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Frick AG, Dachziegelwerke Frick/Tonwerke Keller AG, Kunstkeramische Abteilung

Tonwerke Keller AG, Dachziegelwerke Frick, 1950er-Jahre, rot hervorgehoben Gebäude der Kunstkeramik (aus Ruetz, Bernhard, Vom Stein zum Haus: Die Geschichte der Keller Ziegeleien. Humlikon 2019, S. 84, verändert).

Andreas Heege, 2020

Frick ist eine Einwohnergemeinde im Kanton Aargau mit etwa 5.500 Einwohnern, etwa 20 km nördlich von Aarau.

Eckdaten zur Firma:

1904 Gründung durch Hermann Suter als mechanische Ziegelei.

Ab 1906 Aktiengesellschaft ” Dachziegelwerk Frick”, Neubau eines Werkes I im Jahr 1907. Herstellung von Biberschwanz- und Falzziegeln, daneben Backsteine.

Schon vor 1914 wirtschaftliche Schwierigkeiten, die durch den 1. Weltkrieg verschärft wurden.

1923 Übernahme der Aktienmehrheit durch die Zieglerfamilie Keller aus Pfungen (Jakob Ulrich Keller und Söhne Franz und Hans Keller). Neubau eines Werkes II ab 1924/1925, Ausbau zu einer Grossziegelei und einem der modernsten Werke Europas.

1935 Eröffnung einer neuen Opalinustongrube “in der Chäsleten” und Bau einer Luftseilbahn zum Betriebsgelände. Wirtschaftliche Krisenjahre waren 1935/1936.

Ab 1936 gab es ein bescheidenes eigenes Laboratorium, das fortlaufend ausgebaut wurde. Dieses diente, geführt von geschultem Keramik-Fachpersonal, vor allem der Qualitätsprüfung.

1938 Einrichtung einer Kunstkeramischen Abteilung, nachdem die Firma ein deutsches Patent zur Herstellung von Terra sigillata (einer eigentlich römischen Keramik mit einem feinen roten Glanztonüberzug) erworben hatte.  Herstellung erster Gefässe durch den technischen Leiter Albert Picard.

1939 Während der “Landi” (Schweizerische Landesausstellung) begann man mit der Beschäftigung eines Töpfers und richtete eine kleine Werkstatt mit elektrischem Brennofen ein. Von Anfang an entstanden neben Vasen und Schalen, Kopien nach griechischen und römischen Vorbildern, u.a. Amphoren, dazu individuell beschriftete Vereinskeramik.

Kanne mit Springfederdekor und Terra sigillata-Überzug, aus der frühen Produktion der Kunstkeramischen Abteilung zwischen 1938 und 1950.

Wegen der Mobilmachung 1939 und während des Zweiten Weltkrieges erfolgte eine phasenweise Stilllegung des Werkes.

1941 bezog die Kunstkeramikabteilung ein eigenes Gebäude, das mit einer Tonaufbereitung, elektrischen Öfen und Töpferscheiben eingerichtet und für einen Personalbestand von 5-10 Personen vorgesehen war.

1944 Brand von Werk I und Wiederaufbau, u.a. entstand 1944/1945 ein neuer Ringofen.

1954  Die gute Nachkriegskonjunktur führte zur Anlage von Werk III.

Die Kunstkeramikabteilung zeigte ihre Produkte auch wiederholte Male auf der Mustermesse (MUBA) in Basel.

1965 Abbruch und Neubau von Werk II. Verlagerung des Produktionsschwerpunktes auf Backsteine.

1970 Stillegung von Werk I (von 1944). Änderung des Firmennamens zu “Tonwerke Keller AG”.

Ab 1975 schwierige Jahre und Kurzarbeit, ab Anfang der 1980er-Jahre jedoch Erholung der Baukonjunktur und erneute Modernisierung des Werkes.

1983 Die Kunstkeramische Abteilung wurde geschlossen.

Die Firma Tonwerke Keller AG existiert heute noch erfolgreich.

Filme zum Dachziegelwerk 1925.

Bibliographie:

Jegge 1928
Emil Jegge, Das Dachziegelwerk Frick, in: Vom Jura zum Schwarzwald, Blätter für Heimatkunde und Heimatschutz 3, 1928, 5-11.

Wälchli 1981
E. Wälchli, Gebrannte Erde im Kunsthandwerk. Die Kunstkeramik-Abteilung in Frick. Die Ziegelpresse, Hauszeitung der Keller AG Pfungen und der Tonwerke Keller AG Frick, Heft 8, 1981, 6-7.

Roth 1996
R. Roth, Entwicklung des Dachziegelwerkes Frick zum Tonwerk Keller Frick, in: Museumsverein Laufenburg, Hafner, Töpfer, Ziegelbrenner. Keramische Erzeugnisse im Wandel der Zeit, Laufenburg 1996, 43-53.

Ruetz 2019
Ruetz, Bernhard, Vom Stein zum Haus: Die Geschichte der Keller Ziegeleien. Humlikon 2019.

Geiger, Benno (1903–1979), Wien, Aedermannsdorf SO und Bern BE

Benno Geiger, 1960er-Jahre (Foto Martin Hesse, Nachlass Benno Geiger)

Keramikobjekte in CERAMICA CH

Benjamin Geiger, Roland Blaettler und Andreas Heege 2020

Die folgende kurze Zusammenstellung beruht auf der untenstehenden Literatur und einer von Benjamin Geiger aufgrund des Nachlasses von Benno Geiger zur Ausstellung in Matzendorf im Jahr 2019 verfassten biographisch-familiengeschichtlichen Übersicht (überarbeitet im Mai 2020).

Benno Geiger (1903-1979) hat deutsche und schweizerische Wurzeln. Er wurde in Engelberg geboren und wuchs in Lugano auf. Die Eltern erwarben 1913 das Burgerrecht von Bosco Gurin. Seine Familie war stark kunsthandwerklich geprägt (Elfenbeinschnitzer, Holzschnitzer, Bildhauer, Tischlermeister). Benno lernte das Modellieren an der Kunstgewerbeschule in Lugano.

Benno Geiger als Mitarbeiter in der Werkstatt Meister in Dübendorf (Familienarchiv Meister &Cie, Christine Hobi-Meister).

Anschliessend absolvierte er von  November 1920 bis 1922 als erster Lehrling dieser Werkstatt eine Töpferlehre bei Heinrich Meister in Dübendorf (autobiographisches Manuskript aus dem Jahr 1972 im Nachlass Geiger, ausserdem Kölliker 2014, 84-85).

Benno Geiger, stehend, beim Modellieren einer Figur in der Werkstatt Meister (Nachlass Benno Geiger).

1923 bildete er sich in München-Schwabing bei dem Schweizer Keramiker Paul Speck (1896-1966) weiter und arbeite von Herbst 1923 bis September 1925 erneut als Mitarbeiter bei Heinrich Meister.  Vermutlich aus dieser Zeit oder aus den Jahren 1927/1928 hat sich eine Vase im Keramikmuseum in Matzendorf erhalten, die “Meister/Geiger” signiert ist (KMM 485).

Von  Herbst 1925 bis Oktober 1927 studierte Benno Geiger bei dem österreichischen Keramikdesigner und Bildhauer Michael Powolny an der Wiener Kunstgewerbeschule, und nahm anschliessend ein kurzes, schlecht bezahltes Engagement bei Friedrich Goldscheider an, bevor er 1927-1928 noch einmal zu Heinrich Meister nach Dübendorf zurückkehrte (vgl. auch Kölliker 2014, 85).

Die Fähigkeiten von Benno Geiger wurden in Wien offenbar so hoch eingeschätzt, dass man ihm im Herbst 1928 erneut eine Stelle anbot und ihn 1929 zum Künstlerischen Leiter der  Abteilung für moderne Keramik machte. Bis 1933 schuf er in der Wiener Manufaktur von Friedrich Goldscheider zahlreiche Modelle (u.a. KMM 486; vgl. auch Neuwirth 1974 und vor allem Dechant/Goldscheider 2007) und lernte dort die marktwirtschaftlich notwendige Produktion für verschiedene Käuferschichten, die er selbst mit “Kitsch-, Halbkitsch- und Edelkollektion” bezeichnete.

Schale im Stil der Goldscheider-Phase, vermutlich aus der Wiener Zeit oder unmittelbar aus den Anfängen in Aedermannsdorf.

Die nationalsozialistische Machtergreifung und die Boykottierung seines Arbeitgebers u.a. auf der Leipziger Messe, bewegten Benno Geiger schliesslich zu einer Beendigung seines Engagements im Mai 1933. Er verliess Wien im Herbst 1933.

Von Ende 1933 bis April 1934 lebte er als freier Künstler in Paris. Anschliessend kehrte er in die Schweiz zurück, wo er im Juni 1934 den Besitzer der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf  Alfred von der Mühll kennenlernte, der ihn ab August 1934 als Leiter der Kunstkeramischen Abteilung einstellte. Vereinbart wurde , dass die produzierte Kunstkeramik die Aedermannsdorfer Fabrikmarke tragen sollte, aber als “Geigerkeramik” vermarktet würde. Geiger hatte ein- oder mehrmals jährlich eine  künstlerisch hochstehende Kollektion zu entwerfen, sich um die Ausführung eingehender Aufträge zu kümmern und auch Muster herzustellen, die “künstlerisch oder geschmacklich nicht in seine Abteilung gehören”. Dafür durfte er gleichzeitig für sich auch eigene Arbeiten anfertigen (Arbeitsvertrag im Nachlass Geiger).

Unter Direktor von der Mühll erfolgte mit der 1934  neu geschaffenen Kunstabteilung eine Ausweitung im Angebot von Gebrauchsgeschirr (Messerli 2017, 118-123). Geiger nahm die Technik der Fayence wieder auf und erneuerte sie durch eigene Recherchen besonders auf dem Gebiet des Rauchbrandes (z. B. KMM 460; KMM 349).

Im Geiste des Heimatstils der Vorkriegs- und Kriegszeit entwickelte er aus marktwirtschaftlichen Gründen auch das Geschirr «Alt-Matzendorf» und Darstellungen von Trachtenbildern (z.B. KMM 510; KMM 403; KMM 497; KMM 410; KMM 493).

Seine Ritzdekore auf Engobeware oder auf Fayence sind zugleich rückwärtsgewandt und modernistisch (z. B. KMM 469; KMM 380; KMM 341).

Mit der Anstellung in Aedermannsdorf hatte Benno Geiger endlich auch die wirtschaftliche Grundlage, um am 11. September 1935 seine langjährige Freundin, die Keramikerin Eva Kowarcz , heiraten zu können. Das Paar kannte sich bereits seit 1925. Bis zum Januar 1939 lebten sie in Matzendorf, anschliessend in Basel und Balsthal bevor sie dauerhaft nach Bern umzogen.

1939 bewarb sich Benno Geiger erstmals um die freigewordene Stelle des Leiters der Keramikfachschule in Bern, da Jakob Hermanns, der bisherige Fachlehrer 1937 pensioniert und 1938 verstorben war (Messerli 2017,  107-108).  Der bernische Regierungsrat  schloss die Schule jedoch stattdessen am 24. März 1939 mit Wirkung zum 30. Oktober. Erst auf massiven Druck von verschiedenen Seiten (u.a. des Verbands Schweizerischer Töpfermeister und Tonwarenfabrikanten) korrigierte der Regierungsrat diese Entscheidung. Im Dezember 1940 wurden die Stellen des Leiters und eines Fachlehrers neu ausgeschrieben und 1941 schliesslich mit Benno Geiger und Werner Burri besetzt. Der Schulbetrieb wurde am 19. Mai 1941 in den alten Lokalitäten in der Felsenburg wieder aufgenommen bevor am 1. November 1942 ein Umzug der Keramischen Fachschule in grössere Räumlichkeiten an der Spitalackerstrasse 63 in Bern erfolgen konnte (Messerli 2017, 112). Benno Geigers Aufgaben als Leiter und Keramiklehrer waren die Berufskunde, die Glasur- und Brenntechnik und die Malstube (d.h. die Keramikmalerinnen) im 3. Lehrjahr. Das Thema Fachschule soll an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden (vgl. dazu Messerli 2017, 107-123).

Seine Arbeiten in Aedermannsdorf musste er zunächst auf 20%, dann auf 10% reduzieren und gab Mitte 1948 seine Stelle dort schliesslich ganz auf, um sich bis zu seiner Pensionierung 1969 vollständig der Fachschule (Geiger 1952), der Publikation leicht verständlicher Lehrmittel (Geiger 1947; Geiger 1957), der Jurorentätigkeit, der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Keramiker, zahlreichen Ausstellungen (Liste in Schnyder 1985, 33-36) und meist an den Wochenenden seinen eigenen “Atelierarbeiten” widmen zu können, die er bis zu seinem Tod 1979 fortsetzte.

   

Von diesen Atelierarbeiten verwahrt das Keramikmuseum Matzendorf, das Benno Geigers Werk 1991 (Aedermannsdorf 1991) und 2019 mit einer Ausstellung ehrte, einen ansehnlichen Bestand (z.B. KMM 321; KMM 322; KMM 323; KMM 324).

Zu seinen Atelierarbeiten gehören auch zahlreiche plastische Werke, wie z.B. die Musikantinnen, die vor 1957 entstanden sind.

Eine seiner herausragenden Arbeiten ist die Figurengruppe “Das Urteil des Paris” (Figurenhöhe 42, 33 und 32 cm):

Fotos Werner Singer, Uhwiesen, www.tabouret.ch  (Herzlichen Dank für das Bildmaterial!)

Zahlreiche Keramiken von Benno Geiger wurden 2017 im Auktionshaus Schuler in Zürich  (herzlichen Dank für die zur Verfügung gestellten Fotos) versteigert und befinden sich heute weitestgehend im Keramikmuseum Matzendorf (s.u.). Sie illustrieren eindrucksvoll die Bandbreite des keramischen Schaffens von Benno Geiger, der neben Werner Burri, während 28 Jahren eine grosse Zahl schweizerischer Keramikerinnen und Keramiker sowie Keramikmalerinnen und -maler mit seinem Stil und seinen künstlerischen Vorstellungen prägte.

      

Alle Objekte im Keramikmuseum Matzendorf (Fotos Schuler-Auktionen Zürich. Herzlichen Dank).

Objekte in Privatbesitz (Fotos Schuler-Auktionen Zürich. Herzlichen Dank):

Bibliographie:

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 40 und 356.

Dechant/Goldscheider 2007
Robert E. Dechant, Filipp Goldscheider, Goldscheider – Firmengeschichte und Werkverzeichnis. Stuttgart 2007.

Fachschule Bern 1960
Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.), Die Keramische Fachschule Bern und ihre Schüler – Kleine keramische Technologie, Schülerarbeiten, Arbeiten ehemaliger Schüler, Zürich 1960.

Aedermannsdorf 1991
Freunde der Matzendorfer Keramik (Hrsg.): Benno Geiger 1903-1979. Aedermannsdorf 1991.

Geiger 1947
Benno Geiger, Keramisches ABC, Bern 1947.

Geiger 1952
Benno Geiger, Keramische Fachschule Bern 1941 -1951, Bern 1952.

Geiger 1957
Benno Geiger, Keramisches Gestalten. Eine Anleitung mit über 300 Beispielen und vielen Anregungen für Laien und Fachleute (Hochwächter-Bücherei Band 19), Bern 1957.

Geiger 1967
Martin Geiger, Ein Gespräch mit dem Keramiker Benno Geiger, in: Das Werk. Architektur und Kunst 54, 1967, 799-802.

Kölliker 2014
Richard Kölliker, Meister-Keramik – Heinrich und Gertrud Meister-Zingg und ihre Kunstkeramik Werkstatt in Dübendorf-Stettbach 1920–1961. Selbstverlag., Schaffhausen 2014.

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik, von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017.

Neuwirth 1974
Waltraut Neuwirth, Wiener Keramik. Historismus, Jugendstil, Art Déco, Braunschweig 1974.

Schnyder 1985
Rudolf Schnyder, Vier Berner Keramiker: Werner Burri, Benno Geiger, Margrit Linck, Jakob Stucki. Ausstellungskatalog im Rahmen der 10. Spiezer Keramik-Ausstellung, Schloss Spiez. Bern 1985, 33–51.

Vogt 2000
Albert Vogt Die Geschichte der keramischen Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798-1998. In: Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» (Hsg.), 200 Jahre keramische Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798-1998. Matzendorf, 9-90.

Genf GE, Bastard, Marc-Auguste (1863–1926), Maler und Dekorateur

Keramik von Marc-Auguste Bastard in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

In der Liste der Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten ist Marc-Auguste Bastard (1863–1926) ab 1901 als Maler und Dekorateur aufgeführt. Er wurde offenbar an der École des Arts Industriels in Genf ausgebildet, möglicherweise in der von Joseph Mittey geleiteten Keramikklasse. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass Bastard bereits 1885 anlässlich der Jahresausstellung der Stadt Genf im Musée Rath ein Vasenpaar aus «Fayence, Scharffeuerbrand» ausstellte; der Katalog bezeichnet ihn unter der Nr. 9 als Schüler der genannten Schule.

Mittey lehrte nur Keramikdekorationstechniken und bildete keine Keramiker aus, die den gesamten Herstellungsprozess beherrschten. Bastard musste folglich für die Formung und den Brand der Töpfereien, die er verzierte, Töpfer beauftragen. Das Musée Ariana verfügt über acht Keramiken – hauptsächlich engobierte Irdenware –, die die Unterschrift von Bastard tragen: Sieben davon wurden vom ehemaligen Musée des Arts Décoratifs von Genf in den Jahren 1902 und 1903 erworben. Im Inventar steht, dass sie von der Poterie des Pâquis ausgeführt wurden (Inv. C 0293, C 0296 bis C 0300 und C 0304). Das letzte Objekt (Inv. C 0525) ist jünger und wurde zwischen 1908 und 1910 erworben. Hierfür arbeitete Bastard mit der Töpferei Liotard in Ferney-Voltaire zusammen.

Bastard nahm mit verziertem Tafelgeschirr an der Landesausstellung von 1914 teil. Die Expertenjury lobte die Originalität der gezeigten Motive, verwies jedoch auf die mangelhafte technische Ausführungsqualität (Bern 1914, 75). Aber dieses Medium ist nur ein Teil seiner kreativen Tätigkeit: An der städtischen Kunstausstellung von 1921 im Musée Rath präsentierte er zum Beispiel einen Paravent (Katalog Nr. 410). Einer seiner populärsten Beiträge war ein Werbeposter für das Bier von Meuse, das gegen 1896 bei Lemercier in Paris gedruckt wurde (gallica.bnf.fr). Bastard verzierte auch Glas und führte Kirchenfenster (Kirche Saints-Pierre-et-Paul, Confignon GE) sowie Gebäudedekorationen aus.

In der Nr. 10 der Zeitschrift Heimatschutz – Patrimoine aus dem Jahr 1915 war die Adresse eines Händlers zu finden, der Gläser und Keramiken von Auguste Bastard verkaufte: Rue Carteret 6 in Genf.

Bastard gehörte ausserdem 1913 zu den Gründern von L’Œuvre, der Westschweizer Sektion des Schweizerischen Werkbunds, wie auch Hélène de Mandrot, mit der er befreundet war. Er war regelmässiger Gast im von Mandrot geleiteten Maison des Artistes im Schloss La Sallaz. Die beiden arbeiteten namentlich im Rahmen von Ausstellungen zusammen, die von der Vereinigung organisiert wurden (Baudin 1998, 18, 25–27, 45). Mandrot erwarb offenbar eine Keramik von Bastard, es sei denn, der Künstler schenkte sie ihr (CLS MURO 57).

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

Baudin 1998
Antoine Baudin, Hélène de Mandrot et la Maison des artistes de La Sarraz. Lausanne 1998.

Berne 1914
Schweizerische Landesausstellung in Bern. Fachberichte. Band VI. Berne 1914.

 

Genf GE, Thagouhi Beer-Zorian (1901–1982)

Keramik von Thagouhi Beer-Zorian  in CERAMICA CH

 Roland Blaettler, 2019

Thagouhi Zorian (Plovdiv, Bulgarien, 1901 – Genf, 1982) war die Tochter von Stepan oder Rostom Zorian (1867–1919), einem der drei Gründer der Armenischen Revolutionären Föderation, einer sozialistischen Bewegung, die 1890 in Tiflis gegründet wurde und sich für die Emanzipation der Armenier im Osmanischen Reich einsetzte. Thagouhi kam 1914 mit ihrer Mutter Elisabeth nach Genf, wo sie an der Kunstschule den Unterricht von Eugène Gilliard besuchte (artzakank-echo.ch). 1923 heiratete sie den Maler und Graveur Charles Richard Beer (geboren 1892). Thagouhi und Charles eröffneten einen Laden in der Grand’Rue in der Genfer Altstadt, wo sie ihre Kunstwerke ausstellten.

Thagouhi war als Malerin tätig, vor allem verwendete sie die Batiktechnik und die Malerei auf Keramik (hauptsächlich auf Fayence). An der nationalen Kunstausstellung von 1922 in Lausanne stellte sie nur Batikarbeiten aus wie auch im Folgejahr an der Ausstellung der Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen in Genf. Als Mitglied von L’Œuvre, der Westschweizer Sektion des Schweizerischen Werkbunds, nahm sie ab 1926 regelmässig an den Ausstellungen teil, die diese Vereinigung veranstaltete. Sie stellte meistens Keramik und Batik aus. 1959 zeigte sie einige Stücke im Rahmen der zeitgenössischen Schweizer Keramikausstellung im Kunst- und Geschichtsmuseum Genf. An die Ausstellung «Eugène Gilliard et ses élèves» von 1961 sandte sie fünf Batiken und fünf Keramiken (Gilliard 1961, Nr. 41–50). Sowohl unter dem Banner der Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen als auch für die Mutuelle des Artistes Genevois stellte sie bis Anfang der 1970er-Jahre Keramikarbeiten aus.

Beer-Zorian hatte engen Kontakt mit Edith Duflon, die sie offenbar in den Kursen von Gilliard kennenlernte. Die beiden Frauen teilten sich eine Zeit lang das 1925 von Duflon auf dem väterlichen Gut La Muraz eingerichtete Atelier in Villeneuve. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Beer-Zorian an der Seite von Duflon an die Kunst der Fayence herangeführt wurde.

Für die in La Muraz möglicherweise zwischen 1925 und 1930 ausgeführten Arbeiten verwendete die Keramikerin die gleichen Glasuren mit satten und kräftigen Farben wie ihre Kollegin (MHL AA.VL 2002 C 5508-15; MHL AA.VL 2002 C 5508-54). Die Formen der Gefässe wurden von Dritten entworfen und gestaltet (siehe auch «Edith Dusserre-Duflon»). An der SAFFA, der grossen Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit, die 1928 in Bern durchgeführt wurde, zeigten Duflon und Beer-Zorian ihre Arbeiten an einem eigenen Stand, den sie speziell für diese Gelegenheit von einem Architekten hatten zeichnen lassen, mit dem Schild «La Muraz – Poterie artistique» (SAFFA 1928, Ausstellernr. 1303).

Die späteren Werke von Beer-Zorian, die hauptsächlich aus Fayence bestehen, zeichnen sich allgemein durch eine abgeschwächtere Farbpalette mit oft wässrigen Farben aus. Die Figuren oder Blumenmotive sind sehr frei gezeichnet, mit manchmal an Dilettantismus grenzenden Formen (MHL AA.MI.1744; MHL AA.MI.1659 – Musée Ariana, Inv. AD 0418; AD 1235; AD 1236; AD 1237; AR 11479; AR 11498; AR 11499).

Anlässlich einer Ausstellung der Mutuelle Artistique von Genf äusserte die bekannte Kunstkritikerin Lucienne Florentin im Jahr 1925, nachdem sie das Talent von Beer-Zorian in der Batiktechnik lobte («Frau Beer-Zorian sollte Ihre Aufmerksamkeit auf die Batiktechnik richten»), eine eher milde Kritik zu den Keramiken von Thagouhi: «zerfliessende Farben, ein bisschen schmückende Verwirrung, warme, manchmal tiefe Töne, ein eher schöner Werkstoff, eine ergiebige Fantasie und manuelle Lebhaftigkeit» (La Suisse vom 28. November 1925, S. 1).

Die Marke von Beer-Zorian setzt sich im Grund aus einem Motiv aus zwei nebeneinanderliegenden Dreiecken und der Erwähnung «TB / ZORIAN» zusammen (MHL AA.MI.1744).

Übersetzung Stephanie Tremp

Sources:

Artzakank, bimestriel bilingue français-arménien publié à Genève (artzakank-echo.ch. – consulté en mai 2019)

 Bibliographie:

Gilliard 1961
Eugène Gilliard et ses élèves. Exposition commémorant le centième anniversaire de la naissance de l’artiste. Catalogue d’exposition, Musée Rath. Genève 1961.

Saffa 1928
Saffa. Schweiz. Ausstellung für Frauenarbeit – Exposition nationale suisse du travail féminin. Catalogue principal. Berne 1928.

Genferseeregion/Savoyen, die engobierten Irdenwaren (Ende 19. bis 20. Jahrhundert)

Keramik der Genferseeregion/Savoyens in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019 (mit Ergänzungen durch Andreas Heege, 2023)

Bei der Zusammenstellung dieses Inventars haben wir besonderes Augenmerk auf die in der Westschweiz gebräuchliche Keramik gelegt, bei der es sich im Allgemeinen um engobierte, glasierte Irdenware handelt (MHL AA.46.D.21). Es versteht sich von selbst, dass die Interpretation dieser Art von Produktion oft schwierig ist, da die verwendeten Technologien und Formen sehr einfach, weit verbreitet und von langer Lebensdauer sind. Das häufige Fehlen von Dekoren und das fast systematische Fehlen von Marken machte unsere Aufgabe nicht leichter. Ausserdem mussten wir feststellen, dass dieses Alltagsgeschirr in den Museumssammlungen nicht sehr gut vertreten ist. Objekte dieser Art haben den Lauf der Zeit nur selten überlebt, eben weil sie im Alltag verwendet wurden und weil ihr banales Aussehen selten einen Konservierungsreflex auslösten.

In den ländlichen Gebieten erwarteten wir, dass die Heimatmuseen, die sich oft mit dem Alltagsleben befassen, mehr Interesse an dieser Art von Geschirr haben würden. Dies ist in der Tat der Fall, sei es in den Kantonen Waadt oder Neuenburg. Diese Einrichtungen sind jedoch im Allgemeinen jüngeren Datums als die städtischen Museen und stammen meist aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und in diesen relativ jungen Sammlungen stellt man fest, dass eine Minderheit der Objekte – in dem Bereich, der uns interessiert – aus ehemaligen einheimischen Familien stammt: Eine grosse Anzahl von Exemplaren wurde von Antiquitätenhändlern erworben oder von Sammlern gestiftet, was die Frage nach der genauen Herkunft der Keramik weiter verwischen dürfte.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass das bewahrte Gebrauchsgeschirr aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem aber aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stammt.

Ältere Exemplare sind selten (z. B. MHL AA.46.D.18; MHL AA.46.D.6; MVVE 5244; MPE Nr. 12; MHV 984; MHPN MH-FA-611; MHPN MH-FA-4061; MHPN MH-FA-525). Aber selbst in diesem modernen Segment bleibt die Ernte relativ bescheiden. Dies gilt für das Alltagsgeschirr, aber auch für die in den Quellen jener Zeit als «künstlerisch» bezeichnete Keramik, die oft aus denselben Werkstätten stammte. Dies ist überraschend, wenn man die Anzahl der bisher erfassten Töpfereien und die Lebensdauer einiger von ihnen bedenkt.

Nach der Untersuchung der Neuenburger und Waadtländer Sammlungen, die wir auch mit den Genfer Beständen (und insbesondere mit der Sammlung Amoudruz des Musée d’ethnographie) verglichen haben, stellten wir eine grosse Homogenität im Bestand der Gebrauchskeramik innerhalb dieses weiträumigen Gebiets fest, das sich von den Ufern des Genfersees bis zum Neuenburger Jura und nach Savoyen (Buttin/Pachoud-Chevrier 2007) erstreckte.

Beispiele hierfür sind diese zylindrischen Behälter für die Konservierung von Lebensmitteln, die in der Genfer Region als «Toupines» bezeichnet werden (MPE 2938; MVB 380B; MVB 380C; MVB 380D; MHPN MH-FA-4427A; MHPN MH-1996-79; MHPN MH-FA-4427B);

oder diese bekannten Bügelkannen mit ihrem röhrenförmigen Ausguss und den Doppelgriffen, die in der Regel mit einer grünen Glasur überzogen sind (MM 920; MM 929; MHPN MH-1996-77).

Weitere Beispiele sind die konischen Aufrahmschüsseln (MM 1014; MHPN MH-1996-78), zu denen auch eines der wenigen gemarkten Stücke aus der Poterie moderne von Chavannes-près-Renens gehört (MHL AA.46.D.22).

Andere Formen sind in den Sammlungen weniger häufig vorhanden, gehören aber zum gleichen Produktionstyp wie diese Tassen und Untertassen (MVM M 193; MVM M 195), Bräter (MHL AA.VL 90 C 690; MVB No 2) oder Schmalztöpfe (Doppelhenkeltöpfe: MVM M 204; MVM M 203).

Im gleichen Verbreitungsgebiet fanden wir zahlreiche Beispiele eines anderen Typs, der zur gleichen Produktionsart gehört, sich aber durch das fast systematische Vorhandensein eines Dekors auszeichnet, der meist aus einem skizzierten floralen Motiv oder einem geometrischen Muster besteht. Bei dieser relativ kohärenten Gruppe von Objekten handelt es sich fast ausschliesslich um zylindrische Milchtöpfe in unterschiedlichen Grössen, die durch einen verdickten und aussen gekehlten oder profilierten Rand gekennzeichnet sind (MVB Nr. 1; MVVE 3210; MPE Nr. 8; MRVT Nr. 68; MRVT BR 4a; MRVT Nr. 67; MRVT BR 4; MPA 914; MPA Bv 4; MPA Bv 15; MPA Bv 12; MPA Bv 5).

Eine Abbildung aus einer ethnologischen Studie (De Freire de Andrade und De Chastonay 1956, Abb. 5) und die zahlreichen vergleichbaren Exemplare im Musée d’ethnographie de Genève in der Sammlung Amoudruz, wo sie fast systematisch «Colovrex» zugeschrieben werden, veranlassten uns am Anfang, sie der Keramik der Töpferei Knecht von Colovrex (oder sogar Ferney-Voltaire) zuzuordnen. Die Sammlung von Amoudruz enthält eine Reihe von Töpfen der gleichen Form mit Gedenkinschriften, datiert zwischen 1914 und 1967. Je mehr Objekte wir untersuchten, desto mehr Unterschiede konnten wir in der Machart feststellen. Diese Variationen lassen sich zum Teil durch die Langlebigkeit dieses Produkttyps erklären, aber sie legen auch die Möglichkeit nahe, dass andere Werkstätten eine sehr ähnliche Typologie übernommen haben.

Und tatsächlich, bei der Durchsicht des im Kanton Neuenburg erfassten Materials, haben wir vor kurzem ein zylindrisches Milchkännchen gefunden, das im Musée régional du Val-de-Travers in Môtiers aufbewahrt wird, das perfekt in diese Kategorie passt und das wir bei der Veröffentlichung des ersten Bandes der gedruckten Version unseres Inventars (Ceramica CH, t. I) nicht berücksichtigt hatten. Dieses Gefäss, das mit einem mehrfarbigen Marmorierungsmuster auf dunkelbraunem Grund verziert ist, trägt jedoch die Prägemarke der “Poterie moderne”  von Chavannes-près-Renens (MRVT Nr. 26)!

Eine Marke, die wir in diesem Stadium unserer Forschungen noch nicht identifiziert hatten und von der wir heute wissen, dass sie 1902 eingeführt wurde, gleich nach der Gründung der Töpferei durch Lucien Ménétrey. Sehr wahrscheinlich blieb sie bis 1905 in Kraft, als der Betrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde (siehe das Kapitel «Les poteries de Renens et de Chavannes-près-Renens»). Dank dieses Exemplars, das unseres Wissens als einziges dieses Typs gemarkt ist, wissen wir nun, dass zylindrische Töpfe dieses Typs nicht systematisch den Knecht’schen Töpfereien zugeschrieben werden dürfen.

Es ist jedoch klar, dass die Knechts mit ihren beiden Betrieben beiderseits der Grenze eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der engobierten Irdenware in der Genferseeregion gespielt haben. In den Jahren 1875–1920 umfasste ihr Sortiment eine feiner ausgearbeitete Art von Keramik, die als «künstlerisch» eingestuft werden konnte, die berühmten patronymischen Kannen (auch «Willkommenskannen» genannt, vor allem in der Ferney-Literatur) mit ihrem unvermeidlichen gemodelten Auflagendekor aus Weinrebenzweigen (MVVE 2355; MVVE 2411).

Die Zuschreibung an die Töpfereien Knecht ist heute dank der beiden einzigen bekannten gemarkten Exemplare, die beide im Musée du Château de Nyon aufbewahrt werden (MHPN MH-2015-9; MHPN MH-2014-10), gesichert. Das Verbreitungsgebiet dieses Gefässtyps, so wie es bisher aussieht, entspricht dem der zylindrischen Töpfe mit skizziertem oder geometrischem Blumendekor, d.h. den Kantonen Genf, Waadt und Neuenburg (siehe oben). Die «Willkommenskannen» dienen somit als Gradmesser für die Stärke der kommerziellen Durchdringung der Knechts in einem Gebiet, das weit über die Grenzen von Genf hinausging. Es ist anzunehmen, dass dieses Phänomen auch die Produktion von Alltagsgeschirr betraf.

Masstabelle für gebrannte Töpferwaren, die von der Föderation der Töpfer der Region Genf, Ferney, Renens, Annecy und der umliegenden Gebiete und von den unterzeichneten Arbeitgebern übernommen wurden.

Angesichts der Unmöglichkeit, das in den Kantonen Neuenburg und Waadt untersuchte Alltagsgeschirr – insbesondere die Objekte ohne Dekor – genauer zuordnenzu können, haben wir beschlossen, es vorläufig unter dem Oberbegriff «engobierte Irdenwaren der Genferseeregion» zusammenzufassen. Ein wertvolles Dokument, das 1984 von Historikern von Ferney-Voltaire veröffentlicht wurde, unterstützt unseren Ansatz: das «Tableau des mesures de poterie cuite adoptées par la Fédération des ouvriers tourneurs de la région de Genève, Ferney, Renens, Annecy et zones environnantes et de Messieurs les patrons soussignés» [Masstabelle für gebrannte Töpferwaren, die von der Föderation der Töpfer der Region Genf, Ferney, Renens, Annecy und der umliegenden Gebiete und von den unterzeichneten Arbeitgebern übernommen wurden] (Ferney-Voltaire 1984, 264–265).

Dieses lithografierte Dokument aus dem Ende des 19. Jahrhunderts (wir persönlich ordnen es zwischen 1893 und 1896 ein) sollte in den Werkstätten angeschlagen werden. Es zeugt von den Bemühungen der Töpfermeister der Genferseeregion, ihre Preisgestaltung zu vereinheitlichen, vielleicht auf Druck der Vereinigung der Dreher (Fédération des ouvriers tourneurs). Die Tabelle legt die Anzahl der Stücke jeder Form fest, die ein Töpfer mit einer bestimmten Menge Ton, dem «compte», herzustellen hatte. Der «compte» war somit die Masseinheit für die Berechnung des Entgelts der Dreher.

Die Tabelle listet etwa 30 Formen in jeweils verschiedenen Grössen auf, Höhe und Breite der Objekte werden auf einen halben Zentimeter genau angegeben. Diese Genauigkeit in den Massen setzte stark standardisierte Formen voraus.

Wir stellen die Existenz einer Art grenzüberschreitender Fachgruppe fest, oder besser gesagt zweier Gruppierungen, die die Arbeitnehmer auf der einen Seite und die Arbeitgeber auf der anderen Seite zusammenbringen. Diese gegenseitige Interessengemeinschaft erklärt sich offensichtlich durch die hohe Durchlässigkeit der Grenze in Bezug auf die Mobilität von Fachkräften. Es liegt auf der Hand, dass zum Beispiel Dreher unabhängig von der Grenze von einer Werkstatt zur anderen ziehen mussten. Die Geschichte der verschiedenen Werkstätten in Nyon oder Renens zeigt deutlich die engen persönlichen Beziehungen zwischen einigen dieser Betriebe und dem Töpferzentrum in Ferney-Voltaire bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts (siehe insbesondere die Kapitel «Nyon VD, La Poterie commune und ihre Nachfolger, Richard Frères» und «Renens VD, die Töpfereien»).

Unter den Unterschriften der Patrons am Ende des Dokuments befindet sich die des Töpfermeisters Alexandre Liotard, der seit 1882 in Ferney-Voltaire tätig war. Für die Knecht-Töpfereien in Colovrex und Ferney-Voltaire ist es offenbar Stanislas, der das Dokument unterzeichnet hat. Nach dem Tod von Lucien im Jahr 1890 wurden die beiden Werkstätten von seiner Witwe Jeanne gemeinsam mit ihren drei Söhnen Stanislas, Arnold und Louis geführt (Buttin/Pachoud-Chevrier 2007, 85-88). Weiter unten figuriert Jean Bœhler, der zwischen 1885 und 1902 die Poterie commune de Nyon leitete. Was die Töpfer von Renens betrifft, so sind sie alle aufgeführt: Samuel Jaccard, seit 1890 in Renens ansässig, Paul Bouchet, der die von seinem Vater 1883 gegründete Werkstatt übernommen hatte, und Émile Mercier, der 1892 seine Töpferei gründete und bis 1898 an der Spitze des Unternehmens blieb. Zur Gruppe der Arbeitgeber gehörten auch vier Genfer Töpfer: Aimé Joseph Amédée Gremaud, ein Töpfer und Ofenbauer, der von 1883 bis 1899 an der Place de la Navigation ansässig war (SHAB, Bd. 1, 1883, 723 – 17, 1899, 1241); Alfred Pouzet, der 1888 die vier Jahre zuvor von seinem Vater Antoine in der Rue de la Terrassière gegründete Töpferei übernahm und bis 1924 weiterführte (SHAB, Bd. 6, 1888, 716 – 42, 1924, 734); Jacob Knecht, ein Neffe von Henry, dem Gründervater der Töpferei Ferney, der an der Seite seines Onkels ausgebildet wurde, bevor er 1884 eine Töpferei in der Rue du Temple in Carouge übernahm (SHAB, vol. 2, 1884, 45), und schliesslich François-Joseph Cartier-Girard, Inhaber einer «Töpferfabrik für Gebrauchskeramik», die er 1893 in Petit-Saconnex (GE) gründete und bis zu seinem frühen Tod 1896 leitete (SHAB, Bd. 11, 1893, 195 – Bd. 14, 1896, 1097). Die letztgenannte Töpferei wurde übrigens 1896 von Louis-Charles Leuba, Jules Genoux und Henri Magnin unter dem Namen Leuba et Co. übernommen (SHAB, Bd. 14, 1896, 1089). Das Landesmuseum in Zürich besitzt einen Wasserkrug zum Servieren von Absinth mit der Marke «G. Girard Genève» (Inv. LM-65630).

Henri Magnin ist ebenfalls unter den Unterzeichnern unserer Tabelle, allerdings auf der Arbeiterseite: Er war damals Präsident der 1892 gegründeten Chambre syndicale des ouvriers tourneurs en poterie du canton de Genève; Magnin hatte dieses Amt mindestens bis 1901 inne (SHAB, Bd. 10, 1892, 934 – Bd. 19, 1901, 782). Einige Jahre später, zwischen 1905 und 1907, war Henri Magnin erneut Direktor der Poterie moderne S. A. von Chavannes-près-Renens (siehe das Kapitel «Chavannes-près-Renens VD, Poterie moderne (S.A.), 1902-1972/73»).

Wie allein aus diesem Dokument hervorgeht, bildeten die Töpfer der Genferseeregion und teilweise Savoyens (Buttin/Pachoud-Chevrier 2007) ein echtes Netzwerk, sowohl auf der Ebene der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ihre Basisproduktion – undekoriertes Alltagsgeschirr bzw. Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie es in den meisten Werkstätten hergestellt wurde – ein sehr homogenes Ganzes bildete.

Um auf die stilisierten oder geometrischen Blumendekore der oben erwähnten zylindrischen Milchtöpfe zurückzukommen, haben wir hier und da sehr ähnliche Ornamente und eine ähnliche Machart auf anderen Formen gefunden. Auf Milchkannen (MVB 380F; MVB 380E; MPA Bc 32), auf einem Teller im Musée du Pays-d’Enhaut in Château-d’Œx (MPE 1336) oder auf einem Teller im Museum von Montreux (MM 766). Die Ähnlichkeit mit den Blumendekors der zylindrischen Töpfe ist besonders auffällig auf einem Teller, der möglicherweise aus der Poterie commune de Nyon stammt, als diese noch von Théophile Thomas-Morello geleitet wurde (MPE 2995). Es ist anzumerken, dass diese wenigen Objekte die einzigen bislang erfassten Beispiele für diese Art von Dekor auf anderen Formen als zylindrischen Töpfen sind. In der Sammlung Amoudruz gibt es nur etwa zehn ähnlich dekorierte Teller oder Milchkannen von insgesamt etwa 400 regionalen Töpferwaren.

Wie eine Ansicht seines Standes auf der Exposition industrielle de Carouge-Acacias im Jahr 1906 zeigt, stellte Jacob Knecht in seiner Töpferei in Carouge ähnlich dekoriertes Geschirr her wie die meisten der oben beschriebenen, häufig verwendeten Gefässe (Dumaret 2006, 141–143, Abb. 113).

Sein Sohn Édouard (1876–1928) trat 1913 die Nachfolge von Jacob an (SHAB, Bd. 32, 1914, 1289). Nach Édouards Tod führte seine Witwe Lina die Arbeit unter dem Firmennamen Veuve Édouard Knecht fort, bevor sie 1930 zusammen mit dem Bildhauer Jean Chomel (1902–1979 – SHAB, Bd. 48, 1930, 903) die Kollektivgesellschaft Knecht & Chomel gründete. Nach dem Tod von Lina im Jahr 1932 übernahm Chomel die Leitung des Unternehmens allein, bevor er im Jahr 1934 die Poterie de Carouge S. A. gründete. Diese Firma ging zwei Jahre später in Konkurs (SHAB, Bd. 52, 1934, 2101 – Bd. 54, 1936, 1984).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:
Schweizerisches Handels-Amtsblatt, ab 1883 (konsultiert über die Webseite e-periodica.ch)

Bibliographie:

Buttin/Pachoud-Chevrier 2007
Anne Buttin/Michèle Pachoud-Chevrier, La Poterie domestique en Savoie, Annecy 2007.

De Freire de Andrade et de Chastonay 1956
Nadège de Freire de Andrade et de Philibert Chastonay, La dernière poterie rustique genevoise. Archives suisses d’anthropologie générale XXI, 8-141.

Dumaret 2006
Isabelle Dumaret, Faïenceries et faïenciers à Carouge. Arts à Carouge: Céramistes et figuristes. Dictionnaire carougeois IV A. Carouge 2006, 15-253.

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Gesellen, fremde im Kanton Bern (ausserkantonale, ausländische)

Orte mit Keramikproduktion im Kanton Bern aufgrund archivalischer Nachweise.

Andreas Kistler, Andreas Heege, 2021

Der Kanton Bern verfügt mit der ämterweise geführten Fremdenkontrolle über eine, ungewöhnliche Quelle zum Handwerk. Trotzdem die Kontrolllisten nicht aus allen Ämtern erhalten sind, ergeben sich grundlegende Informationen zum Hafnerhandwerk im Kanton Bern im 19. Jahrhundert. Zwischen 1810 und 1908 musste jeder ausserkantonale und ausländische Geselle, also auch die Hafnergesellen, der im Kanton Bern Arbeit fand, gemeldet werden und zwar mit dem Arbeitsort und dem Namen des beschäftigenden Hafners, der Arbeitsdauer und dem Namen und Herkunftsort des Gesellen. So verfügen wir heute über eine Liste der Hafnereien (siehe Kartierung grüne Punkte), die sich im 19. Jahrhundert die Beschäftigung eines Gesellen leisten konnten. Ausserdem bekommen wir einen Eindruck, aus welchen Kantonen oder Bundesländern Österreichs oder Deutschlands bzw. Frankreichs (sehr selten) Gesellen zuwanderten. Die Gesellenwanderung ist im 19. Jahrhundert der Motor des technologischen und dekorativen Wandels und trug wesentlich zur Entstehung und Ausbreitung der Keramik “Heimberger Art” bzw. der “Thuner Majolika” bei.

Liste der bernischen Hafner, bei denen fremde Gesellen gearbeitet haben (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Liste der fremden Gesellen nach Alphabet (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Liste der fremden Gesellen nach Land, Kanton/Bundesland, Ort (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Der Zustrom schweizerischer, aber auch deutscher Gesellen nach Heimberg hielt nach 1800 unvermindert an. Zwischen 1810 und 1908 lassen sich in den beiden relevanten Amtsbezirken Thun und Konolfingen die Arbeitsmeldungen für 401 Gesellen aus der Schweiz (inkl. Kanton Bern), 229 aus Deutschland, 19 aus Frankreich (Elsass), 7 aus Österreich und einen aus den Niederlanden bzw. Ungarn nachweisen (StAB, Archivalien der Fremdenkontrolle).

Unter den Gesellen aus Deutschland dominieren die aus Baden und Württemberg weit vor denen aus Bayern, Hessen, Nassau, Preussen oder Sachsen. Unter den schweizerischen Gesellen stammen viele aus den Kantonen Aargau (vor allem Rekingen), Basel (Läufelfingen), Luzern (Malters, Meggen), Sankt Gallen (Berneck und Orte im Umfeld-Altstätten, Au, Balgach, Eichberg, Lüchingen, Marbach sowie Rapperswil, St. Gallen), Schaffhausen (Beggingen, Neunkirch, Ober- und Unterhallau, Thayngen und Wilchingen), Thurgau (Berlingen, Steckborn), Waadt (Duillier, Poliez-Pittet) und Zürich (Bülach, Dällikon, Rafz, Schauenberg, Unterstammheim, Wädenswil und Zürich). Alle diese Gesellen nahmen die Kenntnis des «Heimberg Stils» (Dekortechnik und Motive) mit zurück in ihre Heimatgemeinden und sorgten auf diesem Wege für eine entsprechende Verbreitung.

Da die Unterlagen der ämterweise geführten Fremdenkontrolle wohl korrekt sind, so lassen sich entgegen bisherigen Zahlenangaben in der Literatur (Schwab 1921, 85; «80 Gesellen pro Jahr in den 1850er-Jahren») in keinem Jahr zwischen 1809 und 1908 in der Region Heimberg-Steffisburg mehr als 27 Ameldungen fremder Gesellen nachweisen. Wir müssten also postulieren, dass gleichzeitig etwa 50 weitere, bernische Gesellen beschäftigt wurden. Durchweg mehr als zehn Neuanmeldungen je Jahr charakterisieren offenbar die produktivsten Jahre des Heimberger Gewerbes zwischen 1843 und 1866. Nach diesem Zeitpunkt fallen die Zahlen unter zehn und schwanken zwischen 1880 und 1908 zwischen einem und drei fremden Gesellen je Jahr. Die von Schwab mitgeteilten Streitigkeiten mit den deutschen Gesellen in den 1860er-Jahren (Schwab 1921, 81) finden eine klare Bestätigung in den festgehaltenen Neuanmeldungen. Wurden 1863 und 1864 noch neun bzw. acht deutsche Gesellen für die Region Heimberg verzeichnet, so fiel die Zahl 1865 auf drei, 1866 auf zwei, 1867 auf einen, und 1868 kam gar kein deutscher Geselle mehr. Zwischen 1869 und 1881 sind dann nur noch insgesamt elf deutsche Gesellen dokumentiert. Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass sich das Heimberger Gewerbe offenbar in dieser Zeit in einer grundsätzlichen Krise und Phase der Umstrukturierung befand, denn auch die Zahl der schweizerischen Gesellen war im selben Zeitraum stark rückläufig.

Frz.: Compagnon

Engl.: Journeyman

Bibliographie:

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.

Grenchen SO, Hafnerei  Affolter (1799-1813)

Roland Blaettler (Übersetzung Rudolf Schnyder) 2019

Euseb Affolter errichtete 1799 oberhalb des Dorfes Grenchen, beim sogenannten Schafgässlein (an der heutigen Studenstrasse), eine kleine Hafnerhütte, die von seinen Nachkommen bis ins Jahr 1913 mit einer Belegschaft von zwei bis drei Arbeitern weitergeführt wurde. Die Hafnerei soll – wahrscheinlich in den Anfängen – «blau und weiss glasierte» Ofenkacheln produziert haben, später auch Blumengeschirr, Milchtöpfe und Tassen (Strub 1949, 332).

Erhalten hat sich im Kultur-Historischen Museum Grenchen (KHM 0058) ein 1879 datiertes Tintengeschirr, das aufgrund des Museumseintrages der Hafnerei Affolter zugewiesen wurde.

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014,52

Strub 1949
Strub, Werner, Heimatbuch Grenchen. Die vergangenen Jahrhunderte bis in die Gegenwart dargestellt, Solothurn 1949.

Gross, Nora (1871-1929), Colovrex GE, Heimberg BE, Lausanne VD

Bendicht Loder-Walder, Heimberg, nach einer Skizze von Nora Gross-Perret, 1905 (MHL Nr. 14).

Keramik von Nora Gross in CERAMICA CH

Andreas Heege and Roland Blaettler, 2023

Cécile-Éléonore, genannt Nora Gross (1871–1929), absolvierte eine Ausbildung zur Zeichenlehrerin an der Kunstgewerbeschule Basel und anschliessend am Technikum in Winterthur, wo sie 1890 ihr Diplom erwarb. Von den angewandten Künsten angezogen, ergänzte sie ihre Ausbildung in der Klasse für Keramikdekoration von Joseph Mittey an der Kunstgewerbeschule in Genf. Von 1893 bis 1903 unterrichtete sie an der Höheren Mädchenschule in Morges, bevor sie 1903 ihre eigene Schule für Zeichnen und Kunsthandwerk in Lausanne gründete, die 1924 mit der Kantonalen Zeichenschule fusionierte.

Im Bestreben, das ästhetische Niveau des volkstümlichen Handwerks zu heben und sich für die Weiterführung der von der Industrialisierung bedrohten Hauswerks (Heimarbeit) einzusetzen, war sie 1911 Initiatorin der Société d’art domestique und gehörte 1913 zu den Gründern von L’Œuvre, der Westschweizer Sektion des Schweizerischen Werkbunds. Im selben Jahr heiratete sie Paul Perret (1880–1947), Kunstkritiker, Sekretär von L’Œuvre und Politiker (Abgeordneter, Bürgermeister, dann Staatsrat von 1931–1942).

Nora Gross-Perret (Ball-Spiess 1987, fig. 45).

Während ihrer ersten Jahre als Lehrerin widmete sich Nora Gross der Öl- und Aquarellmalerei. Mittels dieser Techniken interpretierte sie Landschaften und vorwiegend florale Themen. Um die Jahrhundertwende, mit der Gründung ihrer Lausanner Schule, konzentrierte sie sich auf den Bereich der angewandten Kunst bzw. des Kunsthandwerks. Sie fertigte Modelle und entwarf moderne Motive für die Textil- und Keramikindustrie. Ihr künstlerischer Beitrag wird vor allem im Bereich der bedruckten Stoffe zu sehen sein. Im Bereich der Keramik trug sie zu einer Belebung der traditionellen Töpferei (engobierte Irdenwaren), insbesondere in der Region Heimberg-Steffisburg, bei.

Ihre erste Zusammenarbeit mit einer Töpferei geht auf die Jahre 1902/03 zurück, als sie ihre ersten gezeichneten Modelle an die Töpferei Veuve Knecht et fils in Colovrex (GE) lieferte. Das Musée Ariana bewahrt elf Stücke aus dem ehemaligen Kunstgewerbemuseum in Genf (Inv. C 0308, C 0309, C 0310, C 0322, C 0326, C 0327, C 0328, C 0329, C 0330, C 0348 und C 0350 – Ball 1988, Kat. Nr. 1, 3, 4, 6, 8, 9, 12, 13, 17, 21 und 22).

Keramik von Nora Gross und der Töpferei Knecht im Musée Ariana in Genf (alle ohne Herstellermarken).

Diese Objekte sind nicht gekennzeichnet, aber das alte Inventar identifiziert sie eindeutig als «rustikale Töpferwaren», die von Fräulein Gross geschaffen und grösstenteils von der Töpferei Knecht zwischen Ende 1903 und Anfang 1904 erworben wurden. Es ist auch bekannt, dass diese Produktlinie nach der griechischen Göttin «Hera», der Beschützerin der Frauen und der Ehe, benannt wurde.

Im Dezember 1903 stellte Nora Gross Keramiken aus dieser Linie in Lausanne, in den Schaufenstern der Schweizerischen Möbelgesellschaft, Place Saint-François, aus (Lausanner Zeitung vom 30. Dezember 1903, 3). Nach Hervorhebung der «sehr einfachen Formen, mit einfarbigem Untergrund, nüchtern verziert mit floralen oder geometrischen Ornamenten, deren Wert gerade in der Einfachheit des Stils liegt […] Der Dekor ist perfekt an das rustikale Material angepasst», weist der Chronist darauf hin, dass das Kunstgewerbemuseum in Genf vier Keramiken erworben habe.

Die Zusammenarbeit mit der Familie Knecht war nur von kurzer Dauer, da sie dort unzufrieden war. Nora Gross wandte sich bald an einen anderen Hersteller in Heimberg, einem der historischen Zentren der traditionellen Berner Töpferei: Bendicht Loder-Walder.

1903/1904 Nach Daniela Ball begann die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Bendicht Loder-Walder und der Keramikdesignerin Nora Gross aus Lausanne bereits 1903 (Ball 1987, 111 – siehe auch Messerli Bolliger 1991, 74, Abb. 45).  In einem Artikel in der NZZ vom 20. November 1906 berichtet der unbekannte Redakteur über eine Reise nach Heimberg im August 1904 und beschreibt seine Suche nach dem Hafner und der Werkstatt, die die moderne Keramik herstellte. Nachdem er zunächst zwei Werkstätten besucht hatte, die einerseits Thuner Majolika mit Edelweissmotiven und andererseits modernere Schlickermalereien fertigten, wie man sie “an einem Stand unter den  Bögen am Limmatquai kaufen kann” (Hafnerei Wächter-Reusser), kam er schliesslich zur Werkstatt Loder-Walder. “Es wurde vor diesem Hause gerade ein prächtiger Erntewagen abgeladen, der alle verfügbaren Hände in Anspruch nahm. Wir wurden deshalb nicht sehr freundlich aufgenommen; erst als der Mann allmählich merkte, dass wir uns für seine Sachen interessierten, wurde er gesprächig und holte allmählich eines um das andere von den hübschen Mustern der Fräulein Gross von den Schäften herunter und erzählte von seinen Bestellungen aus Interlaken und von seinen Sendungen nach Berlin. Wir unterhielten uns so gut, dass wir fast zu spät zur Bahn kamen, schwer beladen mit Heimberger Geschirr. Dies alles ist uns wieder frisch ins Gedächtnis getreten, als wir diese Keramiken [im Dezember 1906] in der Kunsthandlung Weil an der Bahnhofstrasse [in Zürich] ausgestellt sahen. Sie werden hoffentlich einen guten Absatz hier finden, handelt es sich doch um echtes Schweizerfabrikat und gesunde Heimkunst.”

Im Herbst 1904 wurden Nora Gross’ Keramiken an der Schweizerischen Landesausstellung der schönen Künste im Palais de Rumine in Lausanne gezeigt (La Liberté 34, Nr. 223, 29. September 1904 ; Le Confédéré de Fribourg, 57, Nr. 81, 9. Oktober 1904, auch Gazette de Lausanne, Besprechung durch Maurice Wirz ; Ball-Spiess 1987, 152).  Das Kunstgewerbemuseum in Genf kaufte bei dieser Gelegenheit eine glasierte Terrakotta von Nora Gross. Es ist nicht sicher, ob sie bei dieser Ausstellung bereits ihre Heimberg-Keramik präsentiert hat.

Die nächsten Erwähnungen ihrer neuen keramischen Kreationen stammen aus dem Jahr 1905, als sie mit grossem Erfolg in einer ihnen gewidmeten Ausstellung des Kantonalen Kunstgewerbemuseums in Bern präsentiert wurden (Le Nouvelliste vaudois vom 3. Mai 1905, 2 – Gazette de Lausanne vom 13. Mai 1905, 3 und 5). Am Rande sei bemerkt, dass der Bericht in Le Nouvelliste eine erste Erklärung für den Bruch zwischen Gross und der Firma Knecht lieferte: «Fräulein Gross hatte zuerst unter den Töpfern von Ferney [der Ortsfehler erklärt sich dadurch, dass die Töpferei Knecht in Ferney-Voltaire eine zweite Werkstatt betrieb] nach dem Handwerker gesucht, der ihre Kreationen herstellen konnte, aber die Vorurteile, auf die sie stiess, hatten den glücklichen Effekt, dass sie schweizweit nach dem Mitarbeiter suchte, den sie brauchte. Sie fand ihn in Heimberg.»

Bericht über die Ausstellung im Kunstgewerbemuseum in Bern im «Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern – 52, Nr. 36, vom 6.6.1905.

Keramik von Bendicht Loder-Walder und Nora Gross in der Sammlung des Historischen Museums von Lausanne.

Die überwiegende Mehrheit der von Loder-Walder hergestellten Keramiken trägt eine eingeritzte Marke «BL (oder BLW) – Nora Gross» und eine geritzte Formnummer. Fünf Stücke befinden sich in der Sammlung des Historischen Museums von Lausanne (MHL Nr. 14; MHL Nr. 17; MHL Nr. 18; MHL Nr. 25; MHL Nr. 26). Drei Keramiken befinden sich in der Schule für Gestaltung Bern und Biel.

Im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich finden sich drei Vasen von Nora Gross und Bendicht Loder-Walder (SNM LM-70629, SNM LM-70630, SNM LM-149623). Marken “BL Thoune” und “BLW”.

    

Das Musée Ariana bewahrt 15 Exemplare dieser Kategorie, die 1905 und 1906 vom ehemaligen Kunstgewerbemuseum in Genf erworben wurden (siehe Ball 1988 Kat. Nr. 2, 5, 7, 8, 10, 11, 14-16, 18-20, 23-26).

Fünf zusätzliche Beispiele finden sich auch in der Sammlung des Gymnasiums Lerbermatt in Köniz (Kön-Lerb_01 bis Kön-Lerb_05). Leider haben wir keine Ahnung, wann diese Stücke in die Sammlungen der vorherigen Institution, des Staatlichen Seminars Bern – Lerbermatt, gelangt sind. Wir stellen fest, dass sich die Signaturen von denen der vorherigen Gruppe unterscheiden, den Grund dafür können wir nicht angeben.

Sammlung des Gymnasiums Lerbermatt in Köniz, Marke “BL Thoune”.

Mit Bendicht Loder entwickelte Gross eine deutlich feiner ausgearbeitete Produktlinie, vor allem in Bezug auf die Farbe. Die engobierten Dekore sind nicht mehr wie bei Knecht mit einer einfachen farblosen Glasur überzogen, sondern mit farbigen Glasuren, die einen schönen Farbreichtum aufweisen und zudem im Laufdekor hervorgehoben sind.

Die von Loder-Walder hergestellten Keramiken tragen eine eingravierte Marke «BL (oder BLW) – Nora Gross» und eine eingeprägte oder eingeritzte Formnummer. Private Sammlungen Schweiz.

Keramik von Nora Gross und Bendicht Loder-Walder befindet sich auch in einigen schweizerischen Privatsammlungen (Messerli 2009, Abb. 74-77).

Das Kunstgewerbemuseum in Zürich bewahrt eine weitere Vase aus dieser Zeit (ZHdK-KGS-08457). Das Historische Museum in Lausanne und die Schule für Gestaltung Bern und Biel besitzen je ein ungewöhnliches Milchkännchen mit Johannisbeerdekor (MHL AA.VL 2004 C6006 und SfGB 453).

Im Herbst 1905 wurde eine grosse Verkaufsausstellung sowohl im Grand Bazar in Neuenburg als auch im «Maison d’Art» in Genf organisiert (La Suisse Libérale 42, Nr. 267, 14. November 1905 und 42, Nr. 296, 17. Dezember 1905) und sehr positiv von Philippe Godet und von Georges Hantz, dem Direktor des Kunstgewerbemuseums in Genf besprochen, der auch einige Stücke für sein Museum erwarb.

Im Juni 1906 fand im La Grenette in Lausanne die «2. Ausstellung der Malerinnen der französischen Schweiz» statt. Auch Nora Gross nahm mit ihren «hübschen Vasen» teil (La Suisse Libérale 43, Nr. 132, 10. Juni 1906). Im Juli 1906 werden ihre Keramiken in Fribourg im Schaufenster von Georges Clément in der Grand’Rue ausgestellt. Sie werden bewundert und detailliert beschrieben (La Liberté, 36, Nr. 156, 11. Juli 1906). Ihre Produkte wurden auch in Basel gelobt und verkauft (Illustrierte Schweizerische Handwerker-Zeitung Nr. 38, 20.12.1906, 613).

Im November 1906 wurde ein Teil  ihrer Produktion auch in der Kunsthandlung Weil an der Bahnhofstrasse in Zürich ausgestellt und von der NZZ (Neue Zürcher Zeitung, Archiv) vom 20. November 1906 sehr wohlwollend aufgenommen. Dieser Artikel enthält auch einen Bericht, vom Sommer 1904, über eine Reise nach Heimberg ins Atelier Loder-Walder.

Postkarte 1908, «Fabrique de poterie P. Pasquier-Castella».

Im Jahr 1907 veröffentlichte der Indicateur vaudois unter der Rubrik der in Renens ansässigen Töpferfabriken eine Werbeanzeige mit dem Titel «Fabrique de poterie P. Pasquier-Castella – Gebrauchskeramik, Blumenvasen, Schornsteinröhren und -aufsätze, Drainage- und Abwasserrohre – Kunstkeramiken von Fräulein Nora Gross» (S. 389). Pasquier – der neue Mieter der Keramikfabrik von Renens S. A. – begnügte sich also nicht mit den traditionellen Produkten des Unternehmens, sondern versuchte, auch eine echte künstlerische Linie einzuführen, entworfen von einer unabhängigen Künstlerin. Das obige Inserat ist jedoch fast die einzige Erwähnung, die wir über diese Zusammenarbeit gefunden haben.

Ansonsten gibt es noch einen Aufsatz zur Keramik von Nora Gross aus der Feder von Edmond Gilliard, der ebenfalls aus dieser Zeit stammen dürfte. Die kleine Werbeschrift trägt auf der Rückseite erneut einen Hinweis auf Pasquier-Castella, der sich als alleiniger Kommissionär für die Keramiken von Nora Gross anpreist. Fast derselbe Text erschien auch noch einmal im Jahr 1913 in “Blätter für den Zeichen- und gewerblichen Berufsunterricht – Revue suisse de l’enseignement professionell 38, Heft 8, 60-63“.

Die Zusammenarbeit war wahrscheinlich nur von kurzer Dauer, zudem haben keine Objekte identifiziert werden können, die davon zeugen würden (siehe auch den Artikel «Les poteries de Renens und Chavannes-près-Renens»).

Keramiken von Bendicht Loder-Walder und Nora Gross in der Weihnachtsausstellung des Kunstgewerbemuseums Bern 1907 (Jahresbericht 1907 des Kantonalen Kunstgewerbemuseums Bern).

Der Tod von Bendicht Loder-Walder im November 1909 bedeutet nicht das Ende der Produktion der von Nora Gross entworfenen Formen und Dekore, da die Werkstatt weiterhin bestand und wohl auch dieselben Keramikmalerinnen tätig waren. Ein Hinweis in diese Richtung dürfte eine 1911 durchgeführte Ausstellung der Société des peintres et sculpteurs suisses, der Gesellschaft Schweizerischer Maler und Bildhauer, im Kunsthaus in Zürich sein. Die ausgestellten Keramiken von Nora Gross wurden von Albert Baur, Chefredakteur der Zeitschrift Wissen und Leben  (Schweizer Monatsschrift für allgemeine Kultur, Bd. 8, 1911, 160), als «interessante keramische Arbeiten» hervorgehoben. Auch die NZZ berichtete mit Hinweis auf die Fertigung durch Loder-Walder über diese Ausstellung (9.4.1911, 20.4.1911, 29.4.1911). Die Annahme der kontinuierlichen Produktion wird auch durch Bemerkungen von Paul Wyss (1914, 150) unterstützt. An der Berner Landesausstellung 1914 wurden in der 23. Gruppe: Keramische und Glaswaren einige Exponate von Loder-Walder nach Entwürfen von Nora Gross gezeigt. Ein Vermerk im Ausstellerverzeichnis belegt, dass die keramischen Entwürfe von Nora Gross jeweils von Ausmacherinnen der Werkstatt Loder-Walder umgesetzt wurden. Interessant erscheint dabei, dass Loder-Walders neue Kollektion gleichwohl noch als Majoliken bezeichnet wurde: „Gebrüder Loder, Töpferei, Heimberg. Fabrikation von Majolika unter künstlerischer Mitarbeit von Frau Nora Gross, Lausanne. Anfertigung nach Entwürfen in prompter Ausführung.“ (zitiert nach Messerli 2009, 70). Der Fachbericht zur Landesausstellung (Band VI zu Gruppe 23, S. 73) kritisiert in diesem Zusammenhang: “Gebrüder Loder, Heimberg, brachten Töpfereien nach Entwurf von Frau Nora Gross, Lausanne. Es begegnete uns wenig Neues, das Meiste war uns bekannt von früheren, von der Künstlerin veranstalteten kleineren kunstgewerblichen Ausstellungen”.

Im April 1911 veranstaltete das Industriemuseum Freiburg eine Verkaufsausstellung von Nora Gross und den «Töpfern von Langnau», wobei Letztere namentlich nicht genannt wurden. Die Ausstellung wurde von Hélène de Diesbach in der Zeitung La Liberté  vom 11. April 1911 ausführlich kommentiert. Während der Ausstellung verkaufte Georges Clément die Keramiken von Nora Gross in seinem Geschäft in der Grand-Rue 10 in Freiburg. In seinen Anzeigen hob er die grosse Auswahl an Vasen hervor (La Liberté 12.4.191114.4.1911). Die Ausstellung dauerte bis Oktober desselben Jahres (La Liberté , 31. August 1911).

Nora Gross beteiligte sich 1911 auch an der Ausstellung «L’art domestique» im Museum Rath in Genf (Ball-Spiess 1987, 152; Michelle Biéler, Wissen und Leben, Bd. 9, 1911, 422-423). Am 31. Oktober 1911 war sie Mitgründerin der Société d’art domestique (Feuille officielle suisse du commerc FOSC, Schweizerisches Handelsamtsblatt SHAB 29, Nr. 299, 2012).

Wissen und Leben, Vol. 11, 1912-1913, 374.

1912 besprach Nora Gross die Arbeiten von Elisabeth Eberhardt, die im Kunstgewerbemuseum Aarau ausgestellt waren, sehr positiv.

Im Dezember 1912 stellte Nora Gross ihre Keramiken in der Lausanner Buchhandlung Le Petit-Chêne aus: zwischen zwei- und dreihundert Stück, «keines gleicht dem anderen […] Die geniale Töpferin hat einen unerschöpflichen Vorrat an Formen und Dekoren. Töpfe, abwechselnd im japanischen, ägyptischen, persischen, etruskischen, innerschweizerischen Stil, ohne dabei ihr kleines besonderes Zeichen zu verlieren, die Marke N. G. Es ist ein Garten der Vielfalt, und auch der Farbe. Verschiedene Rottöne wie Terra di Siena gebrannt, Indischrot, Erdbeerrot, Kirschrot, Ziegelrot und Zinnoberrot; Grüntöne wie Hellgrün, Apfelgrün, Pistaziengrün, Moosgrün, Olivgrün, Smaragdgrün […]» (Gazette de Lausanne vom 31. Dezember 1912, 5; Ball-Spiess 1987, 152). Liest man diese enthusiastische Beschreibung, wird einem klar, dass Gross’ keramische Palette alles andere als begrenzt war.

Keramik, entworfen von Nora Gross und hergestellt in Heimberg (Anner 1916, Tafel 39). Wer arbeitete nach dem Tod von Bendicht Loder-Walder 1909 in Heimberg für Nora Gross? Wurden alle diese Keramiken damals von Christian Frank-Jenni (siehe unten) ausgeführt?

Im Buch «Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz – L’artisanat d’art des femmes en Suisse» (Anner 1916) figurierten Nora Gross, zusammen mit Elisabeth Eberhardt (aus Lenzburg, Kanton Aargau), Anna Müller (aus Grosshöchstetten, Kanton Bern), Frieda Lauterburg (aus Langnau im Emmental, Kanton Bern) und Elisabeth Gött-Strasser (aus München, Deutschland) unter den herausragenden Keramikerinnen.

In den Jahren 1916-1918 experimentierte Nora Gross mit einem anderen Typ Keramik, dem industriell produzierten Steingut, indem sie gezeichnete Formen und Dekore an die Manufacture de poteries fines de Nyon lieferte, die bis 1917 von Jules Michaud und danach von seinem Sohn Louis geleitet wurde (Pelichet 1985/2, 36). Diese neue Produktvielfalt wurde 1916 im Rahmen der von L’Œuvre organisierten Wanderausstellung zum Thema «Arts du feu» präsentiert, wo man ein schwarz-weisses Service, Teedosen, Schalen und Bonbondosen von Nora Gross bewundern konnte (Gazette de Lausanne vom 27. Mai 1916, 3 – Les arts du feu 1916, Kat.-Nr. 141–145).

Fotos von der Ausstellung in den Galeries Léopold-Robert, Neuenburg:

Foto – céramiques de Nora Gross, Foto, Foto, Foto, Foto

In einem Bericht über die ebenfalls von L’Œuvre organisierte Exposition d’intérieurs ouvriers in Lausanne im Jahr 1918 erwähnt der Chronist – kein Geringerer als Paul Perret, Nora Gross’ zukünftiger Ehemann – «ein Tafelservice und ein Kaffeeservice, schwarz-weiss dekoriert, komponiert von Frau Nora Gross und ausgeführt von der Töpferei Michaud in Nyon, ein schönes Beispiel dafür, was die wohlverstandene Zusammenarbeit von Kunst und Industrie ergeben kann» (Tribune de Lausanne, 3. Dezember 1918, 2).

Keramiken von Nora Gross aus der Manufacture de poteries fines de Nyon, unter der Leitung von Jules Michaud.

Die bisher einzigen Beispiele dieses Typs in einer öffentlichen Sammlung befinden sich im Historischen Museum von Lausanne: drei Bonbonnièren (MHL Nr. 13; MHL Nr. 11), zwei Dosen (MHL Nr. 15; MHL Nr. 16), eine kleine Vase (MHL Nr. 27) und eine zylindrische Dose von 1916 (MHL Nr. 24). Alle diese Stücke tragen eine aufgemalte Marke «N. G.».

Im Jahr 1916 wurde Nora Gross zu einer kurzen Zusammenarbeit mit der Schweizer Keramikschule von Chavannes-près-Renens berufen: eine Nachricht in der Feuille d’avis de Lausanne vom 10. Juni 1916, S. 23, erwähnt ihre Ernennung durch den Staatsrat als Zeichenlehrerin.

Das Historische Museum von Lausanne ist auch die einzige öffentliche Institution, die Beispiele einer anderen Zusammenarbeit der Lausanner Künstlerin bewahrt: fünf Stücke engobierte Irdenware, die eine eingeritzte Marke «Nora Gross – C. F.J.» zusammen mit einer eingeritzten Modellnummer zeigen (MHL Nr. 19; MHL Nr. 20; MHL Nr. 21; MHL Nr. 22; MHL Nr. 23). Daniela Ball identifizierte diese Werkstatt als die Töpferei von Christian Frank-Jenni in Steffisburg. Christian Frank (1865-1950), Nachkomme einer seit dem frühen 19. Jahrhundert in Steffisburg ansässigen Töpferfamilie, betrieb mit seiner Frau Bertha, geb. Jenni (1864-1946), eine Töpferei an der Unteren Bernstrasse (Buchs 1988, 98).

Bislang ist diese Zusammenarbeit nur durch die wenigen Exemplare aus dem MHL belegt. Ball datiert den Beginn dieser Produktion um 1918 (Ball 1987, 114). Die alten MHL-Inventare erwähnen ein Stück – das wir nicht gefunden haben – mit der Inventarnummer 885 und einer Marke «C. F. J.», erworben vom Kunstgewerbemuseum im Jahr 1919.

Nach 1918/1920 scheint sich Nora Gross wieder verstärkt anderen dekorativen Kunsttechniken zugewendet zu haben, wie dem Aquarell oder dem Textildruck (Liste der Ausstellungen 1919-1924 Ball-Spiess 1987, 152-153), doch ist ihre Teilnahme 1921 an der Keramikausstellung in der Kunstgalerie Wolfsberg an der Bederstrasse in Zürich (Das Werk – L’Œuvre 8, 1921, Bd. 4, XVIII) bezeugt.

Im Jahr 1922 nahm sie mit 46 Objekten an der von L’Œuvre organisierten 1. Nationalen Ausstellung für angewandte Kunst in Lausanne teil, einem Grossereignis, bei dem sie eine der Hauptprotagonistinnen war (Kat. Nr. 138-169). Daniela Ball glaubt, dass diese Keramiken in den Werkstätten der Schweizer Keramikschule in Chavannes-près-Renens, Kanton Waadt, hergestellt wurden, dank der Kontakte, die mit den Verantwortlichen der Einrichtung bestanden (Ball 1988, 125). Das Musée Ariana bewahrt eine Bonbonnière, die anlässlich der Ausstellung 1922 erworben wurde (Inv. C 0797 – Ball 1988, Kat. Nr. 28), und eine im gleichen Zusammenhang bestellte, aber erst im folgenden Jahr gelieferte Deckelvase (Inv. C 0800 – Ball 1988, Kat. Nr. 29). Diese beiden Exemplare tragen eine eingeritzte Marke «Nora Gross», begleitet von einer Modellnummer.

Das Musée historique in Lausanne besitzt eine weitere Bonbonnière (MHL No 12), die in diesem Kontext relevant ist und ebenfalls 1922 entstanden sein dürfte. Sie weisst dieselbe Marke auf, wie die Bonbonnière aus dem Musée Ariana.

1923 folgte eine weitere kleine Ausstellung von L’Œuvre und dem Werkbund mit Keramiken von Nora Gross in Lausanne (Das Werk– L’Œuvre 10, Nummer 11, XVI). Ebenfalls 1923 war sie mit Keramiken an der Ausstellung der Schweizerischen Gesellschaft der Malerinnen und Bildhauerinnen in Genf vertreten (Le mouvement féministe : Organe officiel des publications de l’Alliance nationale des sociétés féminines suisses 11, 1923, 39).

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie: 

Anner 1916
Franziska Anner, Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz, Chur 1916.

Ball-Spiess 1987
Daniela Ball, “Wie ist das Kunstgewerbe in der Schweiz zu heben und zu pflegen?” Der Beitrag von Nora Gross (1871–1929) zur ästhetischen Erziehung. Dissertation,  Phil.-Hist.-Fakultät Universität Basel. Dissertationsdruck Bern 1987.

Ball 1988
Daniela Ball, Nora Gross (1871-1929). Genava 36, 117-135.

Barten 1998
Sigrid Barten, Nora Gross, in: Cerâmica da Suìça do Renascimento aos nossos dias. Ceramics from Switzerland from Renaissance until the Present. Museu Nacional do Azulejo, Lissabon 1998, 141-146.

Buchs 1988
Hermann Buchs, Vom Heimberger Geschirr zur Thuner Majolika. Thun 1988.

Edmond Gilliard, Les nouvelles poteries de Nora Gross, Revue suisse de l’enseignement professionel 15.4.1913, S. 61

Les arts du feu 1916
Exposition des arts du feu. Verrerie, céramique, émaux, vitraux, mosaïque. Cat. d’exposition, Genève/La Chaux-de-Fonds/Neuchâtel/Zurich/Lausanne 1916.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert. Zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen. Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 7-100.

Pelichet 1985/2
Edgar Pelichet, Les charmantes faïences de Nyon. Nyon 1985.

Hängelen BE, Hafner Häberli

Blick auf Hettiswil, Grauenstein und Hängelen, im Mittelgrund Hindelbank, am linken Bildrand der Wald Richtung Bäriswil. Im Vordergrund ist die Lage der bekannten Tongrube von 1809 markiert. 1 Lage der Parzelle des ehemaligen, 1947 abgebrannten Hafnerhauses Hängelen 50 (heute Hängelen 1). 2 Lage des von Hans Häberli (1704–1788) bewohnten Hauses Hängelen 59 (heute Hängelen 22) und des kurzfristig vom Hafner Jakob Häberli (1732–1780) genutzten Hauses Hängelen 60 (heute Hängelen 24). 3 Lage des 1822 von Johannes III (1778–1851) und Bendicht Häberli (1787–1840) neu erbauten Hauses Hängelen 56 (heute Hängelen 10). (Foto Daniel Maurhofer, Ankermedia 2019)

Andreas Heege, Alfred Spycher, Andreas Kistler 2020

Hängelen, heute ein Teil der Gemeinde Krauchthal bzw. der Ortschaft Hettiswil, ist ein wenig bekannter bernischer Töpferort in der unmittelbaren Nachbarschaft, östlich von Bäriswil. Hier produzierten während drei Generationen oder 70 Jahren sechs Hafner Geschirrkeramik und Kachelöfen (ca. 1747 bis 1817).

Der Krauchthaler Chronist Peter Schertenleib schrieb 1826: „Die Gebrüder Häberli [Johannes, 1778–1851, und Bendicht, 1787–1840] in der Hängelen üben gegenwärtig keinen Beruf aus. Es ist zu wünschen, dass sie ihr Handwerk bald wieder anfangen, da sie den Ruhm des bekannten Hängelengeschirrs stets behauptet haben“ (Schertenleib 1826, 56–57).

Es ist anzunehmen, dass Peter Schertenleib wusste, wovon er schrieb, da er am 30. April 1818 in den Gemeinderat von Krauchthal gewählt wurde und von Mai 1818 bis mindestens Januar 1830 Gemeinderatspräsident war. So sass er also immerhin 6 Jahre (1818–1824) mit dem Hafner Johannes III Häberli (1778–1851) im Gemeinderat zusammen (Gemeindearchiv Krauchthal). Nach 1817 erscheint der letzte Hafner Johannes III nur noch als «Chorrichter» oder «Alt-Chorrichter», aber niemals mehr als «Hafner». Wir können nur spekulieren, dass die klimatisch und wirtschaftlich schwierigen Bedingungen der Jahre 1816–1821, die auch die Hafner Kräuchi in Bäriswil und Staub in Langenthal in den Konkurs bzw. wirtschaftlichen Ruin trieben, Anlass waren, sich aus dem Hafnerhandwerk zurückzuziehen. Es ist also wohl kein Zufall, dass im November 1820 Hafner Aeschlimann aus Burgdorf im Pfarrhaus in Krauchthal den alten Kachelofen reparieren und einen neuen setzen durfte.

Die obige Notiz war der Anlass sich mit den Hafnern Häberli von Hängelen ihrem Stammbaum, ihrem Besitz und den Hafnergrundstücken sowie der Frage nach ihren Produkten und dem Rätsel um die Kachelöfen im Bäriswiler Stil zu beschäftigen (umfassend jetzt Heege/Spycher/Kistler 2020). Die Kachelöfen im Bäriswiler Stil wurden in diesem Zusammenhang erstmals umfassender zusammengestellt und behandelt, da sie zum Zeitpunkt der Bäriswil-Publikation (Heege/Kistler/Thut 2011) noch unbekannt waren bzw. erst wenig später entdeckt wurden (Heege 2012).

Vorab bleibt festzuhalten, dass die familiengeschichtlichen Forschungen keinen Nachweis erbracht haben, dass es direkte verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Hafnern Häberli, die im 18. und 19. Jahrhundert in Münchenbuchsee arbeiteten, und den Hafnern Häberli aus Hängelen gibt. Auch besteht keine erkennbare verwandtschaftliche Beziehung zu den Hafnern Häberli, die sich zwischen 1861 und 1941 in Jegenstorf nachweisen lassen. Diese gehören nachweislich zum Stammbaum der Häberli von Münchenbuchsee (Bürgerrodel Gemeinde Münchenbuchsee 2,81; 3,151; 5,151). Eingebürgert waren Häberlis vor 1800 im Kanton Bern nur in den Gemeinden Krauchthal, Münchenbuchsee und Jegenstorf, jedoch gab es zahlreiche weitere Heimatberechtigte gleichen Namens in den Kantonen Luzern, Thurgau und Zürich (Familiennamenbuch der Schweiz, Online-Version).

Die Hafner von Hängelen gehörten zur grossen Gruppe der relativ armen landsässigen Bevölkerung im Kanton Bern im 18. Jahrhundert, die aufgrund ihrer nur kleinen Taunergrundstücke nicht allein von der Landwirtschaft leben konnte. Sie mussten für den Lebensunterhalt zwingend ein zusätzliches Handwerk ausüben. Aufgrund des Bürgerregisters von 1798 wissen wir, dass damals mindestens 83 Hafner an 26 Standorten im Kanton Bern tätig waren (Heege/Kistler 2017b, 45 Fig. 7).

Den archivalisch nachweisbaren Hafnern von Hängelen aus dem 18. Jahrhundert gehen noch drei Generationen von Häberlis mit anderen Berufen voraus (Stammbaum). Der Stammbaum enthält keine Totgeburten oder ungetaufte Kinder. Er fokussiert auf die Linie der Hafner Häberli und lässt die Entwicklung anderer Seitenzweige unberücksichtigt.

Die Genealogie der Hafner Häberli von Hängelen konnte in wünschenswerter Genauigkeit ermittelt werden. Das gleiche gilt für die bewohnten und genutzten Hafnerhäuser und Grundstücke. Anders sieht es mit den Produkten, den Kachelöfen und der Geschirrkeramik der Hafner Häberli aus. Hier kann zur Zeit, trotz der Tatsache, dass in Mattstetten und Ittigen (heute Diessbach bei Büren) zwei Kachelöfen mit dem Namenszug «Johannes Häberli» existieren, keine sichere Entscheidung getroffen werden.

Mattstetten «Schlössli», Bäriswilstrasse 15, Kachelofen von 1781 im «Bäriswiler Stil», Signaturenkachel «Johanes Häberlj»

Beim momentanen Stand der Diskussion ist man eher geneigt, den Namenszug als vom Ofenmaler (aus Bäriswil) gemalte Signatur des Kachelofenproduzenten (aus Hängelen) zu werten. Die Hafner Häberli hätten demnach in den frühen 1780er-Jahren möglicherweise den Schulmeister Ludwig Kräuchi (1743–1814) aus Bäriswil als Ofenmaler beschäftigt, der die Öfen im «Bäriswiler Stil» dekorierte.

Zumindest für das Jahr 1785 lässt sich belegen, dass auch der bernische Ofenmaler Peter Gnehm für die Häberlis arbeitete. Einfachere Dittlinger-Öfen und Häberli-Öfen könnten daher völlig identisch aussehen und nicht unterscheidbar sein. Das gleiche gälte dann für Kachelöfen, die im «Bäriswiler Stil» bemalt sind, da auch die Kräuchis in Bäriswil Kachelöfen produzierten.

Insgesamt darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Zuweisung der Geschirrkeramik im «Bäriswiler Stil» zu Bäriswil und den Hafnern Kräuchi auch nur auf wenigen, allerdings begründeten Argumenten und Indizien beruht (z. B. Modelfunde in der Bäriswiler Röhrenhütte). Angesichts der gemeinsamen Tonlagernutzung der Hafner von Bäriswil, Hängelen und Jegenstorf sind im vorliegenden Fall naturwissenschaftliche Untersuchungen zur Klärung der Herkunftsfrage leider ebenfalls sinnlos. Das einzige was uns in Zukunft Schritte weiter bringen könnte, wären, wie das Beispiel Langnau Sonnweg 1 gezeigt hat (Heege/Kistler 2017a, 153–183), Grabungen auf den wichtigsten Hafnergrundstücken in Bäriswil und Hängelen. Das dabei möglicherweise zu bergende Abfallspektrum dürfte verlässlichere Aussagen über die Produktion und das Spektrum der Gefässformen und Dekore gestatten.

Eine umfassende Studie mit allen Quellen und einer Zusammenstellung aller Kachelöfen im Bäriswiler Stil bietet:  Andreas Heege/Alfred Spycher/Andreas Kistler, Die Hafner von Hängelen und das Rätsel der Bäriswiler Kachelöfen, in: Gemeindebuch Krauchthal, 2020, 173-256.

Das Buch kann bestellt werden: Gemeindeverwaltung Krauchthal, Länggasse 1, 3326 Krauchthal, Tel. 034 411 80 80, Fax 034 411 80 89, info@krauchthal.ch (Postversand 45 CHF)

Bibliographie

Heege 2012
Andreas Heege, Kräuchis Chacheli und Öfen, Töpfe, Teller, Kachelöfen: Keramik aus Bäriswil (1758-1821), in: Alpenhorn-Kalender, Brattig für das Berner Mittel- und Oberland, 2012, 136–142.

Heege/Kistler 2017a
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Heege/Kistler 2017b
Andreas Heege/Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, 17e-19e siècles – Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.-19. Jahrhundert – Die Sammlung des Musée Ariana, Genf, Mailand 2017.

Heege/Kistler/Thut 2011
Andreas Heege/Andreas Kistler/Walter Thut, Keramik aus Bäriswil. Zur Geschichte einer bedeutenden Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 10), Bern 2011.

Heege/Spycher/Kistler 2020
Andreas Heege/Alfred Spycher/Andreas Kistler, Die Hafner von Hängelen und das Rätsel der Bäriswiler Kachelöfen, in: Krauchthaler Jahrbuch, 2020, 173-256.

Schertenleib 1826
Peter Schertenleib, Einige Beiträge einer topographisch-statistisch-landwirtschaftlichen Beschreibung der Kirchgemeinde Krauchthal. Handschriftliche Aufzeichnungen vom 12. Oktober 1826 (Burgerbibliothek Bern. GA Oek.Ges.125 (7). , Krauchthal 1826.

Schweingruber 1971
Max Schweingruber, Handwerk und Gewerbe, in: Lehrerschaft des Amtes Burgdorf und Kirchgemeinde Utzenstorf und Bätterkinden in Verbindung mit der Gemeinde Krauchthal (Hrsg.), Krauchthal Thorberg. Ein Heimatbuch, Burgdorf 1971, 210–242.

 

Hasle bei Burgdorf, Adolf Gerber (1859-1919), Töpferei in der Tschamerie

Andreas Heege und Andreas Kistler 2020

Adolf Gerber, Heimatort Langnau, lebte von 1859 bis 1919. Er ist der erste Hafner in seiner Familie. Adolf Gerber gründete die Töpferei in Hasle, in der Tschamerie  im Jahr 1902. Wo er seine Lehre gemacht und vorher gearbeitet hat, entzieht sich unserer Kenntnis.  Am 17. Juli 1877 finden wir ihn als Kandidaten der Sektion Oberburg  des Grütlivereins (Patriotischer Verein von Handwerksgesellen und Arbeitern) und mit der Berufsbezeichnung Hafner (Der Grütlianer 26, Nr. 57, 17.7.1877). Vermutlich war er also bei irgendeinem der Hafner von Oberburg  oder Burgdorf beschäftigt.

Von seinen beiden Hafnersöhnen sollte Adolf (1879-1951) mit seiner Werkstatt in Langnau der bedeutendste werden. Der zweite Sohn Johann Friedrich (1881-1935) betrieb eine Töpferei in Grünen bei Sumiswald, Bernstrasse 3. Adolfs Tochter Ida (1897-1954) heiratete  1919 den Töpfer Franz Aebi (1894-1974), der in der Werkstatt ihres Vaters 1910 seine Lehre begonnen und anschliessend dort als Geselle gearbeitet hatte.

Nach Auskunft von Personen, die ihn noch vom Hörensagen kannten, soll Adolf Gerber “ein strenger, heftiger Mann” gewesen sein, was den Umgang mit Lehrlingen und Angestellten erschwerte. Im Betrieb sei keine Malerin gewesen. Adolf Gerber habe  angeblich nur einfaches “Bauerngeschirr” ohne figürliche Bemalung hergestellt (Winter 1983, 10). Die beiden Söhne arbeiteten zunächst in der Werkstatt mit, bevor sie sich selbständig machten. Adolf Gerber,  jun. hatte seit 1909 eine Werkstattgemeinschaft mit seinem Schwager Oswald Kohler (1886–1955) in Schüpbach. Er war seit dem 11. Mai 1904 mit dessen Schwester Marie Kohler (1882-?) verheiratet. Maries Vater Niklaus Kohler (1843–1927) hatte 1869 die Töpferei in Schüpbach bei Langnau gegründet. Johann Friedrich Gerber (1881–1935) arbeitete spätestens ab 1917 als Töpfer in Grünen, Gemeinde Sumiswald, denn für die Jahre 1917 und 1922 lassen sich bei ihm drei Gesellen nachweisen. Genauere Informationen zur Werkstatt fehlen, sie befand sich wohl auf dem Grundstück Bernstrasse 3.

Produkte von Adolf Gerber senior sind quasi unbekannt. Bis heute konnte nur ein einziger Teller dokumentiert und dieser Werkstatt zugeordnet werden. Da der rückseitige Blindstempel verkündet “A. GERBER U SOHN” können wir wohl davon ausgehen, dass der Teller vor dem Weggang von Adolf Gerber, jun. im Jahr 1909 entstand. Die Blindmarke entspricht formal sehr genau derjenigen, die Adolf Gerber, jun., später in Langnau führte.

Das Motiv des Tellers dürfte auf einer Zeichnung des bernischen Gewerbelehrers Paul Wyss beruhen. Dessen Vorlagen waren ausgesprochen beliebt und wurden gerne auch kopiert. So findet sich eine Umzeichnung des Zentralmotivs auch in den Archivalien der Hafnerei Röthlisberger aus Langnau. Die Umschrift lautet “Alter schützt vor Tohrheit nicht und alte Liebe rostet nicht.” 1908 war Adolf Gerber (zusammen mit seinen Söhnen?) auf der Gewerbeausstellung im Burgdorfer Technikum vertreten  (Intelligenzblatt für die Stadt Bern, 10.9.1908).

Adolf Gerber starb 1919 an einem Schlaganfall und sein Schwiegersohn Franz Aebi (1894-1974) musste kurzfristig die Werkstatt  im Auftrag der Witwe Marianne Gerber-Uhlmann (1860-1936) weiterführen.

Teller von Franz Aebi aus dem Jahr der Werkstattübernahme.

Stammbaum Gerber-Kohler-Aebi

Aebi-Keramik in Antik und Rar

Bibliographie:

Engelbrecht/Gantner/Schuster 1990
Beate Engelbrecht/Theo Gantner/Meinhard Schuster, Berner Töpferei. Mensch und Handwerk, Basel 1990.

Winter 1983
Felix Winter, Töpferei Aebi Tschamerie, Feldforschungsübung des Ethnologischen Seminars der Universität Basel, SS 1983, Töpferei im Berner Oberland, Basel 1983.