in Sementina, im Bezirk Bellinzona, arbeitete (Schweizerisches Handelsblatt, Bd. 22, 1904, S. 1354). Maximilian Diana besitzt zwei feine Steingutobjekte mit der Stempelmarke «Sementina»: eine kleine Jugendstil-Vase mit erhabenen Pflanzenmotiven in mehrfarbiger Unterglasurmalerei und einen Krug in Form eines karikierten Gesichts eines ausgelassenen Lebemanns aus dem Volk. Beide Objekte tragen die Unterschrift von Vincent Diana und das eingeritzte Datum 1907. Laut Maximilian Diana war Vincent als Vorarbeiter in der Keramikfabrik in Sementina angestellt und offensichtlich hat er auch Formen für die Manufaktur entworfen, insbesondere diejenigen, die wir in Travers untersuchen konnten. In Champ-du-Moulin, wo er seine Werkstatt «auf einem Stück Land, das ihm nicht gehörte» eingerichtet hatte, arbeitete Vincent zusammen mit seiner Schwester Clothilde und seinem Bruder Albert, Maximilians Vater. Albert folgte seinem Bruder für einige Zeit nach Sementina, wo sie gemeinsam in der Keramikfabrik arbeiteten.

Weitere Nachforschungen in den Tessiner Archiven werden es uns vielleicht eines Tages ermöglichen, den Werdegang von Vincent Diana genauer nachzuvollziehen, einem interessanten Keramiker, dessen unbestreitbare Talente während seines Aufenthalts in Neuenburg offenbar nie ihren vollen Ausdruck finden konnten.

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013, 26-28, 500.