Archive

Lausanne, Universität Lausanne (Collection Unil)

Lausanne, Villa Mon Repos (VL)

Fayencen mit heraldischen Motiven aus der Sammlung von Henri-Armand Juge

Die Keramiksammlung der Villa Mon-Repos in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2020

Die Stadt Lausanne ist stolze Besitzerin einer in der Schweiz und vielleicht sogar international einzigartigen Sammlung von rund 100 europäischen Fayencen, die ausschliesslich mit heraldischen Motiven verziert sind. Die mit Bedacht und Geschmack ausgewählten Exemplare illustrieren vor allem die französische Fayencekunst des 17. und 18. Jahrhunderts, bieten aber auch hochwertige Beispiele aus dem übrigen Europa.

Die Sammlung wurde der Stadtverwaltung von Fräulein Marguerite Challand (1876–1951) vermacht, die sie von ihrem Onkel Henri-Armand Juge geerbt hatte. Marguerite war die Tochter von Théodore Challand (1841–1888), Arzt und Leiter des Irrenhauses von Cery von 1876 bis 1888, und Louise-Victorine, geborene Juge, der Schwester von Henri-Armand (1844–1876). Nach dem Tod ihres Vaters wurde Marguerite von ihrem unverheiratet gebliebenen Onkel aufgenommen, der in Nizza wohnte. Im Alter von 19 Jahren verliess sie die Côte d’Azur, um sich in Deutschland niederzulassen, wo sie sich für soziale Zwecke engagierte. Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte sie nach Lausanne zurück, wo sie zu den Gründungsmitgliedern des Sozialdienstes zählte. Sie engagierte sich auch im Rahmen des Kinderhospizes, bevor sie die zentrale Kleiderbörse gründete, deren Vorsitz sie übernahm. (Le mouvement féministe, vol. 40, 1952, Heft 800, S. 30 – Feuille d’avis de Lausanne vom 22. November 1951, S. 13).

Über den Sammler selber wissen wir nur sehr wenig. Der Name Henri-Armand Juge taucht in einer Volkszählung aus dem Jahr 1891 und im Telefonbuch des Departements Alpes-Maritimes auf. Daraus erfahren wir, dass er 1855 geboren wurde, französischer Staatsbürger war und von 1891 bis 1901 am Quai du Midi 21 gegenüber der Baie des Anges wohnte, nachdem er von 1887 bis 1888 in der ehemaligen Wohnung seines Vaters Victor in der Rue Saint-Étienne 24 ansässig war (www.basesdocumentaires-cg06.fr). Victor Juge, ein Bergbauingenieur, war 1886 verstorben (eine Todesanzeige erschien in L’Estafette vom 13. März 1886, S. 2).

In den örtlichen Telefonbüchern wird Henri-Armand Juge als Rentner bezeichnet. Angesichts der Qualität seiner Sammlung ist es offensichtlich, dass er sich mit alten Fayencen auskannte oder zumindest sehr gut beraten war.

Die Stadt Lausanne kam 1951/52 in den Besitz dieses schönen Ensembles und stellte es in Vitrinen im ersten Stock der Villa de Mon-Repos aus. Aufgrund der besonderen Art ihrer Ikonografie weckte die Sammlung bald das Interesse von Fachleuten. Zwei bedeutende Westschweizer Heraldiker, Léon Jéquier und Adolphe Decollogny, untersuchten mithilfe ihres Kollegen Jean Tricou aus Lyon die auf den Fayencen von Henri-Armand Juge abgebildeten Wappen und konnten schliesslich mehr als die Hälfte davon identifizieren. Das Ergebnis ihrer Forschung wurde 1964 im Schweizer Archiv für Heraldik veröffentlicht (Tricou et al. 1964). In unseren Beschreibungen orientieren wir uns weitgehend an dieser Arbeit, insbesondere was die Blasonierung der heraldischen Motive betrifft. Bei einigen wenigen Beispielen konnten die Wappenidentifikationen ergänzt oder korrigiert werden.

Die Veröffentlichung des Artikels im Schweizer Archiv für Heraldik war für die Lokalpresse die Gelegenheit, den Reichtum dieses offensichtlich verkannten Keramikschatzes wiederzuentdecken (Feuille d’avis de Lausanne vom 7. Oktober 1965, S. 13). Die Sammlung geriet jedoch ab Ende der 1960er-Jahre wieder in Vergessenheit, als die Salons, in denen sie noch heute untergebracht sind, für offizielle Empfänge der Stadtverwaltung reserviert wurden.

Etwas mehr als 70 Objekte stammen aus Frankreich, wobei die grössten Gruppen aus den wichtigsten Zentren Moustiers, Rouen und Nevers stammen. Die Fayence aus Moustiers wird hauptsächlich durch blau bemalte Exemplare aus der Manufaktur der Clérissy repräsentiert, die grösstenteils aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts stammen. Das älteste und prächtigste Beispiel ist eine grosse Schale mit dem Wappen eines nicht identifizierten Prälaten, die auf das letzte Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts datiert wird (VL mr 48). Blaue Dekore sind auch in der Gruppe aus Rouen vorherrschend mit den klassischen Nebenmotiven von unterteilten Borten und Guirlanden. Auch hier stammen die meisten Beispiele aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das älteste aus der Jahrhundertwende (VL mr 45) mit einem noch stark von chinesischem Porzellan inspirierten Dekor. Die seltensten Exemplare finden sich jedoch wahrscheinlich unter den Fayencen aus Nevers, die fast alle aus dem 17. Jahrhundert stammen, wie zum Beispiel eine Schale mit dem Wappen von Françoise-Renée de Lorraine-Guise, Tochter von Charles I., Herzog von Guise, und Äbtissin von Montmartre (VL mr 44), ein Paar Kerzenständer aus der Zeit um 1640 (VL mr 94) oder ein Zucker- oder Salzstreuer mit chinesischem Dekor (VL mr 101).

Die anderen französischen Produktionszentren wie Montpellier, Lille, Lyon oder Marseille sind bescheidener vertreten, aber oft mit bisher unveröffentlichten Objekten. Die Sammlung enthält zum Beispiel nur ein Exemplar aus Strassburger Fayence, dafür aber ein äusserst seltenes Beispiel eines frühen mehrfarbigen Wappenmotivs aus der Zeit von Paul Hannong (VL mr 244).

Etwa 25 Objekte stammen aus dem übrigen Europa: Italien, Holland, Deutschland, Spanien und sogar Portugal, eine Seltenheit in Schweizer Sammlungen (VL mr 267). Nur ein Objekt stammt aus einer Schweizer Manufaktur: eine kleine ovale Schale – die einzige bisher bekannte Form dieser Art – aus dem Wappenservice, das der Freiburger Fayencehersteller François Camélique um 1768 für Nicolas Kuenlin anfertigte (VL mr 111).

Verschiedene Anschaffungen für die Villa Mon-Repos

Um den Salons der Villa den Glanz zu verleihen, der ihrer neuen Funktion als Repräsentationsraum angemessen schien, erwarben die Behörden antike Möbel und verschiedene Kunstgegenstände. Unter Letzteren befanden sich auch Keramiken aus verschiedenen Epochen. Eine kleine, heterogene Gruppe, die wahrscheinlich bei den Antiquitätenhändlern des Ortes erworben wurde und in erster Linie dekorativen Zwecken diente. Die Beispiele in unserem Inventar tragen eine Inventarnummer, der die Buchstaben «mr» vorangestellt sind, und den Vermerk «Alter Bestand, ohne Datum». Zu den erfreulichen Überraschungen dieses eher mittelmässigen Ensembles gehören ein Paar Kühlgefässe aus Berliner Porzellan. Sie stammen aus einem Service, das der König von Preussen für ein Mitglied seiner Familie bestellt hatte (VL mr 266), sowie ein Zuckerdosenständer aus Fayence aus Sceaux versehen mit einem Blumendekor der besten Qualität (VL mr 260).

Keramiken aus der Sammlung von Marcel Benoist

Marcel Benoist (1864–1918) stammte aus der Pariser Grossbourgeoisie und zeichnete sich zunächst, wie schon sein Vater vor ihm, als erstinstanzlicher Anwalt am Zivilgericht der Seine aus. 1898 gab er sein Amt auf, um durch Europa zu reisen und sich seiner Leidenschaft für Kunst, schöne Gegenstände und Waldwirtschaft hinzugeben. 1911 ahnte er die Gefahr eines bewaffneten Konflikts zwischen Frankreich und Deutschland und verlegte daher fast seine gesamte Sammlung nach Lausanne, die er in seinem 1913 verfassten Testament der Eidgenossenschaft vermachte. Ein grosser Teil seines Vermögens bildete die Grundlage für die Marcel-Benoist-Stiftung, die seit 1920 einen jährlichen Preis für herausragende wissenschaftliche Forschung, insbesondere in Bereichen, die das menschliche Leben betreffen, vergibt.

1921 vertraute der Bund die Sammlungen der Stadt Lausanne in Form eines permanenten Depots an. Im darauffolgenden Jahr wurden die Sammlungen in der Villa Mon-Repos untergebracht, bevor sie 1966 von der Stadtverwaltung zurückgekauft wurden.

Die ehemalige Benoist-Sammlung umfasst auch eine Reihe von Keramiken, wobei die bemerkenswertesten Beispiele aus dem Bereich des asiatischen Porzellans stammen. So zum Beispiel ein 80-teiliges Abendservice aus China, das in der Qianlong-Zeit in Auftrag gegeben wurde und mit einer Wappenverzierung im Stil «Famille rose» dekoriert ist (VL mrbe 175). Besonders hervorzuheben ist ein wahres Meisterwerk des japanischen Porzellans: eine wunderschöne Vase aus der Werkstatt einer der berühmtesten Töpferdynastien von Arita, der Kakiemon-Dynastie (VL mrbe 190). Mit ihrem erstklassigen Dekor, das die von den Kakiemon erfundene Glasurpalette meisterhaft illustriert und auf die Jahre 1670–1690 datiert werden kann, ist die Vase aus der Sammlung Benoist wahrscheinlich das prächtigste Beispiel dieser Art in einer öffentlichen Schweizer Sammlung.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise, consultée sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne.

Bibliographie :

Tricou et al. 1964
Jean Tricou, Adolphe Decollogny et Léon Jéquier, Les faïences armoriées du palais de Mon-Repos à Lausanne. Archives héraldiques suisses, Annuaire 1964, 55-69.

Lenzburg, Schlossmuseum, Museum Aargau (SML)

Schlossmuseum Lenzburg
Departement Bildung, Kultur und Sport
Museum Aargau – Schloss Lenzburg
CH-5600 Lenzburg
Tel.: +41 (0)848 871 200
schlosslenzburg@ag.ch

Keramik aus dem Schlossmuseum Lenzburg, Museen Aargau in CERAMICA CH

Andreas Heege 2020

Die Keramiksammlung des Museum Aargau, Schlossmuseum Lenzburg, wurde im Rahmen des Projektes CERAMICA CH bislang nicht inventarisiert. Lediglich einige Objekte aus der Produktion von Bäriswil und Langnau konnten bislang in die Bilddatenbank aufgenommen werden.

Luzern, Historisches Museum

Historisches Museum Luzern
Pfistergasse 24
6003 Luzern
Telefon +41 41 228 54 24

Keramik aus dem Historischen Museum Luzern in CERAMICA CH

Das Historische Museum Luzern wurde bislang nicht vollständig inventarisiert. Eine Ausnahme bildet der Bestand der “Luzerner Keramik” der Sammlung Rochat (Inventar HMLU 11732.001-11732.806) bzw. des Nachlasses der Kunstkeramik AG, Luzern aus dem Besitz von Margret Loder, Ebikon (HMLU Inv. 13865.001-13865.570).

Die Sammlung Luzerner Keramik von Hans Rochat befindet sich als Geschenk der Freunde des Historischen Museums Luzern seit dem 28.11.2003 im Besitz des Historischen Museums Luzern. Hans Rochat (geb. Dez. 1937 – ), Luzern, ist ein gelernter Schriftsetzer, ausserdem hat er lange als Korrektor für Deutsch und Französisch gearbeitet, meist bei den Luzerner Neuesten Nachrichten. Seine Arbeit war Schichtarbeit. In der Freizeit besuchte er vor allem Flohmärkte und Brockenstuben in der ganzen Schweiz und sammelte die unterschiedlichsten Materialgruppen: Silber, Zinn, Münzen und Karnevalsorden, vor allem aber Zuckerdosen und Langenthaler Porzellan (vgl. Rochat 1986; Schumacher/Quintero 2012, 118–122) und Luzerner Keramik. Verschiedene Museen in der Schweiz, unter anderem das Musée Ariana in Genf und das Schweizerische Nationalmuseum in Zürich, verdanken seinem Sammeleifer wesentliche Ergänzungen ihrer Sammlungen, da er immer wieder auch wichtige Stücke seiner Sammlung an diese Institutionen weiterverschenkte oder verkaufte.

Hans Rochat war nicht nur aktives Mitglied der Keramikfreunde der Schweiz sondern von 1987–2003 auch Vorstandsmitglied der Freunde des Historischen Museums Luzern. Was lag also näher, als sich intensiv mit den Objekten der lokalen Keramikproduktion in Luzern zu befassen, vor allem der 1925 gegründeten „Kunstkeramik AG” von Emil Loder-Schenk. Aber auch Stücke weiterer luzernischer Hersteller wie z.B. des 1944 gegründeten Keramikbetriebes der Gebrüder Müller gelangten in seine Sammlung, über die er sorgfältig Buch führte und Karteikarten mit Fotos und allen relevanten Informationen anlegte. Diese bilden die Basis für die jetzt erfolgte digitale Inventarisation und Dokumentation in CERAMICA CH. Die Sammlung entstand nach eigenen Angaben in den Jahren zwischen 1982 und 2003. Erste Karteikarteneinträge zeigen das Datum vom 21.3.1982, letzte Zugänge datieren noch vom 5.7.2004. Nach diesem Zeitpunkt hat Hans Rochat seine Sammlungstätigkeit stark reduziert.

Die in seiner Sammlung der Luzerner Keramik vereinigten Objekte hat er überwiegend in Luzern oder im unmittelbaren Umfeld der Stadt auf Flohmärkten, bei Basaren oder in Brockenhäusern erworben. Nur sehr wenige Stücke stammen von Trödlern, Altwaren- oder Antiquitätenhändlern und noch weniger Stücke stammen von ausserkantonalen Flohmärkten oder Sammlerbörsen. Dieses eher seltene Vorkommen ausserhalb des Kantons Luzern überrascht, waren doch Hauptabsatzorte der Luzerner Keramik bis 1974 die Basler Mustermesse (MUBA, Gründungsjahr 1917) und später (zu Zeiten von Franz Loder und Margret Loder-Rettenmund) die zweimal jährlichen Ornaris-Messen in Bern und Zürich (Gründungsjahr 1973). Angesichts eines Verkaufsladens in der Innenstadt in Luzern sowie dem Verkauf zweiter Wahl ab Werkstatt in Ebikon und dem Direktabsatz an amerikanische Einrichtungshäuser über einen Zürcher Zwischenhändler (bis in die 1970er-Jahre) ist allerdings mit Luzerner Keramik auch in Händen zahlreicher angloamerikanischer Touristen und Kunden zu rechnen.

Hans Rochat hat nicht alle Luzerner Keramiken gekauft, die die Flohmärkte und Brockenhäuser zu bieten hatten. Er hat nach eigenen Aussagen (Interview mit Andreas Heege 3. März 2020) eine ganz bewusste Auswahl getroffen. Das oberste Kriterium für die Auswahl lautete „Qualität“. Es war ihm extrem wichtig, dass die Stücke möglichst fabrikneu, vollständig, unbeschädigt, nicht bestossen, berieben oder sonstwie verändert waren. Das zweite Kriterium war „Schönheit“ und zwar sowohl Schönheit der Form als auch des Dekors. Dies dürfte dazu geführt haben, dass nicht alle produzierten Dekore gleichmässig gesammelt wurden. Ein wesentliches weiteres Kriterium war „Zuweisbarkeit“, d.h. er hat zu fast 100% gemarkte oder eindeutig signierte Stücke gekauft. Dies könnte mit einer der Gründe sein, warum Keramiken von Margret Loder-Rettenmund, die seit 1954 im Betrieb arbeitete und seit 1957 mit Franz Loder verheiratet war, fast vollständig fehlen. Sie signierte nach eigenen Aussagen ihre Stücke quasi nie. Auch sind die durch Firmenfotos und Standfotos von der MUBA überlieferten Tierfiguren oder Plastiken von Emil Loder oder nach Entwürfen anderer Luzerner Künstler nicht vorhanden (einen weiblichen Akt hat Hans Rochat allerdings an das Schweizerische Nationalmuseum verkauft, SNM LM-117524). Dabei ist unklar, ob das an einer fehlenden Signatur liegt oder ob solche Stücke tatsächlich in all den Jahren nicht auf dem Markt waren.

Auch die Grösse der Objekte spielte eine Rolle. Hans Rochat versuchte meist übergrosse Objekte zu vermeiden, was bedeutet, dass grosse Bodenvasen, wie sie sowohl Emil als auch Franz Loder herstellten, in der Sammlung eher untervertreten sind. Ausserdem versuchte er keine „Dubletten“ zu kaufen, was aber nicht immer gelang. Bei gleicher Gefässform musste zumindest der Dekor abweichend sein. An den meist datierten Keramiken, die für Vereine oder für spezielle lokale oder regionale Anlässe gefertigt wurden (Feiern, Schützenfeste, Sportveranstaltungen, Jubiläen und Ehrungen), hatte Hans Rochat besondere Freude. Sie machen demnach einen bedeutenden Teil der Sammlung aus.

Darüber hinaus gibt es einen weiteren überlieferungsspezifischen Filter, der die Repräsentativität der Sammlung im Vergleich mit der tatsächlichen Produktion, die wir aus Firmenfotos und Standfotos der MUBA sowie der firmeneigenen Mustersammlung von Margret Loder kennen, beeinflusst. Bis bestimmte Keramiken nach der Produktion und einer Phase der Nutzung oder Aufbewahrung auf dem Flohmarkt bzw. in einem Brockenhaus landen, vergeht ein gewisser, kaum genauer zu spezifizierender Zeitraum. Oft scheint es sich jedoch um mindestens ein bis zwei Generationen, d. h. 30-50 Jahre zu handeln. Die Kinder- oder Enkelgeneration löst nach dieser Zeit die Wohnungen der Eltern oder Grosseltern auf. Bei einem Sammlungszeitraum von 1982 bis 2004 würde das bedeuten, dass in der Sammlung vor allem Stücke vor 1970 eher noch vor 1960 vertreten sein müssten. Dies ist mit einer Dominanz der Keramiken, die in die 1940er-bis frühen 1960er-Jahre datieren (wie z.B. den vielen Stücken des Dekors Beromünster), tatsächlich der Fall. Umgekehrt bedeutet dies, das Stücke der 1920er- bis 1940er-Jahre eher in geringerem Umfang vorhanden sein müssten, denn ihre Wiedereinbringung in den Antiquitäten- oder Trödelmarkt wäre bereits zwischen 1940/50 und 1970/80 erfolgt, zu einem Zeitpunkt also, als Hans Rochat Luzerner Keramik noch gar nicht sammelte. Es ist also ein grosser Glücksfall und Spiegel seiner sehr intensiven Sammeltätigkeit, dass die Sammlung gleichwohl einen so hochwertigen Keramikanteil aus dieser Zeit umfasst, der auch eine chronologische Gliederung der verschiedenen Firmenmarken der Produktionszeit 1925 bis 1940 ermöglicht.

Der Sammlungsteil von Margret Loder, Ebikon, gelangte als Schenkung 2020/2021 ins Historische Museum, während gleichzeitig alle noch vorhandenen Firmenarchivalien dem Staatsarchiv Luzern übergeben wurden. Sie sind mittlerweile unter der Signatur PA 1421/1-112, PLA 202/1 – 51 verzeichnet und für Forschungszwecke frei zugänglich. Die Sammlung umfasst Restbestände, die bei der Firmenauflösung 1996 noch im 1948 erbauten Fabrikationsgebäude vorhanden waren. Darunter befinden sich sowohl Objekte aus dem Musterzimmer der Firma als auch Objekte, die aus unbekannten Gründen nicht verkauft wurden und sich irgendwo im Gebäude befanden. Diese Stücke wurden von Margret Loder vorinventarisiert und entsprechend einer eigenen Fotosammlung chronologisch eingeordnet.

Die beiden Sammlungsteile bieten heute einen umfassenden Überblick über die keramische Produktion der Luzerner Keramik, auch wenn Standfotos von der Mustermesse Basel (MUBA), die von 1925 bis 1974 der Hauptabsatzort war, belegen, dass nicht von jeder produzierten Form und von jedem Dekor Originale vorhanden sind. Gleichwohl ist die Sammlung ein singulärer Referenzkomplex für die Entwicklung von Formen und Dekoren in der schweizerischen Keramikproduktion des 20. Jahrhunderts. Er reicht vom Ausklang des Historismus über späten Jugendstil und Art Deco zum Heimatstil der 1930er-Jahre, und über die Aufbruchstimmung der 50er-Jahre unter dem Einfluss der schweizerischen Keramikfachschulen hin zu handgefertigten, fast immer auf der Töpferscheibe gedrehten und nur selten gegossenen Gebrauchskeramiken in Kleinserien, die man eher einem «studio potter», denn einer mittelständischen Keramikproduktion zuordnen würde. Franz und Margret Loder, die beiden Keramiker der zweiten Generation, sahen in der Luzerner Keramik immer ihre «Werkstatt», eine Töpferei, einen Handwerksbetrieb und nie eine «Keramikfabrik», obwohl der Betrieb zeitweise bis zu 30 Mitarbeiter umfasste.

Die Datierung der inventarisierten Keramik basiert auf unterschiedlichen Argumenten, die nicht bei jedem Einzelstück angeführt werden können. Das Grundgerüst bildet die Firmengeschichte in Kombination mit den inschriftlich datierten Keramiken. Daraus liess sich in Kombination mit den verschiedenen verwendeten Blindmarken für die Zeit zwischen 1925 und 1939 ein relativ engmaschiges Datierungsnetz knüpfen. Ab 1940 bis etwa 1955/1956 wurden die eingestempelten Blindmarken durch die aufgepinselten Signaturen der Keramikmalerinnen und -maler ersetzt. Danach folgten bis 1996 die Verwendung einer dreizeiligen Herstellermarke «LUZERNER KERAMIK HANDARBEIT» und gelegentlich persönliche Marken von Margret und Franz Loder. Zusätzlich verfügen wir für die Zeit zwischen 1944 und 1974 über eine fast lückenlose, jahrgenau datierte Serie von Standfotos der Luzerner Keramik auf der MUBA. Diese wird ergänzt durch eine grosse von Margret Loder meist nach der Erinnerung datierte Fotoserie der Produkte aus der Zeit zwischen etwa 1952/1953 und 1996. So ergeben sich für eine bestimmte Keramikform oder einen bestimmten Dekor kürzere oder längere Datierungszeiträume, manchmal aber auch jahrgenaue Datierungen eines einzelnen Gefässes.

Bibliographie:

Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2022
Andreas Heege, Margret Loder-Rettenmund und Andreas Kistler, Luzerner Keramik 1925–1996, Jahrbuch der Historischen Gesellschaft Luzern 40, 2022, 39-74.

Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2023
Andreas Heege/Margret Loder-Rettemnund/Andreas Kistler, Luzerner Keramik 1925–1996, Teil 1: Loder-Schenk, Luzern, Kunstkeramik (1925–1933) und Kunstkeramik A.G. Luzern (1933–1948), in: Keramik-Freunde der Schweiz Revue 137, 2023, 1-101.

Rochat 1986
Hans Rochat, “Langenthal” – Vom Jugendstil zum Art Deco, in: Keramikfreunde der Schweiz Bulletin 30, 1986, 11-16.

Schumacher/Quintero 2012
Anne-Claire Schumacher/Ana Quintero, La manufacture de Porcelaine de Langenthal, entre design industriel et vaisselle du dimanche – Die Porzellanmanufaktur Langenthal, zwischen Industriedesign und Sonntagsgeschirr, Milan 2012, bes. 118–122.

 

Matzendorf, Keramikmuseum (KMM)

 

Keramikmuseum Matzendorf
Kirchstrasse 20
CH-4713 Matzendorf
Präsident Roland Müller
Tel. +41 (0)62 391 57 79
mueller.luethi@bluewin.ch

Die Keramiksammlung des KMM in Ceramica CH

Keramik aus der Produktion von Matzendorf

Keramik aus der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf

Roland Blaettler 2019

Nach dem Tod von Maria Felchlin (1899–1987) schloss sich eine kleine Gruppe von Matzendorfer Bürgern zusammen, um die Verantwortung für das Legat dem letzten Willen der Erblasserin entsprechend zu übernehmen. Unter der Leitung von Markus Egli, der schon die Sammlung Felchlin betreute, und Roland Müller wurde 1988 der Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» gegründet, der sich zum Ziel setzte, das lokale, keramische Erbe weiter zu pflegen, dabei auch die neuere Zeit miteinzubeziehen und das Interesse dafür bei einem breiteren Publikum zu wecken. So hat der Verein 1991 eine Ausstellung mit Arbeiten des Keramikers Benno Geiger gezeigt, dem früheren Leiter der kunstkeramischen Abteilung der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf. Der Verein fasste zudem die Gründung eines Museums ins Auge und begann mit dem Aufbau einer Sammlung.

1996 wurde das Museum mit dem Namen «Thaler Keramikmuseum» im Haus Dorfstrasse 58 eröffnet, in dem Benno Geiger wohnte, als er für die Tonwarenfabrik arbeitete. Damals präsentierte es sich noch als regionales Wohnmuseum mit Schwerpunkt lokale Keramik. Mit der Eröffnung gingen viele Geschenke ein, vor allem an Erzeugnissen der Perioden von der Mühll (1927–1960) und Rössler (1960–2004). Aus Anlass der 200-Jahr-Feier der Gründung der Manufaktur Matzendorf bestellte der Verein eine archäometrische Studie für eine naturwissenschaftliche Bestimmung der Produkte von Matzendorf und Kilchberg. Die Analysen wurden von Prof. Marino Maggetti und Prof. Giulio Galetti von der Universität Fribourg durchgeführt und die Resultate in einem Buch veröffentlicht, das auch eine vom Historiker Albert Vogt überarbeitete Geschichte der Manufaktur enthält (Vogt et al. 2000).

Die Sammlungen des Museums entwickelten sich erfreulich, so dass bald ein Ort gesucht werden musste, der mehr Platz bot. 2006 konnte das Museum in den ehemaligen, soeben renovierten Pfarrhof umziehen, in dem nun nur noch die Keramiksammlung mit der Produktion von Matzendorf seit dem Anfang präsentiert wurde. Um die Frühzeit zeigen zu können, wurden Stücke zugekauft und vor allem auch das Museum Blumenstein, das Historische Museum Olten, das Nationalmuseum in Zürich, das Bernische Historische Museum und das Museum der Kulturen in Basel um Leihgaben gebeten. Im oberen Stock sind Produkte der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf von 1883 bis 1960, Arbeiten aus dem Atelier von Benno Geiger und Erzeugnisse der Firma Rössler zu sehen. Im Keller wurde ein Raum für Wechselausstellungen eingerichtet.

Wir haben circa 500 Objekte der Sammlung aufgenommen, was nur etwa der Hälfte des Museumsbestandes entspricht. In den Magazinen gibt es Hunderte von Keramiken aus der Periode von der Mühll, besonders für die Zeit nach 1950. Dieses moderne Kapitel ist gut bestückt dank regelmässiger Schenkungen von Theres Hügli und Katharina Marrer. Wie es bei nebenamtlich geführten Institutionen häufig der Fall ist, ist die Inventarisation der Bestände nicht abgeschlossen. Bis heute besitzen wir genaue Angaben für etwa 250 Stücke. Die ersten Einträge gehen auf 1990 zurück und nehmen mit der Eröffnung des Museums 1996 und dem Wachstum der Sammlungen rasch zu. Der Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» betreibt dank dem Einsatz des Präsidenten Roland Müller und des Vizepräsidenten und Kustos Markus Egli im Rahmen der gegebenen Mittel eine aktive Ankaufspolitik. Etwa die Hälfte der gegenwärtigen Sammlung ist von ihnen erworben worden.

Die Verantwortlichen des Vereins blieben der Theorie des «Berner Dekors» von Maria Felchlin treu und erwarben dementsprechend viele Fayencen, die wir als Erzeugnisse der Kilchberg-Schoorener Manufakturen ansehen. Folge davon ist, dass diese heute einen wichtigen Teil der Sammlung ausmachen. Auf 500 inventarisierte Objekte kommen 230 zürcherischer Herkunft. Was die Keramik aus der alten Manufaktur Matzendorf angeht, fallen auf diese nur 30 Stücke.

An Steingut hat das Museum ein so wichtiges Exemplar erwerben können wie die zweite Prunkvase von Matzendorf mit einem von Schlangen umwundenen Gefäss und der Inschrift «Von Roll – Matzendorf» (KMM 81). Notiert zu werden verdient auch ein 1811 datierter Teller für einen Einwohner von Vicques im heutigen Kanton Jura (KMM 64), die Streusandbüchse von Oberst von Sury d’Aspremont von 1818 (KMM 63), die Deckelschüssel mit dem Namen von Katharina Allemann von 1819 (KMM 67) und ein Teller aus dem Munzinger-Service (KMM 65). Das Museum im Kornhaus Wiedlisbach schenkte das bis heute einzige Modell einer Nachtlampe mit Pressmarke aus der Sammlung Fritz Huber-Renfer (KMM 80).

Auf dem Gebiet der Fayence erwarb das Museum als frühes Objekt eine 1807 datierte Ohrentasse (KMM 77). Sonst zählt die Sammlung fünf Fayencen aus der Mitte der Jahre 1830 und 13 Exemplare der «Blauen Familie» aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zu denen auch die fünf Depositen von Rösli Lachat gehören, die 1856, 1857 und 1860 Maria Anna Meister gewidmet wurden (KMM 507; KMM 509; KMM 508; KMM 506; KMM 505). Maria Anna, geboren 1839, war eine Tochter von Ludwig Meister und seiner zweiten Frau Elisabeth Eggenschwiler. Sie soll diese fünf Fayencen nach Angaben von Frau Lachat, die selbst Urenkelin von Maria Anna ist, vom letzten Maler der Fabrik, Franz Nussbaumer (1831–1883), ihrem nachmaligen Mann, als Brautgeschenk erhalten haben. Unter den Widmungen auf Fayencen der «Blauen Familie» tauchen häufig Familiennamen von Mitinhabern der Fabrik auf. Ausser dem Namen von Maria Anna Meister findet sich häufig auch derjenige ihrer 1831 getauften Halbschwester Anna Maria.

Um das Bild der Produktion zu vervollständigen, nennen wir hier auch die wichtigsten Deposita des Schweizerischen Nationalmuseums und des Museums der Kulturen Basel. Als kostbares Beispiel aus der Periode von Roll kommt aus dem Besitz des Nationalmuseums die schöne Deckelschüssel aus Fayence mit der Namensinschrift «Barbara Eggenschwiller», ein herausragendes Beispiel aus den ersten Jahren der Fabrik (SNM LM-391). Als interessantes Objekt aus den Jahren 1820 ist die Ohrentasse von 1825 zu nennen (SNM LM-70631), deren Dekor an Steingut der Zeit um 1810 erinnert (MBS 1912.104). Die Deckelschüssel von 1815 ist mit ihren plastischen Garnituren vielleicht das ehrgeizigste Produkt in Steingut aus der Zeit von Urs Meister (SNM LM-72793).

Das Museum der Kulturen Basel hat die Deckelterrine für Franziska Spony von 1807 deponiert (MKB VI-10064), das älteste datierte Beispiel aus Steingut, und mit dem Kammhalter aus Fayence von 1823 eine Form, die nach 1850 noch in der «Blauen Familie» populär ist (MKB VI-3910). Dieses letzte Objekt wurde dem Basler Museum von August Meyer von Sissach verkauft, einem der eifrigsten Zuträger von Keramik in den Jahren 1905 bis 1914, kurz nach der Gründung der Europa-Abteilung durch Eduard Hoffmann-Krayer. August war der Sohn des Kaufmanns Johann Meyer, der 1901 das erste Warenhaus in Baselland gründete. Es heisst, er habe seine Objekte in den Bauernhäusern der Region zusammengesucht (Mitteilung von Dominik Wunderlin). So ist er wahrscheinlich auch auf die Bartschale von 1845 gestossen (MKB VI-5119). Man kann sich fragen, ob Meyer im Fall der Schüssel für Magdalena Winistörfer (MKB VI-3908) oder der zwei wohl für Elisabeh Meister-Eggenschwiler gefertigten Kerzenstöcke von 1870 (MKB VI-3911 und MKB VI-3912) nicht auch bis ins Solothurnische ausschwärmte.

Teile der Sammlung Huber-Renfer

2001 beschlossen die Nachkommen des Berner Sammlers Fritz Huber-Renfer (1900–1961) dessen seit der Eröffnung des Museums im Kornhaus Wiedlisbach BE deponierte Sammlung aufzulösen (Häusler 1962). Wiedlisbach wurde die Möglichkeit gegeben, eine erste Auswahl zum Ankauf fürs Museum zu treffen, als zweite Institution kam das Keramikmuseum Matzendorf an die Reihe, das 13 Keramiken erwarb, darunter einen ovalen Korbuntersatz aus Steingut mit Marke (KMM 78), eine Deckelterrine aus Steingut von 1811 (KMM 66) und einen Fayenceteller von um 1835 (KMM 72).

Bei den zehn weiteren Stücken handelte es sich um Zürcher Fayencen mit drei seltenen, frühen Erzeugnissen von Nägeli, einem Teller und zwei Koppchen mit Untertassen (KMM 68; KMM 69; KMM 70) sowie unter anderem einer gelb glasierten Suppenschüssel von Scheller (KMM 41). Nachdem die beiden Museen ihre Stücke ausgesucht hatten wurde der Rest der Sammlung versteigert. Was übrig blieb, wurde von der Tochter des Sammlers, Lucie Hostettler und Familie, dem Museum Matzendorf übergeben, eine Schenkung von etwa fünfzig Objekten mit drei Keramiken von Matzendorf, zwei Tellern von um 1835 (KMM 100; KMM 76) und einem weissen Tintengeschirr. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sind die anderen Fayencen der Sammlung Huber-Renfer zürcherischer Herkunft. Besonders erwähnt seien hier die Bartschale für Philipp Brugger von 1835 (KMM 62) und ein Humpen mit gemarktem Zinndeckel «H. Söhlke/Zürich» (KMM 11).

2008 schenkte das Ehepaar Margrit und Louis Tschanz von Olten dem Museum seine «Matzendorfer» Sammlung. Abgesehen von Braunware von Aedermannsdorf enthielt diese ausschliesslich Zürcher Fabrikate. Damit besitzt das Museum einen eindrücklichen Bestand an Zürcher Fayencen, der die hauptsächlichen Aspekte dieser bedeutenden Produktion der Biedermeierzeit reflektiert. Zwanzig Objekte datieren aus den Jahren 1820, 60 aus den dreissiger Jahren, 130 aus den Jahren 1840 und 25 aus den fünfziger Jahren. Man stösst hier auf ein Koppchen von um 1830 mit dem seltenen Motiv des Baslerstabs und der Inschrift «Männer-Verein» (KMM 12), einen Milchkrug mit der erstaunlich genauen Datierung «6. September 1839» (KMM 56), eine Fussschale von für die Manufaktur Nägeli eher ungewöhnlicher Form von um 1840 (KMM 16) und ein Giessfass mit Landschaftsdekor, das wohl von Scheller ist (KMM 59).

In der Sammlung gibt es ferner vier Fayencen einer in den Sammlungen des Landes ziemlich verbreiteten Art von der lange unklar war, wo sie fabriziert wurde (KMM 502; KMM 500; KMM 501; KMM 503). Es wurde vorgeschlagen, es könnte sich hier um frühe Erzeugnisse von Matzendorf handeln. Die Verantwortlichen des Museum haben Stücke deshalb von Maggetti und Galetti archäometrisch beproben lassen mit einem für Matzendorf negativen Resultat (Mitteilung von Markus Egli). Diese Produktion kann nunmehr der Manufaktur von Johann Jakob Nägeli in der Zeit um 1810 in Kilchberg-Schooren zugewiesen werden. Dafür sprechen sowohl die Formen als auch die Farbgebung (Mitteilung von Peter Ducret).

Tonwarenfabrik Aedermannsdorf

Pionierarbeit leistet das Museum Matzendorf auf dem Gebiet der in der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf zwischen 1883 und 1960 hergestellten Produkte. Es ist die einzige Institution, die sich systematisch um die Dokumentation der Aktivitäten dieses aus der alten Manufaktur hervorgegangenen Unternehmens kümmert. Über Ankäufe und viele Schenkungen hat das Museum bis heute einen beträchtlichen Bestand an Erzeugnissen zusammengetragen, von dem wir nur eine Auswahl vor allem aus der Periode von der Mühll (1927–1960) publizieren (Blaettler/Schnyder 2014, 342-343). Neben dem traditionellen «Braungeschirr» (Geschirr mit dunkelbrauner Eisenmanganglasur, z.B. KMM 420), das bis in die Jahre 1950 einen wichtigen Teil der Produktion darstellte, schuf die Manufaktur gegen Ende des 19. Jahrhunderts dekorative Ware im Stil des Historismus, die man «Majolika» nannte (bunte, bleiglasierte Irdenware, z.B. KMM 454). Das Modell «Brodkörbli» zeigt, dass man sich dabei gelegentlich von Formen der ausländischen Konkurrenz inspirieren liess (KMM 443; KMM 442).

Die Periode von der Mühll brachte dann eine Ausweitung im Angebot von Gebrauchsgeschirr (z.B. KMM 466) insbesondere mit der 1934 geschaffenen Kunstabteilung, deren Leiter Benno Geiger (1903–1979) wurde. Geiger nahm die Technik der Fayence wieder auf und erneuerte sie durch eigene Recherchen besonders auf dem Gebiet des Rauchbrandes. Im Geiste des Heimatstils der Kriegszeit entwickelte er das «Alt-Matzendorf» mit Trachtenbildern (z. B. KMM 408). Seine Ritzdekore auf Engobeware oder auf Fayence sind zugleich rückwärtsgewandt und modernistisch.

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 37-40.

Häusler 1962
Fritz Häusler, Dr. Fritz Huber-Renfer 1900–1961. Burgdorfer Jahrbuch, 1962, 9–13.

Vogt et al. 2000
Albert Vogt, Marino Maggetti et Giulio Galetti, 200 Jahre keramische Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798–1998. Matzendorf 2000.

 

Matzendorf, Sammlung Maria Felchlin (SFM)

Keramikmuseum Matzendorf
Sammlung Maria-Felchlin:
Im Pfarreiheim, Gartenstrasse 2
CH-4713 Matzendorf
Tel. +41 (0)62 394 11 67 (privat, M. Egli, Kustos)
mueller.luethi@bluewin.ch

Keramik der Sammlung Maria Felchlin in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

1957 dankte die Gemeinde Matzendorf Maria Felchlin (1899–1987) mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts für ihren langjährigen Einsatz in der Verteidigung und in der Darstellung der lokalen keramischen Tradition. 1968, im Jahr des 1000-Jahr-Jubiläums von Matzendorf versprach sie, ihre Sammlung der Gemeinde zu vermachen, mit der Bedingung, dass die Sammlung dem Publikum mit einem Führungsservice zugänglich gemacht und die Gemeinde das Studium der Keramik von Matzendorf weiter fördern würde. Noch im gleichen Jahr wurde die Sammlung in Matzendorf deponiert und im dortigen Pfarrheim ausgestellt, wo sie sich noch heute befindet.

Mit 220 Objekten illustriert die Sammlung Felchlin die Ansichten und Theorien der Sammlerin, die während Jahrzehnten als die Spezialistin auf dem Gebiet der Keramik von Matzendorf galt. Es erstaunt deshalb nicht, dass die Biedermeier-Fayencen, die wir heute als Kilchberg-Schoorener Erzeugnisse ansehen und die sie als die besten Produkte von Matzendorf pries, hier mit 130 Objekten den vordersten Platz einnehmen. Die lokale Produktion ist mit 20 Exemplaren vertreten. Der Rest des Bestandes sind Fayencen und Steingut aus Ostfrankreich. Felchlin hat ihre Keramiken mehrfach publiziert, aber kein Sammlungsinventar geführt. Von Ausnahmen abgesehen, bleibt deshalb die Herkunft der Stücke im Dunkeln. Man darf annehmen, dass die Sammlung am Ende der zwanziger Jahre begonnen wurde. Der Konservator des Museums Olten beschrieb Maria Felchlin jedenfalls schon 1934 als «eifrige Sammlerin».

 

 

Die Sammlung enthält vier Stücke aus Steingut mit zwei seltenen Korbuntersätzen mit der Pressmarke «Mazendorf» (SFM 17; SFM 219), einem 1812 datierten Teller (SFM 5) und dem Senftopf vom Service des Bernhard Munzinger von 1820 (SFM 218). Aus der Frühzeit der Fayence-Produktion gibt es hier vier Beispiele, darunter ein Tintengeschirr von 1810 (SFM 7) mit dem gleichen Dekor wie die Ohrentasse von 1807 im Keramikmuseum Matzendorf (KMM 77).

Zu den Vertretern der Jahre um 1830 gehört eine schöne Suppenschüssel von 1834 (SFM 189), die jener von 1835 im Museum Olten (HMO 8833) sehr ähnlich ist, wobei beide Objekte für Besteller im Kanton Baselland bestimmt waren, für Johann Jakob Buser auf Bantenholden bei Dietgen und für Johann Bosset in Zunzgen.

Maria Felchlin hat die späteren Fayencen der «Blauen Familie» mit einer gewissen Verachtung behandelt. Sie schienen ihr als Produkte der Manufaktur qualitativ nicht würdig zu sein und sie sah in ihnen zweitrangige «Laienprodukte», die eingehender zu studieren sich nicht lohnte. Kein Wunder deshalb, dass es in der Sammlung nur drei Beispiele davon gibt.

In der grossen Gruppe der «Berner Dekore», die aus den Fayencemanufakturen im Kanton Zürich stammen, gibt es auffallend viel Puppengeschirr, das Maria Felchlin offenbar besonders gern hatte (SFM 94; SFM 95; SFM 98; SFM 101a; SFM 101b; SFM 101c; SFM 128; SFM 131; SFM 154; SFM 156; SFM 161; SFM 162; SFM 164; SFM 165; SFM 166; SFM 167; SFM 168; SFM 169; SFM 170; SFM 171; SFM 173; SFM 174; SFM 175; SFM 176; SFM 177; SFM 195).

Dann finden sich hier auch Stücke mit seltenem Dekor (SFM 126; SFM 188 und SFM 106), weiter drei mit blauen Rosenkränzen bemalte Deckelschüsseln von ungewöhnlicher Form. Alle drei haben einen Knauf, der typisch zu sein scheint für die Fabrik Fehr in Rüschlikon (SFM 111; SFM 112; SFM 113) und eine hat Griffe, die man sonst Scheller zuschreibt (SFM 112).

Diese Produktion bietet der Zuschreibung noch Probleme, diente Felchlin aber als Element für die Entwicklung ihrer «Service-Theorie» (Felchlin 1968, 188–189).

Halten wir noch fest, dass die Sammlung eine kleine Auswahl von Fayencen enthält, die wir als Erzeugnisse der Zeit 1850–1855 von Scheller ansehen (SFM 78; SFM 182; SFM 183; SFM 184; SFM 185; SFM 186).

Im Bestand finden sich 50 ostfranzösische Stücke, welche Felchlin als Matzendorfer Erzeugnisse ansah. Dazu gehören sieben Fayencen mit Kranich-Dekor aus der Franche-Comté (SFM 36; SFM 34; SFM 38; SFM 39; SFM 37; SFM 35 – siehe auch «Fayencen aus der Franche-Comté in Solothurner Sammlungen») und zwölf Stücke aus Steingut mit reliefierten Blumen (SFM 1; SFM 2; SFM 3; SFM 4; SFM 9; SFM 10; SFM 15; SFM 18; SFM 23; SFM 24; SFM 25; SFM 26).

Steingut dieser Art scheint man in Lunéville seit 1750–60 nach Blumendekoren fabriziert zu haben, die früher in der Gegend von Paris und dort besonders in Pont-aux-Choux nach Dekoren mit «indianischen Blumen» entwickelt wurden. In der Folge wurden die Motive von Lunéville von andern Manufakturen in Lothringen, aber auch in Belgien und in Luxemburg übernommen (Maire 2008, 109–113, 140 und 179; Maire 2009). Die Beispiele der Sammlung Felchlin kommen von Lunéville oder aus seiner Region.

Ferner gibt es Fayencen mit Aufglasurdekor, die sie fälschlich der Werkstatt von Urs Studer zuwies (SFM 52; SFM 60; SFM 206; SFM 205; SFM 51; SFM 53; SFM 71; SFM 61; SFM 68; SFM 62; SFM 63; SFM 67; SFM 48; SFM 66; SFM 58; SFM 72; SFM 54; SFM 69; SFM 55; SFM 50; SFM 56; SFM 46; SFM 43).

Die Fayencen, die Felchlin als «Matzendorfer im Strassburger Stil» Urs Studer zuwies, sind weit verbreitet und in vielen Manufakturen Ostfrankreichs, vor allem aber in Lothringen fabriziert worden. Gezielte, auf archäometrische Analysen sich stützende Studien weisen Produkte dieser Art dem einen oder anderen Zentrum zu. Für Jean Rosen beispielsweise handelt es sich bei einer ganzen Serie der Sammlung um Erzeugnisse der Manufaktur von Bois-d’Épense (Les Islettes) (SFM 62; SFM 66; SFM 58; SFM 72; SFM 69; SFM 71; SFM 55; SFM 56). Da sich die französischen Spezialisten hier nicht einig sind, halten wir uns in diesem Fall an eine grossräumigere Zuschreibung.

Die Sammlung Felchlin ist ein eher seltenes Beispiel von einem intakt erhaltenen Bestand, der die jahrzehntelange Forschungsarbeit auf einem klar umgrenzten Gebiet der Schweizer Keramik greifbar zu illustrieren vermag, auch wenn die meisten der von Maria Felchlin vorgebrachten Theorien sich mit der Zeit als irrig erwiesen.

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 35–37.

Felchlin 1968
Maria Felchlin, Matzendorf in der keramischen Welt. In: 968–1968: Tausend Jahre Matzendorf. Solothurn 1968, 151–216.

Maire 2008
Christian Maire, Faïence fine française 1743-1843. Le triomphe des terres blanches. Le Mans/Paris 2008.

Maire 2009
Christian Maire (éd.), La question des influences entre Paris, la Lorraine et la région belgo-luxembourgeoise: des pistes de réflexion (Pôles de productions et échanges belgo-luxembourgeois autour de la faïence fine [XVIIIe et XIXe siècles]). Bruxelles 2009, 9–62.

 

Montreux, Historisches Museum (MM)

Musée de Montreux (MM)
Rue de la Gare 40
1820 Montreux

Die Keramiksammlung des Historischen Museums Montreux in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

Um 1870 erwachte im Kanton Waadt ein neues Interesse für die Vergangenheit, das hauptsächlich durch die Restaurierung der Kathedrale von Lausanne, die Bildung einer Denkmalpflegekommission sowie der Vereinigung zur Restaurierung von Schloss Chillon genährt wurde. Dies war denn auch der Nährboden für eine Gruppe von Notabeln aus Montreux um den Bankier Julien Dubochet, die für die Schaffung einer Gesellschaft für die «Förderung der öffentlichen Bildung in Montreux» zusammenkam.

Die Société du Musée de Montreux wurde 1874 gegründet; gleichzeitig entstanden auch das Wissenschaftsmuseum und die wissenschaftliche Bibliothek. Die Sammlungen, die in erster Linie als Unterstützung für den Unterricht an der Sekundarstufe gedacht waren, wurden in einer ersten Zeit in den Bereichen Naturwissenschaften und Archäologie aufgebaut. Sie wurden unter der Aufsicht eines Konservators und eines Bibliothekars zunächst in den Räumen des Gymnasiums Vernex und ab 1896 im neuen Gymnasium Châtelard aufbewahrt.

1904 wurde eine Stelle als Konservator für das «Alte Montreux» geschaffen. Dieser Akt markierte die Umwandlung des Wissenschaftsmuseum in ein Historisches Museum, die infolge einer steten Zunahme der Objekte und Dokumente erfolgte, welche die lokale Vergangenheit mit ihren vielfältigen Ausprägungen illustrierten.

Bestrebt, geeignete Räumlichkeiten für die Aufbewahrung ihrer Sammlungen zu finden, erwarb die Vereinigung 1914 zwei Winzerhäuser aus dem 17. Jahrhundert am Rande der Altstadt, im früheren Dorf Sâles. Mit der allgemeinen Mobilmachung von 1914–1918 wurde das Museumsprojekt vorübergehend auf Eis gelegt. Das Musée du Vieux-Montreux wurde schliesslich im August 1920 in seinen neuen Mauern eingeweiht.

Das Gebäude wurde zwischen 1988 und 1991 aufwändig restauriert. 2003 wurde das Musée du Vieux-Montreux in Musée de Montreux umbenannt. Die Institution wird vom Verein Société du Musée de Montreux verwaltet, der auch Eigentümer der Gebäude ist.

Keramik ist in den Beständen des Museums nur wenig vertreten. Es handelt sich zumeist um Gebrauchsgegenstände aus engobierter Irdenware vom Ende des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhundert s (Typ «Engobierte Irdenware der Genferseeregion»), Gedenkobjekte in Zusammenhang mit dem lokalen Vereinsleben oder einige Beispiele mit Ansichten der Region.

Übersetzung Stephanie Tremp

Morges, Museum Alexis Forel (MAF)

Musée Alexis Forel (MAF)
Grand-Rue 54
1110 Morges

Die Keramiksammlung des Museum Alexis Forel in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Alexis Forel (1852–1922) stammte aus einer Familie berühmter Wissenschaftler. Er wurde zunächst als Chemiker ausgebildet, bevor er in den 1880er-Jahren nach Paris zog, um sich künstlerisch zu betätigen. Er befasste sich intensiv mit der Technik der Radierung und stellte in den Pariser Salons aus. Ab 1887 zwang ihn seine angeschlagene Gesundheit, die Ausübung seiner Kunst aufzugeben. Er widmete sich fortan der Kunstkritik und dem Ausbau seiner Sammlungen von Stichen und Kunstgegenständen, eine Leidenschaft, die er mit seiner Frau Emmeline (1860–1957) teilte, die ihrerseits malte und zeichnete. Um den Fortbestand ihrer Sammlungen zu sichern und möglichst viele Menschen daran teilhaben zu lassen, war das Ehepaar schon früh darum bemüht, einen geeigneten und würdigen Ort für ihre gesammelten Kunstwerke zu finden. Mit diesem Hintergedanken schloss sich Alexis 1911 den Gründern der Société du Musée romand an (siehe Kapitel «Château de La Sarraz»), wurde ihr erster Präsident und seine Sammlung war der zukünftigen Institution versprochen. Im März 1916 jedoch zog sich Forel, «besorgt über die finanzielle Zukunft der Gesellschaft», vollständig aus dem Projekt zurück (Feuille d’avis de Lausanne vom 16. März 1916, S. 8, und vom 8. September 1916, S. 20).

Nachdem die Forels mehrere mögliche Standorte für ihr künstlerisches Erbe in Betracht gezogen hatten, fiel ihre Wahl auf das ehemalige Haus Blanchenay, ein Gebäude aus dem 16. Jahrhundert im Herzen der Altstadt von Morges, in dem die Vereinigung Vieux-Morges seit 1917 einen Raum gemietet hatte. Sie kauften das Gebäude im Jahr 1918, restaurierten es und liessen sich dort nieder, umgeben von ihren Sammlungen und denen der Gesellschaft Vieux-Morges.

Im Februar 1918 trat Emmeline dem Vorstand der Société du Vieux-Morges bei, während Alexis zum Ehrenpräsidenten ernannt wurde (Feuille d’avis de Lausanne vom 26. Februar 1918, S. 12). Die im Dezember 1915 gegründete Gesellschaft hatte zum Ziel, «eine Sammlung von Objekten zu schaffen, die an die Vergangenheit von Morges und Umgebung erinnern sollten», und zwar durch Käufe und Schenkungen aus der Bevölkerung. Im Oktober 1916 präsentierte der Verein eine erste Ausstellung mit dem Titel «Morges im 18. Jahrhundert» mit Möbeln, Pendeluhren, Kunstgegenständen, Glaswaren und Porzellan, die von Privatpersonen ausgeliehen worden waren. Die zweite Ausstellung, die dem 17. Jahrhundert gewidmet war, fand vom 24. Mai bis zum 23. Juni 1918 im Haus Blanchenay statt. Die ausgestellten Möbel, Wandteppiche, Stiche, Zinnarbeiten und Keramiken (darunter Teller und Vasen aus China und Japan) stammten dieses Mal grösstenteils aus der Sammlung Forel (La Revue vom 24. Mai 1918, S. 3).

Das Musée du Vieux-Morges wurde 1920 in der Atmosphäre eines bewohnten Hauses eröffnet und erhielt 1943 auf Wunsch von Emmeline den Namen Musée Alexis Forel. Nach dem Tod von Oscar Forel im Jahr 1982, dem letzten aktiven Mäzen, verwaltete die Association du Musée Alexis Forel das Museum mit finanzieller Unterstützung der Stadt Morges.

Erst 1961 ernannte die Vereinigung mit Jean Gagnebin (1911–1980), einem Maler und Lehrer, ihren ersten Konservator. Fast zwei Jahrzehnte lang verwaltete und leitete Gagnebin die Institution mit Kompetenz und Strenge und spielte eine entscheidende Rolle beim Aufbau der Sammlungen. Für die Zeit vor seinem Amtsantritt gibt es so gut wie keine Inventare. Bei fast der Hälfte der rund 250 ausgewählten Keramikobjekte ist nicht bekannt, wann und wie sie in die Sammlungen aufgenommen wurden (diese Objekte sind mit dem Vermerk «alter Bestand, ohne Datum» gekennzeichnet). Dazu gehören auch Objekte aus der ehemaligen Forel-Sammlung, die wir nicht mit Sicherheit identifizieren können. Eine Ausnahme bildet das Paar japanischer Vasen im «Imari»-Stil (MAF C 667), von denen eine im Hintergrund eines Porträts von Alexis zu sehen ist, einer Pastellmalerei, gemalt von Emmeline im Jahr 1916 (MAF, Inv. AP 0001249).

Für den Rest der Sammlung kann man nur Vermutungen anstellen. Es ist zum Beispiel gut möglich, dass Forel die meisten italienischen Fayencen aus Deruta dem Museum vermacht hat, wie die 1564 datierte Schale mit Apollo und den Musen, die dem Maler Giacomo Mancini zugeschrieben wird und ein wahres Meisterwerk der Sammlung ist (MAF C 1), und die wunderschöne Wasserkanne mit Lüstermotiven aus dem frühen 16. Jahrhundert (MAF C 6). Zu dieser Gruppe gehören auch die bekannteren Produkte aus derselben Manufaktur mit den typischen Dekoren des 17. Jahrhunderts: Groteske Ornamente (MAF C 3; MAF C 16; MAF C 15) oder Ornamente im sogenannten «calligrafico»-Stil (MAF C 13; MAF C 14; MAF C 12). Dieses Ensemble von Objekten zeugt von einem Keramikliebhaber mit erlesenem Geschmack.

In den kurzen Presseberichten über die Ausstellung von 1918, die hauptsächlich aus Leihgaben von Forel bestand, wurden japanische und chinesische Keramiken erwähnt. Neben den weiter oben zitierten Vasen ist eine bemerkenswerte Schale von Arita vom Ende des 17. Jahrhunderts erwähnenswert (MAF C 604) oder chinesische Stücke, die zwar weniger selten, aber von deutlich höherer Qualität als das einfache chinesische Exportporzellan sind, insbesondere im Stil der «Famille verte» (MAF C 602; MAF C 601; MAF C 603) oder der «Famille rose» (MAF C 616; MAF C 619; MAF C 618; MAF C 620). Es ist gut möglich, dass Forels Interesse an Porzellan aus Asien durch seine Bewunderung für die Sammlung von Aloys Revilliod in Genf genährt wurde (Baudin 1998, 24).

Im Bereich der französischen Fayencen enthält der «alte Bestand» ebenfalls einige erlesene Beispiele wie dieses seltene Beispiel aus Niderviller, das aus einem Service für den Besitzer der Manufaktur, den Grafen von Custine, stammt (MAF C 304); eine Schale aus Moustiers mit einem Groteskendekor von höchster Qualität (MAF C 318); einen schönen Wandbrunnen aus Rouen (MAF C 305) und eine Wasserkanne mit einem seltenen und schön gestalteten Motiv (MAF C 308). Was das Porzellan aus Nyon betrifft, so ist vor allem ein relativ frühes Trinkservice mit einem Blumenkranzdekor in Zickzackform zu erwähnen – wahrscheinlich das einzige Ensemble, das jemals mit diesem Motiv hergestellt wurde (MAF C 517).

Die Herkunft dieser Objekte ist keineswegs geklärt, einige könnten von der Gesellschaft Vieux-Morges oder von der Vereinigung des Alexis-Forel-Museums, die ihr folgte, gekauft worden sein, es sei denn, sie stammen aus Schenkungen an dieselben Körperschaften. Wir wissen zum Beispiel, dass Professor Ernest Roguin aus Lausanne, ein Mitglied des Komitees des Vieux-Morges, 1939 dem Museum rund 100 Kunstgegenstände vermachte, darunter Möbel, Bilder, Stiche und Porzellan (Feuille d’avis de Lausanne vom 29. Juli 1939, S. 8). Das Inventar enthält leider keine Hinweise auf die Herkunft der Objekte.

Die Keramiksammlung wurde vor allem unter Jean Gagnebin zwischen 1961 und 1980 bereichert, wobei Schenkungen und Vermächtnisse etwa 60 Prozent und Ankäufe den Rest ausmachten. In der ersten Kategorie wurden 43 Objekte dank der Grosszügigkeit von Nelty de Beausobre (1887–1977) in die Sammlung aufgenommen, der letzten Vertreterin des Schweizer Zweigs einer Hugenottenfamilie, die seit 1577 in Morges ansässig war (Archives cantonales vaudoises, www.davel.vd.ch/partnerdetail.aspx?ID=1373). Nach ihrem Tod vermachte sie den Grossteil ihres Vermögens der Stadt für verschiedene soziale Zwecke, während das Museum das Mobiliar erbte, darunter eine bedeutende Sammlung von Lausanner Silberwaren, Fayencen und Porzellan.

1973 und 1975, einige Jahre vor ihrem Tod, hatte Nelty bereits Teile eines relativ späten Trinkservices aus Nyoner Porzellan gestiftet, ein Set, das in der Familie sicherlich Anfang des 19. Jahrhunderts verwendet wurde (MAF C 526), sowie chinesisches Porzellan, darunter ein Service des Typs «Famille rose» (MAF C 669). Der Nachlass selbst enthielt ebenfalls einige chinesische Porzellane, eine Untertasse aus Nyon mit einem bislang unbekannten Rosenmuster und einem nicht identifizierten Wappen (MAF C 530), drei Teller und ein Brunnenbecken aus der Manufaktur Clérissy de Moustiers, schöne Beispiele für die frühe Produktion in Moustiers (MAF C 333; MAF C 334; MAF C 335; MAF C 336). Das Becken weist eine seltene Formvariante auf und trägt zwei in die Emaille eingravierte Besitzerzeichen: ein EB-Monogramm und zwei Sparren aus dem Wappen von Beausobre. Vermutlich befanden sich die meisten dieser Objekte wie dieses Becken seit Langem im Besitz der Familie.

Von den anderen Schenkungen sind vor allem drei Tassen und Untertassen aus «terre etrusque» von Dortu in Nyon zu erwähnen, die Pierre Cuénod 1970 dem Museum übergab (MAF C 451); eine wunderschöne und seltene Terrine aus Ludwigsburger Fayence mit einem Untersetzer, die im selben Jahr von Wendela Wyde gestiftet wurden (MAF C 322), und eine Tasse mit Untertasse aus Nyoner Porzellan mit dem Bildnis des Barons Robert Scipio de Lentulus. Beide Stücke wurden 1963 von Gagnebin selbst gestiftet (MAF C 501).

Im selben Zeitraum erwarb das Museum etwa fünfzig Keramiken, die höchstwahrscheinlich von Gagnebin selbst ausgewählt wurden. Es wird deutlich, dass der Kurator eine konsequente Ankaufspolitik verfolgte, die hauptsächlich darin bestand, die Kernstücke des Keramikbestands zu stärken. Er ergänzte die Gruppe der italienischen Objekte, indem er von Antiquitätenhändlern auf der Halbinsel drei klassische Beispiele von engobierter Irdenware mit Gravurdekor («ceramica sgraffita») aus dem letzten Viertel des 15. Jahrhunderts erwarb, eine Typologie, die im Museum noch nicht vertreten war und in Schweizer Museumsinstitutionen sehr selten ist (MAF C 8; MAF C 9; MAF C 22), sowie zwei Fayencen aus dem 17. Jahrhundert. Aus dem Register des Porzellans aus Nyon kaufte er etwa fünfzehn mit Bedacht ausgewählte Objekte: eine Salatschüssel und einen Teller mit Blumendekor aus der frühen Periode (MAF C 506; MAF C 505); ein seltenes Beispiel einer frühen Version einer zylindrischen Teekanne, die mit einem der wahrscheinlich frühesten Versuche eines «Mille-Fleurs»-Dekors verziert war (MAF C 519); eine Schale und Untertasse mit Dekor Typ «Marseille» (MAF C 518); eines von drei bekannten Beispielen einer Suppenschüssel mit «Holzdekor» (MAF C 531) oder einer von sechs bisher erfassten Tellern mit einem Dekor, das ein japanisches «Imari»-Motiv nachahmt, wahrscheinlich das schönste Beispiel unter den Nachbestellungen, die bei der Manufaktur in Nyon getätigt wurden (MAF C 511). Was das chinesische Porzellan betrifft, so war Gagnebin offensichtlich bestrebt, aussergewöhnliche Objekte zu sammeln, die vor allem mit Dekoren nach europäischen Vorbildern verziert waren, mit mythologischen oder allegorischen Themen (MAF C 680; MAF C 645; MAF C 675) oder auch mit Wappen oder Monogrammen der Auftraggeber (MAF C 662; MAF C 641; MAF C 637; MAF C 648; MAF C 636; MAF C 638).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise, consultée sur Scriptorium, le site de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne.

Môtiers, Regionalmuseum des Val-de-Travers (MRVT)

Musée régional du Val-de-Travers
Grande Rue 14
CH-2112 Môtiers
Tel. +41 (0)32 861 35 51
info@mrvt.ch

Die Keramiksammlung des Musée régional du Val-de-Travers in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

Abgesehen von Irdenware aus Heimberg/Steffisburg und aus Colovrex birgt die Sammlung von Môtiers eine erstaunliche Zahl von Fayencen, die lange als lokale Produkte präsentiert wurden, heute aber der Manufaktur Durlach in Baden-Württemberg zugewiesen sind (MRVT No 56; MRVT No 90; MRVT No 92; MRVT No 73; MRVT No 45; MRVT No 49; MRVT No 2655c; MRVT No 95; MRVT No 94; MRVT No 34; MRVT No 35; MRVT No 31; MRVT No 71). Wie diese Fayencen in solch grosser Zahl ins Val-de-Travers kamen, bleibt ein Mysterium. Sie nährten aber offensichtlich ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Hypothese einer Fayencefabrik in Couvet. Heute entbehrt diese Idee, die 1892 von Alfred Godet und Charles Alfred Michel bestätigt wurde, jeglicher Grundlage (siehe auch Kapitel «Die Fayencen von Durlach und die Frage der ‹Fayence von Couvet›»).

Das Museum von Môtiers verfügt zudem über eine kleine Gruppe von Fayencen aus Ostfrankreich, von denen ein seltenes Beispiel der Produktion von Lunéville zu erwähnen ist: ein Kerzenständer mit Blumendekor in Aufglasurmalerei (MRVT No 69).

Übersetzung Stephanie Tremp

Biblographie

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013, 36.