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La Chaux-de-Fonds, Schule für Angewandte Kunst (EAA)

Ecole d’arts appliqués (EAA-CIFOM)
rue de la Paix 60
CH-2300 La Chaux-de-Fonds
Tel.: +41 (0)32 886 35 00

Die kunsthandwerklichen Sammlungen der Schule für angewandte Kunst in La Chaux-de-Fonds in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Die Kunstschule von La Chaux-de-Fonds wurde 1870 auf Anregung der Gesellschaft der Meistergraveure gegründet, die in einer ersten Phase darauf abzielte, das Ausbildungsniveau der künstlerischen Berufe im Bereich der Uhrenindustrie anzuheben. Im Jahr 1873 wurde die Schule für angewandte Kunst zu einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde, und schon bald zeigte sich die Notwendigkeit, dass das Spektrum der unterrichteten Fächer erweitert werden musste. Charles L’Eplattenier (1874–1946), Leiter des 1905 gegründeten Cours supérieur d’art et de décoration, war massgeblich an der Öffnung der Schule hin zu einem umfassenderen und ehrgeizigeren Unterricht beteiligt. Gemäss seiner Vorstellung sollten die dekorativen Künste sich nicht nur den Bedürfnissen der vorherrschenden Industrie unterordnen, sondern in allen Bereichen des modernen Lebens Anwendung finden, beispielsweise bei der Gebäudedekoration, bei Möbeln, im Schmuckbereich usw. 1911 erhielt L’Eplattenier die Erlaubnis, an der Schule eine «neue Abteilung» zu eröffnen, in der die Lernenden mit den realen Produktions- und Marktbedingungen konfrontiert werden sollten. Um diese neue Struktur zu beleben und der fortschrittlichen Idee Impulse zu geben, umgab er sich mit Georges Aubert, Léon Perrin und Charles-Édouard Jeanneret, dem späteren Le Corbusier. Nach einem erbarmungslosen Streit zwischen den «Alten» und den «Modernen», der sogar eine politische Dimension annahm, wurde die Sonderabteilung 1914 aufgelöst. L’Eplattenier wurde aufgefordert, zu einem traditionelleren und strukturierteren Unterricht zurückzukehren, worauf er seine Stelle kündigte. Trotz des Rückschlags war es diesem visionären Lehrer zusammen mit seinen Kollegen und Schülern gelungen, in seiner Stadt ein echtes kreatives Zentrum zu entwickeln, woraus eine originelle und vielversprechende Bewegung entstand, die sich in die Strömung des Jugendstils einreihte und gleichzeitig von lokalen Besonderheiten lebte, eine Bewegung, deren Ausstrahlung bereits über die nationalen Grenzen hinausreichte (Gfeller 1992).

Bereits 1885 beschloss die Kunstschule, auf Anregung des Zeichenlehrers William Hirschy, ein sogenanntes Industriemuseum aufzubauen, d. h. eine Sammlung von Artefakten, die als Unterrichtsmaterial dienen sollten. In ihrer vor einigen Jahren begonnenen Studie über die Sammlung in La Chaux-de-Fonds zählte Helen Bieri-Thomson rund 1000 Objekte aus den verschiedensten Bereichen (Papier, Textilien, Metall, Holz, Emaille, Schmuck, Keramik), stellte jedoch fest, dass es kein zuverlässiges Inventar und keine Dokumentation gibt, die Aufschluss über die Geschichte des Bestands geben könnte (Bieri-Thomson 2006, S. 53 ff.). Die Sammlung umfasst zahlreiche Reproduktionen, Arbeiten von Schülern und Lehrern, antike Objekte, aber auch Originalwerke von anerkannten internationalen Kunstschaffenden der damaligen Zeit. Im Bereich der Keramik, die nicht zum Lehrplan der Schule gehörte, umfasst der Bestand dennoch etwa 60 Objekte, was zwar quantitativ nicht viel, aber qualitativ äusserst bemerkenswert ist. Helen Bieri-Thomsons Einschätzung der Sammlung als Ganzes trifft genau auf unseren Bereich zu: Nur wenige Schweizer Museen besitzen Keramiken von solcher Qualität aus der Zeit zwischen 1900 und 1930. Die Sammlung, die heute «Collections d’arts industriels de l’École d’arts appliqués de La Chaux-de- Fonds» heisst, ist in dieser Hinsicht von nationaler Bedeutung.

Die französische Keramikszene wird durch Théodore Deck (EAA 0461), Clément Massier (EAA 0314; EAA 0332) und Ernest Chaplet (EAA 0317; EAA 0319-1; EAA 0319-3) repräsentiert. Die deutsche Keramik der Moderne ist noch besser vertreten mit zwei berühmten Modellen von Adolphe Amberg, die er für die Königliche Manufaktur in Berlin kreierte (EAA 0436; EAA 0377), einer Vase von Max Laeuger, dem grossen Erneuerer der traditionellen Keramikproduktion (EAA 0342) und zwei der berühmtesten Modelle von Michael Powolny im Auftrag für die Wiener Werkstätten (EAA 0296; EAA 0297). Schliesslich findet man zwei Skulpturen von Hans Wewerka, angefertigt für die Steinzeugwerke in Höhr-Grenzhausen (EAA 0379; EAA 0378). Zwei sehr gegensätzliche Ansätze der neuen ästhetischen Strömung in Nordeuropa kommen in der feinen Steingut-Schale von Aluminia in Kopenhagen (EAA 0459) und in drei wunderschönen Porzellanen der Manufaktur Rozenburg in Den Haag (EAA 0295; EAA 0294; EAA 0293) zum Ausdruck. Bieri-Thomson vertritt die Hypothese, dass die drei letztgenannten Objekte auf der Weltausstellung 1900 in Paris erworben wurden. Im Jahr 1901 kaufte das Museum ein erstes Werk von Massier und im Jahr 1904 die drei Vasen von Chaplet. Im Vergleich zu früheren Ankäufen, bei denen das Interesse eher der Technik als der Ästhetik galt, die sich noch auf einen gewissen historisierenden Eklektizismus berief (EAA 0298; EAA 0299; EAA 0304; EAA 0352; EAA 0302), ist deutlich zu erkennen, dass sich die Sammlung nun ganz klar an der Moderne orientierte. Diese Tendenz sollte sich noch verstärken, da der Einfluss von L’Eplattenier, der 1897 an die Schule kam, immer grösser wurde. Diese Entwicklung ist besonders deutlich in der Gruppe der deutschen Objekte zu erkennen, die mit Bedacht und einer offensichtlichen Vorliebe für die innovativsten Ansätze ausgewählt wurden. Helen Bieri-Thomson erinnert treffend daran, dass Charles-Édouard Jeanneret in den Jahren 1910 und 1911 eine Reise nach Deutschland unternahm und von L’Eplattenier mit einer doppelten Aufgabe betraut wurde: Er sollte vor Ort die Entwicklung der dekorativen Künste studieren und repräsentative Werke für das Industriemuseum erwerben. Bieri-Thomson vermutet, dass die Arbeiten von Amberg und Wewerka, die Vase von Laeuger und die Schale von Aluminia vom späteren Le Corbusier während seines Aufenthalts in Deutschland gekauft worden sein könnten.

Nach dem Weggang von L’Eplattenier im Jahr 1914 gingen die Ankäufe des Museums deutlich zurück. Im Bereich Keramik konzentrierten sie sich künftig auf die nationale Szene und betrafen vor allem Kunstschaffende, die der Bewegung von L’Œuvre angehörten. Charles L’Eplattenier war die treibende Kraft hinter der Gründung von L’Œuvre, dem Westschweizer Kunst- und Industrieverein, der 1913 in Yverdon gegründet wurde. Im selben Jahr folgte sein deutschsprachiges Pendant, der Schweizer Werkbund. In dieser Vereinigung, die in gewisser Weise die Arbeit der Kunstschule fortsetzte und die Annäherung zwischen Kunst und Industrie förderte, arbeitete L’Eplattenier unter anderem mit einigen der kreativsten Schweizer Keramiker der damaligen Zeit zusammen: Paul Ami Bonifas, Marcel Noverraz und Elisabeth Eberhardt.

Bonifas, der zweifellos der innovativste von allen war, ist in der Sammlung mit Arbeiten vertreten, die verschiedene Techniken veranschaulichen, sowohl im Bereich der Gebrauchskeramik (EAA 0399-1; EAA 0399-2; EAA 0371) als auch im anspruchsvolleren Bereich der dekorativen Objekte (EAA 0319-2; EAA 0372; EAA 0368; EAA 0382). Von Noverraz erwarb das Industriemuseum zwei repräsentative Beispiele der hochwertigen Produktion des Ateliers in Carouge, die auf das Jahr 1927 datieren und vom Keramiker selbst bemalt wurden (EAA 0345-1; EAA 0345-2).

La Chaux-de-Fonds war eine der Stationen der ersten von L’Œuvre organisierten Wanderausstellung, der Exposition des arts du feu (Ausstellung der Feuerkünste) von 1916. Die Verantwortlichen des Industriemuseums tätigten bei dieser Gelegenheit einige Ankäufe: Arbeiten von Anna Müller (EAA 0396-2; EAA 0396-3 und 5) und Frieda Lauterburg (EAA 0343), die in der Strömung der Berner Tradition der engobierten Irdenwaren arbeiteten; drei dekorierte Objekte von Violette Mathey aus Les Ponts-de-Martel (EAA 0397-2; EAA 0397-1; EAA 0398); gewisse Objekte von Bonifas und wahrscheinlich die «Confidence» der Künstlerin Jeanne Perrochet aus La Chaux-de-Fonds (EAA 0764). Das Industriemuseum erwarb eine weitere Keramikskulptur von Perrochet, die «Baigneuse» (EAA 0763), während das Kunstmuseum von La Chaux-de-Fonds kürzlich ein Exemplar der verzierten Schachtel erhielt, die ebenfalls in der Werkstatt von Paul Bonifas in Versoix in den Jahren 1915 bis 1919 hergestellt wurde (MBALCF 2052.01).

Die Sammlung enthält auch drei Werke eines anderen Schülers von L’Eplattenier, dessen Biografie leider sehr mysteriös bleibt: J. M. Perrenoud, genannt Marius. Wir wissen praktisch nichts über seinen Werdegang. Die Teekanne mit dem Zeichen der Keramikschule Höhr-Grenzhausen (EAA 0012) lässt lediglich vermuten, dass Perrenoud sich um 1909 in Deutschland weiterbildete. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, wo der Keramiker seine anderen Arbeiten (EAA 0329; EAA 0011) anfertigte. Höchstwahrscheinlich nicht in der Schweiz, da die einzige Werkstatt, die zu jener Zeit die Steinzeugtechnik beherrschte, die von Bonifas war. Das von Perrenoud verarbeitete Material entspricht in keiner Weise dem des Genfer Meisters, der es nie versäumte, den gemeinsam hergestellten Objekten seinen eigenen Stempel aufzudrücken, wie man an den Arbeiten von Perrochet sehen kann. Alles, was wir über Perrenoud wissen, ist, dass er 1912 als «Keramiklaborant und Dekorateur» in der Fabrik La Cartuja in Sevilla arbeitete, einer Manufaktur, die zwischen 1841 und 1982 in dem gleichnamigen verlassenen Kloster untergebracht war (L’Eplattenier et al. 1912, S. 19-20).

Der Keramikbestand des ehemaligen Industriemuseums umfasst auch eine Reihe von Beispielen aus Japan, dessen entscheidender künstlerischer Einfluss auf die Entstehung der europäischen Jugendstilbewegung bekannt ist. Die Institution unterhielt Kontakte zu einem gewissen Robert Sandoz, dessen japanische Sammlung eine Zeit lang im Museum deponiert war. Zumindest bei zwei Objekten wissen wir aus den Archiven, dass sie 1909 von Robert Sandoz erworben wurden: ein Pinseltopf vom Typ «Satsuma» (EAA 0477-2) und die schöne Fächerschale aus der berühmten Kinkozan-Manufaktur in Kyoto (EAA 0496). Es ist anzunehmen, dass auch andere japanische Exemplare aus derselben Quelle stammten. Und man könnte sich sogar fragen, ob Sandoz sich nicht in Japan aufgehalten hat, denn einige Objekte heben sich klar ab von der Masse der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Westen importierten Keramik. Dies gilt insbesondere für eine blau-weisse Porzellanflasche (EAA 0473), einen Becher mit topografischem Dekor (EAA 0472) und einen Pinseltopf, der wahrscheinlich aus der Provinz Nagasaki stammt (EAA 0501-2).

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie

Bieri-Thomson 2006
Helen Bieri Thomson (éd.), Une expérience Art nouveau. Le style Sapin à La Chaux-de-Fonds. La Chaux-de-Fonds/Paris 2006.

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013, 36-38.

Gfeller 1992
Catherine Gfeller, L’essor de l’Art nouveau à La Chaux-de-Fonds ou les débuts de l’École d’art (1900-1914). Nouvelle revue neuchâteloise 34, 1-47.

L’Eplattenier et al. 1912
Charles L’Eplattenier, Georges Aubert, Charles-Édouard Jeanneret et Léon Perrin, Un mouvement d’art à La Chaux-de-Fonds, à propos de la nouvelle section de l’École d’art. La Chaux-de-Fonds 1912.

La Sarraz, Château, Musée romand und Maison des artistes (CLS)

Château de La Sarraz (CLS)
Le Château 1
1315 La Sarraz

Roland Blaettler, 2019

Die Keramiksammlung des Schlosses La Sarraz in CERAMICA CH

Das Schloss, dessen Ursprünge bis ins 11. Jahrhundert zurückreichen, war der Sitz der Herren von La Sarraz. Nach dem Aussterben des gleichnamigen Geschlechts zu Beginn des 16. Jahrhunderts fiel die Baronie an die mächtige Familie der Gingins, die auch die Herren von Gingins, Divonne und Châtelard waren. Der erste Baron von La Sarraz, François II de Gingins (1516–1578), wurde bereits 1522 als Burger von Bern aufgenommen. Später waren die Gingins eine der wenigen Waadtländer Familien, die zum Berner Patriziat gehörten, wo sie hohe staatliche Ämter bekleideten. Mit der Verzweigung der Linie wurde die Baronie La Sarraz weitgehend aufgeteilt. Darüber hinaus wurde die Familiengeschichte der Gingins durch das Wegsterben ihrer männlichen Mitglieder, die sich als Söldner für Bern, Frankreich und Holland engagierten, empfindlich gestört. Nachdem das Schloss fast ein Jahrhundert lang ziemlich vernachlässigt worden war, wurde es in den 1780er-Jahren von Baron Amédée-Philippe wieder instand gestellt. Die Linie der Gingins de La Sarraz starb 1893 mit dem Tod des letzten männlichen Nachkommens, Aymon, aus und das Schloss fiel an seine Schwester Marie (Lüthi 2016, 2-4 ).

Das aktuelle Aussehen des Schlosses und die Art der Sammlungen, die noch heute das Mobiliar bilden, sind zu einem grossen Teil das Ergebnis der Bemühungen von Frédéric de Gingins (1790–1863), dem Sohn des letzten Barons, Charles Louis Gabriel. Frédéric, der an Taubheit litt, wählte einen anderen Weg als den der Waffen oder des Handels und arbeitete zunächst als Übersetzer für die Berner Kanzlei, bevor er sich mit seiner Frau Hydeline, geborene de Seigneux, und an der Seite seines Bruders Henry in sein Schloss zurückzog. Als leidenschaftlicher Botaniker und vor allem als Geschichtsforscher veröffentlichte er zahlreiche Studien und war 1837 einer der Gründer der Société d’histoire de la Suisse romande.

Nachdem Friedrich beschlossen hatte, sich dort niederzulassen, begann er in den 1830er-Jahren das weitgehend verfallene Schloss zu restaurieren und im neogotischen und neoklassizistischen Stil umzugestalten. Zur einer Zeit als die Grösse der Gingins nur noch der Vergangenheit angehörte, zielte die Aufwertung von La Sarraz eindeutig darauf ab, den vergangenen Ruhm zu inszenieren, indem das Schloss zu einer Art «dynastischem Museum» gemacht wurde, wie Dave Lüthi es formulierte (Lüthi 2016, 5). Die Ausstattung des Wohnsitzes, Gegenstände und Kunstwerke – insbesondere die zahlreichen Porträts der Vorfahren – bestand aus Familienschätzen, die von den Nachkommen der verschiedenen Zweige (Chevilly, Orny, Moiry) gestiftet wurden und aus ihren jeweiligen Wohnorten stammten, insbesondere aus Bern, wo die meisten Gingins während des Ancien Régime die meiste Zeit verbracht hatten. Um das Familienerbe zu vervollständigen, erwarb Frédéric auch Gegenstände mit angeblich dynastischem Charakter. Es ist anzumerken, dass nach dem Tod von Frédéric de Gingins im Jahr 1863 ein Teil seines Mobiliars versteigert wurde, hauptsächlich jedoch die Gegenstände, die nicht mit der Familiengeschichte in Verbindung standen (Lüthi 2016, 7).

Marie de Gingins (1828–1902), Aymons Schwester, die letzte ihres Namens und unverheiratet, vermachte das Schloss und das Anwesen ihrem Neffen Henry de Mandrot (1861–1920). Nachdem er ein Medizinstudium begonnen hatte, war dieser nach Texas gezogen, um dort landwirtschaftliche Betriebe zu gründen. Nach Bekanntgabe des Erbes kehrte er in seine Heimat zurück, um seinen Besitz zu verwalten. Als begeisterter Genealoge war er einer der Gründer und der erste Präsident der Société vaudoise de généalogie (Waadtländer Genealogiegesellschaft). Im Jahr 1906 heiratete er Hélène (1867–1948), die aus einer reichen Genfer Familie, den Revilliod de Muralt, stammte. Ihr Vater Aloys (1839–1921), ein Neffe von Gustave, dem Gründer des Ariana-Museums, besass insbesondere eine bedeutende Sammlung von chinesischem Exportporzellan.

 Das Musée romand

Im Jahr 1911 gründeten Henry und Hélène de Mandrot mit einer Gruppe von angesehenen Persönlichkeiten die Société du Musée romand, deren Ziel es war, im Schloss La Sarraz Werke und Objekte zu sammeln, die die Besonderheiten des Kulturerbes der Westschweiz illustrieren und die Wurzeln der Identität der Romandie bekräftigen sollten. Eine Art Gegenstück zum Landesmuseum in Zürich. Zu den Gründern gehörte auch der Künstler und Sammler Alexis Forel, der seine Sammlungen eine Zeit lang in La Sarraz aufbewahren wollte, bevor er sie schliesslich in Morges unterbrachte (siehe «Musée Alexis Forel, Morges»).

Nach Mandrots Vorstellung sollte die zukünftige «Westschweizer» Sammlung den ursprünglichen Kern des Gingins-Erbes ergänzen, das durch das bedeutende Vermächtnis von Hélène de Gingins (1856–1923), der letzten Vertreterin des Zweiges von Éclépens, noch vergrössert werden sollte. Nach Henrys Tod im Jahr 1920 wurde die Gesellschaft des Westschweizer Museums Eigentümerin des Schlosses, während Hélène bis zu ihrem Tod die Nutzniessung behielt. Das Musée romand wurde am 8. Juli 1922 eröffnet. Von da an konnte die Öffentlichkeit während der Sommermonate an drei Nachmittagen pro Woche einige historische Säle und den speziell für das Musée romand reservierten Raum besichtigen. Da die Spendenaufrufe in der Bevölkerung kaum spektakuläre Auswirkungen hatten, obwohl die Förderer es sich nicht nehmen liessen, den patriotischen Charakter des Projekts zu betonen, erwiesen sich die Anfänge der Sammlung als bescheiden und eklektisch. Wahrscheinlich aus diesem Grund behielt die Eröffnungszeremonie einen bewusst «intimen» Charakter, wie die Berichte in der damaligen Presse nachdrücklich betonten (Feuille d’avis de Lausanne vom 11. Juli 1922, S. 12 – La Revue vom 14. Juli, S. 3).

Was die folgende Entwicklung der Sammlungen des Museums betrifft, so ist es sehr schwierig, ihre tatsächliche Bedeutung beim derzeitigen Stand der Inventare einzuschätzen, aber es ist offensichtlich, dass sie nie das Ausmass erreichten, das sich die Gründer vorgestellt hatten. Aufgrund ihres zweideutigen Status zwischen dynastischem Museum und Museum von allgemeinem Interesse hatte die Institution Schwierigkeiten, anerkannt zu werden, insbesondere von den Behörden (Lüthi 2016, 10).

Im Schloss La Sarraz haben wir etwa 300 Keramiken aufgenommen, die traditionell im Inventar unter der Rubrik «Fonds Gingins» klassifiziert werden, ohne weitere Angaben, die die Umstände, unter denen sie in die Sammlungen gelangten, erhellen könnten. Es wird angenommen, dass diese Objekte aus dem Familienbesitz stammen, die seit jeher im Schloss deponiert waren oder von Frédéric de Gingins in La Sarraz gesammelt wurden und aus den verschiedenen Residenzen der Familie, insbesondere aus ihrem Wohnsitz in der Stadt Bern, stammten. Die meisten dieser Stücke sind Porzellane aus dem 18. Jahrhundert und stammen hauptsächlich aus Nyon (rund 110 Objekte) und China (etwas mehr als 130 Objekte).

In jeder dieser beiden Kategorien befindet sich ein grosses Service, wie es nur sehr selten in Schweizer Sammlungen zu finden ist: Aus Nyon ein 95-teiliges Dessertservice aus den Jahren 1795–1800 mit einem Dekor aus aneinandergereihten Kornblumen mit zweifarbigem Blattwerk, einem der damals beliebtesten Motive im mittleren Preissegment der Manufaktur aus Nyon (CLS MURO 1276; CLS MURO 1277; CLS MURO 1278; CLS MURO 1279; CLS MURO 1280; CLS MURO 1281; CLS MURO 1282A; CLS MURO 1283; CLS MURO 1284; CLS MURO 1286 und 1285; CLS MURO 1287). Aus China stammt ein 82-teiliges Tafelservice mit dem berühmten Dekor «Mit zwei Pfauen» im Stil der «Famille rose», datiert 1765–1770 (CLS MURO 1355; CLS MURO 1356; CLS MURO 1357; CLS MURO 1358; CLS MURO 1359; CLS MURO 1361). Es liegt auf der Hand, dass Keramikgruppen dieser Grösse aus dem Mobiliar eines grossen Hauses stammen, in diesem Fall aus der Berner Residenz der Gingins. Diese Ensembles ergänzen sich in ihrer jeweiligen Funktion und geben ein Bild von den Prunktischen des Berner Patriziats im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts.

Unter dem Porzellan aus Nyon sind ausserdem das zweite bekannte Exemplar eines frühen Bechermodells mit Banddekor und Blumenkränzen (CLS MURO 1257) sowie ein schönes Tablett mit monochromen orange-sepiafarbenen Blumensträussen (CLS MURO 1255) zu erwähnen. Im Bereich der asiatischen Keramik ist das Überbleibsel eines Trinkgeschirrs, datiert in die Zeitspanne von 1750–60, zu erwähnen im Stil der «Famille rose», der Blumendekor hingegen ist eher in europäischer Manier ausgeführt (CLS MURO 1262; CLS MURO 1263; CLS MURO 1264; CLS MURO 1265; CLS MURO 1266; CLS MURO 1267), und mehrere kleine, zusammenhängende Gruppen (zwei bis acht Stück) von Tellern in verschiedenen Stilen – Blau und Weiss, «Chinesisches Imari» oder mit Dekor im Stil «Famille rose» (z. B. CLS MURO 1289; CLS MURO 1275; CLS MURO 1273; CLS MURO 1372). Sehr wahrscheinlich wurden solch kleine Gruppen von Anfang an eher für dekorative als für Gebrauchszwecke erworben. Besonders bemerkenswert sind zwei Teller mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Dekor, teilweise inspiriert von den Werken des holländischen Zeichners Cornelius Pronk (CLS MURO 1274).

Unter den Gebrauchsgegenständen im engeren Sinne hingegen befinden sich vier Messergriffe aus Weichporzellan aus Saint-Cloud vom Anfang des 18. Jahrhunderts (CLS MURO 1308). Das in Schweizer Sammlungen äusserst seltene englische Porzellan ist durch eine isolierte Schale aus Chelsea, um 1755, mit einem Blumendekor von schöner Qualität und einer reichen Verzierung in Form eines gegossenen Reliefs vertreten (CLS MURO 559). Unter den seltenen Fayencen aus dem Gingins-Fonds sind eine Delfter Platte aus der Manufaktur «A grec» (CLS MURO 1292) und ein Strassburger Teller mit Blumenmotiv aus der Zeit von Paul Hannong (CLS MURO 1294) hervorzuheben.

Das Haus der Künstler

Nach dem Tod ihres Mannes hauchte Hélène de Mandrot dem ehrwürdigen dynastischen Schloss einen frischen Wind ein, indem sie die bewegte und vielfältige Welt der zeitgenössischen Kunstszene, oft in ihren avantgardistischsten Ausdrucksformen, einlud.

Hélène selber fasste eine künstlerische Ausbildung ins Auge, indem sie Kurse bei Joseph Mittey (1853–1936) an der École des arts industriels in Genf und an der Académie Julian in Paris besuchte. Bei Mittey lernte sie zunächst die Welt der Keramik kennen (hauptsächlich Keramikdekoration), bevor sie die allgemeine Ausbildungsklasse besuchte, die vor allem auf Praktiken ausgerichtet war, die als weiblich galten, wie etwa Aquarellmalerei, Dekoration, Komposition und Stilstudien, hauptsächlich auf Papier. Ihre künstlerische Tätigkeit hinterliess vor allem im Bereich der angewandten Kunst Spuren. Im Juni 1911 gründete sie die École de broderie de La Sarraz (Stickereischule). Der Begriff «Schule» ist zumindest zweideutig, da es sich in diesem Fall eher um eine kleine Produktionseinheit handelte, die aus fünf Stickerinnen bestand, die zu Hause die von Madame de Mandrot entworfenen Projekte umsetzen sollten. Der 1918 eingetragene Firmenname «H. de Mandrot, École de broderie de La Sarraz, industrie et commerce de travaux artistiques, broderie, tissage à la main, etc.» (Stickereischule von La Sarraz, Industrie und Handel mit künstlerischen Arbeiten, Stickerei, Handweberei usw.) wurde 1934 endgültig gelöscht (Schweizerisches Handelsamtsblatt, Bd. 1, S. 16). 36, 1918, 1759 – Bd. 52, 1934, 5485).

1911 trat Hélène de Mandrot der Société d’art domestique bei, die gerade auf Initiative von Nora Gross gegründet worden war. Die Beziehungen zwischen den beiden Frauen waren eher zwiespältig, da Gross de Mandrot als «Hobbykünstlerin der Frauen von Welt» (Baudin 1998, 21) einstufte. Dennoch gehörten beide 1913 zu den 87 Gründungsmitgliedern von L’Œuvre oder Association suisse romande de l’art et de l’industrie, wo de Mandrot unter anderem mit ihrem Freund Auguste Bastard, dem späteren Le Corbusier und dem Töpfer Paul Bonifas zusammenarbeitete. Sie nahm an mehreren Ausstellungen teil, unter anderem im Rahmen von L’Œuvre, indem sie ihre Stickereien präsentierte oder Innenräume einrichtete.

Hélène de Mandrots künstlerisches Schaffen hinterliess nur wenige Spuren (Baudin 1998, 18–30). Wenn sie in die Geschichte einging, dann vor allem wegen ihrer Rolle als Mäzenin und kulturelle Animateurin, die sie nach dem Tod ihres Mannes mit Leidenschaft ausübte. Hélène bewohnte das Schloss nur punktuell, sie wohnte hauptsächlich in der Familienwohnung in der Rue des Granges in Genf und ab 1925 in ihrer neuen Wohnung in Paris. La Sarraz wurde hingegen zum bevorzugten Schauplatz ihrer neuen Aktivitäten. Ab 1922 organisierte sie dort Künstlerferien, die jeden Sommer zwei Wochen lang Gruppen von Kunstschaffenden aus der Schweiz und später auch aus anderen Ländern zusammenführten. Um diesen Aktivitäten einen Rahmen zu geben, gründete de Mandrot das Künstlerhaus, eine Organisation mit eher vagen Konturen, die Gegenstand einer Vereinbarung mit dem Eigentümer des Schlosses, der Société du Musée romand, war und von einem Kapital profitierte, das Hélène zur Verfügung stellte (Baudin 1998, 43-47).

Das Genfer Künstlermilieu wurde in La Sarraz besonders verwöhnt, wie etwa der Maler und Dekorateur Marc-Auguste Bastard, der zwischen 1922 und 1925 mehrere Aufenthalte in La Sarraz verbrachte (Baudin 1998, 45 und 309). Bastard gehörte auch dem Vorstand der Société du Musée romand an. Ebenfalls aus Genf kam der Keramiker Paul Bonifas, der sich im Juli 1938 im Schloss aufhielt. Hélène de Mandrot liess ihn zusammen mit anderen Westschweizer Kreativen an der Ausstellung teilnehmen, die sie 1943 bei Wohnbedarf in Zürich organisierte und in der sie Möbel von ihm präsentierte (Baudin 1998, 42 und 310).

Hélène de Mandrot, die zunehmend in Paris lebte, öffnete sich den damals aktuellsten Strömungen des künstlerischen Schaffens und interessierte sich immer mehr für zeitgenössische Architektur. Dank ihrer zahlreichen internationalen Kontakte arbeitete sie an zwei ehrgeizigen Projekten mit, die den Ruhm von La Sarraz begründeten: dem internationalen Vorbereitungskongress für moderne Architektur (dem Gründungsereignis der CIAM), der im Juni 1928 im Schloss stattfand, und dem internationalen Kongress des unabhängigen Kinos (CICI) im September 1929. Durch diese Ereignisse sah das altehrwürdige Schloss so bedeutende Persönlichkeiten wie Le Corbusier, Alvar Aalto, Hans Arp, Max Bill, Sergej Eisenstein, Walter Gropius und Max Ernst (für eine vollständige Liste siehe Baudin 1998, 308–326).

Viele der eingeladenen Künstler hinterliessen während ihres Aufenthalts in La Sarraz Werke, die von de Mandrot dem Musée romand vermacht wurden («Fonds Hélène de Mandrot»). Darunter befinden sich auch einige Keramiken: Ein Krug aus engobierter Irdenware, dekoriert von Auguste Bastard (CLS MURO 57), eine Tierfigur aus Steingut der Brüder Jan und Joël Martel, herausragende Vertreter der Bildhauerkunst des Art déco (CLS MURO 1058), und vier Kreationen von Paul Ami Bonifas, darunter eine signierte Fayencevase aus einer limitierten und nummerierten Auflage (CLS MURO 218) und eines der modernistischsten Modelle des Keramikers aus der berühmten Linie der «schwarz glänzenden Keramiken» (CLS MURO 217).

Nach dem Tod von Hélène de Mandrot im Jahr 1948 wurde Charles Knébel der erste Konservator des Musée romand, ein Amt, das er bis zu seinem Tod im Jahr 1964 im Alter von 89 Jahren innehatte. Er richtete seine eigenen Sammlungen im Schloss ein und vermachte sie dem Musée romand («Fonds Charles Knébel»). Darunter befinden sich einige Porzellane aus Nyon von gängiger Qualität, aber auch ein seltenes Beispiel des letzten Terrine-Modells, das in der Manufaktur wahrscheinlich kurz nach 1795 hergestellt wurde (CLS MURO, Nr. 1).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise, consultée sur Scriptorium, le site de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne.

Bibliographie:

 Baudin 1998
Antoine Baudin, Hélène de Mandrot et la Maison des artistes de La Sarraz. Lausanne 1998.

Lüthi 2016
Dave Lüthi, Archéologie d’un ensemble mobilier exceptionnel: les collections du château de La Sarraz. In Situ [en ligne], 2016, 29 (http://insitu.revues.org/13007).

Langnau, Regionalmuseum, Chüechlihus (RML)

Regionalmuseum Chüechlihus
Bärenplatz
CH-3550 Langnau
Tel.: +41 (0)34 402 18 19
info@regionalmuseum-langnau.ch

Keramik des Regionalmuseums Langnau in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2022

Das Regionalmuseum Chüechlihaus in Langnau präsentiert in seiner Dauerausstellung unterschiedliche Sammlungsschwerpunkte aus der bäuerlichen Welt des Emmentals im 18. und 19. Jahrhundert. Dazu gehört die Land- und Alpwirtschaft mit der Käseproduktion und dem Käsehandel. Weitere Schwerpunkte sind regional gefertigte Glaswaren und die lokale Töpferei, die in Langnau ab dem 17. Jahrhundert nachweisbar ist. Vor allem im 18. Jahrhundert lieferten die Werkstätten der Hafner Herrmann Spitzenprodukte für die bäuerliche Wirtschaftselite. Aber auch die jüngere Töpfereientwicklung bis ins 20. Jahrhundert findet Berücksichtigung. Das Chüechlihaus zeigt im Kanton Bern die umfangreichste Keramikausstellung. Was sich darüberhinaus aus kulturhistorischen und wissenschaftlichen Gründen im Sammlungsmagazin befindet, kann man nun auf CERAMICA CH betrachten.

Die Vorgeschichte des Museums und der Sammlungen reicht bis in die Zeit um den 1. Weltkrieg zurück. 1914/15 gelang es Rudolf Wegeli (1877–1956), dem zwischen 1910 und 1948 sehr aktiv sammelnden Direktor des Bernischen Historischen Museums die bedeutende Sammlung des Langnauer Oberlehrers Emil Aeschlimann gegen ausländische Kaufinteressen für sein Museum zu sichern. Mit Unterstützung des Vereins zur Förderung des Bernischen Historischen Museums wurden für 6000 Franken 155 Keramiken und verschiedene Ofenkacheln angekauft. Zum damaligen Zeitpunkt war dies vermutlich die grösste existierende Privatsammlung mit Langnauer Keramik auf dem Markt.

Emil Aeschlimann (1864–1930), seit 1884 Lehrer in Langnau, sammelte und handelte jedoch nicht nur bernische Keramik, sondern generell auch volkskundliche und historische Objekte aus dem Emmental, die er gerne in einem «emmentalischen Lokalmuseum» untergebracht hätte. Doch fielen seine in den späten 1880er-Jahren im «Emmenthaler-Blatt» veröffentlichten Vorschläge vor Ort nicht auf fruchtbaren Boden (Aeschlimann 1928, 9. Vgl. zu seiner Person den Nachruf im «Emmenthaler Blatt» vom 29.5.1930). Daher musste er die Sammlung in seiner Wohnung im Ilfis-Schulhaus aufbewahren, wo sie unter anderem die rumänische Königin Marie anlässlich eines Staatsbesuches in der Schweiz am 8. Mai 1924 bewunderte (Aeschlimann 1928, Beilage «Die rumänische Königin im Ilfis-Schulhaus»). Zwischen 1897 und 1908 verkaufte Aeschlimann wiederholt auch Keramiken und Ofenkacheln bzw. 1902 einen Langnauer Kachelofen an das Schweizerische Nationalmuseum. Als damals bester Kenner der Langnauer Keramik unternahm er auf Anregung von Direktor Wegeli 1925 eine erste Bearbeitung des Themas, die 1928 gedruckt erschien (Aeschlimann 1928). Diese basierte vor allem auf den ihm bekannten Sammlungen im Bernischen Historischen Museum, im Schweizerischen Nationalmuseum und wohl auch der Privatsammlung von Fritz Pappé-Schweinfurt aus Bern, auf den noch zurückzukommen ist.

Emil Aeschlimanns Wunsch nach einem kulturhistorischen Museum sollte sich erst 1930, im Jahr seines Todes, erfüllen. Der Vorsteher der Sekundarschule Ernst Käser, Dr. Ruchti und Architekt Ernst Mühlemann nahmen 1929 Verhandlungen mit dem damals 65-Jährigen über einen Verkauf seiner Sammlung auf. Das Gründungskomitee eines «Kulturgeschichtlichen Ortsmuseums der Gemeinde Langnau» hatte die Wahl zwischen der ganzen Sammlung im Wert von 40 000 Franken oder aber einer Teilsammlung für 13 000 Franken. Man entschloss sich zu Letzterem. Als Anschauungsmaterial für die Sekundarschule Langnau wurden erworben: 145 kulturhistorische Objekte (u. a. Gebäckmodel aus Ton und Holz), 19 Objekte Beleuchtung, 36 Objekte Langnau-Töpferei und 25 Ofenkacheln, 16 Möbel, 43 Objekte Schmuck und Uhren, 37 Bilder, Schriften, Bibeln, 33 Tabakpfeifen, 17 unterschiedliche Objekte, u. a. vier Keramiken, total 434 Objekte (Maschinenschriftliches Inventar im Besitz des RML).

Im ehemaligen Gemeindezimmer im alten Gemeindehaus (heute Regionalmuseum Chüechlihaus) richtete Emil Aeschlimann noch eine erste Ausstellung ein («Emmenthaler Blatt» Nr. 55 vom 13.5.1930 und Nr. 63 vom 31.5.1930 mit Bericht über die Präsentation der aufgebauten Sammlung und erste Öffnung für die Öffentlichkeit), bevor er am 27. Mai 1930 unerwartet verstarb (Nachruf «Emmenthaler Blatt» vom 29.5.1930 und Bericht über die Beisetzung am 3.6.1930). Nach der Beschreibung im ursprünglichen Inventar ist klar, dass verschiedene angekaufte Keramikobjekte nicht aus Langnauer Produktion stammen. Heute sind im Regionalmuseum in Langnau aus diesem Ankauf noch 13 Geschirrkeramiken sicher belegbar (RML A103, A200, A256, A289, A291, A293, A312, A313, A327, A329, A334 / A339, A335, A349). Der Rest ist sicher auch vorhanden, jedoch mangels einer detaillierten alten Inventarnummernkonkordanz nicht mehr zuweisbar. Was der nicht angekaufte grössere Teil der Sammlung Aeschlimann beinhaltete und wohin er nach dem Tod des Sammlers verkauft wurde, ist unbekannt. Nur das Inventar des Bernischen Historischen Museums verzeichnet für das Jahr 1930 noch Ankäufe von drei Keramiken aus dem Nachlass (BHM H/20823, H/20827, H/20828).

Am 1. Juni 1930 wurde das Museum offiziell eröffnet («Emmenthaler Blatt» vom 16. Juni 1930 bzw. vom 1. Juli 1930) und noch im selben Monat eine Aufsichtskommission für das Ortsmuseum eingesetzt, der Architekt Ernst Mühlemann, Drechslermeister Ernst Moser, Tierarzt Dr. Widmer, Pfarrer Trechsel, der Schulvorsteher Ernst Käser, die Kaufleute Max Sänger und Jakob Lappert und die Keramikmalerin Frieda Lauterburg angehörten («Emmenthaler Blatt» vom 16. Juni 1930 bzw. vom 1. Juli 1930). Einem Aufruf, dem Museum weitere kulturgeschichtlich relevante Objekte oder Spenden zukommen zu lassen, kam vor allem Jakob Lappert im Jahr 1930 selbst nach (RML A026, A038, A045, A276).

Auf der grossen Keramikausstellung in Jegenstorf wurden im Jahr 1948 auch zahlreiche Langnauer Keramik aus dem Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel (Staehelin 1948, Kat. 707, 721, 742, 743, 766, 772, 773 und 776), dem Rittersaalverein Burgdorf (Staehelin 1948, Kat. 771), dem Kantonalen Gewerbemuseum Bern (Staehelin 1948, Kat. 718–720, 730, 735, 737, 740, 749, 751, 755, 756, 759, 767 und 775) und der Sammlung Leemann-Geymüller (Arlesheim, Staehelin 1948, 100 Kat. 745, seit 1970 SNM LM-45839) sowie anderen heute unbekannten Privatsammlungen ausgestellt. Nicht alles, was damals von dem kenntnisreichen Berner Antiquitätenhändler Walther A. Staehelin unter dem Stichwort «Langnau» präsentiert wurde, würden wir heute ebenfalls so zuordnen. So war es damals offenbar z. B. nicht möglich, die Produkte der Hafnerei Vögeli aus Burgdorf auszugliedern (vgl. dazu: Heege 2015) oder Datierungsfälschungen zu erkennen (Z. B. Staehelin 1948, Kat. 707 (MAHN AA-1170).

Es scheint, dass erst die Vorbereitungsarbeiten zur Ausstellung in Jegenstorf erneut auch Schwung in das Museum in Langnau brachten. Das «Emmenthaler Blatt» vom 7. Juni 1948 kündigte eine «Ausstellung von Alt-Langnau-Töpferei» für die Monate August und September 1948 an und bat um Leihgaben. Die Ausstellung wurde schliesslich schon Mitte Juli 1948 vor allem mit Leihgaben des bernischen Sammlers Fritz Pappé-Schweinfurth (1876–1959) eröffnet und bis zum Ausstellungsende von über 1600 Gästen besucht («Emmenthaler Blatt» vom 19.7. und 3.9.1948).

Fritz Pappé-Schweinfurth (1876‒1959) führte zusammen mit seinem Bruder Franz ein Piano- und Antiquitätengeschäft an der Kramgasse 54 in Bern (Informationen zur Person: Der Bund, 97, Nr. 297, 29.6.1946; Der Bund 110, Nr. 397, 17.9.1959; Nachruf Nr. 401, 21.9.1959). Er muss eine eher verschwiegene Sammlerpersönlichkeit gewesen sein, denn es liessen sich über ihn, seine Tätigkeit als Händler und seine Sammlung keine weitergehenden Informationen finden. Seine Sammlertätigkeit muss bereits sehr früh begonnen haben, denn bereits 1907 schenkte er zum ersten und einzigen Mal eine rotengobierte Bäriswiler Schüssel an das Bernische Historische Museum (BHM H/6110).

Der Erfolg der Ausstellung in Langnau, zusammen mit einem altersbedingten Verkaufsangebot von Fritz Pappé, bewogen Jakob Lappert im Oktober 1948 zu einem Aufruf im «Emmenthaler Blatt», bei dem er für einen Ankauf der Sammlung warb. In Langnau war die öffentliche Meinung offenbar geteilt, doch gab eine glückliche Unterstützungszusage von Fabrikant Nyffeler aus Kirchberg letztlich den Ausschlag (zur Erwerbungsgeschichte: Zbinden/Pfister 1977, 19–20). Laut einer im Regionalmuseum Langnau existierenden Inventarliste wurden im Februar 1949 239 keramische Objekte für den Preis von 30.000 Franken angekauft (Emmenthaler Blatt vom 14.2.1949). Der vollständige Empfang der Sammlung wurde am 4. August 1949 von Jakob Lappert als Mitglied der Museumskommission bestätigt. 220 Objekte wurden direkt inventarisiert und sind heute eindeutig nachweisbar, während eine Nachlieferung von zwanzig Stücken, meist Deckeln, nicht inventarisiert wurde und daher heute aus den Sammlungsbeständen nicht mehr eindeutig ausgegliedert werden kann.

Terrine / «Hochzeitsschüssel» Schweiz, Kanton Bern Langnau, Werkstatt 3, Hand 6 (Daniel Herrmann II), um 1800-1801.

Zu den herausragenden Stücken der Sammlung Pappé gehörte auch eine Langnauer «Hochzeitsschüssel», die dieser 1917 anlässlich der Versteigerung des Nachlasses aus Schloss Schadau bei Thun (Besitz de Rougemont) erworben hatte (Aeschlimann 1928, Umschlagbild; Staehelin 1950, 11. Auktionskatalog «Antiquitäten und Kunstsachen aus Schloss Schadau bei Thun», Versteigerung durch Hans Thierstein, ab dem 11.10.1917 im Saal des Hotel Emmental, zitiert nach Staehelin 1949, 13. Der Auktionskatalog ist in der Schweizerischen Nationalbibliothek vorhanden, Signatur: Nq 16600/1). Auch im Nachhinein muss die Entscheidung der Gemeinde für den Ankauf immer noch als ausgesprochen glücklich bezeichnet werden. Nach diesem Zeitpunkt ergab sich für keines der schweizerischen Museen mehr die Gelegenheit, eine Sammlung mit einem solchen Umfang und einer vergleichbaren Qualität zu erwerben.

Jakob Lappert war offenbar ein begeisterter Langnau-Sammler und zugleich aktiver Förderer des Regionalmuseums, denn nach seinem Tod gelangten 1956 26 weitere Langnauer Keramiken in den Museumsbestand (zum Langnauer Museum und der Keramiksammlung vgl. auch: Moser 1958).

In den folgenden Jahren wuchs die Sammlung vor allem durch Schenkungen und wenige gezielte Ankäufe, wobei vor allem auch Objekte anderer Langnauer Keramiker gesammelt wurden. Im Sommer 2022 umfasst das in CERAMICA CH fast vollständig erfasste Inventar 814 Datensätze. Dabei handelt es sich um 705 Einträge für Irdenware, 38 für Fayence, 27 für Steingut, 14 für Steinzeug, 10 für Porzellan und 20 für Gips (Model). Mit dieser Anzahl gehört die Sammlung im Regionalmuseum zu den grossen und kulturhistorisch bedeutsamen Sammlungen des Kantons Bern. Die grosse Keramikmenge macht im Folgenden eine detaillierte und intensive Besprechung der jeweiligen Keramikgruppen unmöglich. Daher werden Schwerpunkte gesetzt.

 

Langnauer Teller Schweiz, Kanton Bern, Langnau, Werkstatt 1, Hand 4 (Christen Herrmann), 1737.

Bei den Irdenwaren dominieren aufgrund der örtlichen Sammlungsstrategie die Produkte aus Langnau mit 554 Datensätzen.  Darunter befinden sich 238 Keramiken aus dem Zeitraum von ca. 1720 bis 1884 (Langnau Werkstatt 1 bis 6), die den Hafnermeistern der Familie Herrmann (vgl. Genealogietabelle) zugeschrieben werden können, deren letzter Vertreter 1916 verstarb, aber die Hafnerei bereits 1910 aufgegeben hatte (Johann Herrmann, 1870-1916).

Die lokale Langnauer Produktion wurde jedoch von verschiedenen anderen Hafnereien weitergeführt (vgl. Hafnertabelle), von denen einige mit unterschiedlichen Keramikmengen ebenfalls in der Sammlung vertreten sind.

Malhörnchen aus der Hafnerei Röthlisberger.

Hierzu gehört u.a. die Hafnerei Röthlisberger in der Langnauer Oberstrasse 66, die von 1894 bis 1953 existierte. Unter den 40 Objekten im Museumsinventar befinden sich vor allem verschiedene Gipsformen für Spielzeugtiere und Gerätschaften, die bei der Werkstattauflösung 1953 ins Regionalmuseum gelangten.

 

Gipsmodel aus der Töpferei Röthlisberger für einen Spielzeug-Dragoner aus Keramik, 1. Hälfte 20. Jh. (modernere Ausformungen).

Auch ein ungewöhnlicher Zündholzhalter/Aschenbecher aus dem Jahr 1894 kann der Hafnerei Röthlisberger zugewiesen werden.

Teller von Johannes Röthlisberger (1876-1942) nach Entwürfen von Paul Wyss.

Paul Wyss, der bernische Kunstgewerbelehrer fertigte in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg für die Hafnerei Röthlisberger auch Entwürfe für Keramikdekore.

Bei jüngere Keramiken der Töpferei handelt es sich meist um sehr einfaches, ungemarktes Gebrauchsgeschirr.

Auch eine Zusammenarbeit von Paul Wyss mit der Langnauer Keramikmalerin Frieda Lauterburg (1877-1943) lässt sich belegen.

Keramik von Frieda Lauterburg mit Szenen aus dem Kinderumzug des Langnauer Schützenfests von 1906, nach Entwürfen von Paul Wyss.

Zu welchem Zeitpunkt Frieda Lauterburg in Langnau Keramik und Kachelöfen bemalte (ab ca. 1907?) und wie lange ihre keramische Tätigkeit andauerte, ist unbekannt. Auch lässt sich nicht sicher belegen, welche Hafnereien für sie die Keramik brannten.

Das Regionalmuseum in Langnau besitzt mit 21 Keramiken heute den grössten Bestand an Lauterburg Keramiken in der Schweiz.

Dose mit Metallbeschlag für das Emmentalische Landesschiessen 1922, Werkstatt Adolf Gerber. Entwurf des Medaillons (zugleich Festplakat) Paul Wyss.

Von grosser Bedeutung war in Langnau die Hafnerei von Adolf Gerber (1879-1951). Dieser führte von 1911 bis 1948 einen Betrieb in Langnau an der Güterstrasse 3.

Zwei Terrinen und ein Teller von Adolf Gerber mit Dekor «Alt-Langnau».

Zusammen mit Paul Wyss und einigen anderen Personen (u.a. Pfarrer Müller aus Langnau)gilt Adolf Gerber als «Neubegründer» der Langnauer Töpferei (Aeschlimann 1928, 17-18). In diesem Zusammenhang entstand in seiner Werkstatt das Muster «Alt-Langnau». Aus seiner Werkstatt besitzt das Regionalmuseum 75 Keramiken und zahlreiche Entwürfe und Skizzen aus dem Werkstattnachlass.

«Alt-Langnau»-Entwürfe von Hans-Rudolf Wittwer (1895-1989), später Beringen SH.

Weitere Entwürfe stammen von dem Keramikdesigner Hans-Rudolf Wittwer (1895‒1989), der von 1930-1939 auch für die Werkstatt Gerber arbeitete.

Vorratsdosen, signiert von Anna Müller, gefertigt in der Werkstatt Gerber?

In der Werkstatt Gerber arbeitete vermutlich zeitweise auch die Keramikerin Anna Müller aus Grosshöchstetten. Von Ihr befindet sich ein signiertes Vorratsdosenset in der Sammlung des Regionalmuseums. Dazu gibt es ausserdem die Entwurfszeichnung aus dem Werkstattbestand.

Adolf Gerbers späterer Schwiegersohn Jakob Stucki (1920-1982) trat 1945 in die Werkstatt ein und übernahm diese 1948 zusammen mit seiner Frau Erika Stucki-Gerber. Von ihm besitzt das Regionalmuseum insgesamt 85 Keramiken und Figuren.

In seiner Frühzeit orientierte Jakob Stucki sich eher an der schwarzgrundigen Keramik Heimberger Art und schuf romantisierend-niedliche Dekore. Später pflegte seine Werkstatt jedoch auch einen eher strengen Dekor “Alt-Langnau”, der eines der wirtschaftlichen Standbeine der Werkstatt war.  Jakob Stucki war aufgrund seiner ab den 1950er-Jahren ebenfalls hergestellten Töpferplastiken im 20. Jahrhundert sicher der bedeutendste Keramiker in Langnau und im Emmental.

Nachfolger von Jakob Stucki an der Güterstrasse 3 in Langnau wurde Bernhard Stämpfli (1960- ), von dem wir vor allem Keramiken im Stil «Alt-Langnau» kennen. Für die Ausstellung im Regionalmuseum fertigte er 1983 auch Repliken an, die die Herstellung erläutern. Seine Marke ist «BS».

Neben den Irdenwareproduzenten etablierte sich in Langnau in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch die «Geschirrhalle Herrmann», ein Haushaltswarengeschäft mit einer grossen Keramik- und Porzellanabteilung, die auch Dekorationsaufträge annahm und eigene Marken (Helapo, Geschirrhalle Langnau) führte. Einige wenige Objekte der Geschirrhalle verwahrt auch das Regionalmuseum.

Betrachten wir die Keramiken aus dem weiteren Umfeld von Langnau, dann muss an dieser Stelle unbedingt auf die seltene Keramik von Adolf Gerber (1859-1919) aus Hasle verwiesen werden. Adolf gründete die Töpferei in der Tschamerie bei Hasle BE zu einem unbekannten Zeitpunkt in den 1880er-Jahren. Seine beiden Söhne Johann Friedrich (1881-1935) und Adolf jun. (1879-1951) arbeiteten zeitweise in der Töpferei mit.

 

Zeugnis für diese Zusammenarbeit ist ein Teller aus der Zeit vor 1909.

Sein Schwiegersohn Franz Aebi (1894-1974) führte die Töpferei ab 1919 weiter.

Teller von Franz Aebi, datiert 1919.

Auch von ihm gibt es ein signiertes und datiertes Stück in der Sammlung des Regionalmuseums. Und auch aus seiner Spätzeit liegt wenig Geschirr vor.

Im Zusammenhang mit den Hafnern Gerber und Aebi ist auch auf die Töpferei Kohler in Schüpbach zu verweisen, denn Adolf Gerber, jun. heiratete am 11. Mai 1904 die Hafnertochter Marie Kohler (1882-1935) aus Schüpbach.

  

Keramik aus der Werkstatt Gerber & Kohler, Schüpbach 1909-1911. Die Motive gehen auf Vorlagen des bernischen Kunstgewerbelehrers Paul Wyss zurück.

1909 übernahm Adolf Gerber mit seinem Schwager Oswald Kohler (1886–1955) die 1869 gegründete Werkstatt des Schwiegervaters Niklaus Kohler (1843–1927) in Schüpbach (Hafnerei Gerber & Kohler). Die Werkstattgemeinschaft dauerte jedoch nur bis 1911, dann liess sich Adolf Gerber in Langnau nieder.  Aus der Hafnerei Kohler besitzt das Regionalmuseum nur einige wenige weitere Keramiken.

Keramik von Friedrich Aegerter (1906–1969), Bärau bei Langnau.

Eine weitere Hafnerfamilie aus Langnau und Bärau bei Langnau trägt den Namen Aegerter (Heege/Kistler 2017b, 153-154, 188-189, 195-196). Aufgrund von Signaturen können nur wenige Stücke zugeordnet werden, die sich an den Dekoren der führenden Werkstatt Gerber/Stucki orientieren.

Im Bereich er bernischen Irdenwaren sind weitere Herstellungszentren zu nennen, die jedoch oft nur mit wenigen charakteristischen Stücken belegt sind.

 

Hierzu gehört auch eine schöne, 1760 datierte Schüssel mit Ausguss und Engelkopfgriffen, die einen typischen Ritz- und Springfederdekor trägt, der der Hafnerei Schläfli in Albligen BE an der Grenze zum Kanton Fribourg zugeordnet wird.

Keramik aus Bäriswil BE ist ebenfalls mit zwei Stücken vertreten. Dabei handelt es sich um sehr typisches Tintengeschirr von 1794 und eine kleine spritzdekorierte Terrine mit charakteristischem Grifflappen und für Bäriswil üblicher Zuordnungszahl auf der Bodenunterseite.

Eine ungewöhnlich grosse Schüssel von 1797 zeigt im Inneren den charakteristischen Bäriswiler Bären mit gelbem Halskragen umgeben von Bäriswiler Rocaillen und Blumen. Im Gegensatz zum üblichen Bäriswiler Geschirr ist der Dekor jedoch geritzt und nicht gemalt. Die Schüssel gehört zu einer Gruppe von derzeit etwas über 20 bekannten Objekten, die in der Bäriswil-Publikation scherzhaft als “Bärisnau oder Langwil” charakterisiert wurde (Heege/Kistler/Thut 2011, 177-184), da sich in ihr Bäriswiler Motive und Langnauer Technik mischen. Der Produktionsort dieser Keramik ist unbekannt.

Ebenfalls Bäriswiler Anklänge zeigt eine weitere Keramikgruppe, die jedoch im Gegensatz zur vorhergehenden weniger homogen gestaltet ist. Sie wird daher derzeit in Unkenntnis der Produktionsorte mit dem Hilfsbegriff “Bäriswil, Region” eingestuft. Diese Gruppe ist bisher wissenschaftlich nicht intensiver bearbeitet worden.  Soweit datierte Stücke vorliegen, stammen sie immer aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert. Es handelt sich um Teller, Platten, Schüsseln, Rasierbecken und Butterfässer.

Ins Bernbiet gehören wohl auch zwei Teekannen, für die sich der Produktionsort bislang nicht eindeutig bestimmen liess (vgl. Heege 2021).

Nidlenapf, datiert 1804, umlaufender (in Langnau unbekannter) Spruch: will ich mitt dir zufriden bin, so nim das näpfli willig hin, Ich du [tue] dir das zum trinckgält gäben, du solst alle Zeit woll läben.

Aus der Region Heimberg-Steffisburg, die im 19. Jahrhunderts die grösste Töpfereidichte in der Deutschschweiz aufweist, besitzt das Regionalmuseum zahlreiche Stücke. Hierbei handelt es sich jedoch kaum um die “klassische” Keramik “Heimberger Art” mit schwarzer Grundengobe, sondern mehrheitliche um Objekte mit weisser Grundengobe, die von früheren Sammlern fälschlicherweise als “Langnau” klassifiziert worden waren. Hierzu gehört auch ein 1804 datierter Nidlenapf auf Pokalfuss. Diese eigentlich für Langnau charakteristische Gefässform entspricht in Dekor und Schriftbild aber in keinster Weise den zahlreichen Langnauer Vergleichsbeispielen.

Keramik Heimberger Art mit weisser Grundengobe, ca. 1820/1830.

Rasierbecken Heimberger Art, einmal ungewöhnlich früh 1813 datiert.

Kaffeekanne und Milchtopf Heimberger Art, um oder kurz nach der Mitte des 19. Jahrhunderts. Aus dem floralen Dekor des Milchtopfes entwickelt sich in Heimberg schliesslich das Chrutmuster/Muster Alt-Thun der Thuner Majolika.

Teller mit Abtropfsieb, die man für das Backen und Abtropfen von “Chüechli” verwendet, sind eine Langnauer Spezialität und kommen nur sehr selten auch als Keramik Heimberger Art vor. Der Malhorndekor entspricht gut Heimberger Gepflogenheiten, jedoch ist der Boden abgedreht, was für Keramik Heimberger Art eher untypisch ist. Haben wir hier also ein spätes Langnauer Produkt vor uns (vgl. zu diesem Thema Heege/Kistler 2017b, 169-178) oder eine Keramik, die von einem Heimberger Gesellen bemalt wurde?

Eine weitere Gruppe, die erst 2017 als Bestandteil der Heimberger Keramik erkannt wurde, ist die sog. Keramik mit Perldekor (Heege/Kistler 2017a, 457-469), die sich im Kontext der Keramik “Heimberg Art” ab 1816 verfolgen lässt. Da auch dieser Dekor früher als “Langnau” eingeordnet wurde, besitzt das Regionalmuseum eine wichtige Gruppe dieser Ware.

Dazu gehört auch ein Zwiebeltopf, der aufgrund seiner kräftig gelben Glasurfarbe und der dunkelbraunen Akzentuierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist.

Auch zwei aufwändig verzierte Spardosen tragen diesen Dekor. Eine ist erfreulicherweise 1859 datiert, als Beleg, dass die Dekortechnik noch gut in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hineinläuft.

Die Museumssammlung umfasst sechs weitere, sehr schön gestaltete Spardosen, bei denen nur vermutet werden kann, dass sie ebenfalls zur Keramik “Heimberger Art” gehören und im zweiten und dritten Viertel des 19. Jahrhunderts entstanden.

Kaffeekanne, ungemarkt, im Stil der Thuner Majolika.

Thuner Majolika” ist fast ausschliesslich in Form des Chrustmusters/Muster Alt-Thun vorhanden. Diese Muster wurde auf Heimberg-Steffisburger Wurzel entwickelt und dann lange über die Thuner Majolika hinaus bis in die 1970er-Jahre von allen Hafnereien der Region Heimberg-Steffisburg produziert.

Zwei Dosen mit Chrutmuster, um 1940-1950: Hafnerei Rudolf Schenk-Künzi und Hafnerei André-Bohnert.

Es wundert daher nicht, wenn auch relativ junge Stücke mit diesem Dekor in die Langnauer Sammlung gelangten.

Figuren von Cäsar Adolf Schmalz.

Als letztes ist für die Töpfereiregion Heimberg-Steffisburg noch auf drei signierte Figuren von Cäsar Adolf Schmalz (1887-1966) hinzuweisen, die das Museum als Geschenk erhielt. Darunter befinden sich zwei Bildnisse von Schultheiss Niklaus Friedrich von Steiger bei der Schlacht am Grauholz, Elsi, die seltsame Magd (Marti/Straubhaar 2017, 221 (zur Geschichte der Magd) und der bedeutende Alpendoktor Michael Schüppach (vgl. auch HMO 8342, BHzD 482 und Marti/Straubhaar 2017, 109–111).

Unter den wenigen nichtschweizerischen Irdenwaren sei abschliessend nur auf drei Objekte etwas näher eingegangen.

Huzulische Kanne aus der Ukraine.

Mit der Sammlung von Fritz Pappé-Schweinfurth gelangte 1948 eine ungewöhnliche Kanne ins Regionalmuseum, wohl weil der Sammler dies Stück fälschlicherweise für ein Langnauer Produkt hielt. Es handelt sich jedoch mit grosser Wahrscheinlichkeit um eine ukrainische (huzulische) Keramik der Zeit um 1900-1930 aus einer Hafnerei in Kuty, Pistyn oder Kosiv (Ukraine, Film; vgl. Ivashkiv 2007; Ivashkiv/Lozynskyi 2012; Tucholska/Kostuch 2008).

Bayerische Wöchnerinnenschüssel aus dem 19. Jahrhundert.

Eine grün glasierte, hellscherbige Terrine oder Wöchnerinnenschüssel steht auf drei Füsschen und hat einen abnehmbaren Deckel mit drei Füsschen, der als Teller dienen kann. Die Aussenseite trägt zahlreiche gemodelte Reliefauflagen. Der hellscherbig gebrannte Ton spricht gegen eine Produktion in der Deutschschweiz, obwohl auflagenverzierte und grün glasierte Keramik aus der Ostschweiz häufiger vorliegt. Ähnliche Füsschen dieser Ware gibt es als archäologische Funde aus Bendern im Fürstentum Liechtenstein (Heege 2016, 162-168). Dort werden sie mit einer auch in Graubünden verbreiteten süddeutschen (bayerischen?) Keramikgruppe des 19. Jahrhunderts in Verbindung gebracht, zu der es Parallelen im östlichen Baden-Württemberg und Bayern gibt. Jedoch sind die oder der Produktionsort unbekannt.

Eine nahezu exakte Parallele verwahrt das Fricktaler Museum in Rheinfelden (Fricktaler Museum  Rheinfelden, Inv. B.582-1-2).

Terrine aus dem bayerischen Kröning?

Ebenfalls aus dem bayerischen Raum, genauer der Region Kröning, dürfte eine extrem sorgfältig gearbeitete und glasierte Terrine mit doppelter, aussen durchbrochener Wandung stammen. Sie weist zwei tordierte, fixierte Ringgriffe und einen birnenförmigen Fruchtgriff für den Deckel auf.  Das Museum erhielt die Terrine aus einer Sammlung in Zürich-Wollishofen geschenkt, die Herkunft ist unklar. Die vorliegende Art des Durchbruchdekors wurde vor allem im Kröning in Niederbayern gepflegt (Grasmann 1978, 123-124, 131-132; Bauer 1976, 165-169; Grasmann 1984; Grasmann 2010, 263-265). Leider gibt es von dort bislang kein exaktes Vergleichsbeispiel.

Fayence aus Ostfrankreich.

In der Museumssammlung der Fayencen gibt es eine grosse Anzahl typischer Stücke aus der Schweiz (Kilchberg-Schooren) aber auch Fayencen aus dem französischen Ausland.

Teller mit fassoniertem Rand, Fayence und Irdenware, aus der Werkstatt von Daniel I Herrmann in Langnau.

Eine grosse Überraschung war der unbemalte Fayenceteller mit fassoniertem Rand aus der Langnauer Werkstatt 3 von Daniel I Herrmann (1738-1798). Form und Abmessungen sind identisch mit dem ältesten, 1787 datierten Irdenwareteller mit fassoniertem Rand dieser Werkstatt. Daniel I und Daniel II Herrmann fertigten die Irdenware-Variante (Langnau TLR 6c)  bis 1801, wobei ein Schwerpunkt in den Jahren 1790 bis 1794 zu erkennen ist (Heege/Kistler 2017b, 689-691). Formal zeigt der Teller Anklänge an die älteren bernischen Fayenceteller der Manufakturen Willading bzw. Frisching (Ducret 2012, Abb. 3;  Ducret 2015, Abb. 1), jedoch wirkt er gröber und dickrandiger und die Masse stimmen nicht überein. Der vorliegende Teller ist neben einer schon länger bekannten Rokoko-Terrine (Heege/Kistler 2017b, 742, Abb. 869; BHM H/06929) damit der zweite Beleg, dass in der Werkstatt am Langnauer Höheweg 1 gelegentlich auch unverziertes Rokoko-Fayencegeschirr gefertigt wurde. Leider handelt es sich bei dem Stück um einen Altbestand des Museums, bei dem die genaue Herkunft unklar ist.

Terrine in Entenform, Herstellungsland und -ort?

Zum Altbestand gehört auch eine Terrine in Form einer weiblichen Ente, deren möglicher Produktionsort Anlass zu umfangreichen Diskussionen gegeben hat (herzlichen Dank an Pierre-Yves Tribolet und die Association pour l’étude de la céramique). Eine Herkunft aus Deutschland wird ausgeschlossen. Für Frankreich ergibt ein Vergleich mit Marseille und Varages keine Übereinstimmungen, aber eine nahezu identische Form ist für St. Omer überliefert. Abschliessend brachten Jacques Bourgueil und Alexius Feit die Hypothese ins Spiel, es könne sich um eine Ente aus der königlichen Fabrik von Louça à Largo do Rato in Portugal handeln. Diese Fabrik war zwischen 1767 und 1835 aktiv (Alexandre Nobre Pais et al, Real Fábrica de Louça, ao Rato, Catálogo de exposição realizada, Museu Nacional do Azulejo, Lisboa 2003).

Daneben gibt es einige wenige Fayencen aus Frankreich und einen Birnbauchkrug aus Deutschland (Nürnberg oder Ansbach?).

Terrine aus der Manufaktur von Johann Jakob Nägeli, um 1840-1845.

Mit 24 Datensätzen ist schweizerische Fayence der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Kilchberg-Schooren ZH umfangreicher vertreten. Dazu gehören die üblichen Teller (oft mit Schuppenrand), Teekannen,  Dosen, Rasierbecken und Terrinen. Eine der Terrinen aus der Manufaktur von Johann Jakob Nägeli trägt ungewöhnlicherweise keine Bemalung.

    

Nidlenäpfe aus Kilchberg-Schooren, um 1830/40, mit berndeutschen Sprüchen. Oben: Mir Lüt ufem Land, si so lustig u: froh, Mir führe es Leben, s’chönt besser nit goh. Unten: Ne Chuss in Ehre, wer wills verwehre?

Bislang ungewöhnlich sind jedoch zwei grosse Nidlenäpfe auf hohem Pokalfuss,  zu der sich im bekannten Geschirrspektrum der Region Kilchberg-Schooren keine exakten Parallelen finden. Auch abweichend gestaltete Nidlenäpfe aus Fayence sind extrem selten. Für das Emmental sind Nidlenäpfe eine normale Gefässform. Beide Stücke können eigentlich nur eine Auftragsarbeit nach einer Vorzeichnung sein. Hierzu passen auch die schweizerdeutschen Sprüche (bzw. Liedzeilen) der Näpfe, denn in Kilchberg-Schooren schrieb man sonst regelhaft in Hochdeutsch. Der Spruch des oberen Napfes stammt aus dem Lied “Mi Lüt uf em Land”, 1820 von Alois Franz Peter Glutz von Blotzheim, (1789-1827), veröffentlicht in seinen «Alpenliedern».

Aus dem 20. Jahrhundert, wo verschiedene Hersteller in der Deutschschweiz neben Irdenware auch Fayence produzierten, sind Reste eines Kaffeegeschirrs von Adolf Schweizer aus Steffisburg erhalten.

 

Steingut-Terrine aus Carouge.

Die Zusammensetzung des Steinguts in der Museumssammlung zeigt keine Überraschungen oder Besonderheiten. Vertreten sind wenige Produkte aus der Schweiz, dagegen gibt es zahlreiche Stücke aus Deutschland sowie einige aus Frankreich, Italien, England und den Niederlanden. Eine schön geformte Terrine stammt aus der Produktion von Charles Degrange & Cie, Carouge, um 1885-1903. Eine ungemarkte Teekanne mit Blumendekoren und schabloniertem Spruch dürfte wohl in Kilchberg-Schooren entstanden sein.

Eine Schüssel mit charakteristischen Schablonendekor, der mit der Spritzpistole aufgebracht wurde, wurde in der Steingutfabrik Moehlin bei Rheinfelden zwischen 1930 und 1950 gefertigt.

Gemarktes Steingut aus Zell am Harmersbach.

Aus Deutschland sind Produkte aus Mettlach und Wallerfangen, Zell, Schramberg und Wächtersbach vorhanden, wobei die üblichen Geschirre mit Umdruckdekor dominieren. Von Zell am Harmersbach sind eine vollständige Veilleuse sowie eine unverzierte Terrine hervorzuheben.

Aus Schramberg ist auf einen Teller mit zweifarbigem Umdruck zu verweisen. Der Spiegeldekor bietet eine Ansicht von Como.

Ein bemalter Teller von Villeroy & Boch aus Wallerfangen belegt, dass einfache Blumendekore nicht nur in Zell am Harmersbach, Schramberg, Schaffhausen, Kilchberg-Schooren und Norditalien gefertigt wurden, sondern auch in Deutschland. Sie entsprachen offenbar dem Geschmack eines breiten Publikums.

Steingut mit der vorliegenden Marke ist in schweizerischen Museen bisher eher selten. Dier Marke “Wappen von Savoyen” konnte bisher keinem Hersteller in Norditalien zugeordnet werden. Nur für die Fratelli Vitali der Ceramica Lodigiana in Lodi lässt sich bislang ansonsten die Verwendung des Wappens von Savoyen als Teil ihre Marke nachweisen.

Aus Frankreich stammen drei Teller mit schwarzem Umdruckdekor. Sie wurden in Montereau, Manufaktur Louis Lebeuf & Thibaut, um 1834-1840 gefertigt und präsentieren im Spiegel historische Gestalten: Oliver Cromwell, den Herzog von Guise und Jeanne d’Arc.

Gradezu “exotisch” muten eine Tasse mit kupferfarbener Lüsterglasur und Aufglasurbemalung an. Sie dürften aus englischer Produktion stammen.

Das Steinzeuginventar des Museums ist unspektakulär und leider fehlen für quasi alle Objekte Herkunftsangaben, sodass nicht einmal klar ist, ob die Stücke aus dem Gebrauch im Emmental stammen.

 

Hervorzuheben sind drei Essigfässchen, die in Oberbetschdorf im Elsass gefertigt worden sein dürften (Heege 2016, 300-309). Diese Fässchenart war besonders in der Schweiz und im angrenzenden süddeutschen Raum beliebt, wo sie normalerweise auf dem Kachelofen standen, wie Bilder des bernischen Malers Albert Anker belegen (Heege 2010).

Porzellan hat an der Sammlung des Museums nur einen geringen unbedeutenden Anteil, sieht man von den dekorierten Porzellanen der Geschirrhalle Herrmann in Langnau ab.

Als Geschenk gelangte erst 2015 eine Langenthaler Tassenserie aus der Zeit 1969/70 ins Museum, die auf der Bodenunterseite der Tassen goldene Aufglasur-Druckmarken trägt: “La Suisse au service de l’étranger,  Bibliothèque nationale, Collection Pochon, Peint à la main”.  Adolf Pochon (1869–1931) war Goldschmied, Kopist und Sammler von grafischen Darstellungen schweizerischer Militäruniformen. Nach seinem Tod kam die einzigartige Sammlung in die Schweizerische Nationalbibliothek.

Den Abschluss mag ein zwischen etwa 1965 und 1980 in Sevelen SG im Porzellan-Atelier von Heinz Ottlinger verzierter Teller bilden, der das Regionalmuseum Chüechlihaus in Langnau zeigt.

Bibliographie: 

Aeschlimann 1928
Emil Aeschlimann, Alt-Langnau-Töpferei. Ein Beitrag zur Volkskunde. Beilage: Die rumänische Königin im Ilfis-Schulhaus, 8. Mai 1924, Bern 1928.

Bauer 1976
Ingolf Bauer, Hafnergeschirr aus Altbayern (Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums München 15,1), München 1976.

Ducret 2012
Peter Ducret, Schweizerische Fayencen des 18. Jahrhunderts in Scharffeuerfarben bemalt, in: Keramikfreunde der Schweiz Mitteilungsblatt Nr. 125, 2012, 42-50.

Ducret 2015
Peter Ducret, Neues aus Bern, in: Keramikfreunde der Schweiz Mitteilungsblatt Nr. 129, 2015, 41-45.

Grasmann 1978
Lambert Grasmann, Kröninger Hafnerei (Niederbayern – Land und Leute 1), Regensburg 1978.

Grasmann 1984
Lambert Grasmann, Keramische Raritäten aus dem Kröning (Der Storchenturm, Geschichtsblätter für die Landkreise um Dingolfing, Landau und Vilsbiburg, Sonderheft 6), Dingolfing 1984.

Grasmann 2010
Lambert Grasmann, Die Hafner auf dem Kröning und an der Bina, Straubing 2010.

Heege 2010
Andreas Heege, Muestopf und Kaffeekanne. Ein Beitrag zur materiellen Kultur bei Albert Anker, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 72, 2010, 65-78.

Heege 2015
Andreas Heege, Die Hafnereien Vögeli in der Burgdorfer Unterstadt, in: Burgdorfer Jahrbuch 83, 2015, 41-68.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Heege 2021
Andreas Heege, Scherben aus Schloss Blankenburg. Bernische Irdenware mit blauem Grund aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, in: Revue, Mitteilungsblatt der Keramikfreunde der Schweiz 135, 2021, 39-52.

Heege/Kistler 2017a
Andreas Heege/Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, 17e-19e siècles – Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.-19. Jahrhundert – Die Sammlung des Musée Ariana, Genf, Mailand 2017.

Heege/Kistler 2017b
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Heege/Kistler/Thut 2011
Andreas Heege/Andreas Kistler/Walter Thut, Keramik aus Bäriswil. Zur Geschichte einer bedeutenden Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 10), Bern 2011.

Ivashkiv2007
Ivashkiv, Halyna, Decor of the Ukrainian folk ceramics. Lviv. 2007.

Ivashkiv/Lozynskyi 2012
Ivashkiv, Halyna, Lozynskyi, T., Hand-drawn ceramics of Kosiv and Pistyn of  XIX – early XX centuries. Lviv: Institute of Collecting of Ukrainian artistic monuments in Shevchenko scientific society. 2012.

Moser 1958
Andreas Moser, Aus dem Museum in Langnau, in: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde 20, 1958, 14-19.

Staehelin 1948
Walter A. Staehelin, Ausstellung Schweizerische Keramik des 18. und 19. Jahrhunderts. Schloß Jegenstorf, Jegenstorf 1948.

Staehelin 1949
Walter A. Staehelin, Unbekannte Öfen aus der Frischingschen Fayencemanufaktur bei Bern, in: Keramikfreunde der Schweiz,  Mitteilungsblatt 14, 1949, 12-14.

Staehelin 1950
Walter A. Staehelin, Eine Langnauer Hochzeitsschüssel von Meister Daniel Herrmann, in: Freunde der schweizerischen Keramik, Mitteilungsblatt 16, 1950, 11-12.

Tucholska/Kostuch 2008
Krystyna Tucholska, Bożena Kostuch, Huculszczyzna, ceramika pokucka w kolekcji Muzeum Narodowego w Krakowie = The Hutsul region : ceramics from Pokuttya in the Collection of the National Museum in Cracow, Kraków 2008

Zbinden/Pfister 1977
Rudolf Zbinden/Max Pfister, Langnau i. E., Bd. 89, Bern 1977.

Lausanne, Historisches Museum (MHL)

Musée historique Lausanne
Place de la Cathédrale 4
1005 Lausanne

Die Keramiksammlung des Historischen Museums Lausanne in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Abgesehen vom Schlossmuseum in Nyon, besitzt das Historische Museum von Lausanne den umfangreichsten Keramikbestand des Kantons. Im Hinblick auf die Geschichte der Sammlungen ist es auch der komplexeste, denn heute vereint der Bestand nicht nur Objekte, die seit Ende des 19. Jahrhunderts von der Vereinigung Vieux-Lausanne gesammelt wurden, sondern auch Schenkungen und Exemplare, die das Museum selbst erworben hat. Dazu kommen alle Bestände aus dem ehemaligen Industriemuseum und seinen Nachfolgeinstitutionen (u.a. dem Musée de design et d’arts appliqués contemporains; mudac).

Die rund 520 Objekte, die wir inventarisiert haben, verteilen sich zu gleichen Teilen auf diese beiden «Beschaffungskanäle». Wie üblich haben wir etwa 75% der Bestände aufgenommen. Nicht inventarisiert wurden moderne, industriell gefertigte Objekte ausländischer Herkunft. Keramiken aus dem Industriemuseum und seinen Nachfolgeinstitutionen sind anhand ihrer Inventarnummer identifizierbar, der in der Regel die Buchstaben «AA.MI» vorangestellt sind.

Es sei gleich zu Beginn darauf hingewiesen, dass das Historische Museum Lausanne, wie die meisten Institutionen mit allgemeiner Ausrichtung, nie die Absicht hatte, die Keramik gezielt zu sammeln, im Gegensatz beispielsweise zu den Lausanner Silber- und Zinnwaren. Etwas anders verhält es sich mit den Sammlungen, die vom Industriemuseum und seinen Nachfolgeinstitutionen geerbt wurden. In diesem besonderen Kontext der industriellen oder dekorativen Künste stellte die Keramik natürlich ein Feld dar, das nicht vernachlässigt werden durfte. So wurde die Keramiksammlung zu verschiedenen Zeiten der historischen Entwicklung immer wieder zum Gegenstand einer Ankaufspolitik: 1850 in der Anfangsphase des Industriemuseums, dann um 1925 – wahrscheinlich unter dem Einfluss von Nora Gross – hauptsächlich aber in den Jahren 1935–1960, als Edith Porret, die Konservatorin des Museums für dekorative Kunst, versuchte, die Sammlung zeitgenössischer und historischer Schweizer Keramik im Rahmen ihres bescheidenen Budgets zu erweitern.

Die Quellen des historischen Museums: das Musée du Vieux-Lausanne

Im Januar 1898 wandte sich Charles Vuillermet (1849–1918), Maler, Vizepräsident der Eidgenössischen Kunstkommission und Geschichtsliebhaber mit einer Vorliebe für die Lokalgeschichte, an die Lausanner Behörden und schlug ihnen vor, eine «Sammlung von Ansichten, Plänen und anderen Objekten mit Bezug zur Geschichte von Lausanne» einzurichten (zitiert in Pavillon 1998, 9). Eine Kommission Vieux-Lausanne wurde gegründet, die sich mit «allem, was die Archäologie und die Geschichte von Lausanne betreffen könnte», befassen sollte, insbesondere mit dem Schutz der antiken Überreste, die durch die städtebauliche Entwicklung der Stadt bedroht waren. Neben Vuillermet war unter den sieben Mitgliedern der Kommission noch eine Persönlichkeit, die eine wichtige Rolle bei der weiteren Entwicklung des Projekts spielen sollte: Albert Naef (1862–1936), Archäologe und Professor an der École des beaux-arts in Le Havre, der 1898 Kantonsarchäologe und Konservator des Musée historique wurde, dem späteren Musée cantonal d’archéologie et d’histoire im Jahr 1914.

Um Vuillermets Wunsch einer historischen Sammlung gerecht zu werden, orientierte sich die Kommission schnell an einem musealen Konzept. Zunächst wurde erwogen, die entstehenden Bestände in einem Kellerraum der neuen Schule Croix d’Ouchy zu deponieren. Dann wurde der Syndikus Louis Gagnaux beauftragt – leider vergeblich –, über die Bereitstellung eines Ad-hoc-Saals im künftigen Palais de Rumine durch den Staat zu verhandeln. Erst im Jahr 1900 zeichnete sich ein ermutigender Weg ab, als man in Erwägung zog, das künftige Musée du Vieux-Lausanne im ehemaligen Kerker des Bischofssitzes unterzubringen, der zu diesem Zeitpunkt gerade unter Denkmalschutz gestellt wurde. Nach der Restaurierung des alten Bischofspalastes fand das Museum 1918 tatsächlich seinen Platz im südlichen Teil des Gebäudes.

Die Sammlung, die ab 1898 aufgebaut wurde, zeichnete sich durch ihren eklektischen Charakter aus. Zeichnungen, Drucke, Ölgemälde, alte Fotografien, architektonische Elemente und verschiedenste Objekte: alle Zeugnisse der Lausanner Vergangenheit wurden gesammelt.

Je mehr die Einrichtung Gestalt annahm, desto dringender wurde die Frage der Finanzierung. Eine der Möglichkeiten zur Lösung des Problems bestand in der Gründung eines Vereins, dessen Mitgliederbeiträge in die Kasse fliessen sollten. Die Association du Vieux-Lausanne wurde offiziell auf einer Versammlung am 6. Februar 1902 unter dem Vorsitz des Syndikus Berthold van Muyden gegründet, kurz nachdem die Kommission ihre eigene Auflösung gerichtlich bestätigt hatte. Die neue Körperschaft stellte sich selbst als «Hilfsverein» vor, dessen Aufgabe es war, «alles zu sammeln, was die Vergangenheit unserer Stadt aus historischer oder archäologischer Sicht betrifft» (Auszug aus dem Einberufungsrundschreiben, zitiert in Pavillon 1998, 35). Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Sammlung bereits 1253 Objekte, darunter «95 Töpferwaren, Irdenware und Glaswaren» (S. 36). Diese Objekte waren Eigentum der Stadt, und dies sollte auch für künftige Erwerbungen der Vereinigung gelten; der Stadtverwaltung oblag somit die Bereitstellung geeigneter Räumlichkeiten für die Sammlung.

Die beiden Hauptziele des Vereins waren klar definiert: die Organisation einer grossen Ausstellung und, auf längere Sicht, die Einrichtung eines Museums, im Prinzip in den Räumlichkeiten des alten Bischofssitzes, wie der Präsident und Syndikus bei der Gründungsversammlung erklärte.

Nicht berücksichtigt wurde der Widerstand der Befürworter eines teilweisen Abrisses des alten Bischofssitzes in den Reihen des Gemeinderats. Im Herbst 1908 beschloss die Stadtverwaltung schliesslich, einen Teil der im alten Bischofssitz untergebrachten Gefängnisse umzugestalten, und gleichzeitig wurde der Vereinigung ein Kredit gewährt für die ersten Arbeiten, die für die Neunutzung anstanden.

Die erste Ausstellung der Vereinigung fand 1902 in den Räumlichkeiten der Grenette auf der Place de la Riponne statt. Die Veranstaltung führte zu einer beeindruckenden Anzahl von Spenden, worauf das Komitee bald eine zweite Ausstellung plante, die 1908 in einem Saal des Palais de Rumine stattfinden sollte.

Zurück zum zukünftigen Museum: Nach Abschluss der archäologischen Ausgrabungen auf dem Gelände des alten Bischofssitzes Ende 1911 war es an der Zeit, die Restaurierung des Gebäudes und seine Anpassung im Hinblick auf die künftige Museumsfunktion konkret in Angriff zu nehmen. Ende 1912 wurde ein Architektenentwurf vorgelegt, der jedoch erst 1916 behandelt wurde. Die Arbeiten wurden im Herbst abgeschlossen. Der Architekt Henri Pellet, der zunächst mit der Klassifizierung der Sammlungen betraut war, wurde schliesslich am 1. November 1918 zum Konservator ernannt. Er wurde bei seiner Aufgabe von einer Museumskommission unterstützt, die sich aus dem ehemaligen Syndikus Maillefer, dem Notar Henri-Samuel Bergier, dem Drucker Georges-Antoine Bridel, dem Professor André Kohler und dem Gemeindesekretär Alois Haemmerli zusammensetzte.

Das Musée du Vieux-Lausanne wurde am 27. Dezember 1918 eingeweiht. Die Sammlungen waren in vierzehn Sälen untergebracht, die sich auf den Jaquemard-Turm, den Prangins-Flügel und das Erdgeschoss im Hauptgebäude verteilten. Ab 1923 wurde das Museum in die Villa Mon-Repos ausgeweitet, die die Stadt gerade geerbt hatte, und in ihren Räumen eine Dauerausstellung zum Thema Lausanner Ikonografie eingerichtet.

Die Sammlungen des Musée du Vieux-Lausanne wuchsen weiter. 1948 änderte der Verein seine Statuten, die nun festlegten, dass Gegenstände, die «ganz oder teilweise mit dem Geld aus Subventionen der Gemeinde erworben wurden, von Rechts wegen Eigentum der Gemeinde sind» und dass «der Verein im Einvernehmen mit dem Konservator Gegenstände und Dokumente, die sein Eigentum bleiben, im Museum hinterlegen kann» (Auszüge aus Artikel 8 der Statuten, zitiert in Pavillon 1998, 63). Wie Olivier Pavillon bemerkte, ist die Unterscheidung zwischen diesen beiden Kategorien angesichts der oft lückenhaften Informationen in den alten Inventaren nicht leicht zu treffen.

Ab 1957 wurden im alten Bischofssitz Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten durchgeführt, die 1964 zur Eröffnung eines aufgefrischten und vergrösserten Museums führten. Zudem wurde es umbenannt zu Musée de l’Évêché. Im Jahr darauf wurde der Name ergänzt mit Musée de l’Ancien- Évêché und 1970 hiess das Museum nun Musée historique de l’Ancien-Évêché, Collections du Vieux-Lausanne.

Ab Ende der 1970er-Jahre begann die Stadt, eine echte Museumspolitik zu entwickeln, insbesondere im Hinblick auf die Entstehung neuer Institutionen (das 1984 eröffnete Musée de l’Hermitage und das 1985 eingeweihte Musée de l’Élysée). In seinem Anfang 1981 vorgelegten Bericht empfahl der Kulturbeauftragte unter anderem, das gesamte Gebäude des alten Bischofssitzes für das Historische Museum zu nutzen. Im darauffolgenden Jahr übernahm die Stadt die Sekretariatsarbeit des Vereins und somit des Museums. Für das Museum bedeutete dieser Akt eine endgültige Stärkung seines Status als städtische Einrichtung. Die Ernennung von Marie-Claude Jequier zur Konservatorin im Jahr 1983 löste eine weitere Dynamik aus, die zu einer Modernisierung der Verwaltung des Museums und zur Einleitung neuer Renovierungs- und Erweiterungsarbeiten führte, die weitaus ehrgeiziger waren als die vorangegangenen Projekte. Das Musée historique de Lausanne, Collections du Vieux-Lausanne, wie es 1989 umbenannt wurde, eröffnete im Mai 1990 seine grundlegend umgestalteten Räumlichkeiten.

Heute sind die Sammlungen des Historischen Museums Lausanne in drei Bereiche unterteilt: Ikonografie, Fotografie und Objekte (Kulling 2006, 10). Der letzte Sektor wurde stetig ausgebaut. Eine echte Ankaufspolitik zeigte sich vor allem in den Sammlungen Zinn und Lausanner Silber, die den eigentlichen Schwerpunkt der Sammlung für angewandte Kunst bildeten. Bei der Keramik blieb der Zuwachs der Bestände viel bescheidener und vor allem zufällig.

Unter den ältesten Erwerbungen – die in den Inventaren in der Regel nicht datiert werden –  sind einige engobierte Irdenwaren aus dem 18. und 19. Jahrhundert besonders zu erwähnen, die wahrscheinlich aus dem Waadtland stammen (z.B. MHL AA.46.D.18; MHL AA.46.D.6; MHL AA.46.B.36). Beachtenswert sind auch zwei Porzellane aus Nyon, darunter eine interessante Tasse mit Untertasse mit Silhouettenmotiv (MHL AA.46.C.19); ein Dutzend Steingutobjekte aus Nyon mit Druckdekor aus der Zeit von Delafléchère und Bonnard & Gonin; zwei Gruppen deutsches Porzellan, eine aus Frankenthal (MHL AA.46.C.48), die andere aus Nymphenburg (MHL AA.46.C.45); eine Porzellanfigur aus Derby (MHL AA.46.C.58; zwei Terrinen mit Trompe-l’œil-Dekor aus der Strassburger Manufaktur von Paul Hannong (MHL AA.46.B.29) – alles bemerkenswerte Exemplare, wenn auch in schlechtem Erhaltungszustand. Es handelt sich also um ein sehr heterogenes Ensemble, das vor allem durch Schenkungen entstanden ist. Jedoch ein Objekt verdient es, besonders hervorgehoben zu werden, ein wertvoller – und leider sehr singulärer – Zeuge der keramischen Vergangenheit von Lausanne: die von Jean Daniel Balien signierte und auf 1799 datierte Schüssel, die Jules Mellet 1906 vermachte (MHL AA.46.D.13). Der autodidaktische Archäologe Mellet war unter anderem Mitglied des Comité du Vieux-Lausanne. In seinem Nachruf heisst es, dass er unter anderem Waffen, Töpfe und Schüsseln aus Zinn sowie Fayencen sammelte (Feuille d’avis de Lausanne vom 17. Oktober 1906, 12).

Die Inventare wurden ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zuverlässiger. Die Aufwertung des Keramikbereichs erfolgte jedoch nur sporadisch, ab und zu gab es einige Schenkungen von Erinnerungsstücken mit Bezug zu Lausanne, die aus der Poterie moderne in Chavannes-près-Renens stammten. Im Jahr 1986 schenkte Pierre Bernays sechs rheinische Steinzeuge aus Antwerpener Familiensammlungen (MHL AA.VL 86 C 34; MHL AA.VL 86 C 35; MHL AA.VL 86 C 36; MHL AA.VL 86 C 37; MHL AA.VL 86 C 38; MHL AA.VL 86 C 39). Der hochgeachtete Pierre Édouard Victor Bernays, Stallmeister, geboren 1898 in Antwerpen, starb 1992 in Lausanne (24 Heures vom 14. November 1992, 24 – Geneanet.org).

Ein weiteres ebenso singuläres Ensemble in den Beständen des Museums wurde 1996 von William-André Berruex gestiftet: drei Meissener Porzellane, eine interessante Obstschale aus Nyon aus den Jahren 1785–90 (MHL VL 96 C 3465) und vor allem ein unveröffentlichtes Modell einer Deckelvase aus Vincennes (MHL VL 96 C 3454) sowie sieben hochwertige Porzellane aus Sèvres (MHL VL 96 C 3450; MHL VL 96 C 3451; MHL VL 96 C 3452; MHL VL 96 C 3453; MHL VL 96 C 3455; MHL VL 96 C 3457), die alle aus gebührend identifizierten Services stammten. Berruex (geb. 1924) war eine Figur der waadtländischen Freikirche. Nach seinem Studium an der theologischen Fakultät der Freikirche trat er 1949 der Gemeinschaft von Taizé bei, wo er den Namen Frère André annahm. Nach seiner Rückkehr in die Heimat im Jahr 1970 trat er bis 1991 in den pastoralen Dienst der Pfarrgemeinde Lucens-Curtilles-Chesalles. Er starb 2005 in Lutry (La Nation vom 4. Februar 2005, 2).

2002 erhielt das Museum vom Kanton Waadt aus dem Nachlass des 1996 verstorbenen Maurice Dusserre eine Reihe von Gegenständen und Archivalien, die sich im Wesentlichen aus dem Atelierbestand seiner Frau Edith, geborene Duflon, zusammensetzten. Das Konvolut umfasst mehrere Dutzend Keramiken und zahlreiche Vorzeichnungen für Fayenceformen und -dekore sowie für Textilkreationen. Maurice Dusserre (1899–1996) war Maler, Grafiker und Regisseur. In den 1920er- bis 40er- Jahren entwarf er auch Bühnenbilder für das Lausanner Theater. Im Jahr 1930 heiratete er Edith Duflon (St. Petersburg, 1898 – Lausanne, 1992), eine Keramikerin, Malerin und Dekorateurin, die insbesondere im Textilbereich tätig war. Dank des Dusserre-Nachlasses verfügt das Historische Museum über ein repräsentatives – und wahrscheinlich einzigartiges – Ensemble der bislang praktisch unbekannten Arbeit von Edith Duflon, einer der wenigen Frauen ihrer Zeit, die den anspruchsvollen Beruf der Keramikerin ergriffen hatte (siehe auch unter «Edith Dusserre-Duflon»).

Das Industriemuseum und seine Folgeinstitutionen

Das Industriemuseum in Lausanne war die erste Institution dieser Art in der Schweiz und die einzige, die aus einer privaten Initiative entstand (Deléderray-Oguey 2011, 78). Das von Catherine de Rumine (1818–1867), geborene Prinzessin Shakowskoy, gegründete und finanzierte Industriemuseum wurde am 1. März 1862 in einem eigens dafür errichteten Gebäude in der Rue Chaucrau Nummer 8 eröffnet. Das Gebäude umfasste neben zwei Galerien für Ausstellungen auch einen Unterrichts- und Vortragssaal. In den ersten Jahren des Betriebs wurde die Gründerin von Charles-Théophile Gaudin (1822–1866) unterstützt, einem ausgebildeten Theologen, der seit 1854 als Hauslehrer für Katharinas Sohn Gabriel de Rumine (1841–1871) tätig war. Als prominentes Mitglied der Waadtländischen Gesellschaft der Naturwissenschaften (Société vaudoise des sciences naturelles) – er begeisterte sich für Geologie und Paläontologie – spielte Gaudin eine führende Rolle bei der Entstehung des Projekts und dessen wissenschaftlicher Ausrichtung. Er wurde der erste Direktor des neuen Museums und wurde in seiner Funktion von den beiden anderen Mitgliedern des Direktionskomitees, dem Ingenieur Charles Dapples und Gabriel de Rumine, unterstützt.

Trotz aller Unterschiede reihte sich das Lausanner Projekt klar in die Bewegung des neuen South Kensington Museums ein – dem späteren Victoria & Albert Museum –, das 1852 auf Anregung von Prinz Albert nach der Londoner Weltausstellung von 1851 gegründet wurde. Die Ausstellung hatte die Stärken und Segnungen der Industrialisierung hervorgehoben und sozusagen als Gegenpol wollten die Initiatoren des South Kensington Museums einen Ort der Bildung schaffen, der Industriellen, Designern und der Öffentlichkeit im Allgemeinen vermitteln sollte, dass sich die industrielle Produktion nicht nur nach den Gesetzen der Wirtschaft und fernab von kulturellen Bezügen und ästhetischen Ansprüchen entwickelte.

In einer wegweisenden, 1861 veröffentlichten Broschüre erläuterte Gaudin die Ziele des Lausanner Industriemuseums: «Die wichtigsten von Menschen verwendeten Materialien auszustellen sowie die Veränderungen aufzuzeigen, die sie durchlaufen müssen, um von höchstem Nutzen für sie zu sein, einige Angaben zum Ursprung bestimmter Industrien und die Phasen, die sie durchlaufen haben, zu liefern, und so den Besuchern aus allen Klassen der Gesellschaft, hauptsächlich der Jugend und den Arbeitern, einige Stunden einer lehrreichen Freizeit zu verschaffen, das ist das Ziel der industriellen Sammlung» (Plan général de la collection industrielle de Lausanne, Passage zitiert in Kulling 2014, 10). Die entstehende Sammlung war in Sektionen unterteilt, die nach der Art der Rohstoffe – mineralisch, pflanzlich oder tierisch – definiert waren. Hinzu kam eine vierte Kategorie, die der grafischen Kunst vorbehalten war.

Materialien für die Keramikproduktion sind auf Seite 7 der Broschüre aufgeführt sowie eine Beschreibung der Fabrikationsphasen: «Plastische Tone, nicht plastisches Material, opake und transparente Glasuren, Flussmittel, Farben für die Dekoration der Stücke, Phasen der Herstellung (von M. Gonin in Nyon versprochene Gaben)». Der von Frédéric Gonin und Adolphe Burnand, den Miteigentümern der Manufacture de poteries de Nyon, versprochene Beitrag wurde noch im selben Jahr übergeben (Kulling 2014, 24, und C. T. Gaudin und G. de Rumine, «La collection industrielle de Lausanne», Gazette de Lausanne vom 4. Juni 1861, 3). Einige Objekte aus dieser Schenkung konnten wiedergefunden werden, darunter auch fertige Produkte, die wir definitiv der Steingutmanufaktur von Nyon zuordnen können (MHL AA.MI.992; MHL AA.MI.994; MHL AA.MI.995; MHL AA.MI.996; MHL AA.MI.997).

Für die sogenannten gewöhnlichen Töpferwaren, also engobierte Irdenwaren, wurde später ähnliches didaktisches Material von Henri von Auw geliefert, einem Töpfer, der sich Anfang 1863 in Morges niedergelassen hatte (Kulling 2014, 24). Diese Objekte konnten bis heute nicht eindeutig identifiziert werden.

Ein Jahr nach seiner Eröffnung zog das Museum eine ermutigende Bilanz: In dem Saal in der Rue Chaucrau fanden zahlreiche Kurse und Vorträge statt, die Ausstellung war gut besucht und die Sammlungen waren um 900 neue Objekte erweitert worden, von denen «etwa zwei Drittel von der Öffentlichkeit, der Rest von den Gründern und der Direktion gespendet worden waren» (Kulling 2014, 13). Neben den innovativsten Errungenschaften der Industrie dokumentierte das Museum auch die Entwicklung der verschiedenen Techniken, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Im Bereich der Keramik wird diese historische Perspektive durch den Erwerb einer Reihe von alten Stücken ermöglicht, insbesondere italienischer Fayencen, die von Madame de Rumine gestiftet wurden (MHL AA.MI.954; MHL AA.MI.962; MHL AA. MI.960; MHL AA.MI.963). Das interessanteste Stück war das Apothekengefäss aus der palermitanischen Werkstatt von Cono Lazzaro (MHL AA.MI.953), das 1607 datiert ist und mit dem signierten Exemplar aus der Sammlung Reber (Unil MH-RE-188) übereinstimmt. Charles-Théophile Gaudin spendete seinerseits drei Fayencen aus Pavia (MHL AA.MI.969) und zwei spanisch-maurische Fayencen mit Lüsterdekor (MHL AA.MI. 1002; MHL AA.MI.1003). Catherine de Rumine und Gaudin hatten in den Jahren 1856–58 gemeinsam verschiedene Teile Italiens besucht, insbesondere die Region Neapel und Sizilien im Jahr 1863 (Deléderray-Oguey 2011, 10 und 11 – Kulling 2014, 30).

Ebenfalls aus Italien stammen Fayencen aus Montelupo (MHL AA.MI.959; MHL AA.MI.966; MHL AA.MI.958), weitere Beispiele aus Pavia (MHL AA.MI.968; MHL AA.MI.971; MHL AA.MI.973 ) – darunter ein offenbar einzigartiges Exemplar, das später von italienischen Spezialisten hervorgehoben wurde (MHL AA.MI.968) – und eine engobierte Schale aus Irdenware mit Ritzdekor (MHL AA.MI.955). Sie stellt ein schönes Beispiel für die «Ceramica graffita» (Keramik mit Sgraffitodekor) des späten 15. Jahrhunderts dar, die in den Schweizer Museen kaum vertreten ist. Diese Objekte wurden von William Haldimand (1784–1862) gestiftet, einem Bankier und Mäzen aus Yverdon. Dieser wurde in London geboren, wo er Karriere machte, bevor er sich 1828 aus gesundheitlichen Gründen nach Lausanne zurückzog. In diesem Fall scheint es, dass Haldimands Schenkungen nicht aus seiner persönlichen Sammlung stammten, sondern von den Verantwortlichen des Museums dank seiner finanziellen Zuwendungen erworben wurden (Kulling 2014, 35 – Deléderray-Oguey 2011, 14).

Bemerkenswert ist auch eine Gruppe von Blumen aus Weichporzellan aus Vincennes, die von Frau Micheli-Revilliod gestiftet wurden und typische Beispiele für die Tätigkeit der «fleurisserie» (Produktionsabteilung für Porzellanblumen) der zukünftigen königlichen Manufaktur darstellen (MHL AA.MI.1092A; MHL AA.MI.1092B; MHL AA.MI.1092C; MHL AA.MI.1092D; MHL AA.MI.1092E; MHL AA.MI.1092F).

In Ermangelung von Originalbeispielen wurden bestimmte Aspekte der Keramikgeschichte durch Kopien oder moderne Nachahmungen veranschaulicht. Die technischen Meisterleistungen eines Bernard Palissy (um 1510–1589/90) beispielsweise wurden in der ursprünglichen Ausstellung durch zwei Realisierungen des berühmten Pariser Keramikers Georges Pull (1810–1889) nachgebildet, die von Catherine de Rumine gestiftet worden waren (MHL AA.MI.980).

Zu den nachgewiesenen Schenkungen aus dieser frühen Zeit gehören vier Porzellane aus Nyon, die 1862 von Frau Brocher-Véret gestiftet wurden, darunter eine Tasse mit einem weiblichen Porträt – vermutlich von Étienne Gide gemalt – (MHL AA.MI.1121) und ein Untersetzer für eine Suppentasse mit einem bislang unveröffentlichten Dekor auf farbigem Hintergrund (MHL AA.MI.1116).

Charles-Théophile Gaudin starb am 7. Januar 1866, Catherine de Rumine am 7. Mai 1867. Der Katalog des Industriemuseums wurde 1867 eingestellt, zu diesem Zeitpunkt umfasste er bereits 5177 Nummern. Die Gründerin vermachte das Museum der Stadt Lausanne unter der Bedingung, dass «die Ordnung des Museums» dem von Gaudin erdachten Plan entsprach und dass ihr Sohn Gabriel auf Lebenszeit «zu einem der Direktoren der Einrichtung ernannt wurde, damit er sich stets einbringen und mit seiner Stimme zur Ernennung der Museumsangestellten beitragen konnte» (Kulling 2014, 40). Catherine vermachte ausserdem ein Kapital von 10.000 Franken, dessen Zinsen für die Bedürfnisse des Museums bestimmt waren. Gabriel de Rumine wurde tatsächlich zum Direktor ernannt, aber er schien sich nicht besonders in seine neue Aufgabe einzubringen und zog weiter nach Paris. Er starb 1871 auf dem Weg nach Konstantinopel. In seinem Testament vermachte er der Stadt 1,5 Millionen Franken, die für den Bau eines gemeinnützigen Gebäudes bestimmt waren: So wurden die Voraussetzungen geschaffen, die den Bau des Palais de Rumine ermöglichten (Deléderray-Oguey 2011, 36).

Ab 1871 wurde das Industriemuseum der Schuldirektion der Stadt Lausanne unterstellt und damit endgültig zu einem öffentlichen Museum. Das alte Direktionskomitee wurde durch eine von der Stadtverwaltung ernannte Kommission ersetzt und die Leitung des Museums Samuel Biéler, dem Direktor der kantonalen Landwirtschaftsschule, anvertraut. Nach einer Zeit völliger Lethargie übernahm im Jahr 1873 Arnold Morel-Fatio die Führung, er war auch Konservator der kantonalen Medaillensammlung und des Archäologiemuseums. Unter seiner Leitung wurde der Katalog, der seit 1867 völlig vernachlässigt worden war, weitergeführt. Die Institution erwachte zu neuem Leben, allerdings um den Preis einer grundlegenden Abkehr von Gaudins ursprünglichem Projekt: Das Museum sollte Anschaungsmaterial und Inspiration für den Unterricht bieten, insbesondere in den Bereichen Mechanik und Physik, und bevorzugte in Zukunft den rein industriellen Aspekt. Das Werkzeug, die Maschine und das Endprodukt traten an die Stelle des Rohstoffs, und die regionalen Industrien wurden wieder ins Zentrum gestellt.

1905 beschloss die Stadtverwaltung, die Sammlungen aufzuteilen: auf der einen Seite die Bestände «von künstlerischem und ethnografischem Interesse, die von der Gräfin von Rumine stammen», und auf der anderen Seite die Sammlungen, die «für die praktische Industrie und den Berufsunterricht bestimmt sind» (zitiert in Kulling 2014, 42). Die erste Kategorie, die «zur dekorativen Kunst gehörte», sollte im Südflügel des neuen Palais de Rumine – er wurde am 3. November 1906 offiziell eingeweiht – untergebracht werden, während die zweite Kategorie mit «Objekten von technischem und praktischem Interesse» im Industriemuseum in der Rue Chaucrau verbleiben sollte. Unter der Leitung des neuen Konservators Eugène Delessert-de Mollins und seines Stellvertreters Henri Lador, Präparator am kantonalen geologischen Museum, wurden die für den Palais de Rumine bestimmten Sammlungen unter dem Namen Musée d’art industriel (Museum für Kunstgewerbe) zusammengefasst und in die neuen Räumlichkeiten verlegt.

Das Musée d’art industriel wurde im September 1909 eröffnet. Die neue, grosszügige Präsentation, die an Gaudins methodische Klassifizierung anknüpfte, wurde vom Publikum geschätzt und die Schenkungen begannen zu fliessen. Henri Lador, der wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der neuen Verteilung der Sammlungen gespielt hatte, wurde 1914 zum Konservator ernannt und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1932 im Amt. Während Ladors Amtszeit wurden mindestens 30 Keramiken von der Institution erworben, hauptsächlich zwischen 1914 und 1921: eine kleine, recht heterogene Sammlung, die von den Antiquitätenhändlern der Stadt zusammengestellt wurde und keine besondere Kaufpolitik widerspiegelt. Dazu gehörten eine Gruppe von sechs modernen japanischen Keramiken, einige chinesische Exemplare, sechs französische Fayencen aus dem 18. Jahrhundert, vier Porzellane aus Paris und Sèvres, ein Porzellanstück aus Wien, eine Delfter Fayence und zwei Porzellane aus Nyon.

Im Jahr 1915 öffnete sich das Museum dem zeitgenössischen Kunstschaffen. Es erwarb anlässlich der Ausstellung «D’art décoratif», die in den Räumlichkeiten der Grenette in Lausanne vom 3. bis 24. Dezember 1915 stattfand, zwei Steinzeugarbeiten von Paul Bonifas (mudac 1000; mudac 1001). Die Keramiken des jungen Genfer Designers wurden von den Journalisten ebenso beachtet, wie die Arbeiten der Schweizer Keramikschule in Chavannes-près-Renens (Tribune de Lausanne vom 3. Dezember 1915, 2 – Feuille d’avis de Lausanne vom 11. Dezember 1915, 20).

Vom 6. Mai bis am 25. Juni 1922 fand in Lausanne die Erste Schweizerische Landesausstellung für angewandte Kunst in der Halle des Comptoir in Beaulieu statt. Die Veranstaltung mit 275 Ausstellern wurde gemeinsam vom Werkbund und von L’Œuvre organisiert, geleitet wurde sie von Alphonse Laverrière, während Paul Perret als Generalsekretär auftrat (Tribune de Lausanne vom 13. Mai, 4; vom 7. Mai, 2–4; vom 10. Mai).

Die Kommission des Museums für Kunstgewerbe wurde 1923 erneuert, als Nora Gross und Alphonse Laverrière, der mit dem Erfolg der Landesausstellung grosses Ansehen erlangt hatte, in die Kommission aufgenommen wurden. Nora Gross (1871–1929) leitete eine Schule für Zeichnen und angewandte Kunst, die sie 1903 in Lausanne gegründet hatte und die 1924 mit der École cantonale de dessin (Kantonale Zeichenschule) fusionierte. Seit etwa 20 Jahren trug sie aktiv zur Erneuerung der nationalen Keramikproduktion bei, indem sie verschiedenen Herstellern in der West- und der Deutschschweiz Formen und Dekore lieferte (siehe Kapitel «Nora Gross»). Alphonse Laverrière (1872–1954) war ein international tätiger Architekt und Gründungsmitglied von L’Œuvre, dessen Präsident er von 1913 bis 1935 war. Da er ab 1921 auch als Experte für die Eidgenössische Kommission für angewandte Kunst tätig war, galt er als einflussreiche Persönlichkeit auf diesem Gebiet. Traditionell bestand die Kommission des Kunstgewerbemuseums mehrheitlich aus Persönlichkeiten aus der Welt der Wissenschaft, künftig jedoch ging das Kontrollorgan mit diesen neuen Persönlichkeiten in eine zunehmend künstlerische Richtung mit einer besonderen Sensibilität für zeitgenössische Ausdrucksformen.

Im Bereich der Keramik zeugten die ersten nennenswerten Ankäufe sogar von internationalen Ambitionen, die jedoch aus finanziellen Gründen nicht weiterverfolgt werden konnten. Anlässlich der Internationalen Ausstellung für moderne dekorative und industrielle Künste in Paris im Jahr 1925 erwarb die Institution mehrere bedeutende Objekte: eine Steinzeugvase von Émile Lenoble (MHL AA.MI.907 ) und ein Fayenceobjekt von Jean Mayodon (MHL AA.MI.905), zwei herausragende Persönlichkeiten der französischen Keramikszene, sowie drei ausgesprochen modernistische Werke des italienischen Architekten und Designers Gio Ponti für das Haus Richard-Ginori (MHL AA.MI.951; MHL AA.MI.949; MHL AA.MI.950). Diese bemerkenswerten Erwerbungen blieben leider isolierte Fälle, bis 1935 sind keine weiteren Keramikkäufe belegt.

Nach dem Tod von Henri Lador im Jahr 1932 wurde die Leitung des Museums Edith Porret anvertraut, die zunächst Laverrières Schülerin und später seine Sekretärin gewesen war. Alphonse Laverrière blieb als Mitglied der Aufsichstkommission bis 1950 stark in die Leitung der Institution involviert und spielte offenbar eine wichtige Rolle bei den strategischen Entscheidungen, die in all diesen Jahren getroffen wurden. Angesichts dieser starken Persönlichkeit hatte Edith Porret oft Mühe, ihre Ansichten durchzusetzen (Zanzi 1989).

In den Jahren 1933 und 1934 wurde die Institution komplett umgestaltet: Objekte, die nicht von einem künstlerischen Ansatz zeugten, wurden auf die Museen für Geologie, Botanik, Zoologie und Archäologie verteilt und das so bereinigte Museum für Kunstgewerbe öffnete seine Tore wieder im Jahr 1935. Die neue Ausrichtung der Institution spiegelte sich deutlich im Aufbau der Sammlungen wider. Im Bereich der Keramik fiel sie mit der progressiven Entwicklung einer Ankaufspolitik zusammen, die offensichtlich vor allem auf das zeitgenössische Kunstschaffen abzielte.

Bis Ende der 1950er-Jahre konzentrierte sich das Museum hauptsächlich darauf, das zeitgemässe keramische Schaffen in der Schweiz zu dokumentieren, indem es unter anderem Arbeiten von Paul Bonifas (heute in den Beständen des mudac), Marcel Noverraz (MHL AA.MI.1674 ; MHL AA.MI.1689; MHL AA.MI.1745; MHL AA.MI.1982), Menelika (MHL AA.MI.1691; MHL AA.MI.1673; MHL AA.MI.1692; MHL AA.MI.1675 ), Thagouhi Beer-Zorian (MHL AA.MI.1659; MHL AA.MI.1744), Charles Beer (MHL AA.MI.1743; MHL AA.MI.1742) oder Berta Tappolet (MHL AA.MI.1761; MHL AA.MI.1760) erwarb.

 

Ein Teil dieser Ankäufe erfolgte im Rahmen der Ausstellungen von L’Œuvre und mehrere Stücke von Hélène und Fritz Haussmann (u.a. MHL AA.MI.1762; MHL AA.MI.1763; MHL AA.MI.1835 ) wurden anlässlich der 17. Ausstellung der Gesellschaft Schweizerischer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen erworben, die vom 15. Oktober bis 12. November 1944 im Palais de Rumine in den Räumlichkeiten des Musée des beaux-arts und des Musée d’art industriel stattfand (Feuille d’avis de Lausanne vom 16. Oktober 1944, 16).

Im Jahr 1946 wurde das Museum in Musée d’art industriel et d’art décoratif (Museum für Kunstgewerbe und dekorative Kunst) umbenannt. Im selben Jahr wandte sich Edith Porret an die Schweizerische Keramikschule in Chavannes-près-Renens und schlug ihr vor, an der Gestaltung einer Dokumentationstafel mitzuwirken, die die wichtigsten in der Sammlung gezeigten Techniken erläutern sollte: Fayence, Porzellan und Steinzeug (Zanzi 1989, 42). Es ist nicht bekannt, was aus diesem speziellen Projekt wurde, aber es war sicherlich der Beginn weiterer Kontakte, die 1948 zu einer didaktischen Keramikausstellung führten. Die Veranstaltung, die der breiten Öffentlichkeit offenstand, aber vor allem den Lernenden der Lausanner Schulen gewidmet war, fand vom 15. November 1948 bis zum 15. Februar 1949 im Museum statt. Sie umfasste eine in Zusammenarbeit mit der Keramikschule erarbeitete Präsentation der verschiedenen technischen Varianten der Keramikproduktion – Irdenware, Fayence, Steinzeug und Porzellan – sowie einen historischen Teil, der aus den Leihgaben verschiedener Antiquitätenhändler, Sammler, Museen, Manufakturen und Künstler gespeist wurde (La Nouvelle revue de Lausanne vom 23. November 1948, 3 – Feuille d’avis de Lausanne vom 19. Januar 1949, 44). Bei dieser Gelegenheit schenkte die Keramikschule einige Schülerarbeiten (MHL AA.MI.1880; MHL AA.MI.1894; MHL AA.MI.1876; MHL AA.MI.1877; MHL AA.MI.1878), während Roger Corthésy, Verwalter der Poterie Moderne in Chavannes-près-Renens, zwei Vasen aus seinen Werkstätten zur Verfügung stellte (MHL AA.MI.1892; MHL AA.MI.1893).

Verkündigungsszene von Pierre Wintsch.

In den folgenden Jahren wuchs der Bestand an zeitgenössischer Schweizer Keramik weiter an, wenn auch in bescheidenem Umfang. So wurden einige Werke von Margrit Linck-Daepp (MHL AA.MI.1868; MHL AA.MI.1869; MHL AA.MI.1954; MHL AA.MI.1910; MHL AA.MI.1921), aber auch von Kunstschaffenden der neuen Generation, wie dem Lausanner Pierre Wintsch (MHL AA.MI.1955), erworben.

Die Beziehungen zur Schweizerischen Keramikschule wurden 1951 noch enger, als deren Direktor René Burckhardt in die Museumskommission berufen wurde (Zanzi 1989, 35). 1952 organisierte das Museum, das sich nun Musée d’art décoratif (Museum für dekorative Kunst) nannte, anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Schule vom 20. September bis 16. November eine ehrgeizige Ausstellung mit dem Titel «Céramique suisse ancienne et contemporaine» (Alte und zeitgenössische Schweizer Keramik), wobei der alte Teil auf eine Retrospektive von engobierter Heimberger Irdenware aus den Beständen des Museums bestanden zu haben scheint (Feuille d’avis de Lausanne vom 23. September 1952, 2 – Tribune de Lausanne vom 25. September, 5 – La Nouvelle Revue de Lausanne vom 23. September, 2 – L‘Illustré vom 23. Oktober, 19). Der Schwerpunkt der Präsentation lag auf dem zeitgenössischen Teil, rund 600 Werke von 70 Künstlern, der Schulen in Chavannes-près-Renens, Bern und Genf sowie der Keramikabteilung der École cantonale de dessin et d’art appliqué in Lausanne. Eine weitere Retrospektive war dem berühmten Keramiker Paul Bonifas gewidmet. Speziell zu diesem Anlass sandte der Künstler vier Stücke aus Seattle, wo er seit Kriegsende lebte.

In seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung stellte sich der Direktor der Keramikschule als einer der Förderer des Projekts vor, zusammen mit zwei seiner Professoren, dem Maler und Grafiker Jean-Pierre Kaiser (1915–2001) und dem Maler und Illustrator Jean-Jacques Mennet (1889–1969), der auch in der Kommission des Musée d’art décoratif vertreten war.

Wandschmuck von Mario Mascarin, um 1950-1952.

Unter den Ausstellern wurden Philippe Lambercy, Margrit Linck, Mario Mascarin, Charles Imbert (Menelika), Lucette Hafner, Benno Geiger, Piere Messerli aus Bulle, Thagouhi Beer-Zorian, Pierre Wintsch, André Gigon, Pierrette Favarger und René Dony besonders gewürdigt. Das Museum erwarb gleichzeitig einige Werke von Margrit Linck (MHL AA.MI.2581), Hélène und Fritz Haussmann (MHL AA.MI.1972), Benno Geiger (MHL AA.MI.1983), Mario Mascarin (MHL AA.MI.1969), Marcel Noverraz (MHL AA.MI.1982), André Bioley (MHL AA.MI.1981) und André Gigon (MHL AA.MI.1961).

Nach der Neuausrichtung in den frühen 1920er-Jahren wurde der historische Teil der Bestände nicht völlig vernachlässigt, aber die Ankäufe konzentrierten sich – zwischen 1935 und 1944 – auf eine kleine Gruppe engobierter Heimberger Irdenware (MHL AA.MI.1663; MHL AA.MI.1664; MHL AA.MI.1665; MHL AA.MI.1666), die wahrscheinlich auch in der Ausstellung von 1952 zu sehen waren.

In den 1950er-Jahren sah sich Edith Porret aufgrund der chronisch unzureichenden Mittel gezwungen, ihre Ankäufe vorrangig auf regionale oder nationale Produktionen zu konzentrieren (Zanzi 1989, 63). Im Bereich der alten Keramik, den sie als einen der reichsten des Museums betrachtete, stellte die Konservatorin offensichtliche Lücken fest. Sie wandte sich daher an das Landesmuseum Zürich und bat ihre Kollegen, ihr eine Liste der wichtigsten und unentbehrlichsten Objekttypen zu erstellen, die ein repräsentatives Bild der Geschichte der Keramik in der Schweiz im 17. und 18. Jahrhundert ergaben. Sie nahm auch Kontakt auf zum Verein der Freunde der Schweizer Keramik auf, um eventuelle Vertriebskanäle in Erfahrung zu bringen, über die sie Objekte zu günstigeren als den marktüblichen Bedingungen erstehen könnte. Das Nationalmuseum verwies sie 1956 an einige Antiquitätenhändler, die relativ günstige Angebote machten (Zanzi 1989, 64-65).

So konnte das Museum zwischen 1954 und 1959 rund 40 Stücke, hauptsächlich aus dem 18. und 19. Jahrhundert, erwerben. Aus der Schweiz stammen vier Porzellane aus Nyon, das schönste Exemplar darunter ist eine Zuckerdose mit Dekor «Marseille» (MHL AA.MI.2142); fünf Fayencen aus Zürich, dazu gehört eine wunderschöne Terrine aus den Jahren 1765–70 (MHL AA.MI.2586) und ein schönes Tintenfass aus Bäriswil (MHL AA.MI.2273). Die anderen Ankäufe betrafen hauptsächlich Fayence und Steingut aus Frankreich, davon eine interessante Schale aus Nevers von 1661 (MHL AA.MI.2081), ein unveröffentlichtes Vasenmodell aus Steingut der Gebrüder Charmot in Jussy (Hochsavoyen), das damals der Manufaktur Baylon in Carouge zugeschrieben wurde (MHL AA.MI.2265), eine relativ frühe Suppenschüssel aus Fayence aus Sceaux (MHL AA.MI.2585), eine Terrine aus Rouen (MHL AA.MI.2136), einige klassische Beispiele aus Moustiers oder auch Fayencen aus Ostfrankreich, die in einigen Fällen erworben wurden, weil sie zu dieser Zeit Schweizer Manufakturen zugeschrieben wurden (MHL AA.MI.2143; MHL AA.MI.2137; MHL AA.MI.2138). Obwohl diese Bereicherungen relativ bescheiden erscheinen mögen, war die Keramik in jenen Jahren der Sektor, in dem die meisten Ankäufe getätigt wurden (Zanzi 1989, 65).

1958 musste das Museum aus dem Palais de Rumine ausziehen, da die Kantons- und Universitätsbibliothek die Räumlichkeiten für sich beanspruchte. Die Sammlungen wurden in Kisten verpackt und in zwei Zwischenlagern untergebracht, bis sie 1966 in das neue Gebäude an der Avenue de Villamont verlegt wurden. 1967 wurde das Museum unter einem neuen Namen wiedereröffnet: Musée des arts décoratifs. Nach dem Weggang von Edith Porret im Jahr 1965 leitete Pierre Pauli die Institution. Da die Sammlungen zu uneinheitlich, zu lückenhaft und vor allem zu lokal waren, blieben sie im Magazin und das neue Museum konzentrierte sich hauptsächlich auf eine Politik der Wechselausstellungen, bei denen Werke von auswärts ausgeliehen wurden. In den Jahren 1986 und 1987 verlegte man die Sammlungen schliesslich in das Musée historique de l’Ancien-Évêché – mit Ausnahme der Werke aus dem 20. Jahrhundert. Im Jahr 2000 wurde das Museum für dekorative Kunst in den neu gestalteten Räumen des Hauses Gaudard im historischen Viertel Cité-Dessous untergebracht und erhielt den Namen mudac, Musée de design et d’arts appliqués contemporains (Museum für zeitgenössisches Design und angewandte Kunst).

Ein Teil der Objekte aus dem 20. Jahrhundert wurde 2013 ebenfalls in das Historische Museum überführt, mit einigen Ausnahmen wie den Arbeiten von Paul Bonifas, die in den Beständen des mudac verblieben. Diese neuen Verlagerungen umfassten unter anderem rund zwanzig Keramiken, die von Nora Gross entworfen wurden und nie inventarisiert worden waren, sodass ihr Eingang in die Sammlungen nicht datiert werden kann. Waren sie ein Geschenk der Künstlerin, als sie in der Kommission des Museums für Kunstgewerbe sass, oder wurden sie nach ihrem Tod 1929 oder nach dem Tod ihres Mannes Paul Perret 1947 gestiftet? Jedenfalls enthält diese kleine Sammlung neben Modellen, die von Bendicht Loder-Walder in Heimberg oder Frank-Jenni in Steffisburg gefertigt wurden, die einzigen bislang bekannten Beispiele von Gross’ Zusammenarbeit mit der Manufacture de poteries fines de Nyon aus dem Jahr 1916 (MHL Nr. 11; MHL Nr. 13; MHL Nr. 15; MHL Nr. 16; MHL Nr. 24; MHL Nr. 27).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:
La presse vaudoise, consultée sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne.

Bibliographie :

Deléderray-Oguey 2011
Isaline Deléderray-Oguey, Le Musée industriel de Lausanne (1856 à 1909). Mémoire de maîtrise, Unversité de Neuchâtel 2011 (plateforme Péristyle, Société d’histoire de l’art en Suisse).

Kulling 2006
Catherine Kulling, Musée historique de Lausanne. Département des objets. Catalogue. Lausanne 2006.

Kulling 2014
Catherine Kulling, Musée historique de Lausanne. Les collections du Musée industriel. Catalogue. Lausanne 2014.

Pavillon 1998
Olivier Pavillon, Association du Vieux-Lausanne: des pionniers de 1898 à la création du Musée du Vieux-Lausanne en 1918. Mémoire vive. Pages d’histoire lausannoise 7, 9-79.

Zanzi 1989
Annick Zanzi, Histoire du Musée des arts décoratifs de la Ville de Lausanne. Mémoire de licence, Faculté des lettres de l’Université de Lausanne. Lausanne 1989.

Lausanne, Kantonales Museum für Archäologie und Geschichte (MCAHL)

Musée cantonal d’archéologie et d’histoire
Palais de Rumine
Place de la Riponne 6
CH-1005 Lausanne
Tel. +41 (0)21 316 34 30

Die Keramiksammlung in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

In der Waadtländer Sektion unseres Inventars nehmen Porzellan und Steingut aus Nyon viel Platz ein. Den reichhaltigsten Bestand in diesen beiden Bereichen besitzt selbstverständlich das Schloss Nyon (Geschichts- und Porzellanmuseum, Musée historique et des porcelaines). Doch das war nicht immer so. Beim Porzellan wurde der erste Museumsbestand in der Waadt, der diesen Namen auch verdiente, Anfang des 20. Jahrhunderts gebildet. Später ging dieser in das Kantonale Museum für Archäologie und Geschichte in Lausanne über, während das Museum in Nyon nur einige seltene Objekte behielt.

Für das Porzellan aus Nyon interessierte sich das Lausanner Museum insbesondere wegen Aloys de Molin (1861–1914), der wohl einer der wichtigsten Kuratoren dieser Objekte war. Die Anfänge des Lausanner Bestands fielen in die Zeit, in der De Molin sein erstes Werk verfasste, den ersten wissenschaftlichen Beitrag zur Historiografie der Manufaktur von Dortu und Müller. Die 1904 erschienene «Histoire documentaire de la manufacture de porcelaine de Nyon» stellt bis heute ein Referenzwerk dar (De Molin 1904).

1852 wurde das Musée des antiquités de Lausanne gegründet, das in die Räumlichkeiten der Académie zog. Im Laufe der Zeit wechselte das Museum mehrmals seinen Namen: Musée archéologique im Jahr 1877 und Musée historique im Jahr 1908 (zwei Jahre nach der Einweihung des Palais de Rumine). Seit 1955 trägt es den Namen «Musée cantonal d’archéologie et d’histoire».

Aloys de Molin leitete das Museum von 1893 bis 1912. Auf seine Initiative hin versuchte das Museum aktiv, die neu entstehenden Sammlungen auszubauen und kämpfte damit gegen die Abwanderung von Antiquitäten aus der Waadt und aus der Schweiz über den Kunstmarkt an. Einem Zeitungsartikel aus dem Nouvelliste vaudois vom 18. Juli 1900 (S. 2) zufolge haben «Besitzer in den letzten Jahren viele Wertgegenstände aus dem Kanton ins Ausland verkauft». Zudem sei das kantonale Museum für Archäologie immer an der Übernahme interessanter Objekte interessiert. Neben den archäologischen Artefakten erwähnt der Artikel auch das Porzellan aus Nyon. Die Bürger, die sich von alten Gegenständen trennen wollten, wurden gebeten, sich an den Kurator zu wenden.

Soweit wir beurteilen können, erwarb das Museum ab 1901 erste Keramikgegenstände, hauptsächlich Porzellan aus Nyon, aber auch einige Steingutobjekte aus Carouge oder aus England. De Molins Interesse für «Vieux-Nyon» sollte sich nachhaltig in den Sammlungen seines Museums manifestieren, während er gleichzeitig an seiner Monografie zu diesem Thema arbeitete. Der Originalbestand an Porzellan aus Nyon umfasste rund zweihundert Objekte und wurde mehr oder weniger zwischen 1901 und 1906 zusammengestellt.

Dazu gehören meist Alltagsgegenstände – mit einem Geflechtmotiv in einer violetten Borte (z. B. MCAHL 29401), blauen Unterglasurmotiven (MCAHL 29495), verschiedenen Blumen, Bouquets und einer schönen Auswahl an Verzierungen ohne Vergoldungen aus der jüngsten Periode (z. B. MCAHL 29403, MCAHL 29819, MCAHL 31647, MCAHL 29398) –, aber auch einige besondere Stücke wie diese seltenen Motivbeispiele, die ein Blau unter der Glasur mit mehrfarbigen Glasuren kombinieren (MCAHL 28702, MCAHL 29370), das Kühlgefäss aus dem Service von Von Roll (MCAHL 30021), ein Korb mit zugehörigem Untersatz mit einem seltenen Motiv aus einem chinesischen Bestand (MCAHL 30877A und 30877B), die Tasse mit den Wappen der Familie Testuz, die wir nun mit einer bunten Persönlichkeit aus der Revolutionszeit in Verbindung bringen können, mit Pfarrer Beat Ferdinand Testuz (MCAHL 30061), eine seltene mit Trophäen geschmückte «Kamingarnitur» (MCAHL HIS 55-3310, MCAHL HIS 55-3311, MCAHL HIS 55-3312) oder ein interessantes Kühlgefäss, das vermutlich die nach 1795 geschaffenen «neuen Formen» aufweist (MCAHL HIS 3841).

Es ist davon auszugehen, dass De Molin bei den Steingutobjekten ebenfalls versuchte, die Produktionen aus Nyon zu dokumentieren, die er einleitend auch in seiner Arbeit zum Porzellan behandelte. Da damals nur sehr lückenhafte Kenntnisse vorhanden waren – Thérèse Boissonnas-Baylon veröffentlichte 1918 die erste dokumentierte Studie zu diesem Thema –, erwarb er effektiv mehrheitlich Gegenstände aus Carouge, die mit den Markierungen «Baylon» oder «Dortu, Veret et Ce» versehen waren. Es war zu der Zeit noch schwieriger, die Produktion aus der Fabrik von Baylon in Nyon zu identifizieren, als heute. De Molin kaufte sogar englisches Steingut mit Kornblumendekor im Glauben, es handle sich um Erzeugnisse aus Nyon (MCAHL 30095, MCAHL 30094, MCAHL 30100, MCAHL 30110, MCAHL 30098, MCAHL 30101). Der Bestand in Lausanne umfasst übrigens einige Objekte, die sich nur schwer einordnen lassen und die man als mögliche Produkte der Manufaktur Baylon aus Nyon einstufen könnte: zwei relativ rustikale Kompottschalen aus Steingut (MCAHL 30105) sowie einige Fayencen mit Blei-Zinn-Glasur – zwei Schalen und drei Teller mit Kornblumendekor (MCAHL 29384, MCAHL 29385, MCAHL 29310).

Aloys de Molins Akquisitionsstrategie, die klar auf die Produkte aus Nyon ausgerichtet war, wurde nach seinem Abgang nicht weitergeführt. Von nun an legte der Keramikbestand nur punktuell und zufallsbedingt zu, mithilfe von Legaten und Schenkungen.

Etwa 1913, als die Sammlung Marie de Seigneux, geborene Guex, aus Genf (1942–1913), Witwe von Georges de Seigneux (1837–1912), einem herausragenden Juristen und nebenberuflichen Komponisten, in den Bestand aufgenommen wurde. Wie eine Zeitungsnotiz aus der Tribune de Lausanne vom 9. Dezember 1913 (S. 4) präzisierte, bestand das Legat zu drei Vierteln aus Porzellan aus Nyon, «ursprünglich im Besitz von Herrn Giral, einem der Verwalter der Fabrik». Die rund 160 Stücke aus Nyon widerspiegeln vor allem die übliche Produktion der Manufaktur: blaue und weisse Dekore, Kornblumen- und Streublumenmotive. Bemerkenswerter sind das Teeservice mit Balustermotiven (MCAHL 30805A, MCAHL 30805B, MCAHL 30805C, MCAHL 30805D, MCAHL 30805E, MCAHL 30805F) und die Überreste eines Trinkservices, das mit einem Blumenkranz auf schwarzem Hintergrund verziert ist (MCAHL 30804A, MCAHL 30804B). Das Legat umfasste zudem mehrere Beispiele späterer Porzellanobjekte, die wahrscheinlich aus Frankreich stammen, mit Verzierungen, die das «Vieux-Nyon» nachahmten (MCAHL 30792D, MCAHL 30792E, MCAHL 30802A, MCAHL 30802B, MCAHL 30802C).

Das relativ lose Ganze vermittelt nicht den Eindruck einer eigentlichen Sammlung, sondern kommt eher als zufällige Kombination von mutmasslichen Gebrauchsgegenständen und Vitrinenobjekten daher. Neben dem Porzellan aus Nyon finden sich einige englische Steingutobjekte, ein paar Porzellanobjekte aus Deutschland und insbesondere zwei kleine Gruppen von hochwertigen Porzellangegenständen aus Frankreich: ein Dutzend Sossentöpfchen aus Weichporzellan aus Mennecy aus den Jahren 1760–1765 (MCAHL 30810A, 30810B, 30810C und 30810D, MCAHL 30810K und 30810L, MCAHL 30810I und 30810-J, MCAHL 30810G und 30810H, MCAHL 30810E und 30810F) sowie zwölf Teller und eine Vase, die das Beste widerspiegeln, was in den Pariser Werkstätten zu Beginn des 19. Jahrhunderts an reich verziertem Porzellan hergestellt wurde (MCAHL 30811-1, MCAHL 30811-2, MCAHL 30811-3, MCAHL 30811-4, MCAHL 30811-5, MCAHL 30811-6, MCAHL 30811-7, MCAHL 30811-8, MCAHL 30811-9, MCAHL 30811-10, MCAHL 30811-11, MCAHL 30811-12, MCAHL 30824).

Das Museum erwarb 1922 und 1931 noch einige Steingutobjekte, meist Produkte der Manufaktur Baylon aus Carouge. 1936 gelangten im Gefolge des Legats Zourbroude einige Keramiken ins Museum (die unglaubliche Geschichte der Schwestern Zourbroude wird von Herrn Bezençon erzählt, «La solitaire d’Éclépens», in: Feuille d’avis de Lausanne, 12.–14. November 1936, 6, 12 und 6).

Seit den 1930er-Jahren hat das kantonale Museum für Archäologie und Geschichte kaum mehr Keramiken gekauft. 2022 stiessen 17 Stücke aus engobierter Berner Irdenware zum Bestand, die von der neuen Fondation du Château de Chillon als Nachfolgeorganisation des gleichnamigen Vereins, der 1887 gegründet wurde, dem Staat vermacht wurden. Die Charge umfasst interessante Beispiele aus der Produktion von Abraham Marti aus Blankenburg (MCAHL PM 4321, MCAHL PM 4322, MCAHL PM 4330, MCAHL PM 4329, MCAHL PM 4328), Tonwaren aus Langnau (MCAHL PM 4326, MCAHL PM 4325), darunter eine wegen ihrer politischen Ikonografie hervorstechende Platte, die eine wahrhafte Ode an die 1798 hergestellte republikanische Ordnung darstellt (MCAHL PM 4318), relativ klassische Werke aus Heimberg (MCAHL PM 4331, MCAHL PM 4324, MCAHL PM 4336, MCAHL PM 4334, MCAHL PM 4335, MCAHL PM 4332, MCAHL PM 4333) sowie eine Platte noch unbekannter Herkunft, die nach Langnauer Technik gestaltet und dekoriert wurde, jedoch von einem in Bäriswil ausgebildeten Töpfer (MCAHL PM 4327 – Mitteilung von Andreas Heege).

Diese Berner Stücke wurden 1905 für die Räume erworben, die die Berner Periode im historischen Museum des Kantons Waadt illustrieren sollten, das der Verein im Schloss Chillon einrichten wollte. Nach zahlreichen Unwägbarkeiten gerät das Museumsprojekt jedoch in Vergessenheit (Huguenin 2010, 34).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise, consultée sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne.

Bibliographie:

Blaettler 2017
Roland Blaettler, CERAMICA CH III/1: Vaud (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2017, 12-13.

 Boissonnas-Baylon 1918
Thérèse Boissonnas-Baylon, Faïenceries et faïenciers de Lausanne, Nyon et Carouge. Nos Anciens et leurs œuvres. Recueil genevois d’art VIII, 1918, 55-112.

De Molin 1904
Aloys de Molin, Histoire documentaire de la manufacture de porcelaine de Nyon, 1781-1813, publiée sous les auspices de la Société d’histoire de la Suisse romande et de la Société vaudoise des beaux-arts. Lausanne 1904.

Huguenin 2010
Claire Huguenin (éd.), Patrimoines en stock. Les collections de Chillon. Une exposition du Musée cantonal d’archéologie et d’histoire de Lausanne en collaboration avec la Fondation du château de Chillon, Espace Arlaud, Lausanne et Château de Chillon. Lausanne 2010.