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Chavannes-près-Renens VD, Poterie moderne (S.A.), 1902-1972/73

Roland Blaettler, 2019

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erfuhr das Keramikindustriezentrum von Renens mit der Gründung der «Poterie moderne» im Jahr 1902 in der kleinen angrenzenden Gemeinde Chavannes-près-Renens und 1912 mit der Eröffnung der «Schweizer Keramikschule» (siehe Kapitel «Chavannes-près-Renens, École suisse de céramique» eine erhebliche Aufwertung. Diese beiden Institutionen entstanden dank der persönlichen Initiative von Lucien Ménétrey (1853–1930), einer «originellen und populären Persönlichkeit aus der Gegend, einem Mann, der unbestritten in der Region eine herausragende Rolle spielte und zu ihrer Entwicklung beitrug», wie es in seinem Nachruf steht (Feuille d’avis de Lausanne vom 4. August 1930, S. 7 unter der Signatur «A. T.»). Aus eben diesem Nachruf stammen die wichtigsten Informationen, mit denen wir versucht haben, eine Biografie über diese bedeutende Persönlichkeit zu verfassen.

Lucien war der Sohn von Jacques Louis Ménétrey (1820–1901), Landwirt, Holzhändler und ehemaliger Bürgermeister von Chavannes. Nach seiner Schulzeit lebte er mehr als ein Jahr in Uebendorf bei Thun, um Deutsch zu lernen. 1879 zog der junge Mann nach Paris, wo er sein Debüt als «Kommissionär und sogenannter Rezeptjunge» gab, bevor er Handelskurse bei der französischen Grossloge der Freimaurer, Grand-Orient de France, besuchte. War der junge Mann bereits vorher in die Freimaurerei eingetreten, war er der Protegé eines älteren «Bruders» (seines Vaters)? Dafür gibt es derzeit keine Anhaltspunkte. Dem Nachruf gemäss scheint Ménétrey etwa fünfzehn Jahre lang in Paris gelebt zu haben. Erst 1894 kehrte er nach Chavannes zurück, wo er zehn Jahre lang das Dorfcafé betrieb. Im selben Jahr trat er dem Gemeinderat in den Reihen der Freisinningen-Demokratischen Partei bei. Später definierte er sich selbst als «progressiven Freisinningen» (Nouvelliste vaudois vom 28. Februar 1901, 2).

Ménétrey wurde 1904 zum Bürgermeister von Chavannes gewählt, ein Amt, das er bis zu seiner Abwahl im Jahr 1913 ausübte. Bei den Wahlen im November 1913 wurde die von Ménétrey geführte Liste von den Sozialisten und einer Gruppe von freisinnigen Abtrünnigen faktisch besiegt, und es war gerade ein freisinniger Abweichler, der sein Amt an der Spitze der Gemeinde übernahm. Ein Beobachter wird feststellen, dass «auf den Siegerlisten mehrere Namen aus der Liste von Ménétrey erschienen» (La Revue vom 17. November 1913, 2; Nouvelliste vaudois vom 6. Dezember 1913, 3). Offenbar standen nicht alle Parteimitglieder geschlossen hinter dem lebhaften Politiker.

Während seiner Amtszeit leistete Lucien Ménétrey einen bedeutenden Beitrag zur Modernisierung der Gemeinde, unter anderem schreibt man ihm den Bau der Bahnhofstrasse, die den Ort mit dem Bahnhof Renens verband, die Elektrifizierung der öffentlichen Beleuchtung und den Bau von Trinkwasser-, Gas- und Kanalisationsnetzen zu. Nachdem er Firmenchef geworden war, liess er fünfzehn Arbeiterhäuser für die Angestellten seiner Töpferei bauen.

Ménétrey, der sich aktiv am öffentlichen Leben seiner Region und seines Kantons beteiligte, äusserte regelmässig seine Standpunkte in der Presse, insbesondere im Journal de Morges, unter den Pseudonymen «Pierre Dif», «Pierre» oder «Jean-Pierre». Im Jahr 1907 trat er als einziger Kommanditär der Firma auf, die das 1906 gegründete Journal et Feuille d’avis de Renens herausgab (SHAB, Bd. 26, 1908, 1361). Zwei Jahre später kaufte er die Zeitung (Nouvelliste vaudois vom 25. Februar 1909, 2).

Lucien Ménétrey war aktives Mitglied der Waadtländer Handelskammer und bekleidete leitende Positionen in den Freimaurerkreisen von Lausanne (Historisches Lexikon der Schweiz, online konsultiert, Artikel von Gilbert Marion). In den Danksagungen, die von der Familie von Ménétrey am Tag nach seiner Beerdigung veröffentlicht wurden (Feuille d’avis de Lausanne vom 9. August 1930, 6), erscheinen die Loge «Le Progrès», das Kapitel «Souverain Chapitre L’Amitié» und der Areopag «Les Amis de la lumière», die drei Lausanner Institutionen, die es den Eingeweihten ermöglichten, sich bis zum 30. Grad (von 33) der freimaurerischen Hierarchie des «Alten und Angenommenen Schottischen Ritus» (AASR) zu entwickeln. Ein zweiter, kurzer Nachruf, der in der Feuille d’avis de Lausanne vom 5. August 1930 (S. 6) veröffentlicht wurde, erinnert daran, dass der Verstorbene 1910 den «höchsten Grad erreicht hatte».

Die nachhaltigsten Spuren, die Ménétrey hinterliess, waren zweifellos die beiden von ihm gegründeten Institutionen im Bereich der Keramikindustrie: Die erste wurde zur innovativsten Töpferei des Kantons und die zweite war lange Jahre die erste Keramikfachschule, die diesen Namen in der Westschweiz verdiente.

Poterie moderne – Lucien Ménétrey, 1902-1905

Poterie moderne S. A. 1905-1972/73 (?)

Lucien Ménétrey liess seine «Poterie moderne» im August 1902 ins Handelsregister eintragen (SHAB, Bd. 20, 1902, 1282). Das neue Unternehmen, das in einem nagelneuen, heute noch existierenden Gebäude an der Ecke Avenue de la Gare und Rue de la Blancherie untergebracht war, dürfte schon einige Zeit in Betriebe gewesen sein, da der erste Brand «etwa im Monat August 1902» stattfand (La Tribune de Lausanne vom 29. Juni 1905, 2–3). Im selben Artikel erklärt der Journalist, dass nach «einigen unvermeidlichen Veränderungen diese Fabrik im Ort mit ihrer Produktion der Waren begann, die sofort Aufmerksamkeit erregten und geschätzt wurden». Aus dem Artikel geht auch hervor, dass das Rohmaterial an Ort und Stelle gefunden wurde, zur vollen Zufriedenheit des Unternehmens.

Ab September veröffentlichte Ménétrey Werbeanzeigen zur Förderung seiner «Kunst- und Gebrauchskeramik» und seiner Bau- und Ofenkeramik. Die Inserate kündigten auch eine Ausstellung seiner «künstlerischen Produktserie» an, die in den Schaufenstern des Kaufhauses Martinioni in der Rue Centrale in Lausanne präsentiert wurden (Nouvelliste vaudois vom 12. September 1902, 4). Drei Tage später begrüsste dieselbe Zeitung das Entstehen der neuen Firma mit folgenden Worten: «In der Schweiz gibt es wenig Kunsttöpfereien. Die bekannteste ist die von Thun. Auch Ferney-Voltaire, im Pays de Gex, hat sich einen Ruf erworben, der weit zurückreicht, und Liebhaber von schönen Nippsachen werden sie sicherlich dort kaufen. Eine dritte Fabrik ist vor den Toren der Hauptstadt eröffnet worden, in der Nähe des Bahnhofs von Renens […]» (Ausgabe vom 15. September 1902, 2).

Ohne Zweifel gehörte das Alltags- oder Kochgeschirr zu den Basisprodukten der Poterie moderne und ihr Stil entsprach den Produkten, wie sie auch in anderen Töpfereien der Genferseeregion zu finden waren. Hierzu gehört auch eine mit grüner Glasur überzogene, engobierte Aufrahmschüssel aus Irdenware, die die erste Blindmarke der Firma mit den Initialen des Besitzers – «L. M.» in einem Oval trägt (MHL AA.46.D.22). Diese Firmenmarke wurde am 17. September 1902 ordnungsgemäss registriert (SHAB, Band 20, 1902, 1362).

Die Schüssel ist bis anhin das einzige bekannte, gemarkte Exemplar aus der sicher umfangreich produzierten Gruppe der undekorierten Gebrauchsgeschirre.

Dank eines weiteren gemarkten Exemplars, das im Musée régional du Val-de-Travers in Môtiers (NE) verwahrt wird, wissen wir, dass in der Poterie moderne auch verzierte zylindrische Milchtöpfe mit verdicktem Rand hergestellt wurden, ein weiterer Typus, der charakteristisch ist für die engobierte Irdenware aus der Genferseeregion (MRVT Nr. 26).

Ambitioniertere, «künstlerische» Objekte, die der frühen Produktionsphase des Unternehmens zugeschrieben werden, finden sich unter den Auftragsarbeiten für verschiedene Gemeinden anlässlich der Feierlichkeiten zum Waadtländer 100-Jahr-Jubiläum von 1903 (MHV 5245; MVVE 5180; MVM M 909; MCAHL HIS 11-19; MCAHL HIS 11-16; MCAHL HIS 11-10; MCAHL HIS 11-15; MCAHL HIS 11-12; MCAHL HIS 11-11; MHPN MH-1998-95). Die meisten dieser Stücke tragen die oben erwähnte Blindmarke, manchmal eingerahmt mit dem vollständigen Text «POTERIE MODERNE CHAVANNES RENENS» (MCAHL HIS 11-14).

Wie andere Berufskollegen nutzte auch Ménétrey geschickt die durch die Hundertjahrfeier erzeugte Euphorie in der Bevölkerung. Soweit wir beurteilen können, konnte er mindestens sieben Gemeinden mit Gedenkgeschirr versorgen: Pully, Cully, Grandson, Vevey, Moudon, Riex und Vuarrens. Wie bei Samuel Jaccard in Renens besteht der grösste Teil des Dekors aus heraldischen Motiven und die ganze Spezialserie ist in der traditionellen Technik der engobierten Irdenware ausgeführt, ergänzt mit gemodelten und applizierten Reliefornamenten und versehen mit einer bleihaltigen Glasur. Allerdings ist die Ausführung im Detail raffinierter als bei Jaccard: Einige besonders feine Auflagen sind aus weissem Ton, dessen Wirkung an Steingut erinnert, und die eingelassenen Inschriften – die Namen der Gemeinden oder der Wahlspruch des Waadtländer Wappens – sind mit Druckbuchstaben eingedrückt.

Anhand der einzigen noch vorhandenen Suppenschüssel aus der Reihe der Gedenkkeramik, die für die Stadt Moudon hergestellt wurde (MVM M 909), erahnt man die Palette von Spezialverfahren, die die Töpfer von Ménétrey entwickelt haben, um beispielsweise eine «naturalistische» Gestaltung der Griffe in Form von Zweigen zu kreieren.

Im Conteur vaudois vom 18. Juni 1904 berichtet ein gewisser J. M. von einem von Ménétrey begleiteten Besuch in der Töpferei. In seinem Artikel beschreibt er die kunstvolle Keramik «mit originellen Formen und schillernden Farben», verziert mit farbiger Glasur im Laufdekor, und auf der anderen Seite «das in grosser Menge produzierte Alltagsgeschirr aus rotem oder gelbem Ton, verziert mit bizarren und vielfarbigen Mustern, dem unsere Bauern treu geblieben sind». Das einzige bisher bekannte Motiv, das diesen «bizarren und vielfarbigen Dekoren» entsprechen könnte, ist genau dieser Marmordekor, der von dem Milchtopf im Museum von Môtiers (MRVT Nr. 26) bezeugt wird.

Im Frühjahr 1905 beschloss Lucien Ménétrey, nachdem er «die Gewissheit erlangt hatte, dass diese Industrie eine angemessene Dividende ausschüttet», seine Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, «um bei allen Personen Interesse zu wecken, die entweder als Produzenten oder als Händler in direkter Beziehung zu ihr stehen» (Tribune de Lausanne vom 29. Juni 1905, 2-3). Rund vierzig Subskribenten versammmelten sich daher am 20. März, um das neue Unternehmen zu gründen. Der Journalist der Tribune bemerkte auch, dass Ménétrey, ermutigt durch die Beispiele französischer Unternehmen wie «Le Louvre», «Le Bon Marché» oder «Familistère de Guise», beschlossen hatte, die Arbeiter des neuen Unternehmens teilhaben zu lassen, indem er ihnen Aktien zu Vorzugspreisen anbot, eine vom Unternehmen finanzierte Unfallversicherung schuf und zehn Prozent des Gewinns unter dem Direktor und den Angestellten aufteilte.

Am 1. April 1905 wurde der alte Firmenname gelöscht, während die «Poterie moderne de Chavannes-Renens S. A.» neu im Schweizerischen Handelsamtsblatt eingetragen wurde (Bd. 23, 1905, 579). Ihr Zweck bestand darin, die Vermögenswerte der ehemaligen Einrichtung, die Gebäude, das Material und den Kundenstamm zu übernehmen. Das Kapital von 100 000 Franken wurde auf 400 Inhaberaktien aufgeteilt. Den Vorsitz im Verwaltungsrat führte Ménétrey, die Geschäftsführung wurde Henri Magnin von Collex-Bossy (GE), wohnhaft in Chavannes, anvertraut. Einige Jahre zuvor führte Magnin den Vorsitz der Chambre syndicale des ouvriers tourneurs en poterie du canton de Genève (siehe Kapitel «Poteries engobées de la région lémanique»).

Zwei Jahre später übergab Magnin seine Stelle als Direktor an seinen Schwiegersohn Henri Dusserre (1882–1950; Feuille d’avis de Lausanne  vom 18. Oktober 1907, 4). Ganz in den Fussstapfen von Ménétrey wurde Dusserre 1921 in den Gemeinderat von Chavannes gewählt, ebenfalls aus den Reihen der Freisinnig-Demokratischen Partei, und 1925 übernahm er das Bürgermeisteramt, das er bis September 1945 bekleidete.

Kurz nach seinem Aufstieg zum Direktor des Unternehmens und angesichts der Verwirrung, die durch die angebliche Fusion der Töpfereien Jaccard und Pasquier-Castella (voir plus haut) entstanden war, sah sich Dusserre gezwungen, folgende Mitteilung zu veröffentlichen: «Die Leitung der Poterie moderne teilt ihren ehrenwerten Kunden mit, dass sie nicht mit den anderen Renens-Werken fusioniert hat. Die grosse Zahl der Bestellungen ist der einzige Grund für die Verzögerung vieler Lieferungen» (La Revue vom 24. Dezember 1907, 4).

Ab 1908 wird in verschiedenen Werbeanzeigen, die im Indicateur vaudois erscheinen, auf eine neue Produktserie hingewiesen: die feuerfesten Kochgeschirre. In dieser Kategorie, wie übrigens auch in allen anderen, haben wir für die nächsten zwei Jahrzehnte kein der Poterie moderne zugeschriebenes Exemplar identifizieren können. Wir wissen jedoch, dass das Unternehmen 1912 an der Gartenbauausstellung von Montreux den ersten Preis gewann (Le Grutli, 18. Oktober 1912, 3). Im folgenden Jahr organisierte die Zeitung Lausanne Artistique für ihre Leser einen Wettbewerb mit mehreren Preisen. Der erste Preis bestand aus einem Paar grosser Majolikavasen aus der Poterie moderne im Wert von 25 Franken (Ausgabe vom 15. November 1913, 3).

Am 23. Mai 1925 liess das Unternehmen ein neues Firmenzeichen registrieren, diesmal in Form eines Rechtecks mit den Initialen «PM» (SHAB, Bd. 43, 1925, 1049). Derzeit ist uns kein Gegenstand bekannt, der diese neue Fabrikmarke trägt.

In ihrem Bericht über das Comptoir de Lausanne beschreibt die Zeitung L’Artistique vom 24. September 1927 den Stand der Poterie moderne. Der diensthabende Journalist bewundert insbesondere ein «ausgefallenes Frühstücksgedeck für zwei Personen in verschiedenen Farben», «Töpfe und Schalen mit offiziellen Motiven für die Fête des vignerons sowie entzückende kleine Amphoren, die ein grosser Erfolg sind und sich zu Hunderten verkaufen». Tatsächlich war die Poterie moderne vom Festkomitee als offizieller Lieferant für eine Serie von dekorativem Geschirr mit Unterglasurmalerei ausgewählt worden (Anzeige in der Revue vom 30. und 31. Juli 1927, S. 4). Eine andere Anzeige, die vom einzigen autorisierten Einzelhändler der Stadt Lausanne, der Firma Pamblanc Frères, aufgegeben wurde, zeigte drei Exemplare dieser Gedenkreihe, Teller mit jeweils einem Trommler in historischer Tracht, einer Traubenpflückerin und einem Traubenpflücker in traditioneller Tracht (Feuille d’avis de Lausanne vom 28. Juli, S. 7).

Die Website notrehistoire.ch zeigt eine Fotografie des Tellers mit der Traubenpflückerin und ein viertes Modell mit einem Müller (?), der ein Glas Wein in der Hand hält. Laut einem Kommentar von Christian Gerber zu diesen beiden Fotografien wurden die Prototypen an der Schweizer Keramikschule von seinem Vater Paul Gerber (1900–1977) hergestellt, der eine Zeitlang an dieser Institution lehrte (siehe Kapitel «Eysins, Paul Gerber»). Das Schweizerische Nationalmuseum verwahrt eine Bonbondose, die in der Poterie moderne für die Festspiele 1927 hergestellt wurde (SNM LM-167681), die Grundfarbe ist blau gesprenkelt und der Deckel verziert mit dem Porträt eines Pfeife rauchenden Sennen. Auch dieses Modell wird Gerber zugeschrieben.

Dank der immensen Ausstrahlung der Fête des vignerons und der anregenden Zusammenarbeit mit der benachbarten Keramikfachschule wurde die Bestellung von 1927 ein höchst profitabler Auftrag für die Poterie moderne, die von nun an und für einige Zeit sich einen Namen hatte als leistungsfähigste Institution des Kantons auf dem Gebiet der Kunstkeramik. Dieser Ruf führte dazu, dass sie als offizieller Lieferant für das 24. Eidgenössische Sängerfest ausgewählt wurde, das vom 6. bis 17. Juli in Lausanne stattfand (Tribune de Lausanne vom 6. Juli 1928, 1–2).

Zu diesem Anlass produzierte die Poterie moderne eine Reihe von Tellern, die einige der Kostüme darstellten, die der Waadtländer Maler Ernest Biéler (1863–1948) für die von Émile Jaques-Dalcroze geschaffene grosse Schau «Notre Pays» entworfen hatte, die einer der Höhepunkte der Feierlichkeiten sein sollte (MHL AA.46.B.58A; MHL AA.46.B.58B; MHL AA.VL 89 Di 534.64). Dieselben Motive wurden auch in Form von Postkarten vermarktet (Tribune de Lausanne vom 6. Juli 1928, Abb. S. 1). Die 1928 hergestellten Teller tragen eine neue, unter der Glasur aufgedrückte Stempelmarke in Form eines Wappenschildes, das einen Brückenbogen und drei Kirschen zeigt, den beiden wichtigsten Symbolen des Gemeindewappens von Chavannes-près-Renens. Oberhalb und unterhalb dieser Motive befinden sich die Inschriften «POMONE» (wahrscheinlich eine Verkürzung von «POterie MOderNE») und «CHAVANNES»(siehe MHL AA.46.B.58B). Zu diesem bereits 1905 angenommenen Gemeindewappen ist anzumerken, dass es vom Bürgermeister Lucien Ménétrey selbst gezeichnet wurde (Revue historique vaudoise, 28, 1920, 62)!

Auch wenn die Zahl der bisher inventarisierten Exemplare überraschend gering ist, kann man davon ausgehen, dass Bestellungen von Gedenkgegenständen für mehrere Jahrzehnte eine regelmässige Einnahmequelle der Poterie moderne gewesen sein dürften, ähnlich wie für Marcel Noverraz in Carouge. Und es ist immer die Technik der engobierten Irdenware, die zur Anwendung kommt, mit gemalten oder schablonierten Verzierungen auf einem sehr glatten und feinen Engobe-Untergrund (wahrscheinlich mit Spritzpistole aufgetragen), alle Stücke oft in sorgfältiger Ausführung (siehe z.B. MHL AA.46.B.56; MHL AA.VL 89 Di 534.66).

 

In seiner 1929 veröffentlichten kurzen Geschichte der Töpferei in Renens und Chavannes (voir plus haut) stellt der Schulinspektor Grivat fest, dass die Poterie moderne neben der Gebrauchskeramik/Alltagsgeschirr auch «[…] Kunstkeramik produzierte, wovon einige interessante Produkte auch in Lausanne, Montreux und Zermatt erhältlich sind. Einige wurden sogar nach Frankreich und England versandt» (Feuille d’avis du District de la Vallée  vom 21. November 1929, 7). Der internationale Tourismus war offenbar eine der Zielgruppen für diese bedeutende Kunstkeramikproduktion.

Im Frühjahr 1932 sah sich die Poterie moderne mit einem Streik ihrer acht Töpfer konfrontiert, der vom 12. April bis Mitte August dauerte. Mit dem Argument, dass seine Produktionskosten es ihm nicht mehr erlauben würden, mit der Konkurrenz Schritt zu halten und das Unternehmen unter einem chronischen Defizit leide, hatte Dusserre eine allgemeine Lohnkürzung von 10 Prozent angekündigt, was die Töpfer kategorisch ablehnten, zumal ihr Lohnniveau – nach ihren Angaben – bereits niedriger war als das der anderen Töpfereien der Region, in Renens, Colovrex und Carouge. Die kantonale Schlichtungsstelle versuchte es mit einem Kompromiss, indem sie eine auf 5 Prozent begrenzte Kürzung des Gehalts vorschlug. Die Betriebsleitung stimmte dem zu, aber die Streikenden lehnten den Vorschlag ab und beschlossen, ihren Kampf mit Unterstützung des waadtländischen Gewerkschaftskartells fortzusetzen (Le Droit du Peuple vom 19. April 1932, 4). In der Ausgabe vom 1. Juni veröffentlichte die Feuille d’avis de Lausanne (S. 6) den Standpunkt von Dusserre, aus dem hervorgeht, dass der durchschnittliche Monatslohn der Töpfer 1931 von 280 auf 370 Franken erhöht worden war und dass die 5-prozentige Senkung leicht ausgeglichen werden könne, da die Arbeiter im Akkord bezahlt würden. Der Direktor beschwerte sich erneut über den Umsatzrückgang und den damit einhergehenden Preisverfall. Er prangerte auch das aggressive Verhalten der Föderation der Holz- und Bauarbeiter an, die nicht gezögert habe, Arbeitnehmer einzuschüchtern, die sich entschieden hatten, auf ihrem Posten zu bleiben. Zudem übte sie durch Androhung eines Boykotts Druck auf die Händler aus, die das Geschäft mit der Poterie moderne beibehielten. In der Antwort des «Verbands der Töpfer von Renens», die teilweise in der Feuille d’avis de Lausanne, dann in aller Ausführlichkeit im Le Droit du Peuple vom 16. Juni (S. 5) veröffentlicht wurde, erfahren wir, dass Dusserre die Streikenden zumindest teilweise durch zwei junge Töpfer mit frischem Abschluss der Schweizerischen Keramikfachschule ersetzt hatte und einen «kroumir» (einen verachtenswerten Streikbrecher). Wenige Tage später veröffentlichte Dusserre tatsächlich eine Ankündigung, in der er erklärte, dass «trotz des Streiks einiger Töpfer die Poterie moderne in Chavannes ohne Unterbruch weiterarbeite» (Feuille d’avis de Lausanne vom 25. Juni 1932, 8). Der Konflikt wurde schliesslich im August gelöst, ohne dass wir auch nur die geringste Information über die getroffenen Abmachungen finden konnten. Immerhin verkündet Le Droit du Peuple vom 29. August 1932 (S. 5) die letzten Ergebnisse der offenen Subskription zugunsten der Streikenden mit dem Hinweis «Streik vorbei».

Um auf die Produktion der Poterie moderne zurückzukommen, von der wir wissen, dass sie durch die Ereignisse nie völlig lahmgelegt wurde, bleibt festzuhalten, dass wahrscheinlich Anfang der 1930er-Jahre eine neue Stempelmarke in Form eines auf einer Spitze stehenden Dreiecks eingeführt wurde. Das Dreieck enthält dieselben heraldischen Motive wie die vorherige Version der Firmenmarke und trägt die Umschrift «CHAVANNES POTERIE MODERNE» trägt, oftmals begleitet von der Erwähnung «handgemalt» (siehe MHL AA.46.B.56).

Eine dritte Stempelmarke ist aus den späten 1930er-Jahren belegt: Die Inschriften «POTERIE MODERNE CHAVANNES» und «handgemalt» sind hier in einem Kreis eingeschrieben, der ausserdem die drei Kirschen enthält, der Brückenbogen fehlt. Das einzige Beispiel, das wir bisher gesehen haben, befindet sich auf der Rückseite eines Gedenktellers von 1939, der im Musée du Léman in Nyon verwahrt wird (ML 2012-17-3).

Zusätzlich zu den Gedenktellernversuchte die Töpferei ein neues Nischenprodukt  zu entwickeln: Gegenstände mit Familienwappen. Einer Werbung für die «Familienwappenteller» der Poterie moderne entnehmen wir, dass das Unternehmen dazu sogar «Gratisrecherchen» anbieten würde, sehr wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit erfahrenen Heraldikern (z.B. in Le Grutli vom 9. März 1934, 3).

Aus der Linie der eigentlichen «Kunstkeramik», die in der Poterie moderne produziert wurde, kennen wir nur zwei relativ späte Beispiele. Die 1949 dem Musée des arts décoratifs de Lausanne gestifteten Objekte entsprechen dem Zeitgeist der Moderne, sie sind immer noch in der Technik der engobierten Irdenware ausgeführt, manchmal unter farbiger Glasur (MHL AA.MI.1893; MHL AA.MI.1892). Diese beiden Objekte tragen eine Blindmarke mit der Aufschrift «DE CHAVANNES SUISSE» in einem Kreis angeordnet, in dessen Mitte sich die drei Kirschen befinden (siehe MHL AA.MI.1892). Diese Marke wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre eingeführt.

Dieselbe Marke befindet sich auf der Rückseite eines Gedenktellers von 1953 (MHL AA.VL 92 C 2282). So überraschend dies für eine Institution, die bis Anfang der 1970er-Jahre tätig war, erscheinen mag, so ist der erwähnte Teller doch das späteste Beispiel in den öffentlichen Sammlungen des Kantons Waadt. Eine weitere Besonderheit des Exemplars ist die Herstellungstechnik, eine jahrtausendealte Technik zwar, die jedoch eine absolute Neuheit im Bereich der Poterie moderne darstellt: Fayence, die sich durch ihre Blei-Zinn-Glasur auszeichnet. Obwohl der Teller von 1953 die einzige Fayence ist, die wir der Poterie moderne zuschreiben können, glauben wir, dass das Unternehmen diese Technologie etwa zu dieser Zeit – Anfang der 1950er Jahre – eingeführt hat, ohne die traditionelle engobierte Irdenware aufzugeben.

Vom 20. Februar bis 30. März 1956 veranstaltete das Lausanner Warenhaus «Innovation» in seinen Räumlichkeiten eine «Ausstellung der Waadtländer Industrie». Auch die Poterie moderne gehörte zu den 21 Unternehmen, die eingeladen waren, einen Stand zu präsentieren. Innovation veröffentlichte in der Feuille d’avis de Lausanne  vom 20. Februar vier Werbeseiten mit einer kurzen Beschreibung der verschiedenen Firmen. Über die Poterie moderne lesen wir, dass «[…] 1927, anlässlich des grossen Winzerfests, das Unternehmen mit der Herstellung von Gedenktellern und kunstvoll verzierten Vasen beauftragt wurde und so einen wichtigen Platz einnahm unter den schönsten ausgeführten Kunstkeramiken. […] Bemerkenswert unter den schönsten Objekten dieser Kunstrichtung sind die schönen Fayencen verfeinert mit einer Blei-Zinn-Glasur in prächtigen Pasteltönen.» (S.7).

Ab den 1940er-Jahren fehlt es an Dokumenten, die Aufschluss über die Entwicklung des Unternehmens geben könnten, sei es in Form von Keramikobjekten oder Erwähnungen in der Presse. Die wichtigsten Informationen, die uns heute zur Verfügung stehen, stammen aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt und betreffen vor allem die Veränderungen, die an der Spitze des Unternehmens stattgefunden haben. So erfahren wir, dass die Firma 1944 ihre Statuten geändert hat. Neben der industriellen herstellung der Keramik behält sich das Unternehmen fortan das Recht vor, ihre Geschäftstätigkeit «auf alle geschäftsfelder auszudehnen, die mit dieser Tätigkeit zusammenhängen»; sie «kann sich auch direkt oder indirekt an allen Industrien oder Unternehmen beteiligen, die in irgendeiner Weise mit ihrer eigenen Geschäftstätigkeit zusammenhängen, Beteiligungen erwerben, Finanzgeschäfte im kommerziellen und industriellen Bereich sowie im Handel mit Mobilien und Immobilien tätigen, die mit dem Gesellschaftszweck zusammenhängen» (SHAB, Bd. 63, 1945, 371–372).

Diese wesentliche sowie ehrgeizige Statutenänderung steht in einem klaren Zusammenhang mit Roger Corthésy und vor allem Antoine Pfister, zwei neuen Persönlichkeiten, die an die Spitze des Unternehmens berufen worden waren. Beide wurden an der Seite von Henri Dusserre, Direktor und Präsident des Verwaltungsrats zu Geschäftsführern ernannt. Die Position des Präsidenten wurde gleichzeitig geschwächt: seine «Einzelunterschrift als Direktor» wurde gelöscht, und das Unternehmen wurde nun durch die Kollektivunterschrift von zweien der Geschäftsführer Dusserre, Pfister oder Corthésy vertreten (SHAB, Bd. 63, 1945, 372).

Im Juni 1945 nahm die Generalversammlung der Aktionäre den Rücktritt von Dusserre als Mitglied und Präsident des Verwaltungsrats zur Kenntnis. Mit seinen Funktionen wurde Pfister beauftragt (SHAB Bd. 63, 1945, 1923). Bereits 1946 erschien Antoine Pfister unter seiner Privatadresse in Renens mit dem Titel «Direktor der Poterie moderne», während Dusserre mit dem gleichen Titel aufgeführt war, aber nur unter der Geschäftsadresse der Töpferei. Wurde Pfister dazu aufgerufen, Dussere zu entlasten, da er dazumal schon gesundheitlich angeschlagen war, oder spiegelte die Aufteilung der Verantwortung, in Form einer zweiköpfigen Geschäftsleitung, lediglich die neuen Machtverhältnisse im Unternehmen? Nach dem Tod von Dusserre im Jahr 1950 (La Nouvelle Revue de Lausanne, 21. Dezember, S.   8) übernahm Pfister die Leitung des Unternehmens, offenbar bis zu seinem Tod im Jahr 1982.

Antoine Pfister, ursprünglich aus Tuggen im Kanton Schwyz, war bereits seit mehreren Jahren im Grosshandel mit Keramikprodukten tätig: 1940 gründete er die Firma «A. Pfister Keramik» (SHAB, Bd. 58, 1940, 619) in Zürich. 1945 verlegte er den Firmensitz an seine Privatadresse in Renens (SHAB, Bd. 63, 1945, 1939). Im Juli des folgenden Jahres wurde eine neue Aktiengesellschaft unter dem Namen «A. Pfister S. A.» an der avenue Fraisse 6 in Lausanne eingetragen, um den Grosshandel mit Keramik-, Glas- und Goldschmiedeprodukten zu betreiben. Der deklarierte Unternehmenszweck umfasste «den Import, Export und die Vertretung dieser Produkte sowie den Betrieb von Lagerhallen ausländischer Fabriken». Die Geschäftsführer der Firma waren Antoine Pfister und Alfred Froidevaux, wahrscheinlich sein Schwager (SHAB Bd. 64, 1946, 2094). Fünf Jahre später wurde der Sitz dieses Handelsunternehmens nach Chavannes-près-Renens verlegt, an die gleiche Adresse der Poterie moderne, Avenue de la Gare 33 (SHAB, Bd. 69, 1951, 1794). Pfister und Froidevaux traten 1981 aus dem Verwaltungsrat zurück (SHAB Bd. 100, 1982, 98). Das Unternehmen wird unter dem gleichen Namen weitergeführt; sein Sitz wurde 1985 nach Stäfa im Kanton Zürich verlegt.

Der Werdegang von Roger Corthésy (verstorben1990 in seinem 78. Lebensjahr) ist schwieriger zu fassen, wir haben versucht, ihn so gut wie möglich zu rekonstruieren, wobei wir uns fast ausschliesslich auf die Informationen aus den verschiedensten Waadtländer Verzeichnissen stützen können, zu denen wir Zugang hatten. Roger Corthésy erwarb 1932 das Töpferdiplom an der Schweizerischen Keramikfachschule (Feuille d’avis de Lausanne vom 30. März 1932, S. 2). In den Jahren 1933/34 wird er im Indicateur pratique du Canton de Vaud (Branchenverzeichnis) mit dem Beruf des Keramikers erwähnt. Er wohnte zu dieser Zeit im Lausanner Stadtteil Bellevaux. Im Annuaire et indicateur vaudois réunis wird ein Roger Corthésy zwischen 1938/39 und 1946 in Lausanne als Polizist erwähnt; bis 1942 lebte er am Chemin de la Motte, später in der Avenue Riant-Mont 20. Von 1947 bis 1960, und immer unter der gleichen Adresse, wird ein Roger Corthésy als «Direktor der Keramikfachschule von Chavannes» verzeichnet, zwischen 1961 und 1982 als «Geschäftsführer der Poterie moderne». Dieselbe Adresse, dieselbe Telefonnummer: Es scheint, dass wir es mit demselben Mann zu tun haben.

Wir vermuten, dass Roger Corthésy keine zufriedenstellende Arbeit in seinem Beruf fand und sich daher für einige Jahre für eine stabilere Karriere bei der Polizei entschied. Seine erste Ausbildung würde die Tatsache erklären, dass er bereits 1947 am Betrieb der Keramikfachschule beteiligt war. Ein äusserst merkwürdiger Umstand: In den Verzeichnissen erscheint er mit dem Titel als «Direktor» nur unter seiner Privatadresse und nirgends unter den Einträgen, die die Schule betreffen. Ebenso wenig wird sein Name im Zusammenhang mit der Schule in Chavannes in der Presse erwähnt.

Hinsichtlich seiner Verbindungen zur Poterie moderne wissen wir, dass er 1944 die Funktion als Geschäftsführer übernahm. Es ist wahrscheinlich, dass Corthésy im Verlauf der Zeit – vielleicht nach dem Tod von Dusserre – mehr Verantwortung übernommen hat, insbesondere im administrativen Bereich. Nichtsdestotrotz gibt er sich in den Verzeichnissen den Titel «Verwaltungsdirektor der Poterie moderne» von 1961 bis 1982; und wieder einmal erscheint dieser Titel nur unter seiner Privatadresse, während sein Name unter den Firmeneinträgen nicht erscheint. Die von den Verzeichnissen gelieferten Informationen sind wahrscheinlich nicht ganz zuverlässig, insbesondere wenn es sich um einzelne Einträge handelt. So wurde Corthésy in der Presse bereits 1954 als «Direktor der Poterie moderne» bezeichnet (Feuille d’avis de Vevey vom 4. Oktober 1954, S. 6). Es kommt noch besser: Bei zwei Stücken, die die Töpferei 1949 dem Musée d’art industriel et d’art décoratif de Lausanne geschenkt hat, ist in den alten Inventaren des Museums eindeutig «eine Schenkung von M. Corthésy, Direktor der Poterie moderne» angegeben, zu einer Zeit, in der Corthésy auch als «Direktor der Keramikschule» bezeichnet wurde!

Es liegt auf der Hand, dass diese Unklarheiten nur durch weitere Nachforschungen, insbesondere in den Beständen des Kantonsarchivs, beseitigt werden können. Vorläufig wissen wir, dass Corthésy 1972 aus dem Verwaltungsrat der Töpferei zurückgetreten ist, als das Unternehmen die Produktion eingestellt zu haben scheint (SHAB, Bd. 90, 1972, 383).

Der Firmenname «Poterie moderne» wurde bis 1997 beibehalten, dann wurde das Unternehmen in «S I. Gare 33» umbenannt, während der erklärte Firmenzweck nun «Immobiliengeschäfte» sind (SHAB, Bd. 115, 1997, 6492). Die lange Lebensdauer des Firmennamens ist irreführend, zumindest in seiner ursprünglichen Bedeutung betrachtet, da die Herstellung von Keramik, lange vor 1997 eingestellt wurde. Die Änderung der Statuten im Jahr 1944 bedeutete, dass sich Pfister seit seiner Ankunft das Recht vorbehielt, die Aktivitäten des Unternehmens zu diversifizieren. Hat diese Diversifizierung tatsächlich stattgefundenn, in welche Richtung und zu welchem Zeitpunkt? Was war die genaue Verbindung zwischen der Keramikfabrik und Pfisters zweiter Firma, «A. Pfister S. A.»? Diese Fragen bleiben bis auf weiteres unbeantwortet.

Dank Inseraten in der Presse wissen wir, dass die Töpferei 1961 immer noch Glasiererund 1962 Dreher suchte. In den Verzeichnissen findet man die Poterie moderne unter der Rubrik «Keramifabrike» bis 1973, danach, von 1974 bis 1980, erscheint sie nur noch in der alphabetischen Einwohnerliste und ab 1981 verschwindet sie ganz aus den Verzeichnissen. Daraus lässt sich ableiten, dass die Fabrik 1971/72 ihren Betrieb einstellte, ohne dass über das Ereignis in der Presse ausdrücklich berichtet wurde.

Die Aktiengesellschaft Poterie moderne S. A. blieb trotz der Aufgabe ihrer ursprünglichen Tätigkeit weiterhin bestehen. Wie aus den im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichten Mitteilungen hervorgeht, wurden die Aktionäre bis 1992 zu Versammlungen einberufen. Im Jahr 1977 wurde das Aktienkapital durch die Vernichtung der alten Aktien mit einem Nennwert von 5 Franken herabgesetzt. Im folgenden Jahr annulierte man 400 Genussscheine ohne Nennwert. 1978 wurden die Statuten anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung geändert, ohne den Inhalt dieser Änderungen zu präzisieren. Für die Geschäftsjahre 1978 bis 1989 gewährte man den Aktionären sogar Dividenden.

Antoine Pfister starb im November 1982 (24 Heures vom 10. November 1982); Alfred Froidevaux trat seine Nachfolge als Verwaltungsratspräsident an, während die Tochter des Verstorbenen, Katrin Pfister, zur Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift ernannt wurde (SHAB, Bd. 101, 1983, 3790). Seit 1981 nicht mehr präsent, taucht der Name der Firma «Poterie moderne de Chavannes-près-Renens S. A.» ein letztes Mal im Telefonbuch 1996/97 unter der Privatadresse von Katrin Pfister in Corcelles-le-Jorat auf, wobei Letztere als «alleinige Geschäftsführerin» bezeichnet wird.

Ein besonderer Fall: die Kunsttöpferei von Jules Merminod, 1907-1912

Im Musée de la vigne, du vin et de l’étiquette, im Château d’Aigle, fanden wir eine engobierte Irdenwarekanne mit geformtem, modelliertem und appliziertem Reliefdekor, der Weinranken und ein freimaurerisches Motiv trägt (MVVE 5095). Die Gestaltung des Dekors ist offensichtlich von den berühmten vaterländischen Kannen aus den Töpfereien Knecht inspiriert (siehe z.B. MVVE 2411 und MVVE 2355). Die Form ist eine perfekte Eigenkreation, ihre Verarbeitung von guter Qualität und durchaus vergleichbar mit den Kannen der Knecht-Töpfereien.

Aussergewöhnlich für diese Art Produkt ist jedoch eine eingeritzte Signatur auf der Unterseite des Objekts: «J. Merminod – Kunsttöpferei – Chavannes-Renens – Waadt». Unter der Annahme, dass es in Chavannes eine bisher unbekannte Töpferei gab, gingen wir zurück zu den Verzeichnissen; und im Indicateur vaudois der Jahre 1907 bis 1912 finden wir unter der Bezeichnung «Kunsttöpferei» tatsächlich einen Jules Merminod (sein Vorname wird manchmal mit «J.-L.» abgekürzt) in Chavannes, aufgeführt unmittelbar nach der Poterie moderne S. A., der die Kennzeichnung «Fabrique de poterie» vorangestellt ist. Wichtiges Detail: Merminods Name wird die Erwähnung «Poterie moderne» hinzugefügt.

Daraus leiten wir ab, dass Merminod keine unabhängige Werkstatt hatte, sondern seine Tätigkeit mit einem Sonderstatus innerhalb der Poterie moderne ausübte, der ihn beispielsweise dazu berechtigte, seine persönliche Produktion zu signieren. Es ist möglich, dass ihm dieser Status unter der Bedingung gewährt wurde, dem Unternehmen seine Fachkenntnisse zur Verfügung zu stellen. Zu beachten ist auch, dass Merminod als Unternehmer nicht im Schweizerischen Handelsamtsblatt erscheint. Nach 1912 findet sich kein Töpfer Merminod mehr in den Verzeichnissen.

Die Kanne aus dem Château d’Aigle ist bisher ein Einzelfall. Daraus könnte man ableiten, dass Merminods persönliche Produktion nur wenigen bekannt war und er wahrscheinlich auch am Betrieb der Poterie moderne mitgewirkt hat. Es sei auch darauf hingewiesen, dass seine Stellung als Kunsttöpfer dennoch mindestens fünf oder sechs Jahre lang aufrechterhalten wurde. Es ist auch möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass er nicht alle seine Werke signiert hat.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen

Die Waadtländer und Genfer Presse sowie die Verzeichnisse des Kantons Waadt (konsultiert auf der Website Scriptorium der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne und auf der Website letempsarchives.ch)

Das Schweizerische Handelsamtsblatt, ab 1883 (verfügbar auf e-periodica.ch)

Bibliographie :

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Huguenin 2010
Claire Huguenin (éd.), Patrimoines en stock. Les collections de Chillon. Une exposition du Musée cantonal d’archéologie et d’histoire de Lausanne en collaboration avec la Fondation du château de Chillon, Espace Arlaud, Lausanne et Château de Chillon. Lausanne 2010.

Chavannes-près-Renens VD, Schweizerische Keramikfachschule

Die Sammlung der Keramikfachschule in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte die industrielle Entwicklung der Schweiz zu einem immer dringenderen Bedürfnis nach einer besseren Ausbildung der jungen Arbeitnehmer, zu einer Zeit, als die bildungspolitischen Vorrechte des Bundes sehr eingeschränkt waren. Die ersten Berufsschulen wurden oft von einem Unternehmen, einer Unternehmensgruppe oder einer Gemeinde mit starker finanzieller Unterstützung der Öffentlichkeit gegründet. Der Einbezug des Bundes konkretisierte sich 1884 mit der Verabschiedung eines Bundesbeschlusses, der Subventionen für männliche Berufsklassen einführte (Lüthi 2017, 120–121).

In diesem Kontext entstand die Schweizerische Keramikfachschule, die 1911 in Chavannes-près-Renens auf Initiative von Lucien Ménétrey (1853-1930), dem Bürgermeister der Gemeinde, gegründet wurde. Diese herausragende Persönlichkeit, ein Freimaurer, Mitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei (er bezeichnete sich selbst als «progressiven Freisinnigen») und in den verschiedensten Bereichen engagierter Unternehmer, hatte in seiner Gemeinde bereits 1902 unter dem Namen «Poterie moderne S. A.» eine Keramikfirma gegründet (siehe Kapitel «Chavannes-près-Renens VD, Poterie moderne (S.A.), 1902-1972/73»).

Das neue Projekt des lebhaften Geschäftsmanns basierte auf seinen Erfahrungen als Unternehmer und insbesondere auf der immer wiederkehrenden Schwierigkeit, qualifizierte Arbeitskräfte im eigenen Land zu finden. Die meiste Zeit sah er sich gezwungen, wie seine Kollegen in der Region, Töpfer aus Frankreich, vor allem aus der Region Ferney-Voltaire oder aus Savoyen, manchmal auch aus Deutschland oder Italien, einzustellen. «Es ist leider erwiesen, dass wir zu abhängig sind von den Ländern um uns herum», sagte er später (La Revue vom 13. April 1908, 2). Es scheint, dass Ménétrey die Idee einer Keramikschule bereits seit 1903 mit sich herumtrug und er die Realisierung des Projekts anging, indem er mehrere Einrichtungen dieser Art in Europa besuchte (Gazette de Lausanne vom 3. September 1912, 3).

Im Jahr 1908 nahm das Projekt klarere Formen an und Ménétrey begann mit der Umsetzung einer Strategie, die darauf abzielte, sich die finanzielle Unterstützung der Behörden zu sichern, insbesondere als an der jährlichen Aktionärsversammlung seiner Keramikfirma der Wunsch geäussert wurde, dass «die Initiatoren des Projekts für eine Keramikschule von den kantonalen und eidgenössischen Behörden unterstützt werden». In ihrem Bericht über diese Versammlung bezog sich La Tribune de Lausanne auch auf das Programm, das Ménétrey zu diesem Projekt entwickelt hatte: «Es wurde ein Unterrichtsprojekt ausgearbeitet, der Standort der künftigen Schule ausgewählt, sogar Pläne existieren, und ein Bau- und Betriebsbudget wurde gewissenhaft erstellt». Die Gemeinde wäre Eigentümerin des Gebäudes und würde dafür bürgen. «Dieses Konsortium würde zunächst ein Kapital von 20 000 Franken für den Bau bereitstellen. Ein Hypothekendarlehen von 30 000 Franken würde aufgenommen, dessen Zinsen durch eine Subvention garantiert würden, die das Unternehmen vom Bund zu erhalten hofft. Der Restbetrag (20 000 Franken) würde als Subvention beim Staat beantragt». Die Schule würde von einem dreiköpfigen Ausschuss verwaltet, dem ein Delegierter des Departements für öffentliche Bildung, ein Delegierter der Stadtverwaltung von Chavannes und ein Delegierter des Schulrats dieser Stadtverwaltung angehören würden. Der Schulleiter und die Lehrer würden vom Staatsrat auf Anraten des Ausschusses oder Vorstands ernannt. Von Lehrlingen würde der Status eines Schweizer Bürgers verlangt». Das jährliche Betriebsbudget wurde auf 6 000 Franken geschätzt (Ausgabe vom 31. Mai 1908, 2).

In ihrer Ausgabe vom 4. August 1908 gab die Gazette de Lausanne (S. 3) einige zusätzliche Erklärungen zu der von Ménétrey ausgearbeiteten finanziellen Regelung bekannt. Sie sah die Errichtung eines Gebäudes auf dem Gebiet der Gemeinde Chavannes vor, die das Land, den für die Schularbeiten benötigten Lehm sowie eine «kleine Subvention» kostenlos zur Verfügung stellen sollte. Der Staat würde sich mit etwa einem Drittel an den Baukosten beteiligen. Das Departement für öffentliche Bildung hatte Berichten zufolge die Bereitschaft gezeigt, die Verwaltung der Schule zu subventionieren. Der Bund wäre seinerseits bereit, einen Zuschuss zu zahlen. Darüber hinaus sollten die Schulgebühren und der Erlös aus dem Verkauf einiger der produzierten Arbeiten das «bescheidene Budget der Schule» ausgleichen. Das Programm sah, zumindest in seiner vorliegenden Form, die von den Töpfern benötigte Grundausbildung vor, aber auch eine weitergehende künstlerische Ausbildung, zum Beispiel durch Kurse im dekorativen Zeichnen. Es waren sogar kostenlose Kurse für Keramikmaler für Porzellan, Irdenware oder Fayence vorgesehen. «Da Renens am Stadtrand von Lausanne liegt, werden die Kurse sicherlich von vielen Studenten besucht werden.» Die Zukunft würde zeigen, dass die Vorstellungen, die der Gründer hatte, viel zu optimistisch waren … zumal die Gemeinde Chavannes das Gebäude erst 1970 kaufte, als die Keramikschule schon längst unter einem anderen Dach lag.

Hinsichtlich des pädagogischen Inhalts der Ausbildung hatte Ménétrey die ehrgeizige Vision, die Keramiker so vollständig und selbstständig wie möglich auszubilden: «Ein guter Arbeiter muss wissen, wie man dreht, abdreht, sogar brennt, ein wenig modelliert, und auch wenn er wenig Geschmack hat, muss er wissen, wie man seine Produkte dekoriert […] Mit der Entwicklung der Industrie ist es für den Lehrling fast unmöglich, alle Seiten seines Handwerks gut zu kennen. Meistens bleibt der junge Mann unter den Fittichen eines Arbeiters, spezialisiert sich und lernt dieses Fachgebiet mehr schlecht als recht. Diesem Übel muss die Schule abhelfen» (La Revue vom 20. Juli 1908, 1).

Die neue Einrichtung sollte die Rechtsform einer Aktiengesellschaft annehmen, deren konstituierende Versammlung für den 10. Juli 1911 einberufen wurde (Nouvelliste vaudois vom 30. Juni 1911, 4). Die Gründung des Unternehmens wurde am 9. August 1911 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) registriert. Darin heisst es insbesondere: «Unter dem Namen Société de l’École suisse de céramique de Chavannes-Renens wurde eine Aktiengesellschaft gegründet mit dem Ziel, eine Schweizer Keramikfachschule zu eröffnen, das Schulgebäude nach den vom Staat genehmigten Plänen zu bauen, das zu diesem Zweck unentgeltlich angebotene Grundstück sowie ausserordentliche und jährliche kantonale und eidgenössische Subventionen anzunehmen, diese Schule zu organisieren, zu verwalten und zu leiten. […] Die Statuten tragen das Datum des 10. Juli 1911. […] die Mitglieder des Verwaltungsrats sind: Lucien Ménétrey, Louis Laffely und Louis Michaud» (SHAB, Bd. 29, 1911, 1370). Laffely (1855–1925) war Unternehmer, Bürgermeister von Morges und Mitglied des Grossen Rats; Louis Michaud (1874–1954) war der Sohn des Direktors der Manufacture de poteries fines de Nyon. 1917 trat er die Nachfolge seines Vaters an und leitete das Unternehmen bis 1936.

m September 1911 vergab der Verwaltungsrat den Auftrag für die Aushub- und Maurerarbeiten. «An Weihnachten sollte das Gebäude überdacht sein, der Innenausbau sowie die Einrichtung und Ausstattung werden während des Winters ausgeführt. Spätestens Ende März 1912 wird alles fertig sein […] und die Eröffnung der Schweizerischen Keramikfachschule kann in den ersten Apriltagen stattfinden» (Avis de Lausanne vom 7. September 1911, 16).

Die Einweihung wurde jedoch erst am 1. September 1912 mit grossem Pomp gefeiert. Aus diesem Anlass rollte La Revue in ihrer Ausgabe vom 2. September (S.2) das «Abenteuer» zeitlich nochmals auf: Genehmigung der Baupläne des Lausanner Architekten Eugène d’Okolski am 3. März 1909, mit «der uneigennützigen Hilfe von Herrn Ménétrey, Bürgermeister von Chavannes»; der Beschluss des Staatsrats vom 20. Mai 1911, eine Bausubvention von 20 000 Franken zu gewähren; die Genehmigung der Statuten der Société de l’École suisse de céramique durch den Staatsrat am 30. Januar 1912 und schliesslich die Ernennung von Maurice Savreux, «bisher Professor an der Keramikschule von Vierzon», zum Direktor der Einrichtung im Mai 1912.

In seiner Rede anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten betonte Louis Gauthier, Leiter des Berufsbildungsamts, dass «die Unterstützung der Direktoren der Manufacture nationale de Sèvres bei der Wahl des Direktors besonders wertvoll war» (Gazette de Lausanne vom 3. September 1912, 3). Offenbar hatte Ménétrey den Rat der angesehenen Manufaktur eingeholt, die sehr wahrscheinlich Maurice Savreux vorschlug. Die ersten Kontakte mit dem künftigen Direktor fanden offenbar bereits 1911 statt (siehe unten). Es scheint uns offensichtlich, dass das Kursprogramm – wie es 1914 im Detail veröffentlicht wurde – seine Handschrift trägt, die eines Mannes, der sowohl technisch als auch künstlerisch solide ausgebildet war.

Nach einer ersten Einführung in die Malerei an der Kunstschule in Lille, zwischen 1899 und 1901, besuchte Maurice Savreux (1884–1971) von 1901 bis 1905 die Keramikschule von Sèvres (l’École de céramique de Sèvres), wo er ein Diplom als Keramikingenieur erwarb. Er kehrte zur Malerei zurück, indem er in den Jahren 1907–1910 an der École nationale des beaux-arts de Paris entsprechende Kurse belegte, bevor er an der École nationale professionnelle de Vierzon und der École des beaux-arts de Bourges unterrichtete. Laut Émile Langlade «befand sich Maurice Savreux 1911 noch in Vierzon, als er eine Anfrage aus der Schweiz erhielt. Da die Schweiz damals bestrebt war, in Lausanne eine nationale Keramikschule zu gründen, wurde er, ein ehemaliger Schüler unserer Schule von Sèvres, in Betracht gezogen» (Langlade 1938, 148). Als Unteroffizier der Infanterie mobilisiert, wurde er 1916 bei der Schlacht an der Somme verwundet. Nach einem Jahr Krankenhausaufenthalt wurde er demobilisiert und mit drei Auszeichnungen und dem Kreuz der Ehrenlegion geehrt. Savreux war zwischen 1917 und 1926 Chefkurator des französichen Nationalmuseums für Keramik (Musée de Sèvres), während dieser Zeit widmete er sich intensiv der Malerei. Nach der Teilnahme am «Sitzkrieg» wurde er 1946/47 sogar für kurze Zeit mit der Leitung der Manufacture de Sèvres beauftragt; Savreux lieferte zwischen 1907 und 1947 auch mehrere Malereien an die Manufaktur. Sein malerisches Werk besteht hauptsächlich aus Landschaften und Stillleben (Langlade 1938, 143-164; Le Delarge, Dictionnaire des arts plastiques modernes et contemporains, www.ledelarge.fr; Liste du personnel de Sèvres, unter http://www.thefrenchporcelainsociety.com).

In seiner eigenen Antrittsrede versäumte Ménétrey es nicht, «zu bedauern, dass der Staat und der Bund sich im Bereich der Berufsbildung nicht offener erwiesen». Er erinnerte daran, dass «diese Schule das Ziel habe, unserer Jugend das Arbeiten beizubringen», und drückte die Hoffnung aus, dass «bald ein neuer Stil der Schweizer Keramik geschaffen werde» (La Revue vom 2. September, 2). Die Gazette de Lausanne vom 3. September (S. 3) kommt in ihrem Bericht über die Veranstaltung wiederum auf die ehrgeizige Vision Ménétreys zurück: «Wir wollen Theorie und Praxis verbinden. Unsere Schule wird das Mutterhaus sein, in das Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen werden, um neue Verfahren und aktuelle Erfindungen kennen zu lernen, in dem jeder mit jedem in Kontakt kommt, während gegenwärtig anscheinend jeder eifersüchtig die Produktionsgeheimnisse hütet, in den meisten Fällen offene Geheimnisse […] Wir sind bestrebt, einen eigenen Schweizer Stil zu schaffen, ohne uns von Hodler oder den Banknotenvignetten der Nationalbank inspirieren zu lassen, und das wird nicht schwierig sein … Unsere Schule wird zehn Schüler pro Jahr aufnehmen können, also vierzig für die vier Jahre des Kurses.»

Im Nouvelliste vaudois vom 2. September (S. 2-3) findet sich eine genaue Beschreibung der Institution: «Im Kellergeschoss sind die Maschinen installiert: Mühlen, von einem Elektromotor angetriebene Strangpressen, dann die von Ingenieur M. Bigot gebauten Öfen, ausgestattet mit einem neuen System [sehr wahrscheinlich Alexandre Bigot (1862–1927), der berühmte französische Keramiker, der auch Doktor der Physik war]. Im Erdgeschoss befinden sich die Räume zum Modellieren, Formen und Drehen, das Chemielabor und eine Garderobe; im ersten Stock das Büro des Direktors, die Bibliothek und der Ausstellungsraum, der Zeichensaal, ein Saal für die Malerinnen und Maler und für die Ausführung der Abschlussarbeiten sowie zwei Theorieräume; im Obergeschoss die Wohnung des Direktors.»

Quelle: Savreux 1914

Die einzige uns bekannte Publikation, die der Schweizerischen Keramikfachschule gewidmet ist, ist eine von Savreux verfasste Broschüre, die 1914 in Genf erschienen ist. Der Autor gibt im ersten Teil einen Überblick über die Keramik in der Schweiz, von der Urgeschichte bis in die Gegenwart. Der zweite Teil der Publikation enthält die Schulordnung, eine Beschreibung der zur Verfügung stehenden Maschinen, das Kursprogramm und eine Reihe von Fotos, die die technischen Anlagen und die verschiedenen Klassenräume zeigen (Savreux 1914 – zum Gebäude, siehe auch Lüthi 2017, 134 und Abb. 11).

Quelle: Savreux 1914

Das Reglement hält fest, dass das Ziel der Schule die «Ausbildung von Keramikarbeitern und -vorarbeitern» ist. Es legt die Dauer der Lehre auf vier Jahre und das Eintrittsalter auf 15 Jahre fest, jedoch können «Jugendliche, die nach dem dritten Jahr ausreichende Kenntnisse nachweisen, zu diesem Zeitpunkt mit einem Lehrlingszeugnis entlassen werden». Das vollständige Studium ermöglicht den Erwerb eines Diploms als «Keramiker». Ausländische Studierende, deren Eltern nicht in der Schweiz wohnen, werden gegen eine Schulgebühr von 100 Franken pro Jahr aufgenommen, Schweizer Studierende bezahlen 50 Franken pro Schuljahr.

Das Programm der Kurse gibt sich sehr ehrgeizig: Die Werkstattarbeit umfasst die Ausführung von Gipsmodellen, die Herstellung von Gipsformen, das Drehen, Formen, Giessen und Überdrehen (Steinzeug, Steingut, Porzellan). Neben dem allgemeinen Unterricht (Französisch, Arithmetik, Elementargeometrie, Buchhaltung, Geschichte und Staatsbürgerkunde) werden die Lernenden in die Grundlagen der Geologie, Mineralogie, Physik (Wärme, Ausdehnung, Kalorimetrie, Hygrometrie, Statik der Flüssigkeiten und der Gase, Optik, Elektrizität), Chemie und Keramiktechnologie (Eigenschaften von Tonen, Färbemethoden, Glasurenforschung, Brenntechnik) eingeführt. Auch Kurse in Kunst- und Keramikgeschichte, technischem Zeichnen sowie ornamentalem Zeichnen waren vorgesehen.

Die technische Ausstattung umfasste mehrere Töpfer- und Muffelöfen, fussbetriebene und mechanische Töpferscheiben, Maschinen zum Überdrehen, eine hydraulische Presse zur Herstellung von Ofenkacheln, mit Druckluft betriebene Spritzpistolen, die für die Herstellung des Rohmaterials notwendigen Maschinen (mechanische Schlemmmaschine, Filterpresse, Alsing-Kugelmühle, horizontale Strangpresse, Mühlen zum Mahlen von Glasurfarben) und ein chemisches Labor.

Hinsichtlich des Lehrkörpers hatte der Verwaltungsrat dem Staatsrat vorgeschlagen, den Franzosen Auguste Lasseur zum Präparator, Modellbauer und Maschinenaufseher; Louis Pelet (1869–1941), Professor an der Universität Lausanne, zum Professor für theoretische und praktische Chemie; Auguste Veuillet (vermutlich ein Töpfer aus Savoyen) zum Töpfermeister und François Zooler zum Meister der «Bacolage» (?) sowie Engobier- und Brennmeister zu ernennen. Die ersten Kurse begannen im September 1912.

Am 29. Januar 1913 hielten Ménétrey und Savreux unter der Schirmherrschaft der Société industrielle et commerciale de Lausanne einen Vortrag über die Schule. Dem Bericht zufolge waren die Anfänge der Schule mit damals acht Schülern ermutigend. «Ihre Bemühungen zielten auch darauf ab, unvoreingenommen einen unserem Land eigenen Stil zu schaffen, der die gleiche Gunst geniessen sollte wie die Produkte einer sehr reinen und originellen Kunst gewisser Schweizer Fabriken» (Feuilles d’avis de Lausanne vom 1. Februar 1913, S. 12). In seinem Beitrag zeigte der Direktor einen gut gemeinten Bezug zur Realität: «[…] den Schülern wird versichert, dass sie im Land eine Erwerbstätigkeit finden. Die Schule ist nicht darauf bedacht, Künstler aus ihnen zu machen, sondern vielmehr Handwerker, deren Können sich durch die Beobachtung der Natur und das Studium von Exemplaren der Keramikkunst aus den besten Epochen entwickelt hat» (La Revue vom 30. Januar 1913, 3).

Damit hatte Lucien Ménétrey seinen Traum verwirklicht: die Schaffung einer perfekt ausgestatteten modernen Keramikfachschule, die von einem hervorragenden Fachmann geleitet wird und zum Ziel hat, qualifizierte Keramiker auszubilden, die alle Aspekte ihres Handwerks und alle Kategorien der Keramiktechnik beherrschen. Als erste Institution dieser Art im Land hat die Schweizerische Keramikfachschule ihren Namen sicherlich verdient, auch wenn sie weit davon entfernt war, von der politischen, finanziellen und administrativen Unterstützung einer wirklich nationalen Institution zu profitieren. Es blieb dem visionären Projekt von Ménétrey nur, sich der Herausforderung seiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit zu stellen, eine Aufgabe, die sein Fortbestehen mehr als einmal aufs Spiel setzen würde.

1913: Erster Keramikbrand und erste Produkte der Schule

Anlässlich ihrer Versammlung vom 16. Juni 1913 erfuhren die Aktionäre der Schule vom reibungslosen Betrieb der Ausbildungsstätte, die 15 Schüler zählte, von denen sie «einige Arbeiten und bemerkenswerte gebrannte Stücke» (Nouvelliste vaudois vom 19. Juni 1913, 3) bewundern konnten. Die bei dieser Gelegenheit präsentierten Stücke waren wahrscheinlich das Ergebnis eines Versuchsbrandes; der offizielle Eröffnungsbrand wurde zwei Monate später gefeiert, wie weiter unten zu lesen ist.

Die Sammlung des Centre d’enseignement professionnel de Vevey (CEPV) beinhaltet tatsächlich eine Fayencevase mit Blei-Zinn-Glasur, die mit einem in Blau, Ocker und Flieder gemalten Blumenfries (Inglasurmalerei) dekoriert ist. Sie trägt die Aufschrift «Schweizer Keramikschule – erster Brand – 1913» (CEPV G 15). Dieses Modell entspricht wahrscheinlich den beiden Blumenvasen, die dem Grossen Rat des Kantons Waadt im August 1913 geschenkt wurden, «die ersten Produkte dieser Schule, die in den Rauchsalon gestellt wurden» (Nouvelliste vaudois vom 27. August 1913, 2). Zu eben diesen Vasen heisst es in der Revue vom gleichen Mittwoch, 27. August, dass sie «am Montag aus dem Töpferofen genommen wurden» (S. 3). Damit würde das Datum des ersten offiziellen Keramikbrandes auf den 25. August 1913 festgelegt. Neben der gewöhnlichen engobierten Irdenware beherrschte die Schule daher von Anfang an auch die Fayencetechnik und die damit einhergehenden Blei-Zinn-Glasuren.

Noch erstaunlicher ist, dass es Maurice Savreux sogar gelang, hoch gebranntes Steinzeug herzustellen, die ersten Keramiken dieser Art in unserem Land (mit Ausnahme der Stücke, die der französische Keramiker Paul Beyer 1906/07 in der Töpferei von Pasquier-Castella in Renens gebrannt haben soll – siehe Kapitel «Renens et Chavannes-près-Renens – Les poteries»). Das CEPV bewahrt noch einige Exemplare – entsprechend datiert – dieses historischen Steinzeugs (CEPV 5.B.2; CEPV Nr. 6; CEPV Nr. 5; CEPV Nr. 4; CEPV Nr. 7).

In verschiedenen Inseraten, die den Beginn des Schuljahres ankündigten, erwähnte die Schule unter den unterrichteten Techniken auch Porzellan: Uns sind keine Beispiele bekannt. Es scheint jedoch, dass die Schule 1914 Schülerarbeiten aus diesem Fach an die Landesausstellung in Bern geschickt hat (La Revue vom 9. Mai 1914, 1-2). Wurden diese Porzellane vollständig in Chavannes produziert oder nur der Dekor? Die Frage bleibt offen.

Die Gazette de Lausanne würdigt in ihrem Bericht über die Landesausstellung von 1914 «den neuen Aufstieg der Keramik, einer Kunstform, die nach einer glänzenden Vergangenheit in der Tradition stecken geblieben war». In dieser ‹Renaissance› spielte die junge Keramikschule von Chavannes-Renens eine wichtige Rolle». Der Chronist schätzte insbesondere die variationsreichen Stücke, die von der Institution präsentiert wurden, «von hervorragendem Steinzeug bis hin zu feinstem Porzellan». Besonders hob er die Stücke hervor, die nach dem von Herrn Bonifas aus Genf erfundenen Verfahren dekoriert wurden, «das darin besteht, Blattschnitte aus Gold und Silber auf Email aufzutragen, eine Kombination von sehr künstlerischer Wirkung» (Ausgabe vom 23. Juli 1914, 3). Paul Bonifas besuchte die Schule zwischen 1913 und 1914, und dort machte er sich mit der Steinzeugtechnik vertraut, die er bald darauf, zwischen 1915 und 1917, in seiner Werkstatt in Versoix anwenden sollte (Ariana 1997, 12).

Beispiele für frühe Steinzeugarbeiten von Bonifas siehe: mudac 1001; mudac 1000; MAHN AA 2238; MAHN AA 2241; MAHN AA 2242; MAHN AA 2243; MAHN AA 2244; MEAA 0319-2.

1914: Erste Krise und vorübergehende Schliessung der Schule

Im Frühling des Jahres 1914 reichte eine Gruppe von Mitgliedern des Grossen Rats unter der Leitung von Alfred Panchaud eine Motion ein, in der der Staat aufgefordert wurde, die Institution finanziell zu unterstützen. Tatsächlich wies die Bauabrechnung ein Defizit von 20 000 Franken aus, der Keramikschule drohte schlichtweg der Bankrott! In seiner Eigenschaft als Berichterstatter der mit der Prüfung des Dossiers beauftragten Kommission antwortete Charles Burnier: «Die Schweizerische Keramikfachschule wurde in Form einer Aktiengesellschaft gegründet. Dies war ein erster Fehler: Das Gesetz schreibt vor, dass solche Schulen von Gemeinden oder Gemeindeverbänden gegründet werden müssen. […] Ein zweiter Fehler war das viel zu tiefe Aktienkapital der Schule. Jedenfalls stand es in keinem Verhältnis zur Relevanz des errichteten Gebäudes, der installierten technischen Anlagen und des Unterrichts, der dort heute stattfindet. Niemals hätte man mit nur einem Kapital von 5000 Franken daran denken sollen, eine Schule zu gründen, die so vollständig ist, dass man sie im Gegensatz zu dem, was wir im Moment unterstützen müssen, fast als Modellschule bezeichnet werden könnte. Ein dritter Fehler war der Versuch, von Grund auf eine Berufsschule zu gründen, die nicht den unmittelbaren und dringenden Bedürfnissen entsprach. Dies ist ein überzeugendes Beispiel für die Gefahren, denen man sich aussetzt, wenn man einer Idee folgt – zwar einer erhabener und grosszügigen –, ohne sich allzu sehr nach den praktischen Bedingungen ihrer Verwirklichung zu erkundigen […]» (Nouvelliste vaudois vom 13. Mai 1914, 1). Im Klartext: Das Projekt von Ménétrey war viel zu ehrgeizig, und vor allem war seine Umsetzung mit einer einzigartigen Unbekümmerheit durchgeführt worden, insbesondere was den finanziellen Aspekt betraf. Es scheint uns jedoch, dass sich der Hauptinteressent von Anfang an der finanziellen Schwierigkeiten bewusst war, die die Entwicklung seiner Schule behindern würden. Wusste er schon, dass der Staat die Uhr nicht mehr zurückdrehen konnte?

Da die Kommission unter dem Vorsitz von Burnier schliesslich zum Schluss kam, dass die Schule angesichts der guten Resultate von Savreux «unsere nationale Industrie entwickeln und uns vielleicht in die Lage versetzen wird, gegen die ausländische Konkurrenz zu kämpfen», überwies sie die Motion Panchaud und Konsorten an den Staatsrat, mit der dringenden Empfehlung, die Massnahmen zu ergreifen, die sie für angemessen halten würde, um die Schule vor dem Bankrott zu retten und ihren Fortbestand zu sichern, wobei man sich bewusst sei, dass die Exekutive bereits jede Rettungsaktion aus dem Baukonto ausgeschlossen habe. In seiner Begründung wies der Berichterstatter darauf hin, dass «jeder weiss, dass die Schweizerische Keramikschule hauptsächlich auf die Initiative eines Bürgers zurückzuführen ist, der sich vielleicht geirrt hat, aber der sich aufgeopfert hat für dieses Werk, das er selber bezahlte und mit viel Einsatz zu Ende führte, [… und] dass man zugeben muss, dass sich andere mit ihm geirrt haben» (Nouvelliste vaudois vom 13. Mai 1914, 1 – Der Bericht gibt fast wörtlich den offiziellen Bericht der Kommission wieder, der im Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1914, 137-143, veröffentlicht wurde).

An der Sitzung des Grossen Rats vom 11. November 1914 befragte Herr Laffely, Bürgermeister von Morges und Mitglied des Schulausschusses, die Regierung zu den Massnahmen, die sie auf den von Panchaud und Konsorten im Mai eingereichten Antrag hin zu ergreifen gedenke. Staatsrat Chuard erinnerte daran, dass die fragliche Institution damals etwas unüberlegt gegründet worden sei, ohne dass man sich Gedanken über die Sicherung der notwendigen Mittel gemacht habe; dass Bund und Kanton je ein Drittel der jährlichen Ausgaben, die sich auf 25 000 Franken beliefen, übernommen hätten. «Die Schule kann nur dann auf eine geregelte finanzielle Situation hoffen, wenn sie gesetzeskonform zu einer Institution der Gemeinden wird. Die konsultierten Gemeinden können jedoch nur einen Zuschuss von maximal 2000 Franken gewähren. Unter diesen Bedingungen ist es unmöglich, zu einer Entscheidung zu kommen, zumal das Eidgenössische Industrie- und Handelsdepartement die Absicht geäussert hat, seine Subventionen zu reduzieren.» Nach einem relativ lebhaften Austausch zwischen den verschiedenen Rednern war der Staatsrat der Ansicht, dass die Schule dank der Hilfsgelder weiter betrieben werden könne und dass nur die Immobiliengesellschaft, der das Gebäude gehört, bedroht sei. Chuard versprach schliesslich, dass die Verhandlungen fortgesetzt würden (Tribune de Lausanne vom 12. November, 3).

In der Zwischenzeit befand sich Europa von neuem im Krieg. Da die wichtigsten Lehrer der Schule – an erster Stelle der Schulleiter – in Frankreich mobilisiert worden waren, musste die Schule im Herbst 1914 ihre Pforten schliessen. In der Folge umriss der Kanton die Zukunft der Schule mit dem Versprechen einer erhöhten Finanzhilfe, unter der Bedingung, dass sich die Gemeinden der Region in einer Ad-hoc-Gruppierung zusammenschliessen und eine kollektive Subvention von 2000 Franken pro Jahr bereitstellen würden (Feuille d’avis de Lausanne vom 8. Dezember 1914, 3).

In einem Artikel, der in ihrer Ausgabe vom 3. November 1914 (S. 4) veröffentlicht wurde, stellte die Gazette de Lausanne fest, dass der Krieg allen lokalen Töpfereien, deren Personal grösstenteils aus französischen oder deutschen Staatsbürgern bestand und die ebenfalls zum Dienst einberufen wurden, ernste betriebliche Probleme bereitete. «Wäre die Keramikschule zwei Jahre früher gegründet worden, wüssten diese Fabriken, wo sie ihr Personal rekrutieren könnten, nämlich in der Schweiz, was nicht schaden würde».

1916: Ein neuer Anfang

Bereits im April 1916 veröffentlichte das Departement für öffentliche Bildung Anzeigen, in denen die Wiedereröffnung einer «reorganisierten» Schule im Mai angekündigt wurde (La Revue vom 6. April 1916, 4). Zu diesem Zeitpunkt wurde das Gebäude nach einem Vorschlag des Departements für öffentliche Bildung von der Aktiengesellschaft an die Gemeinde Chavannes vermietet (Feuilles d’avis de Lausanne vom 28. März 1916, 15). Die Wiedereröffnung wurde schliesslich am 15. Juni gefeiert, insbesondere in Anwesenheit des Präsidenten des Schulrats, Henri Dusserre, Schwiegersohn von Lucien Ménétrey und Direktor der Poterie moderne (La Revue vom 16. Juni 1916, 3).

Der Konkurs der Aktiengesellschaft der Keramikschule wurde schliesslich am 15. Dezember 1916 im Schweizerischen Handelsamtsblatt bekanntgegeben (SHAB, Bd. 35, 1917, 102), gleichzeitig wurde der Firmenname aus dem Register gestrichen (SHAB, Bd. 35, 1917, 104). Die Feuille d’avis de Lausanne erinnert daran, dass der Konkurs nur die Immobiliengesellschaft der Schweizerischen Keramikschule, Eigentümerin des Gebäudes, betraf und dass er keine Auswirkungen auf die Schule selbst hatte, die von der Gemeinde Chavannes verwaltet wurde und der Kontrolle des Staates unterstand (Ausgabe vom 2. Mai 1918, 3). Die Immobilie war Gegenstand einer vom Konkursamt organisierten öffentlichen Versteigerung, dabei wurde sie von Lucien Ménétrey und Louis Laffely gekauft. Das Gebäude, geschätzt auf über 93 000 Franken, fiel ihnen für 60 000 Franken zu (La Revue vom 29. August 1917, 3). Die neuen Eigentümer vermieteten die Räumlichkeiten weiterhin an die Gemeinde Chavannes-près-Renens, die im Namen der benachbarten beitragenden Gemeinden für die Verwaltung der Keramikschule zuständig war.

Die vom Staat durchgeführte Reorganisation der Schule betraf auch den Inhalt des Unterrichts, der nun «im Wesentlichen praktisch ist und den Lehrlingen ein Wissen vermitteln soll, das ebenso solide ist wie das in einer gewöhnlichen Lehre erworbene, aber vollständiger, koordinierter, methodischer» (Tribune de Lausanne vom 6. Mai 1916, 4). Der Unterschied zu den damaligen Intentionen von Savreux ist nicht offensichtlich; doch ist davon auszugehen, dass der Anteil der «künstlerischen» und wissenschaftlichen Komponente des Programms erheblich reduziert wurde und anspruchsvollere Fertigkeiten wie Steinzeug oder Porzellan eine Zeit lang in Vergessenheit gerieten. Die Begründung zum Gesetzentwurf von 1919 über die Berufsbildung bezieht sich auf die Überlegungen der damaligen Behörden: «Bereits 1915 wurde die Schule unter der Leitung des Staates von einer Gruppe von Gemeinden neu gegründet. Die Gemeinde Chavannes ist für ihre Verwaltung zuständig. Zuvor hatte sich die Schule hauptsächlich auf die Ausbildung von Keramikkünstlern konzentriert. Sie hatte einen Fachdirektor und mehrere Lehrer. Gegenwärtig ist sie auf kostengünstigerer Basis und mit dem unmittelbaren Ziel der Ausbildung vor allem guter Töpfer neu organisiert worden. Die erste Gruppe von 10 Schülern verliess die Schule nach einer zweijährigen Lehrzeit im Jahr 1918 (in: Bulletin des séances du Grand Conseil. Ordentliche Herbstsession 1921,988). Die Dauer der Ausbildung war demnach – vorläufig – auf zwei Jahre verkürzt worden; 1923 wurde sie auf drei Jahre verlängert; ab diesem Zeitpunkt erhielten die Schülerinnen und Schüler nach dem neuen Berufsbildungsgesetz einen gesetzlichen Lehrvertrag.

Die Leitung der Schule – im Gegensatz zu der früher von Savreux ausgeübten Funktion künftig als «administrativ» bezeichnet – wurde Justin Magnenat, Lehrer, Sekretär und damaliger Präsident des Stadtrats von Renens, anvertraut. Wenige Tage vor der Wiedereröffnung hatte der Staatsrat Jean Johannel zum Fachlehrer und Nora Gross zur Zeichenlehrerin ernannt (Feuille d’avis de Lausanne vom 10. Juni 1916, 23). Johannel (gestorben 1935), der sich 1907 in Ferney-Voltaire niederliess, hatte sich als einer der originellsten Töpfer des Ortes profiliert, hingegen in geschäftlichen Angelegenheiten war er nicht sehr erfolgreich: er musste sich 1918, zwei Jahre nach seiner Berufung an die Schweizerische Keramikschule, wo er sein Amt bis 1921 innehatte, zum Verkauf seiner Töpferei entschliessen (Clément 2000, 93-94; «Jean Johannel», sur le site notrehistoire.ch).

Das CEPV bewahrt eine engobierte Vase aus Irdenware, deren Stil an die Arbeiten erinnert, die nach Zeichnungen von Nora Gross in der Töpferei von Bendicht Loder-Walder in Heimberg in den Jahren 1903-1905 ausgeführt wurden (CEPV G 22). In Ermangelung einer Marke ist es schwierig festzustellen, ob es sich um ein Werk eines von Gross beeinflussten Schülers handelt oder um ein von Nora Gross in der Schule deponiertes Exemplar. Wir wissen vorerst nicht, wie lange Gross an der Schweizerischen Keramikschule unterrichtete. Fest steht, dass sie auch in den kommenden Jahren mit der Schule verbunden blieb. 1922 stellte sie Keramiken im Rahmen der 1ère Exposition nationale d’art appliqué (1. Nationale Ausstellung für angewandte Kunst) aus, die von L’Œuvre in Lausanne organisiert wurde, ein wichtiges Ereignis, bei dem sie eine der treibenden Kräfte war. Daniela Ball glaubt, dass diese Keramiken in den Werkstätten der Schule hergestellt wurden, dank der Kontakte, die mit den Verantwortlichen der Institution geknüpft wurden (Ball 1988, 125). Das Musée Ariana bewahrt eine Bonbondose, die während der Ausstellung von 1922 erworben wurde (MAG C 0797 – Ball 1988, Kat. Nr. 28), sowie ein Gefäss mit Deckel, das im gleichen Zusammenhang bestellt, aber erst im folgenden Jahr geliefert wurde (MAG C 0800 – Ball 1988, Kat. Nr. 29). Diese beiden Beispiele tragen eine Blindmarke «Nora Gross» zusammen mit einer Modellnummer.

Das Historische Museum von Lausanne bewahrt in seiner Sammlung eine weitere Bonbonnière dieser Art, deren Blindmarke identisch ist mit der auf der Bonbonnière des Musée Ariana (MHL Nr. 12).

In den alten Sammlungen der Schweizer Keramikschule, die am CEPV aufbewahrt werden, befinden sich einige sorgfältig gefertigte, engobierte Stücke aus Irdenware mit stilisierten geometrischen oder pflanzlichen Verzierungen, die auf den Unterricht von Nora Gross zurückgehen könnten (CEPV G 3; CEPV G 2); zwei Objekte tragen sogar eine Signatur: «A. Graf» (CEPV 5.D.2) und «C. Yung» (CEPV G 4). Es sei darauf hingewiesen, dass die Verbindung zwischen diesen Objekten und der Tätigkeit von Nora Gross vorerst höchst hypothetisch bleibt, da es nicht möglich war, ihre genaue Datierung festzustellen.

In den 1920er-Jahren scheint der Lehrkörper etwas gewachsen zu sein: In den Jahresberichten werden – manchmal mit Unterbrechungen – vor allem Louis Martin, J. Lambercy, Louis Barbay, Gustave Mayor (Töpfer), Jean Tschanz, Henri Terribilini (1922/23 als Fachlehrer gemeldet) erwähnt.

Der Staatsrat ernannte 1922 Ernest Becker (1883–1978) als neuen Direktor der Schule (La Revue vom 23. Februar 1922, 2; Feuille d’avis de Lausanne vom 5. Mai 1949, 2). Geboren in Brüssel als Sohn von Eltern, die in Martherenges die Staatsbürgerschaft des Kantons Waadt erworben hatten, studierte Becker in Nancy und Paris die schönen Künste, bevor er sich in Lausanne niederliess, wo er Landschaftsmalerei praktizierte; 1911 wurde er als Zeichenlehrer an Primarschulen ernannt (Tribune de Lausanne vom 11. November 1911, 2).

Auf einer Vase von fragwürdiger ästhetischer Qualität, aus der Sammlung der Schule, brachte Becker ein Etikett an, auf dem er sich deutlich von der Arbeit seiner jüngsten Vorgänger distanzierte: «Keramik, wie sie 1921 praktiziert wurde, als ich die Leitung der Schule übernahm» (CEPV G 20).

Dieselbe Sammlung enthält einige Exemplare aus Irdenware von ebenso rustikaler Machart (CEPV G 14; CEPV G 18), darunter eines der wenigen datierten Exemplare – eine Vase von 1919 (CEPV Nr. 10).

Das Historische Museum von Lausanne bewahrt zwei Gedenkteller von 1924, deren Dekor von einer Zeichnung von Ernest Becker (MHL AA.46.B.55) inspiriert ist.

Mit der Ernennung eines Direktors mit künstlerischer Ausbildung wollten die Behörden wahrscheinlich die Ausrichtung der Schule und insbesondere einen gewissen Qualitätsverlust korrigieren. Auch in technischer Hinsicht hatte sich die Institution ernsthaft verschlechtert, bis hin zum Verlust ihrer Autonomie: Erfahren wir doch zum Beispiel, dass 1923 «dank der Nähe der Poterie moderne und dem guten Willen ihres Direktors [Henri Dusserre], der Brand von geformten Gegenständen in den Öfen dieser Fabrik durchgeführt werden kann. […] Der Staat sollte eingreifen, ohne sich allzu sehr auf eine Initiative der Gemeinde Chavannes zu verlassen. Die Einrichtung hat in der Tat eher den Charakter einer Kantonsschule als den einer der Gemeinde unterstellten Schule. Heute erreicht sie mit den wenigen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, und der Ausstattung, die viel zu wünschen übriglässt, den Zweck, für den sie geschaffen wurde» (Rapport de la sous-commission des écoles professionnelles, in: Bulletin des sessions du Grand Conseil, ausserordentliche Aprilsession 1923, 268).

1925: Übernahme der Schule durch den Kanton

Die Wünsche der Kommissare fanden Gehör, denn im November 1925 gewährte der Staatsrat einen ausserordentlichen Kredit von 125 000 Franken «für den Erwerb der Gebäude, die heute von der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-Renens benutzt werden, sowie für die Instandsetzung der Brennöfen der Schule» (Bulletin des séances du Grand Conseil, ordentliche Herbstsession 1925, 95). Nach dem Tod von Louis Laffely am 14. April 1925 (Tribune de Lausanne vom 16. April 1925, 2) sah sich Lucien Ménétrey gezwungen, das Gebäude samt seiner Ausstattung zum Verkauf anzubieten. Dem Entscheid der kantonalen Legislative ging eine ausführliche Stellungnahme der Berichterstatterin des zuständigen Ausschusses, Amédée Milliquet, voraus, die die gesamte Geschichte des Dossiers zurückverfolgte (Bulletin des séances du Grand Conseil, ordentliche Herbstsession 1925, 90-95). Wir erfahren insbesondere, dass der Zuwachs der Schülerzahl auf 24 es 1924 ermöglicht hatte, «qualifizierte Lehrkräfte der Porzellan- [sic] und Keramikfabrik in Langenthal sowie einen ehemaligen Absolventen der nationalen Keramikschule in Sèvres einzustellen» (Bulletin des séances du Grand Conseil, ordentliche Herbstsession 1925, 93 – Begründung und Entwurf eines Dekrets, ebd., 497-504). Dabei handelte es sich um Jean Lorenz, Töpfermeister, ehemaliger Vorarbeiter der Langenthaler Manufaktur, und Albert Blémond, der den Verzeichnissen zufolge bis 1926/27 die Position des Produktionsleiters innehatte. Er lehrte Formen, Modellieren, Dekorieren, Brennen, Chemie und Technik! Ein Albert Blémond unterrichtete zwischen 1945 und 1967 Technisches Zeichnen an der Schule von Sèvres (Liste der Mitarbeiter von Sèvres, auf http://www.thefrenchporcelainsociety.com).

Von nun an unter die alleinige Autorität des Staates gestellt, konnte die Schule der Zukunft mit einer gewissen Gelassenheit entgegensehen. Dass Becker lange Jahre an der Spitze der Schule stand – er verliess die Leitung der Schule erst 1949 (Feuille d’avis de Lausanne vom 5. Mai 1949, 2) – war ein weiterer Stabilitätsfaktor.

Vom 3. September bis 9. Oktober 1927 beteiligte sich die Schule an der Schweizerischen Keramikausstellung, organisiert vom Musée d’art et d’histoire de Genève, mit einer relativ bescheidenen Lieferung von sechs Objekten: zwei Vasen aus Steinzeug, drei Vasen (eine davon mit Unterglasur-Pinseldekor, zwei mit Laufdekor) und ein mit farbigen Engoben verziertes Räuchergefäss (Genf 1927, 23, Nr. 277-282). Lucienne Florentin, die berühmt-berüchtigte Kunstkritikerin aus Genf, schrieb in ihrem schonungslosen Bericht über die Ausstellung: «Sie [die Schweizer Keramikschule] stellt zwei wunderschöne Steinzeugvasen aus – aber sie wurden vor 14 Jahren hergestellt und waren 1914 an der Berner Ausstellung zu sehen … Die anderen Vasen, gewöhnliche Töpferware, sind völlig uninteressant» (L’Œuvre 14, 1927, 286). Die Schule begnügte sich offenbar damit, die 1913 hergestellten Steinzeugvasen zu «recyceln».

Im Frühling desselben Jahres richtete die Schule in ihren Mauern eine Ausstellung von Schülerarbeiten ein. Die Lausanner Presse war einiges enthusiastischer: «Wir sind erstaunt über die Vielfalt und die Qualität der Arbeit dieser jungen Leute. Diese Porzellan-, Fayence- und Töpferwaren zeugen von gutem Geschmack; die Natur und die Phantasie dieser jungen Menschen sind wichtige Inspirationsquellen für ihre Motive. Selbstverständlich werden die Genres, die Schule machten oder machen, wie etwa die Werke von Sèvres und Saxe, sowie die alten Schweizer Schulen nicht vernachlässigt. […] Alles, was man sich auf dem Gebiet der Töpferei oder Keramik vorstellen kann, wird von der Schule hergestellt, von der Milchkanne und der Terrine bis hin zu den elegantesten Services und den anmutigsten Amphoren, vom Aschenbecher bis zur Bonbonnière usw. Und hier einige Teller und Vasen, die für die nächste Fête des vignerons bereitstehen (siehe Kapitel «Renens et Chavannes-près-Renens – Les poteries») (La Revue vom 16. April 1927, 2).

Ab 1928 konnten die Studenten zwischen drei Fachrichtungen wählen, um sich zu spezialisieren: Drehen, Formen und Dekorieren (Feuille d’avis de Lausanne vom 4. April 1931, 24). Ein ehemaliger Schüler der Schule, Paul Gerber, war zwischen 1928 und 1930/31 Fachlehrer. Der bekannte Heimberger Töpfer Cäsar Adolf Schmalz (1887–1966) wird zwischen 1931 und 1932 in Chavannes unterrichten (siehe auch Marti/Straubhaar 2017). Im Januar 1936 wurden zwei neue Fachkräfte ernannt, zwei Persönlichkeiten, die den Keramikunterricht in Chavannes und später in Vevey nachhaltig prägen sollten: Jean Allenbach und Claude Vittel (Tribune de Lausanne, 23. Januar 1936, 4). Jean Allenbach (1910–1978) hatte in den 1920er-Jahren selbst die Schweizerische Keramikschule besucht und war bis zu seiner Pensionierung 1975 (24 Heures du 10 octobre 1975, 19) Abteilungsleiter der Keramiksektion von Vevey. Claude Vittel (1907-1993), ebenfalls ein ehemaliger Schüler von Chavannes, hatte in Deutschland studiert, namentlich in Koblenz und Bunzlau. Er spezialisierte sich auf die Keramiktechnologie, ihm wird ein 1976 zum ersten Mal veröffentlichtes Nachschlagewerk zugeschrieben: Pâtes et glaçures céramiques.

1938 feiert die Schweizerische Keramikschule ihr 25-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung von Schülerarbeiten in den Räumlichkeiten der Firma Steiger in Lausanne, rue Saint-François. Der Chronist der Feuille d’avis, kein geringerer als der Lausanner Keramiker Pierre Wintsch, hebt vor allem die «technische Perfektion» der ausgestellten Werke hervor, eine deutliche Verbesserung gegenüber den zwei Jahre zuvor ausgestellten Keramiken: «[…] der Fortschritt zeigt sich in den eleganteren Formen, in der Wahl der Glasuren mit feineren Farbabstufungen und in den geschmackvoll dekorierten Stücken. […] Hervorzuheben sind einige schöne Vasen, Apfelweinkannen von einfacher Form, blaugrau matt, beige oder metallisch schwarz emailliert, die den Vergleich mit den Produkten bekannter Keramiker in keiner Weise zu scheuen hätten» (Feuille d’avis de Lausanne vom 14. September 1938, 4 – für eine etwas längere und signierte Version siehe Le Droit du peuple vom 21. September 1938, 4). Zur gleichen Ausstellung findet man in Le Droit du peuple vom 23. September (S. 4) einen etwas differenzierteren Text, geschrieben von einem gewissen «Jacques»: «[…] alle Techniken werden verwendet, sogar Relieftechnik bei den Tellern. Es wurde kein Aufwand gescheut, um die Vasen, Untertassen und Aschenbecher so schön wie möglich zu gestalten. Die Farben sind prächtig und variationsreich. Dekore gibt es im Überfluss: zwei, drei, manchmal mit einer grossen Anzahl von Farben ausgeführt. Die dekorativen Motive sind gut durchdacht, aber manchmal etwas zu gewöhnlich. Dies ist die gleiche Kritik, die ich generell an allen Werken üben werde. Sie überzeugen nicht voll und ganz. Es ist dieses Element der Meisterschaft, das überall fehlt, ausser vielleicht in einer grossen Vase, die in einer Vitrine steht und die demjenigen Ehre macht, der sie gemacht hat. Von Anfängern sollte man nicht zu viel verlangen, aber das ist es, was sie anstreben sollten. Die meisten von ihnen sind selbstsicher und überzeugt von ihrer Arbeit, einige sind sogar Virtuosen. Da sie selbstbewusst sind, sollten sie umso mehr versuchen, die Ästhetik ihrer Vasen zu verbessern. Seit der letzten Ausstellung dieser Schule wurde die Keramik mit einem reichen Farbspektrum erweitert, insbesondere mit einem sehr modischen Türkisblau, das herrlich frisch ist».

Vermutlich erschien zur Jubiläumsveranstaltung des Jahres 1938 die vorliegende Informationsbroschüre über Schweizer Keramiker.

Aus der Zeit zwischen 1945 und 1947 existiert ein gedrucktes Schulprogramm, dass die Ausbildung umfassend beschreibt.

1949 griff Pierre Wintsch erneut zur Feder, um über eine neue Ausstellung der Schüler von Chavannes zu berichten. Sein Artikel zeigt die Vielfalt der Techniken, die künftig in der Schule verwendet werden, deutlich auf: «Erwähnen wir zunächst die Keramik, deren mattblaue Glasur geritzt wird, um die Anmut eines dunkleren Dekors auf dem rauheren Material zu offenbaren. Gezeigt wird eine weitere Serie von Keramik mit Sgraffitodekor, die die alten Techniken der Thuner Töpfer in frischem Geist aufnimmt: Ritzdekor auf Keramik, die mit zwei Engoben, einer schwarzen und einer cremefarbenen, überzogen wurde und mit frischen Farben unter einer transparenten Glasur hervorgehoben wird. Daneben sind einige Muster eines Fayencegeschirrs mit floralen Verzierungen von Feldern und Wäldern zu sehen, sowie einige Stücke mit Lüsterglasuren, von denen einige sehr schön verziert sind in der Tradition des alten Steinzeugs aus China. Und zum Abschluss dieses kleinen Rückblicks einige schöne, klinkerartig hart gebrannte Vasen mit einem wirkungsvollen, schwarzen Liniendekor» (Le Peuple vom 16. September 1949, 5).

Im Jahr vor dieser Ausstellung war die Schule vom Musée d’art industriel et d’art décoratif de Lausanne eingeladen worden, beim Aufbau einer didaktischen Keramikausstellung mitzuwirken, die vom 15. November 1948 bis zum 15. Februar 1949 im Palais de Rumine stattfinden sollte. Die Veranstaltung umfasste eine didaktische Präsentation der verschiedenen Techniken – Irdenware, Fayence, Steinzeug und Porzellan –, die gemeinsam mit der Schule entwickelt wurde, sowie einen historischen Teil, der durch Leihgaben verschiedener Antiquitätenhändler, Sammler, Museen, Hersteller und Künstler gespiesen wurde (La Nouvelle revue de Lausanne vom 23. November 1948, 3 – Feuille d’avis de Lausanne vom 19. Januar 1949, 44).

Bei dieser Gelegenheit stiftete die Schule einige Schülerarbeiten, eine kleine Werkgruppe, die eine Vorstellung von den Werken vermittelte, die zu dieser Zeit produziert wurden: MHL AA.MI.1876; MHL AA.MI.1877; MHL AA.MI.1878; MHL

All diese Beispiele basieren auf der Technik der Fayence mit Blei-Zinn-Glasur, die sich für die unterschiedlichsten visuellen Effekte eignet, von der glänzend schwarzen Glasur in der Art von Bonifas (MHL AA.MI.1874) bis zur Nüchternheit einer weissen Glasur, die eher eine komplexe formale Suche unterstreicht und an bestimmte Werke von Noverraz in Genf (MHL AA.MI.1876) erinnert. Des weiteren erlaubt die Technik auch die Ausgestaltung polychromer Dekore (MHL AA.MI.1877; MHL AA.MI.1878). Die alte Technik der engobierten Irdenware war ebenfalls nicht in Vergessenheit geraten, wie eine heraldische Schale im Museum von Old Baulmes (MVB 1106) zeigt.

In ihrem Jahresbericht für das Jahr 1948 gab die Unterkommission des Grossen Rats für die Berufsschulen einen kurzen Überblick über die Tätigkeit der Schule: «Der heutige Direktor hat in den letzten 27 Jahren 260 Schüler ausgebildet, davon wurden 50 Führungskräfte in Unternehmen in der Deutschschweiz (Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1948, 841). Seit Beginn des Schuljahres 1951 wurden Frauen in die Schule aufgenommen, jedoch nur in der Dekorationsabteilung.

1950-1956: Neue Krise und Integration der Keramikausbildung in die Kunstgewerbeschule von Vevey

1950 wurden alle kantonalen Berufsschulen dem Departement für Landwirtschaft, Industrie und Handel unterstellt. Unter dem Vorsitz von Staatsrat Paul Chaudet hielt es die neue Aufsichtsbehörde für notwendig, eine erneute Reorganisation der Keramikschule zu prüfen, «damit sie den Bedürfnissen der betroffenen Handwerks- und Industriebetriebe besser gerecht wird». Die zu diesem Zweck eingesetzte Kommission schlug zunächst vor, die Schule aus ihrer Isolation herauszuführen und sie der Kunstgewerbeschule von Vevey (L’école des arts et métiers) anzuschliessen, für die die Gemeinde Vevey einen Neubau geplant hatte. Die Lösung zeigte mögliche Synergien in Bezug auf die Räumlichkeiten und das Lehrpersonal auf (Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1952, 1143).

Auch im Jahr 1950 griff Pierre Wintsch wieder zur Feder, um über eine neue Ausstellung von Schülerarbeiten zu berichten, die wieder bei der Firma Steiger in Lausanne stattfand. Er gibt einige Hinweise auf die neuen Tendenzen, ganz im Sinne des Zeitgeistes, die in den Werkstätten von Chavannes zum Ausdruck kamen: «Das Modell ist einfach, der Dekor wird im Allgemeinen frei umgesetzt. Die einfarbigen Stücke werden mit verschiedenen übereinanderliegenden Glasuren überzogen, mit dem Ziel, harmonische Töne zu erzeugen und auch die Intensität des Glanzes und den Grad der Mattheit zu variieren: mattes Pastellblau, mit Ritzdekor verziert, schwarzer Dekor unter türkiser Glasur, Kupferrot, entstanden durch Reduktionsbrand usw.» (Le Peuple, 23. September 1950, 5).

Die CEPV-Sammlung umfasst eine Reihe von Stücken, die einige dieser dekorativen Prozesse veranschaulichen, die prinzipiell in der Steinguttechnik ausgeführt wurden. Diese Verfahren wurden bis in die 1960er-Jahre angewandt, weshalb wir Schwierigkeiten haben, die fraglichen Beispiele genauer zu datieren. Beispiele von übereinanderliegenden Glasuren:

CEPV No 3; CEPV No 9; CEPV No 12; CEPV No 15; CEPV No 18; CEPV No 19; CEPV No 20; CEPV No 22; CEPV No 26; CEPV No 30; CEPV No 32; CEPV No 33.

Andere Exemplare mit dem berühmten Kupferrot zeugen vom Reduktionsbrand, der immer mehr in Mode kam: CEPV G 33; CEPV No 23; CEPV No 13; CEPV No 14; CEPV No 29; CEPV No 28; CEPV No 1; CEPV No 27; CEPV No 25; CEPV No 24; CEPV No 2; CEPV No 35.

Parallel zu diesen Neuerungenwurde in der Schule die Technik der engobierten Irdenware weiter entwickelt, insbesondere für Serien von Gedenkobjekten, die hier und da eine Einnahmequelle für die Institution darstellten (MHL AA.VL 2008 C 6683).

Anfang 1951 ernannte der Staatsrat, zunächst provisorisch für zwei Jahre, einen neuen Direktor: René Burkhardt, der damals in Mozzate (Italien) wohnhaft war und das Amt schliesslich bis 1956 innehatte (Avis de Lausanne vom 30. Januar 1951, 13). 1952, anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens, organisierte die Schweizerische Keramikschule in Zusammenarbeit mit dem Musée d’art décoratif de Lausanne erneut eine wichtige Ausstellung mit dem Titel «Céramique suisse ancienne et contemporaine» (Alte und zeitgenössische Schweizer Keramik), die vom 20. September bis 16. November im Palais de Rumine stattfand. In seiner Eröffnungsrede begrüsste Burkhardt «die glückliche Renaissance seiner Schule unter der Leitung neuer Fachlehrer, darunter [Jean-Jacques] Mennet und [Jean-Pierre] Kaiser» (La Nouvelle Revue de Lausanne vom 23. September 1952, 2). Jean-Pierre Kaiser (1915–2001), Maler, Grafiker und Bildhauer, war seit 1950 Professor an der École cantonale de dessin et d’art appliqué in Lausanne (Kantonale Schule für Zeichnen und angewandte Kunst). Jean-Jacques Mennet (1889–1969), Maler und Grafiker, unterrichtete von 1920 bis 1955 an der Kantonalen Kunstschule. In Inseraten zur Förderung der Schweizerischen Keramikschule: Insbesondere im l’Éducateur et Bulletin corporatif (z.B. in Band 88/1 vom 12. Januar 1952, 1), wird Mennet bis 1956 als Verantwortlicher für die «künstlerische Ausrichtung» erwähnt. In denselben Anzeigen wurde auch ein neuer Kurs aufgeführt: «Vorbereitung für Führungskräfte in der Industrie».

Der «alte» Teil der Ausstellung von 1952 scheint auf eine Retrospektive mit engobierter Irdenware aus Heimberg, die aus der Sammlung des Museums stammte, reduziert gewesen zu sein. Der zeitgenössische Teil der Ausstellung mit rund 600 Werken von 70 Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Schweiz, den Schulen von Chavannes-près-Renens, Bern und Genf sowie der Keramikabteilung der École cantonale de dessin et d’art appliqué in Lausanne stand im Zentrum der Präsentation. Die Veranstaltung umfasste aber eine weitere Retrospektive, die dem berühmten Keramiker Paul Bonifas, einem ehemaligen Schüler von Chavannes, gewidmet war, mit vier eigens aus Seattle, wo der Künstler seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelebt hatte, zugesandten Werken (Feuille d’avis de Lausanne vom 23. September 1952, 2 – Tribune de Lausanne vom 25. September, 5 – La Nouvelle Revue de Lausanne vom 23. September, – L’Illustré vom 23. Oktober, 19).

Um die Zukunft der Schule stand es schlecht, die drohende Schliessung wurde Realität, als der Staatsrat in seiner Sitzung vom 16. September 1955 den Grundsatzbeschluss fasste, die Schweizerische Keramikschule «so bald wie möglich» zu schliessen. Die Nachricht verursachte erhebliche Unruhe unter der Bevölkerung der Region und in den betroffenen Kreisen, was eine Gruppe von Abgeordneten unter der Leitung von Eugène Kuttel dazu veranlasste, eine Interpellation einzureichen, in der Aufklärung gefordert wurde. In ihrer Antwort bestätigte die Exekutive ihre Ansicht, dass die Schule die Erwartungen von Handwerk und Industrie nur teilweise erfüllte. Die 1950 eingesetzte Kommission, die sich mit der Reorganisation der Schule befasste, war zu dem Schluss gekommen, dass «falls es keine Keramikschule gäbe, es nicht gerechtfertigt erscheint, eine zu gründen. Es schien jedoch nicht gerechtfertigt (es war 1950), kurzerhand eine Einstellung ihrer Aktivitäten ins Auge zu fassen, aber es schien, dass Anstrengungen unternommen werden sollten, um der Schule die Mittel zur Erreichung höherer und umfassenderer Ziele an die Hand zu geben. […] die Einrichtung von Chavannes sollte in Zukunft ein Forschungs- und Informationszentrum bilden, das für alle Sektoren unserer schweizerischen Keramikindustrie nützlich ist, und dieses Zentrum könnte so den Bemühungen der Praktiker entgegenkommen.» Die voraussichtlichen Kosten für die Umgestaltung der Anlagen wurden geschätzt, als der Vorschlag aufkam, vonseiten der Verwaltung, Chavannes der École des arts et métiers de Vevey anzugliedern. In einer ersten Phase war die Schule von Chavannes seit dem 1. Juli 1953 verwaltungstechnisch der Institution von Vevey unterstellt; die Schule blieb innerhalb ihrer Mauern, und ihre Aktivitäten wurden weiterhin vom Staat finanziert. Die Gemeinde Vevey verfügte so über einen Zeitraum, um zu entscheiden, ob sie die Keramikschule übernehmen und zu einer neuen Abteilung ihrer Kunstgewerbeschule machen wollte. Vevey zeigte Interesse, sofern sie nicht die Betriebskosten der betreffenden Abteilung zu tragen hätte. In der Diskussion stellt Staatsrat Oulevay «[…] mit Bedauern fest, dass die Schüler, die diese Schule verlassen, nach drei Jahren Studium […] kein ausreichendes Auskommen fänden. Er erinnert uns daran, dass ein Keramikstudent 4825 Franken, während ein Mechanikerlehrling 1700 Franken kostet» (Bulletin des séances du Grand Conseil, Herbstsession 1955, 830-840).

Im August 1956 wurde der Grosse Rat informiert, dass «der Staatsrat dank einer Vereinbarung mit den Gemeindebehörden von Vevey seinen Entscheid vom 14. September 1955, der die Einstellung der Schweizerischen Keramikschule vorgesehen hatte, rückgängig machen konnte». Die Schule würde daher ihre Aktivitäten (ohne die Abteilung Giessen und Einformen) unter dem Dach der Städtischen Kunstgewerbeschule Vevey fortführen, von der sie eine Abteilung werden würde. Bis zum Bau des in Vevey geplanten neuen Gebäudes würde die Keramikabteilung weiterhin die Räumlichkeiten in Chavannes nutzen, die sich noch immer im Besitz des Staates befinden und unter der Leitung und Kontrolle der Gemeinde Vevey stehen (Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1956, 640-641).

Tatsächlich war die Keramikschule am 1. April 1956 in die administrative und finanzielle Verantwortung von Vevey übergegangen (Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1983, 478).

Im Frühjahr 1958 präsentierte die Schule in der Galerie du Capitole in Lausanne ihre erste Ausstellung von Schülerarbeiten seit fünf Jahren. Unter der Feder von L. Bovey (Artikel in der Tribune de Lausanne vom 27. März (S. 3) bekam das Ereignis ein ganz besonderes Gewicht, erschien «als Epilog und, besser noch, als Krönung eines verrückten Abenteuers. In der Tat stand die Schweizerische Keramikschule gerade erst vor der Schliessung, als die Keramik einen Aufschwung erlebte». Beim Betrachten der ausgestellten Werke, «in jeder Hinsicht bemerkenswert», freut sich der Journalist, dass die Schule überlebt hat, indem sie eine Abteilung der Kunstgewerbeschule von Vevey wurde. Er hebt insbesondere «eine schön modellierte Form mit rotem Glanz; eine schlanke, rauchrote Vase; eine Vase aus Steinzeug, chinesischrot; eine mattgraue Tasse mit abstraktem Dekor» hervor.

Am Rande sei bemerkt, dass die Schule zu Beginn des Jahrzehnts zur Praxis des Steinzeugs zurückgekehrt war (CEPV Nr. 8; CEPV Nr. 11; CEPV Nr. 17; CEPV Nr. 21; CEPV Nr. 34). In Bezug auf dieselbe Ausstellung weist Jean Charpié in Pour Tous (Ausgabe vom 1. April 1958, 23. April) darauf hin, dass die Schulabgänger «sich an Industriebetriebe wenden, hauptsächlich in der Deutschschweiz, oder eine eigene Werkstatt gründen könnten. Letzteres scheint der interessanteste Fall zu sein, da Keramik zunehmend für die Dekoration von öffentlichen Räumen, Schulen, Fabriken, öffentlichen Einrichtungen verwendet wird, ganz zu schweigen von all den dekorativen Irdenware-Objekten, die man in eher modernen Innenräumen findet. […] Im Ausstellungsraum hatten wir das Vergnügen, einige Werke von ehemaligen Schülern zu sehen, die berühmt geworden sind, wie Bonifas, Wintsch, Lambercy, Gasser, Chapallaz und andere. Diese Namen beweisen, dass der Beruf des Keramikers, auch wenn er unabhängig ausgeübt wird, grosse Befriedigung verschafft».

Mit der Stagnation der Industrie (vor allem in der Westschweiz), dem mächtigen Aufstieg des Kunsthandwerks sowie durch die Bewegung des angelsächsischen Konzepts des studio potter, hat sich das Ansehen des Keramikers im Laufe der Zeit erheblich verbessert. Diese Entwicklung rechtfertigte die Existenz der Schule mehr denn je: Sie wird 1959 nicht weniger als 45 Studierende haben (Feuille d’avis de Lausanne vom 10. August 1959, 7).

1964 nahm der Grosse Rat einen Verordnungsentwurf an, der die Exekutive ermächtigte, das künftige Berufszentrum von Vevey mit 30 Prozent zu subventionieren. Die Unterbringung der Schweizer Keramikschule war im Pflichtenheft für das künftige Gebäude vorgesehen. Andererseits würden die Kosten für den Betrieb der Schule von Chavannes fortan ausschliesslich von der Gemeinde Vevey getragen (Bulletin des séances du Grand Conseil, Herbst 1963, 1242-1253).

Der Bau des neuen Berufsbildungszentrums Centre Doret, fand von 1967 bis 1971 statt, und die Verlegung der Keramikschule nach Vevey erfolgte im Sommer 1970. Mit dem Umzug wurde der Name «Schweizerische Keramikschule» endgültig gelöscht. Von da an war sie nur noch die Keramikabteilung des CEPV (Centre d’enseignement professionnel de Vevey), eine Institution, die sich als eine der wichtigsten Ausbildungsstätten des Landes in dieser Disziplin durchsetzte und weiterhin durchsetzt.

Das ehemalige Gebäude der Schule wurde 1970 von der Gemeinde gekauft und wurde zum Rathaus von Chavannes-près-Renens; diese Funktion hat das Gebäude in der Avenue de la Gare 46 heute noch.

Marken

Neben einigen seltenen Ritzmarken auf Steinzeug von 1913, die aus den Initialen «E. S. C.» bestehen und der Angabe des Herstellungsorts, bringt die Schule eine Blindmarke an, die aus der Schweizer Armbrust und den Initialen «E. S. C.» besteht. (MHL AA.MI.1876).

Da das Armbrustsymbol im Jahr 1931 vom Verband für Inlandsproduktion als ursprüngliche Schweizer Marke eingeführt wurde (FOSC, Band 49, 1931, 1086 – Pastori-Zumbach 2001), kann dieses Unterscheidungsmerkmal nicht aus der Zeit vor diesem Datum stammen. Die Marke wurde – sicherlich nicht systematisch – bis in die späten 1940er-Jahre verwendet (MVB 1106; CEPV Nr. 11). Wahrscheinlich schon in den 1950er-Jahren werden die Studierenden manchmal persönliche Unterscheidungsmerkmale verwendet haben, die wir noch nicht entziffern konnten.

Viele der von der Schule ausgegebenen Stücke tragen ein Etikett mit dem Namen der Schule, zunächst ohne das Armbrustzeichen (CEPV G 2), dann mit der Armbrust (CEPV 5.D.2; CEPV Nr. 1; CEPV Nr. 14). Diese Etiketten wurden sicherlich zur Identifizierung der Keramiken in den Ausstellungen verwendet.

Quellen:

Waadtländer Presse und Jahresbücher sowie das Bulletin der Sitzungen des Grossen Rats, konsultiert in der Datenbank Scriptorium der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne.

Schweizer Zeitschriften, konsultiert auf der Website e-periodica.ch.

Siehe auch: https://notrehistoire.ch/galleries/ecole-suisse-de-ceramique-chavannes-pres-renens

Siehe auch: Exposition Conférences 2013 et CEPV-Actualites

Bibliographie:

Ariana 1997
Paul Bonifas, céramiste du purisme. Catalogue d’exposition, Genève, Musée Ariana. Genève 1997.

Ball 1988
Daniela Ball, Nora Gross (1871-1929). Genava. Bulletin du Musée d’art et d’histoire de Genève XXXVI, 1988, 117-135.

Clément 2000
Alain Clément, La poterie de Ferney: deux siècles d’artisanat. Yens-sur-Morges/Saint-Gingolph 2000.

Genève 1927
Exposition de céramique suisse. Catalogue d’exposition, Musée d’art et d’histoire. Genève 1927.

Langlade 1938
Émile Langlade, Artistes de mon temps. Arras 1938.

Lüthi 2017
Dave Lüthi, Les écoles professionnelles en Suisse: palais ou usines ? In: Histoire de l’éducation 147, 2017, 119-146.

Marti/Straubhaar 2017
Erich Marti/Beat Straubhaar, C.A. Schmalz 1887-1966. Leben und Werk mit Pinsel, Stift und Lehm, Heimberg 2017.

Pastori-Zumbach 2001
Anne Pastori-Zumbach, Sous le signe de l’arbalète – La Marque suisse d’origine. Revue suisse d’art et d’archéologie 58, 217-228.

Savreux 1914
Maurice Savreux, L’art de la céramique en Suisse et l’École suisse de céramique. Genève 1914.

Cheyres FR, Biétry, Laurent (1770-1853)

Roland Blaettler 2019

Im Jahr 1765 führte der Berner Handelsrat eine eingehende Untersuchung über die Herstellung von Kochgeschirr im Waadtland durch. Er reagierte damit auf eine Anfrage der Waadtländer Töpfer, die sich über die drastischen Importe dieser Keramikspezialität beschwerten und diesen Missstand anprangerten (zitiert und kommentiert in Schwab 1921, 23–25). Da sich die Ergebnisse der Umfrage nicht nur auf die Kategorie des Kochgeschirrs bezogen, zeigten sie schliesslich ein ziemlich vollständiges Bild der Waadtländer Keramikindustrie. Durch die Erhebung erfahren wir, dass damals in der Stadt Yverdon und Umgebung nicht weniger als sieben Töpfer arbeiteten – die grösste Konzentration im Waadtland, wie Catherine Kulling betont (Kulling 2001, 33) – und dass sie vor allem «weisses Geschirr» herstellten. Was das eigentliche Kochgeschirr betraf (d.h. feuerfeste Gefässe), so sagten die örtlichen Handwerker, dass sie nicht in der Lage seien, mit den importierten Produkten zu konkurrieren.

Im Rahmen ihrer Grundlagenforschung über die Waadtländer Kachelöfen des 18. Jahrhunderts richtete Catherine Kulling ihr Augenmerk natürlich auch auf die in Yverdon tätigen Ofenbauer, insbesondere auf Jean-Albert Pavid (1710-1778) und Jacob Ingold (um 1742-1816), die zu den produktivsten und herausragendsten Spezialisten ihres Berufsstands im Waadtland gehörten (Kulling 2001, 26-105). Sie griff die bereits von Schwab (Schwab 1921, 25) aufgestellte These auf, nach der die auf die Herstellung von Geschirr spezialisierten Töpfer vor allem die Fayence-Technik angewendet hätten. Um diese Sicht zu untermauern, stützte sie sich nicht nur auf die bernische Untersuchung, sondern auch auf ein Dokument, das sie im Stadtarchiv von Yverdon gefunden hatte: In diesem Schreiben aus dem Jahr 1752 ersuchen die örtlichen Töpfer den Stadtrat um den Bau einer Mühle, «um Glasurfarben zu mahlen, die sie brauchen für die Produktion ihrer Töpferwaren, einer Art Fayence» (Kulling 2001, 32).

Aus unserer Sicht nehmen wir diesen Text wörtlich: Die Töpfer sprechen von «einer Art Fayence» im Sinne einer Ähnlichkeit der Produkte, aber ohne Anwendung der erforderlichen Technik. Unserer Meinung nach war das «weisse Tafelgeschirr», das 1765 als eine Spezialität Yverdons galt, – zumindest zum grössten Teil – weiss engobierte Irdenware, manchmal verfeinert mit Unterglasur-Pinseldekor. Sozusagen eine raffiniertere Variante der engobierten Irdenware im Vergleich zum herkömmlichen Gebrauchsgeschirr. Bei dieser Produktionsart kam eine in unseren Regionen seit langem etablierte Technik (und insbesondere bei der Herstellung von Öfen) zum Einsatz, die dem visuellen Effekt von blei-zinnglasierten Fayencen sehr nahe kam. Die Fayencetechnik ist in ihrer Umsetzung jedoch teurer und erfordert ein anderes Fachwissen, dennoch ist es in einigen Fällen ziemlich schwierig, die beiden Keramikarten mit blossem Auge zu unterscheiden.

Die einzigen bisher klar identifizierten regionalen Beispiele dieses Typs Geschirr sind die Arbeiten des Töpfers Laurent Biétry (1770-1853) in Cheyres FR (Babey 2016, 49), einem Ort, der etwa zwölf Kilometer von Yverdon entfernt liegt. Das Nationalmuseum von Zürich besitzt zwei signierte und 1795 datierte platten mit fassoniertem Rand (SNM LM-6212 und SNM LM-23403). Eine dritte, unsignierte und undatierte Platte verwahrt das Musée Ariana in Genf (MAG R 0136).

Siehe auch: Yverdon VD, “Weisses Geschirr” und die Faïencerie Rieff

Bibliographie:

Babey 2016
Ursule Babey, Archéologie et histoire de la terre cuite en Ajoie, Jura Suisse (1750-1900). Les exemples de la manufacture de faïence de Cornol et du centre potier de Bonfol (Cahier d’archéologie jurassienne 37), Porrentruy 2016.

Kulling 2001
Catherine Kulling, Poêles en catelles du Pays de Vaud. Confort et prestige. Les principaux centres de fabrication au XVIIIe siècle, Lausanne 2001.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.

Chur, Dornach, Annina Vital (1910-1988), Keramikerin

Keramik von Annina Vital in CERAMICA CH

Theres Urech-Grazioli und Konrad Urech in Zusammenarbeit mit Andreas Heege, 2020

Die Engadinerin Annina Vital wurde am 30. Juni 1910 als Tochter von Jon Vital (1879–1954) und Emilia Vital-Vital (1884–1976) in Chur geboren. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend zusammen mit ihrer vier Jahre jüngeren Schwester Ines in St. Moritz, wo ihr Vater Lehrer war.

Sie besuchte 1926 in Bern zunächst die Kunstgewerbeschule und wechselte 1927 an die Keramische Fachschule, die damals in der Felsenburg am Klösterlistutz untergebracht war. Dort schloss sie im April 1930 mit dem Diplom als keramische Malerin ab.  Keramikfachlehrer war zu ihrer Zeit der deutsche Keramiker Johann Jakob Hermanns (1879–1937), der 1913 Mitbegründer der Berner Sektion des Schweizerischen Werkbunds war.  Anschliessend folgten ihre Wanderjahre. Sie arbeitete bei der “Desa” in Steffisburg, in Rheinfelden und schliesslich in der Töpferei Meister in Dübendorf-Stettbach. In Marburg a/Lahn arbeitete sie in leitender Stellung in der Töpferwerkstatt Ketzerbach «bei Fräulein [Elizabeth] Schäfer» (Siepen 1923). Über drei Monate verbrachte sie 1931 zudem in Paris, wo sie unter anderem die Akademie des berühmten Bildhauers Aristide Maillol besuchte, der sie durchaus zur Plastikerin ausbilden wollte. Sie aber zog es vor, der Keramik und der Keramikmalerei treu zu bleiben und liess sich stattdessen in Bulle bei Peter Messerli noch zusätzlich zur Dreherin ausbilden.

1933 richtete sie an der Reichsgasse 44 in Chur eine eigene Töpferwerkstatt ein, die sie bis 1953 selbständig führte. Hier experimentierte sie mit Glasuren, Farben und Maltechniken und entwickelte mehr und mehr den ihr eigenen Stil. In einer unglaublichen Vielfalt an Formen, Farben und Techniken im Erarbeiten von Gebrauchs- und Schmuck-Keramik, aber auch von Zeichnungen, Gemälden, Buchillustrationen, Wandmalereien, Skulpturen,  Fresken und Öfen sowie Mosaiken zeigte sich ihre schöpferische Gestaltungskraft. Der Ton für ihre Kunstwerke stammte von der Firma Landert in Embrach (ZH).

Aus Annina Vitals Zeit in Chur kennen wir nur wenige absolut datierte Stücke, die sich chronologisch eindeutig einordnen lassen. Das sind einerseits Keramiken, die in einem Artikel des Jahres 1940 abgebildet wurden und andererseits die sieben Stücke, die 1953 vom Rätischen Museum angekauft wurden (Inv. H1970.251–257). Vermutlich war Annina Vitals Umzug in diesem Jahr der Auslöser, dass Prof. Joos, der damalige Konservator des Rätischen Museums in Chur, sieben Keramiken erwarb.

Eine besondere Beachtung verdient das Markenzeichen von Annina Vital, das sie auf allen ihren Schöpfungen angebracht hat. Die meist schwungvoll gezeichnete Marke ist als Verbindung ihrer Initialen A und V unmittelbar zu erkennen.

Schliesslich übersiedelte Annina Vital 1953 nach 20 Jahren künstlerisch erfolgreicher Tätigkeit in Chur zusammen mit ihren Eltern in ein kleines Atelierhaus nach Dornach in der Nähe des Goetheanums. Ihr Kundenkreis erweiterte sich in Dornach durch die zahlreichen Goetheanum-Besucher weit über die Grenzen der Schweiz hinaus.

2018/2019 wurde das künstlerische Lebenswerk von Annina Vital in einer Gedenkausstellung zu ihrem 30. Todestag im KunstSchauDepot der Stiftung Trigon in Dornach gewürdigt. 2021 wird vor allem ihr keramisches Werk in einem Aufsatz präsentiert werden (Urech-Grazioli/Urech/Buess 2021, in Vorb.).

Bibliographie:

De Martinis, Marika (1982): Annina Vital, eine bemerkenswerte Bündner Künstlerin. Bündner Jahrbuch 1982, 17–25.

Schmid, Martin (1940): Eine Churer Töpferei. Bündnerisches Haushaltungs- und Familienbuch 1940, 19–23.

Siepen, Bernhard (1923):Töpferwerkstatt Ketzerbach, in: Kunst und Kunstgewerbe, Blätter für Wertarbeit, Nürnberg Nr. 3, 1923, 68–70.

Urech, Otto (1990): Annina Vital 1910–1988 (Nachruf). Bündner Jahrbuch 32, 1990, 148–149.

Urech-Grazioli, Theres  und Urech, Konrad  sowie Buess, Jürg (2021): Annina Vital – Bündner Keramikkünstlerin (1910–1988). Mitteilungsblatt Keramikfreunde der Schweiz 135, 2021, 123-162.

Clarens VD, Poterie du Pays de Vaud (Pierre Cuendet und André Nicole)

Roland Blaettler 2019

Am 1. Januar 1948 vermeldete das Schweizerische Handelsamtsblatt (SHAB) den Zusammenschluss zwischen André Nicole, der seit einigen Monaten als Keramiker an der Rue du Torrent 2 in Clarens eingetragen war (Band 65, 1947, 3438), und Pierre Cuendet (1916–1986), einem anderen Keramikkünstler. Sie bildeten damals mit der Firma «Cuendet & Nicole» eine Kollektivgesellschaft, die an der obigen Adresse angemeldet war. Der Tätigkeitsbereich wurde mit folgenden Worten beschrieben: «Atelier de céramique et décorations» (SHAB, Band 66, 1948, 674).

In Wahrheit arbeitete das Tandem wohl bereits seit einiger Zeit zusammen: Die erste Erwähnung der Marke «Poterie du Pays de Vaud» in der Waadtländer Presse geht denn auch in das Jahr 1945 zurück, als eine Werbeanzeige der Dekorationsboutique «Atelier 33» am Place Bel-Air in Yverdon erschien. Die Anzeige macht die Liebhaber von Kunstobjekten darauf aufmerksam, dass «wir uns die alleinige Vertretung der Werke der Poterie du Pays de Vaud (Clarens-Montreux) für Yverdon und Umgebung gesichert haben. Über die Festtage stellen wir die zauberhaften Keramikfiguren mit Schweizer Trachten aus, die von der Schweizerischen Verkehrszentrale die höchste Auszeichnung erhalten haben: ‹Die schönsten Reisesouvenirs›.» (Journal d’ Yverdon vom 22. Dezember 1945, 11). Im folgenden Jahr eröffnete das Keramikerduo ein Postcheckkonto mit der Bezeichnung «Poterie du Pays de Vaud, Cuendet & Nicole» (SHAB, Band 64, 1946, 286). Im gleichen Jahr erläuterte das Amtsblatt von Vevey vom 28. August (S. 4), dass die Schützen des «Jubilé»-Wettkampfs von Corsier einen Steingutteller erhielten, «kunstvoll verziert mit dem antiken Emblem der Gesellschaft, ausgeführt von der Poterie du Pays de Vaud in Clarens».

Die beiden von uns erfassten Gedenkteller stammen ebenfalls aus dem Jahr 1946. Einer befindet sich im Museum von Montreux (MM 1075A) und der andere im Historischen Museum von Lausanne (MHL AA.VL 2012 C 7493). Diese beiden Objekte sind Fayencen, veredelt mit Aufglasurmalerei oder sogar vergoldeten Partien. Die Ausführung dieser frühen Werke ist relativ ungelenk, die Formen sind schwer, das Email weist Brennmängel auf und der Malerei fehlt es an Finesse und Präzision.

Zwischen 1947 und 1953 druckte das Annuaire Vaudois, in dem die lokalen Unternehmen erfasst sind, eine Werbeanzeige der Töpferei ab, in der kleine Keramikfiguren, Vasen und «Teller für Gesellschaften und Abteien» angepriesen wurden. Im Amtsblatt von Vevey, zwischen 1951 und 1954, erwähnte eine andere Anzeige (zum Beispiel in der Ausgabe vom 6. November 1954, S. 5) folgende Angebote: «Porzellanbrand. Grosse Auswahl an zu dekorierenden Fayencen. Nach Zeichnungsvorlage gedrehte Stücke. Brand, Emaillierung von Liebhaberwerken». Eine zweite Adresse erscheint ab 1947, möglicherweise jene des Ladens: Rue Centrale 14.

Die Marke «Poterie du Pays de Vaud» scheint nach 1954 zu verschwinden, wie auch der Zusammenschluss zwischen Cuendet und Nicole.

Pierre Cuendet machte in seinem Atelier in Clarens alleine weiter. 1958 registrierte er ein neues Postcheckkonto mit der Bezeichnung «Pierre Cuendet, Poterie de Clarens» (SHAB, Band 76, 1958, 1362). Eine Anzeige, die im Amtsblatt von Vevey vom 10. September 1971 (S. 11) erschien, pries die Produkte der Poterie de Clarens in der Rue des Artisans 14 an: Keramik für Verkleidungen, Cheminéedekor, Skulpturen. 1973 schloss sich Cuendet mit seiner Tochter Sophie van der Mije zusammen, die ebenfalls Töpferin war (L’Est Vaudois vom 17. Dezember 1973, 2).

Aus dem Nachruf auf Pierre Cuendet im Est Vaudois erfahren wir, dass der Töpfer eine Ausbildung an der Kunstschule in Lausanne, mit der Ausrichtung Skulptur und Malerei absolvierte, bevor er sich der Keramik zuwandte. Diese Disziplin übte er bis an sein Lebensende aus (Ausgabe vom 31. Januar 1986, S. 3).

Quellen

Schweizerisches Handelsamtsblatt (konsultiert auf der Website e-periodica.ch)

Waadtländer Presse (konsultiert auf der Website Scriptorium der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne)

 

 

Colovrex GE und Ferney-Voltaire (Ain, F), die Töpfereien Knecht

Die Keramik der Töpferei Knecht in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

Im Jahr 1822 kam Henry-Arnold Knecht (1802-1878), aus Wald (ZH), als Arbeiter in die Töpferei Braissant in Ferney-Voltaire. Nach der Heirat mit der Tochter des Besitzers, wurde er 1827 dessen Nachfolger (Clément 2000, 77). 1855 erhielt er von den Genfer Behörden eine Niederlassungsbewilligung, die es ihm erlaubte, auf Genfer Territorium eine Zweigniederlassung zu gründen. Sein Sohn Lucien (1837-1890) liess sich in Colovrex nieder, 1872 wurde er Genfer Bürger (Clément 2000, 79). Er übernahm im Jahr 1878 die Leitung der beiden Werkstätten nach dem Tod seines Vaters. Im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) ist Lucien erst am 28. März 1883 als Leiter der Firma «L. Knecht à Colovrex-Bellevue» eingetragen (Bd. 1, 1883, 496), vermutlich weil vor diesem Datum die Genfer Niederlassung als Filiale von Ferney-Voltaire galt.

Im Dezember 1890, einen Tag nach Luciens Tod, schloss sich seine Witwe Marie-Jeanne, geb. Dailledouze (gestorben 1905), mit ihren drei Söhnen Arnold (1862-1921), Stanislas (1863-1941) und Louis (1870-1952) zu einer Kollektivgesellschaft unter dem Namen «Veuve Knecht & ses fils» zusammen. Das Unternehmen hatte seinen Sitz in Colovrex mit einer Niederlassung in Ferney. Das Tätigkeitsfeld umfasste «Keramik und Ofenbau, Drainagerohre und Ziegel» (SHAB, Bd. 9, 1891, 459).

Dieses Unternehmen wurde 1905, nach dem Tod von Marie-Jeanne, aufgelöst, und ihre drei Söhne gründeten eine neue Firma unter dem Namen «Knecht frères». Louis hatte seinen Wohnsitz in Colovrex, Stanislas und Arnold in Ferney (SHAB Bd. 23, 1905, 222). Arnold zog sich 1914 aus dem Geschäft zurück (SHAB, Bd. 32, 1914, 597).

Ab dem 31. Dezember 1926 gingen die beiden Filialen eigene Wege, zumindest in rechtlicher Hinsicht: Der Firmenname «Knecht frères» wurde gelöscht. Stanislas (oder sein Sohn Robert? – siehe Clément 2000, 79) übernahm Ferney und Louis übernahm Colovrex, unter dem Namen «Louis Knecht», Herstellung von «Gebrauchskeramik aller Art, Baukeramik, Schornsteinröhren, Schornsteinkappen und Abflussrohren» (SHAB, Bd. 45, 1927, 211).

Das Genfer Unternehmen ging 1954 in die Hände von Georges Knecht (1906-1982) über (SHAB, Bd. 72, 1954, 2456). Dieser hielt die Produktion praktisch bis zu seinem Tod aufrecht, der Firmenname wurde im Mai 1983 von Amtes wegen gelöscht, «nach Tod und Einstellung des Betriebs» (SHAB, Bd. 101, 1983, 1818).

Was die Werkstatt in Ferney betraf, so wurde sie in den letzten Jahren ihres Bestehens von Robert Knecht (1897-1951), dann von seiner Witwe geführt. Der Betrieb schloss 1958 seine Pforten (Clément 2000, 79).

Die französischen und schweizerischen Werkstätten der Familie Knecht produzierten weitgehend die gleichen Typen – hauptsächlich als engobierte und glasierte Irdenwaren.

Die Familie Knecht aus Colovrex vermarktete ihre Produkte in einem weiten Umkreis, ihr Absatzmarkt reichte von der Genfer Region bis zum Neuenburger Jura und sogar bis in den Kanton Solothurn (nach aktuellem Stand unserer Recherche). Zu den charakteristischsten Gefässtypen aus dem Ende des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören die «Willkommenskannen» oder vaterländischen Kannen mit applizierten Weinblättern als Auflagendekor und Wappen der Kantone Waadt, Neuenburg und Bern (MHL 0170 MH); MLS 240001; MHPN MH-2015-9; MHPN MH-2015-8; MHPN MH-1998-113; MHPN MH-2014-10; MHPN MH-FA-10018A; MHPN MH-2015-187; MHPN MH-1998-299; MHPN MH-2012-64; MVVE 2411; MVVE 2355).

Das Musée historique et des porcelaines in Nyon bewahrt die einzigen beiden bisher bekannten gemarkten Beispiele: eines mit der gestempelten Blindmarke «Lucien Knecht – Colovrex-Bellevue Genève» (MHPN MH-2015-9), datiert 1893, das andere mit der Marke «Knecht Frères – Colovrex-Bellevue Genève» (MHPN 2014-10), datiert 1905. Die Blindmarke der ersten Kanne würde eher dafür sprechen, dass Luciens Witwe sein Zeichen nach seinem Tod 1890 weiter benutzte. Einige Exemplare des gleichen Typs werden der Werkstatt von Ferney zugeschrieben (Ferney-Voltaire 1984, 294 und 297; Clément 2000, 83).

Ein zweiter Gefässtyp, der zur gleichen Zeit und im gleichen Verbreitungsgebiet sehr beliebt war, ist der zylindrische Milchtopf mit verdicktem und gekehltem Rand und schematischen Verzierungen mit floralen oder geometrischen Motiven (MRVT Nr. 67; MRVT Nr. 68; MRVT BR 4a; MRVT BR 4; MPA 914; MPA Bv 4; MPA Bv 15; MPA Bv 12; MPA Bv 5; MWH H 2523; MWH H 2563; MVVE ; MVB Nr. 1; MPE Nr. 8).

Solche Töpfe sind in Colovrex bis Mitte der 1950er-Jahre bezeugt (De Freire de Andrade und de Chastonay 1956, Abb. 5). Die Sammlung von Georges Amoudruz im Musée d’ethnographie in Genf enthält eine grosse Anzahl von Beispielen, die meisten davon werden Colovrex zugeschrieben. In der gleichen Sammlung befinden sich mehrere Gedenkkrüge der gleichen Form mit Daten zwischen 1914 und 1967 (ETHEU 103619 und ETHEU 103569 beispielsweise).

Gefässe desselben oder eines sehr ähnlichen Typs sind jedoch in vielen anderen Töpfereien bezeugt, vor allem in Renens (VD – MRVT Nr. 26) oder im benachbarten Frankreich (Savoie, Ain – siehe z.B. Lahaussois und Pannequin 1996, 82; Sèvres 1999, 122-126; Clément 2000, 80-81; Dufournet 1979, Abb. 5-9, 16, 17-19, 22). Es sei darauf hingewiesen, dass französische Töpfer diesen Gefässtyp als «Jura-Topf» bezeichneten (Dufournet 1979, 298).

Der Anteil der Hafner Knecht an dieser enormen Anzahl von Gefässen ist kaum identifizierbar, da kein Exemplar, zumindest nach heutigem Kenntnisstand, sicher ihre Handschrift trägt. Gleiches gilt für die Fülle des meist undekorierten Gebrauchsgeschirrs, wie es in der gesamten Westschweiz gefunden wurde (z.B. MM 1014; MM 920; MPE 2938; MHL AA.VL 90 C 690; MVB 380B; MVM M 203). Alle diese Formen wurden sehr wohl von den Knechts hergestellt (siehe eine Preisliste der Firma Knecht für Ferney und Colovrex, mit Zeichnungen der Formen, spätes 19. bis frühes 20: Clément 2000, 82), aber nicht nur von ihnen! In solchen Fällen haben wir auf eine spezifische Zuordnung verzichtet und den Oberbegriff «Keramik aus dem Genferseegebiet» verwendet.

Siehe «Région lémanique, les poteries engobées (Ende 19. bis 20. Jahrhundert)».

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie :

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, Ceramica CH. Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950, t. I: Neuchâtel. Sulgen 2013, 202.

Clément 2000
Alain Clément, La poterie de Ferney: deux siècles d’artisanat. Yens-sur-Morges/Saint-Gingolph 2000.

De Freire de Andrade et de Chastonay 1956
Nadège de Freire de Andrade et de Philibert Chastonay, La dernière poterie rustique genevoise. Archives suisses d’anthropologie générale, XXI, 1956, 8-141.

Dufournet 1979
Paul Dufournet, Les ateliers frères de poterie de Vanzy (Haute-Savoie) et de Vanchy (Ain). In: Le Monde alpin rhodanien. Revue régional d’ethnologie 1-4. Artisanat et métiers de tradition, 281-316.

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Lahaussois et Pannequin 1996
Christine Lahaussois et Béatrice Pannequin, Terres vernissées, sources et traditions. Paris 1996.

Sèvres 1999
L’art de la terre vernissée, du Moyen Age à l’an 2000, cat. d’exposition, Sèvres/Arras, Musée national de céramique/Musée des beaux-arts. Paris 1999.

Cornol JU, Fayencemanufaktur (1760-1824)

Ursule Babey 2019

Die archäologische Erforschung

Über die Fayencemanufaktur in Cornol wussten wir bis zum Beginn des 3. Jahrtausends nur das, was Gustave Amweg, Kunsthistoriker für die Region Jura veröffentlicht hatte (Amweg 1941). 2003 ereignete sich am Rande der ehemaligen Fabrik (heute ein Restaurant) ein Erdrutsch, und wir kamen auf die Idee, den Inhalt der ausplanierten Erdschichten zwischen dem Gebäude und einem davor verlaufenden Bach zu untersuchen. Die Schichten quollen über von Keramikfragmenten jeglicher Art. Die archäologischen Grabungen, die in drei Etappen durchgeführt wurden (2003, 2004, 2007), erbrachten ein Inventar von etwa 100.000 Scherben aus der Abfallhalde der Werkstatt. Sie bildeten die Arbeitsgrundlage für neue Erkenntnisse zur Produktion der Fayencefabrik Cornol-Lion d’Or. Neben der verwendeten technischen Keramik (Brennkapseln, Brennhilfen usw.) brachte die Deponie eine beträchtliche Anzahl von Schrübränden zum Vorschein, die Rückschlüsse auf Formen und Verzierungen ermöglichten, sowie Fragmente von weisser Fayence, bemalt und unbemalt, Tafelgeschirr mit manganschwarz glasierter Rückseite («à cul noir») oder mit manganviolettem Spritzdekor («moucheté»). Ausserdem gab es Fragmente aus Pfeifenton (Steingut) und Ofenkacheln.

Die Ausgrabung förderte jedoch keine Strukturen zutage, die mit dem Betrieb der Manufaktur in Zusammenhang standen.

Weihwasserbecken mit Rocaillenmotiv und Strahlendekor. Gemodelter Schrühbrand. Höhe: 16,3 cm, um 1760-1770. Ausgrabungen von Cornol-Lion d’Or (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, Pl.40.389.

Fragment eines Tellers mit fassoniertem Rand, emodelter Schrühbrand. Relief einer Blumengirlande. Durchmesser: ca. 32 cm, spätes 18. oder frühes 19. Jahrhundert. Ausgrabung von Cornol-Lion d’Or. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, Pl. 39.375.

Henkel oder Griff(?) in Form eines plastischen Satyrs , gemodelter Schrühbrand. Höhe: 3 cm, spätes 18. Jahrhundert. Ausgrabung von Cornol-Lion d’Or. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, Pl.26.225.

Die Untersuchung der Abfallhalde wurde durch die Auswertung relevanter Auszüge aus Archiven mehrerer öffentlicher Sammlungen ergänzt. Die historischen Quellen ermöglichten es, die verschiedenen Akteure, die mit der Fayencemanufaktur verbunden waren (Gründer, Besitzer, Produktionsleiter, Töpfer, Maler, Arbeiter, Händler), genauer zu beschreiben wie auch ihre wirtschaftlichen Strategien, ihr soziales Umfeld, ihre Geschäftstätigkeit sowie die Geschäftsübergabe. Anhand einer Beschreibung der Produktionswerkzeuge, nebst einer Erwähnung von gewissen technischen und kommerziellen Aspekten, konnte man Rückschlüsse auf die Produktion selbst ziehen. Schriftliche Unterlagen der Manufaktur sowie das Firmenarchiv fehlen jedoch vollständig.

 

Rasierbecken mit weisser Fayenceglasur, das Cornol, dank eines Vergleichs mit einem Schrühbrandexemplar zugeschrieben werden kann. Der Schrühbrand hat die gleichen Merkmale: Form des Randes, Lage der Haltevertiefung für den Daumen, Form des halbkreisförmigen Ausschnitts für den Hals. Museum der Kulturen, Basel, Inv. VI.4411. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, S. 182, Abb. 128.

Allgemeiner Kontext

Die Geschichte der Keramik aus Cornol beginnt schon Ende des 17. Jahrhunderts. Vermutlich stellten die Töpfer Tafelgeschirr aus lokalen Rohstoffen, wie den blauen Oxford-Mergeln, her, die sich vor etwa 160 Millionen Jahren auf dem Grund eines flachen Meeres bildeten und grosse, äusserst dichte Ablagerungen aus einem homogenen, sehr feinen und kompakten Ton enthielten. Dieser ist in der Ajoie sehr verbreitet und in der letzten Jurafalte auf dem Gebiet von Cornol leicht zugänglich. Die in der Ortschaft bereits etablierte Töpfertradition gab sicherlich den Ausschlag, in Cornol die einzige Fayencemanufaktur im alten Bistum von Basel zu gründen.

Als das Unternehmen 1760 gegründet wurde, dominierte die Stahlindustrie den Wirtschaftssektor. Diese Holzkohle verschlingende Industrie, die für das finanzielle Gleichgewicht des Staates, der die gesamte Betriebs- und Absatzkette kontrollierte, notwendig war, wurde vom Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee gefördert. Er erkannte all ihre Vorteile und nutzte sie bereits 1575, um die schwankende Wirtschaft des Basler Bistums wieder anzukurbeln. Sie überschattete die Entwicklung anderer holzbasierter Industrien, insbesondere die Keramik-produktion.

Geschichte der Fayencemanufaktur

Georges Humbert Triponez (1727-1767), ein junger Jurist am fürstbischöflichen Hof, war erst 33 Jahre alt und ohne beruflichen Hintergrund in der Keramikherstellung, als er am 25. Juni 1760 die Erlaubnis zur Gründung einer Fayencemanufaktur in Cornol beantragte. Wir wissen nichts über seine Beweggründe: Weder seine Herkunft, noch seine juristische Ausbildung, noch sein Familienkreis haben ihn zu diesem unternehmerischen Abenteuer gedrängt, das im wirtschaftlichen Kontext des Ancien Régime eine avantgardistische Dimension annahm. Tatsächlich gab es damals in der Region noch sehr wenige Unternehmer im modernen Sinne des Wortes.

Die einzige plausible Erklärung für diesen Schritt ist die allgemeine Begeisterung für Fayence in der Mitte des 18. Jahrhunderts in ganz Ostfrankreich, insbesondere in der Region Comté, sowie die Tatsache, dass Triponez in Besançon Jura studierte. Zufällig traf er in der Stadt Pruntrut zwei Fayencler, die einen Standort für die Einrichtung einer Werkstatt suchten. Er beschloss, nicht nur nach einem geeigneten Ort zu suchen, sondern auch gleich selber alles aus dem Nichts aufzubauen. Die Genehmigung wurde ihm problemlos erteilt, man gewährte ihm ein Herstellungsmonopol, das Recht, Rohstoffe zu nutzen und Holz zu kaufen, sowie das Recht, ausländische Spezialisten einzustellen, die sogar von der Ausreisegebühr befreit wurden. Triponez stieg gut ins Keramikgeschäft ein, denn seine Fayencemanufaktur befand sich in der Ajoie, weit entfernt von den Stahlwerken, dem Monopol und dem Haupteinkommen der Staatskasse. Doch diese vielversprechenden Anfänge waren nur von kurzer Dauer. In Wirklichkeit wurde er von der Gemeinde Cornol als Fremder betrachtet, der zudem ausländische Arbeitskräfte ins Dorf brachte. Und neben den endlosen finanziellen Problemen, mit denen er zu kämpfen hatte, war er ständig Opfer von Scherereien, sogar von körperlicher Aggression. 1766 war er gezwungen, sich mit Charles Exchaquet de Court zusammenzuschliessen, der das Ziel hatte, in seinem Dorf selbst eine Fayencefabrik zu eröffnen. Die Zusammenarbeit fand ein jähes Ende durch den plötzlichen Tod von Triponez im Alter von kaum 40 Jahren. Der durch Schulden belastete Betrieb wurde sukzessive von verschiedenen Gläubigern entweder allein oder in Konsortien übernommen. Bis zum Ende des Ancien Régime wurde das Unternehmen niemals profitabel. Abgesehen von der anfänglichen Unterstützung durch den Fürstbischof erhielt die Fayencemanufaktur keine weitere Hilfe, weder von der Korporation noch von der lokalen Bevölkerung, Letztere entwickelte sogar eine offene Feindseligkeit ihr gegenüber.

Die Französische Revolution und die Eingliederung der Region nach Frankreich war eine harte Zeit für das kleine Unternehmen, das seine Produktion auf Dachziegel umstellte, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Region noch sehr wenig verbreitet waren. Ausserdem verschwand die Herstellung von Fayence im ersten Viertel dieses Jahrhunderts vollständig, während die Ziegelproduktion bis 1861 überlebte. In jenem Jahr wurde das Gebäude von einem Gastwirt übernommen, der eine Töpferei mit zwei Öfen einrichtete. Seine Werkstatt produzierte etwa zehn Jahre lang.

Gamme de produits fabriqués

Tischgeschirr, Geschirr zum Auftragen und Servieren, Hygienegeschirr und Ofenkacheln, die Produkte von Cornol unterschieden sich in Bezug auf ihre Funktion nicht von zeitgleichen anderen Fayencemanufakturen. Das Unternehmen nutzte alle Marktlücken und Nischenprodukte, die damals in Mode waren, im Rahmen seiner Ressourcen und technischen Möglichkeiten.

Auf der formalen und dekorativen Ebene wurden zahlreiche Stile miteinander vermischt, sie waren Ausdruck der historischen Veränderungen und existenziellen Schwierigkeiten, mit denen die Manufaktur zu kämpfen hatte. Es gab dementsprechend nicht einen «Cornol»-Stil, sondern mehrere.

 

Kleiner Fayenceteller mit flachem geradem Rand und blauer Inglasurmalerei ohne schwarze Einfassungslinien («qualité non contournée»). Durchmesser: 19,6 cm, Anfang 19. Jahrhundert. Ausgrabung von Cornol-Lion d’Or. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, Pl. 57.484.

Flacher, Fayenceteller mit gekehltem, fassoniertem Rand, Inglasurmalerei mit Einfassungslinien «en qualité contournée». Manganviolett gemalter Blumenstrauss im Spiegel, bestehend aus Nelken und Glockenblumen, und vier verschiedenen Blumenzweigen auf der Fahne. Überfeuerter und reduzierend gebrannter Fehlbrand. Durchmesser: 26 cm, um 1760-1770. Ausgrabungen von Cornol-Lion d’Or. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37.

Einige intakte Stücke aus Schweizer Museen konnten mit den gefundenen Fehlbränden in Verbindung gebracht werden, darunter eine Suppenschüssel, die früher Lenzburg zugeschrieben wurde, und eine Reihe von flachen Tellern mit vielpassigem Rand, die auf der Rückseite mit einem «C» gemarkt sind.

Es war nicht möglich, die bei der Ausgrabung gefundenen Gegenstände mit den Namen von Handwerkern, die im Archiv gefunden wurden, in Verbindung zu bringen, da keine signierten Gegenstände vorlagen. Einzig ein Reisepass für Fayenceverkäufer, der den Stempel der Fayencemanufaktur aus dem Jahr 1770 trug, ermöglichte es, die mit einem «C» gekennzeichneten Stücke mit Jean-Baptiste Snamenatzky, Fayencler und damaliger Direktor und Pächter der Fayencemanufaktur, in Verbindung zu bringen. Sehr wahrscheinlich stammte Snamenatzky aus einem osteuropäischen Land. Seine Anwesenheit in Cornol ist von April 1769 bis zu seinem Tod 1795 bezeugt. Verheiratet war mit einer Bürgerin von Bassecourt, mit der er sieben Kinder hatte, darunter drei Söhne, die ebenfalls später Fayence herstellten.

Fayenceteller mit Nelkendekor und blauer Pinselmarke «C» auf der Rückseite, Inglasurmalerei. Das «C» für Cornol nimmt einen grossen Teil des Siegels der Manufaktur ein. Die Motive mit der Nelke und den Glockenblumen ähneln Dekoren, die unter den Fragmenten der Ausgrabung des Lion d’or gefunden wurden. Um 1770. Museum der Kulturen, Basel, inv. VI.3385. (Photo : OCC-SAP, B. Migy). Réf. CAJ 37, p. 194, Fig. 144.

 

Siegel aus rotem Siegellack mit dem Wappen der Fayencemanufaktur von Cornol. In der Mitte steht der Buchstabe C in Blumenform, umringt von stilisierten Zweigen und der Inschrift: «FAYANCERIE DE CORNOL 1770». Durchmesser: 2,8 cm. Archiv des ehemaligen Bistums Basel, Pruntrut, GHFAM 4, Reisepass vom 7. April 1770. Ref. CAJ 37, S. 134, Abbildungen 63 und 64.

 

Bibliographie :

Amweg Gustave, Les arts dans le Jura bernois et à Bienne. II. Arts appliqués. Chez l’auteur, Porrentruy 1941.

Babey Ursule, Johann Jacob Frey. Le faïencier qui aimait trop la porcelaine – deux essais d’implantation dans le Jura méridional. Revue des Amis suisses de la céramique 123, 2010, 29-49.

Babey Ursule, Archéologie et histoire de la terre cuite en Ajoie, Jura, Suisse (1750-1900). Les exemples de la manufacture de faïence de Cornol et du centre potier de Bonfol. Office de la culture et Société jurassienne d’Emulation. Cahier d’archéologie jurassienne CAJ 37. Porrentruy 2016.  Pour se procurer un exemplaire : https://www.jura.ch/fr/Autorites/Archeologie-2017/Publications/Les-cahiers-d-archeologie-jurassienne-CAJ.html