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Renens VD, die Töpfereien

Roland Blaettler 2019

Die Gemeinde Renens, im Westen der Waadtländer Hauptstadt gelegen, erlebte ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eine rasante Entwicklung, die insbesondere durch die Einweihung des grossen Rangierbahnhofs der Westschweizer Eisenbahngesellschaft im Jahr 1876 angekurbelt wurde. Die Keramikindustrie, die vom Vorhandensein eines besonders geeigneten Tons auf dem Gemeindegebiet profitierte, nahm unter den zahlreichen Gewerbebetrieben, die sich in der Gegend ansiedelten, einen nicht zu unterschätzenden Platz ein.

Ein Artikel in der Feuille d’avis de Lausanne vom 16. Januar 1895 (S. 5) zählt nicht weniger als drei Töpfereien auf, die zu diesem Zeitpunkt aktiv waren: die Töpferei Bouchet mit acht Angestellten, die als die älteste beschrieben wird; die Töpferei Jaccard mit etwa 20 Angestellten und die von Emile Mercier, die sich in den Räumen seiner ehemaligen Kunstdüngerfabrik befand und etwa 25 Mitarbeiter beschäftigte. Die Produktion dieser Werkstätten, die sich auf rohe unbehandelte sowie engobierte und glasierte Irdenware beschränkte, beschrieb der Journalist kurz und bündig mit folgenden Worten: «[Die Töpfereien] liefern Alltagsgeschirr, Blumenvasen, Rohre und Kaminhüte, und besser noch, sie konkurrieren in der Herstellung von Kunstkeramik.»

Nebenbei bemerkt, figurieren diese drei Betriebe auf der «Tableau des mesures de poterie cuite adoptées par la Fédération des ouvriers tourneurs de la région de Genève, Ferney, Renens, Annecy et zones environnantes et de Messieurs les patrons soussignés» (Masstabelle für gebrannte Töpferwaren, die von der Föderation der Töpfer der Region Genf, Ferney, Renens, Annecy und der umliegenden Gebiete und von den unterzeichneten Arbeitgebern übernommen wurde (Ferney-Voltaire 1984, 264–265), was beweist, dass ihre Basisproduktion aus diesen Töpferwaren für den täglichen Gebrauch bestand – manchmal auch «Alltagsgeschirr» genannt (siehe weiter unten zu Jaccard) –, die wir unter dem Oberbegriff «engobierte Töpferwaren der Genferseeregion» einordnen, da wir nicht in der Lage sind, sie dem einen oder anderen Hersteller zuzuordnen (siehe das Kapitel «Les poteries engobées de la région lémanique»).

Renens VD, Töpferei Bouchet, um 1881–?

Joseph Bouchet lässt sich spätestens seit 1881 in Renens nachweisen. In diesem Jahr berichtete ein Leser der Feuille d’avis de Lausanne kurz über seinen Besuch in einer Fabrik für «Gebrauchskeramik», die sich in der Nähe des Bahnhofs von Renens niedergelassen hatte und deren Besitzer ein gewisser J. Bouchet war (Ausgabe vom 16. September 1881, 5). Im folgenden Jahr erschienen in der Lausanner Presse mehrere Werbeanzeigen, in denen für die «Töpferei» geworben wurde, die von Joseph Bouchet, einem «ehemaligen Arbeiter in Fernex-Voltaire [sic]», betrieben wurde (Feuille d’avis de Lausanne vom 7. Februar 1882, 1; La Revue vom 6. Juli 1882, 4). Im selben Jahr erhielt die Töpferei einen Preis 2. Klasse auf der Gartenbauausstellung in Morges (Nouvelliste vaudois vom 14. Juni 1882, 3).

1929 erschien ein kurzer Überblick zur Geschichte der Töpfereien in Renens, verfasst von einem gewissen Herrn Grivat, einem Schulinspektor. In diesem Text beschrieb er die Pionierrolle von Joseph Bouchet mit den folgenden Worten:

«Der Ton von Renens […] hat einen althergebrachten Ruf; es gab eine Zeit, in der die Ziegeleien von Renens, die entweder Privatpersonen oder der Gemeinde gehörten, ihre Produkte bis in die Deutschschweiz verschickten. Nach unglücklichen Umständen wurden diese Ziegeleien dank dem Südfranzosen Joseph Bouchet, einem ehemaligen Töpfereiarbeiter der grossen berühmten Fabriken von Ferney, in Töpfereien umgewandelt […]  Es war 1884, als Bouchet, ein guter Beobachter, geleitet von seiner langen Erfahrung, die zündende Idee hatte, dass eine gut etablierte Töpferei an einem Ort wie Renens erfolgreich sein müsste […] Bouchet kaufte ein kleines Landgut, dessen Gebäude er umbaute und selbst seinen Ofen hineinbaute […] Alles lief zum Besten in der neuen Töpferei, die ein Dutzend Arbeiter beschäftigte, als im zweiten Jahr ihres Bestehens ihr Gründer plötzlich an den Folgen eines Unfalls starb […]» (M. Grivat, «Industrie du pays: Poterie», in: Feuille d’avis du district de la Vallée vom 21. November 1929, 7–8).

Grivat irrt sich in der zeitlichen Abfolge: Bouchet starb tatsächlich früh, nämlich am 14. Januar 1883 (Feuille d’avis de Lausanne vom 15. Januar, S. 4). Bereits am 17. Januar wurde sein Sohn Paul im Schweizerischen Handelsamtsblatt [SHAB] als Chef der Töpferei Paul Bouchet eingetragen (Bd. 1, 1883, 69). Nach unserem derzeitigen Wissensstand wissen wir nicht, bis zu welchem Zeitpunkt der Betrieb fortgeführt wurde. Sicher scheint nur zu sein, dass die Töpferei 1895 noch existierte.

Renens VD, Töpferei Jean Debord, um 1885–1893

Eine zweite Töpferei entstand offenbar um 1885 in Renens. Am 2. März dieses Jahres wurde der aus dem Puy-de-Dôme stammende Jean Debord als Chef der Firma J. Debord eingetragen, die jedoch als «Handelsbetrieb für Töpferwaren» bezeichnet wurde (SHAB, Bd. 3, 1885, 182). Es ist denkbar, dass Debord sich zunächst auf den Handel mit Töpferwaren beschränkte, da er selbst nicht alle für die Herstellung erforderlichen Mittel besass. Am 4. Februar 1886 berichtete das Schweizerische Handelsamtsblatt, dass Debord sich mit Charles Nigg aus Gersau (Kanton Schwyz) zusammengetan hatte, um eine Kollektivgesellschaft namens «Nigg & Debord» zu gründen, die sich dieses Mal der Herstellung von Töpferwaren widmete (SHAB, Bd. 4, 1886, 90).

Das Unternehmen erhielt bei der Gartenbauausstellung in Lausanne von 1888 (La Revue vom 22. September 1888, 2) einen Preis 2. Klasse. Die Gesellschaft wurde am 12. September 1889 aufgelöst und Debord führte seine Geschäfte allein weiter (SHAB, Bd. 7, 1889, 783). In der Feuille d’avis de Lausanne vom 5. März 1890 veröffentlichte er die folgende Ankündigung: «Ich informiere meine alte Kundschaft, dass ich unter dem Firmennamen Jean Debord, in der Nähe des Bahnhofs von Renens, weiterhin alle Arten von Töpferwaren und Blumenvasen herstelle. Ich empfehle mich all jenen, die vielleicht geglaubt haben, dass das Haus nicht mehr existiert. – Jean Debord, Nachfolger von Nigg und Debord». Das Unternehmen wurde schliesslich am 4. Juli 1893 gelöscht, «infolge Geschäftsaufgabe des Inhabers» (SHAB, Bd. 11, 1893, 656). Jean Debord starb 1907. In der Todesanzeige wurde er als «Vorarbeiter in der grossen Töpferei» bezeichnet (Feuille d’avis de Lausanne vom 26. Januar 1907, 16).

Töpferei Samuel Jaccard, um 1890–1907

Ab Anfang 1890 druckte die regionale Presse Werbeanzeigen ab, in denen die Qualität der Töpferwaren von Samuel Jaccard in Renens angepriesen wurde. Beispielsweise in der Feuille d’avis de Lausanne vom 7. März 1890, S. 3, wo die Rede ist von der «Töpferfabrik S. Jaccard, vormals betrieben von den Herren Nig [sic] et Debord». Diese Angabe mag seltsam erscheinen, da wir wissen, dass Debord seine Geschäfte nach der Trennung von seinem Geschäftspartner fortsetzte. Die einzige plausible Erklärung wäre, dass Debord seine Einrichtungen an eine andere Adresse verlegt hatte und Jaccard in die ehemaligen Räumlichkeiten von «Nigg & Debord» einzog. Dies würde auch die Verwirrung erklären, die in der Öffentlichkeit zu herrschen schien, wie aus der von Debord am 5. März 1890 veröffentlichten Bekanntgabe hervorgeht.

Samuel Jaccard (1860-1922) wurde am 16. Januar 1891 im Schweizerischen Handelsamtsblatt als Chef des Unternehmens mit der Erwähnung «Art der Industrie: Töpferwaren aller Art» eingetragen (Bd. 9, 1891, 50). Im September 1891 gewann er auf der Gartenbauausstellung in Montreux einen Preis der II. Klasse für seine Blumentöpfe (Gazette de Lausanne vom 24. September 1891, 2). In der Anzeige, die Jaccard im folgenden Jahr in der Presse veröffentlichte, waren beide Seiten der in Montreux gewonnenen Medaille abgebildet. Neben der «Haushalts- und Gartenkeramik» werden in der Anzeige auch andere Spezialitäten wie Kaminhüte, mechanisch hergestellte Rohre und Schornsteinrohre erwähnt (z. B. in der Gazette de Lausanne vom 24. Oktober 1892, 4).

In der Feuille d’avis de Lausanne vom 1. Februar 1892, S. 3, veröffentlichte Jaccard folgende Mitteilung: Um der Verwirrung ein Ende zu setzen, informiert der Unterzeichnende die Öffentlichkeit darüber, dass er nichts mit dem auf den 2. Februar durch öffentlichen Anschlag angekündigten juristischen Verkauf der Töpferei zu tun hat. – S. Jaccard». Es ist möglich, dass der Zwangsverkauf in Wirklichkeit die Töpferei Debord betraf und die Öffentlichkeit die beiden Einrichtungen weiterhin verwechselte.

In Zusammenhang mit der von der Lausanner Gartenbaugesellschaft im Mai 1893 organisierten Ausstellung erwähnte die Gazette de Lausanne die Teilnahme der Töpferei Jaccard, «[…] die in der Region immer mehr geschätzt wird» (Ausgabe vom 29. Mai 1893, 3). In einer ihrer Rezensionen zur Kantonalen Ausstellung in Yverdon 1894 führt L’Estafette aus, dass «[…] diese Art Töpferwaren von den Herren S. Jaccard und Mercier vertreten wird. Der Ruf dieser Häuser, von denen das erste schon lange besteht, ist nicht mehr zu übertreffen. Hier stehen abgestuft und in Pyramiden Vasen in allen Formen und Grössen; Übertöpfe, Blumenkästen, Körbe, die einen glasiert, die anderen roh. Alle sind mit feinen von Hand modellierten Motiven verziert» (Ausgabe vom 7. August 1894, 1). Beide Betriebe wurden mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.

Die Töpfereien von Renens nahmen auch an der Kantonalen Ausstellung von Vevey im Jahr 1901 teil: «M. S. Jaccard und die Fabrique de poterie [siehe unten] bieten eine sehr interessante Ausstellung ihrer Produkte, die vom Blumentopf in allen Grössen in der bekannten, klassischen Form bis zu monumentalen Amphoren, komplizierten Kaminhüten, ja sogar verzierten Platten und glasierten Blumenvasen gehen. Diese Serie Töpferwaren verdient Beachtung und eine eingehende Prüfung» (J. Marti, À travers les groupes – Industrie du bâtiment, Groupe I. In: Exposition cantonale de Vevey. Journal officiel illustré, Nr. 19, 10. November 1901, 218).

Die einzigen Exemplare, die wir mit Sicherheit Jaccard zuschreiben können, da sie eine gestempelte Marke «S JACCARD / RENENS» tragen, sind Teller, Platten, Tassen und Untertassen, die anlässlich der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des Kantons Waadt im Jahr 1903 hergestellt wurden. Neben den üblichen Gedenkinschriften besteht ihr Dekor aus einem gemodelten und applizierten Reliefschild mit dem Wappen der Gemeinde Cully (MCAHL HIS 11-6; MCAHL HIS 11-1; MCAHL HIS 11-2).

In einem Artikel, der die in dieser Ortschaft geplanten Feierlichkeiten ankündigte, lobte der Nouvelliste vaudois vom 13. Februar 1903 (S. 2) das Festkomitee der Gemeinde für die Hundertjahrfeier dafür, dass es «die originelle und ausgezeichnete Idee hatte, sich an Herrn S. Jaccard zu wenden, um für das Bankett ein ‹Hundertjahrfeier-Geschirr› herstellen zu lassen, Teller und Tassen mit den Wappen der Stadt Cully, des Kantons Waadt und der Eidgenossenschaft auf grünem Grund, die einen sehr schönen Effekt haben. Dieses Geschirr, das später zum Selbstkostenpreis verkauft wird, bleibt in den Familien als Erinnerung an das Fest». Es ist anzumerken, dass die Wappen des Kantons und der Eidgenossenschaft nicht auf den erfassten Gegenständen zu finden sind. Der Chronist hat sich wahrscheinlich geirrt, es sei denn, die Bestellung führte zu mehreren Versionen.

Es ist klar, dass diese Art von Produkten mit ihren mehrfarbigen Auflagendekoren eine ausgefeiltere Technik voraussetzte als die üblichen «Haushalts»-Töpferwaren, aber wir glauben gerne, dass die oben erwähnten «Kunstwerke» und «feinen von Hand modellierten Motive» ambitionierter ausgesehen haben müssen. Bisher konnten wir noch keine Exemplare dieser hochwertigen Kategorie identifizieren.

1904 beauftragte die Vereinigung des Schlosses Chillon Jaccard mit der Herstellung von 23 Faksimiles eines Kruges aus dem 13. Jahrhundert, der 1903 anhand von im Schlossgraben gefundenen Fragmenten rekonstruiert worden war (MCAHL PM 2561, nicht in diesem Inventar). Die Vereinigung versuchte, diese Reproduktionen, eine Art Vorläufer der heute weit verbreiteten Museumsderivate, im Bazar de Chillon und im Bazar vaudois in Lausanne zum Preis von 3,50 Franken zu vermarkten, offenbar ohne grossen Erfolg (Huguenin 2010, 48, Abb. 53 – Das Lausanner Kantonsmuseum für Archäologie und Geschichte bewahrt zwei Exemplare, PM 2562 und PM 4182, die nicht im vorliegenden Inventar aufgeführt sind). Eine ähnliche Reproduktion, die jedoch wahrscheinlich jüngeren Datums ist, haben wir in der Sammlung der ehemaligen Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-près-Renens gefunden (CEPV 5.B.5).

Im Schweizerischen Handelsamtsblatt wird der Firmenname «S. Jaccard» (merkwürdigerweise mit Wohnsitz in Lausanne) am 13. November 1907 gelöscht, «infolge des Verkaufs des Geschäfts» (Bd. 25, 1907, 1974). Zwei Tage später registrierte das gleiche offizielle Organ die Löschung der Fabrique de poterie de Renens S. A. und die Gründung einer neuen Gesellschaft, der Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. (SHAB, Bd. 25, 1907, 1975).

Als die Gazette de Lausanne vom 7. Mai 1908 (S. 3) einige Monate später auf diese Umwälzungen in der lokalen Industrielandschaft zurückkam, berichtete sie, dass an der Spitze des neuen Unternehmens die Eigentümer «der Töpfereien Pasquier-Castella und Jaccard, die derzeit fusioniert sind», standen. Der Indicateur vaudois erwähnte in seiner Ausgabe für das Jahr 1908 die «Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. (Fusion der ehemaligen Fabriken Pasquier-Castella und S. Jaccard)».

Jaccards Unternehmen wurde daher mit dem von Pasquier-Castella (siehe unten) zusammengelegt, bevor es von der «grossen Ziegelei» übernommen wurde. Was Samuel Jaccard betrifft, so scheint er sich nach der Abtretung seines Geschäfts anderen Aktivitäten zugewandt zu haben, insbesondere im Immobilienbereich. Im Indicateur vaudois von 1908 wird sein Privatwohnsitz noch in Renens angegeben, von 1909 bis 1917 dann in Lausanne in einem Gebäude an der Avenue du Mont-Blanc Nummer 12. Dieses gehörte offenbar der Immobiliengesellschaft Belles-Roches und Jaccard wird als «Geschäftsführer» gemeldet. Im Juni 1908 wurde er zum Verwalter derselben Gesellschaft ernannt (SHAB, Bd. 26, 1908, 1082). In den folgenden Jahren fand man ihn in Verbindung mit verschiedenen in Lausanne ansässigen Immobiliengesellschaften, wie der Société de Sainte Luce, der er vorstand und die anlässlich ihrer Generalversammlung vom 22. Januar 1923 seinen Tod zur Kenntnis nahm (SHAB, Bd. 41, 1923, 244). Samuel Jaccard starb am 26. Mai 1922 in Paris (Feuille d’avis de Lausanne vom 29. Mai 1922, 22).

Die Keramikfabrik von Renens, 1892–1907

Émile Mercier, 1892–1898

Charles Lévy-Schwob, 1898–1900

Aktiengesellschaft, 1900–1907, Geschäftsführer Charles Lévy-Schwob (1900–1906) und Paul Pasquier-Castella (1906

Émile Mercier (geboren 1843 in Amsterdam, gestorben vor 1914 – Feuille d’avis de Lausanne vom 8. August 1884, 4) war der Sohn des Diplomaten Philippe Charles-Louis Mercier (1805–1869) und von Emma Doerr. Im Jahr 1863 heiratete er Suzanne Bugnion (1841–1914), die Enkelin von Charles-Timothée, dem Gründer der Bugnion-Bank in Lausanne, einem Institut, das bis zu seiner Übernahme im Jahr 1965 durch den Schweizerischen Bankverein bestand. Mercier war von 1864 bis 1874 Honorarkonsul der Schweiz in Hamburg, ein Amt, das er in einem sehr jungen Alter angetreten hatte (Nouvelliste vaudois vom 19. März 1874, 4 – vom 4. Juli 1891,4).

Mitbegründer und Direktor der Société vaudoise d’engrais chimiques S. A., die 1882 gegründet wurde und 1886 mit einer ähnlichen Gesellschaft in Freiburg unter dem Namen Fabrique d’engrais chimiques de Fribourg et Renens fusionierte; Mercier wurde zum zweiten Direktor ernannt, der für die Niederlassung in Renens verantwortlich war (SHAB, Bd. 1, 1883, 119 – Bd. 4, 1886, 833). Im Jahr 1892 stellte das Unternehmen den Betrieb der Fabrik in Renens ein und Mercier gab seine Direktorenfunktion auf, blieb jedoch Mitglied des Verwaltungsrats (SHAB, Bd. 10, 1892, 1121).

Im selben Jahr wurde er als Firmenchef und Besitzer der «Fabrique de poterie de Renens – Émile Mercier» registriert (SHAB, Bd. 10, 1892, 532). Es scheint, dass Mercier einen Teil der Einrichtungen der ehemaligen Düngemittelfabrik gekauft hatte, um dort sein neues Unternehmen zu errichten: «[Er] hat die Räumlichkeiten der ehemaligen Kunstdüngerfabrik in eine grosse Fabrik umgewandelt, die 25 Arbeiter beschäftigte und ausserdem 18 Wohnungen zu ihrer Nutzung umfasste» (Feuille d’avis de Lausanne vom 16. Januar 1895, 5). Als kluger Industrieller, der jedoch nicht speziell auf diesen neuen Tätigkeitsbereich vorbereitet war, verstand er es, die junge Töpferei auf den Weg des Erfolgs zu bringen. Die Werbeanzeigen, die ab 1894 in der regionalen Presse erschienen, warben vor allem für «ein grosses Sortiment an Kaminhüten mit den dazugehörigen Ofenrohren», das offensichtlich einen der Schwerpunkte im Sortiment der Fabrik darstellte (Feuille d’avis de Lausanne vom 9. Juni 1894, 5).

In einem Artikel über die Kantonale Ausstellung von Yverdon im Jahr 1894, beschreibt der Korrespondent der Gazette de Lausanne auch die Keramikabteilung und geht dabei vor allem auf die Ausstellungen der Töpfer Samuel Jaccard und Émile Mercier aus Renens ein: «Es gibt dort Dinge von sehr unterschiedlichem Wert und Geschmack: Auf der einen Seite die Ofenrohre mit den grossen Hauben, die heute stark verbreitet sind, auf der anderen Seite alle Gegenstände, die der Kultur oder der Verzierung eines Gartens dienen können: gewöhnliche Blumentöpfe, einfache oder verzierte Übertöpfe, Hängetöpfe für Hängepflanzen, Wasserbecken und auch Haushaltskeramik. Einige dieser Töpfe sind mit aufgelegten Blumen und Blättern verziert. Unter den schlichten Gegenständen habe ich im Sortiment von Herrn Mercier eine Pflanzschale im Stil Louis XVI mit zwei Übertöpfen gesehen, deren Design originell ist […]» (Ausgabe vom 2. Oktober 1894, 1–2, Unterschrift S. F.).

Im Rahmen der 6. Schweizerischen Landwirtschaftsausstellung, die 1895 in Bern stattfand, erhielt die Töpferei von Mercier eine Vermeil-Medaille für ihre Kaminhüte und Blumenvasen (Nouvelliste vaudois vom 4. Oktober 1895, 4). Die Feuille d’avis de Lausanne vom 20. September 1895 (S. 11) berichtete ausführlich über die Beteiligung der Fabrik (so ausführlich, dass man sich fragt, ob der Artikel nicht ein Auftragstext war): «[…] Mercier hat die ehemalige Kunstdüngerfabrik in eine Keramikfabrik umgewandelt, dabei profitierte er vom Standort und von den aussergewöhnlichen Eigenschaften des Tons auf dem Gelände. Es handelt sich um einen neuen Industriezweig, der wichtige Dienste leisten wird und sich dank der Beharrlichkeit von Herrn Mercier schnell entwickelt. […] Unter [den ausgestellten Produkten] bemerken wir Kaminhüte aus Ton, die sich durch ihre gute Verarbeitung, ihre Eleganz, ihre Festigkeit und ihren sehr günstigen Preis auszeichnen, der uns vom Bezug des Artikels im Ausland befreit. Der Kaminhut aus Ton […] ersetzt sehr vorteilhaft die Schornsteinkappen aus Metall, die leicht von den Destillationsprodukten der Brennstoffe und der Feuchtigkeit angegriffen werden […] Herr Mercier stellt gleichzeitig eine sehr vollständige Kollektion verschiedener Blumenvasen aus, die eine sehr regelmässige Form haben, sehr solide sind und dank der Perfektion, die bei der Verarbeitung des Rohmaterials und der Brennmethode erreicht wurde, nur ein geringes Gewicht aufweisen […]».

Im folgenden Jahr war die Fabrik auf der Landesausstellung in Genf mit «Töpferwaren aller Art und Spezialitäten von Kaminhüten aus Ton» vertreten (Offzieller Katalog der Aussteller. Genf 1896, 410, Ausstellernummer 4177 – Gazette de Lausanne vom 24. September 1896, 3). Das Unternehmen erhielt eine weitere Auszeichnung: eine Silbermedaille, die insbesondere und einmal mehr die Ausstellung von Kaminhüten belohnte (Feuille d’avis de Lausanne vom 23. September 1896, 8).

Der Firmenname «Fabrique de poterie de Renens, Émile Mercier» wurde im Juni 1898 gelöscht, da die Anlagen, die Bilanz und die Aktivitäten von Mercier von der Firma «Fabrique de poterie de Renens, Charles Lévy-Schwob» übernommen wurden (SHAB, Bd. 16, 1898, 713). Mercier wird in dem Unternehmen als Verwaltungsratsdelegierter wieder auftauchen, als dieses in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird (siehe unten).

Henri, d. h. Charles Lévy-Schwob (1866–1933), der neue Besitzer der Töpferei, war ein aus Belfort (Franche-Comté) stammender Geschäftsmann. Bevor er sich der Keramikindustrie widmete, besass er in Morges einen Stoffladen und war in der Konfektion tätig, so 1883 im örtlichen Handelsregister eingetragen (SHAB, Bd. 14, 1896, 603).

1899 musste sich der neue Besitzer der Töpferei von Renens mit der ersten sozialen Bewegung auseinandersetzen, die jemals in der lokalen Keramikindustrie verzeichnet wurde, einem Streik, der am 19. Mai von den Drehern der Fabrik ausgerufen wurde und schliesslich nur drei Tage dauerte (La Revue vom 20. Mai 1899, 1). Die Feuille d’avis de Lausanne notierte lediglich, dass «[…] der Konflikt durch zwei Punkte von untergeordneter Bedeutung ausgelöst worden war, die zur allgemeinen Zufriedenheit geregelt wurden» (Ausgabe vom 22. Mai 1899, 7). Der Kommentar in der Feuille d’avis de Vevey stellte hingegen fest, dass «[…] dieser Vorfall angeblich darauf zurückzuführen sei, dass diese wichtige Fabrik den Besitzer gewechselt habe und das Führungspersonal nicht die Sympathien der Arbeiter hätte» (Ausgabe vom 19. Mai, 6).

Ein Jahr nach dem Vorfall wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt am 18. Mai 1900 die Gründung einer Aktiengesellschaft unter dem Namen «Fabrique de poterie de Renens S.A.» eingetragen, deren Statuten auf den 16. Mai 1900 datiert waren. Die Ziele der Gesellschaft waren einerseits die Herstellung von «gewöhnlicher Töpferware und Blumenvasen, Lüftungsrohren aus Ton, Kaminhüten, Rohren usw.» und andererseits «die Übernahme des Betriebs der in Renens unter der Firma ‘Charles Lévy-Schwob’ bestehenden Töpferei» (SHAB, Bd. 18, 1900, 748). Die Aktiengesellschaft hatte das Unternehmen lediglich aufgekauft (La Revue vom 29. Mai 1900, 1). Die Löschung des Firmennamens «Fabrique de poterie de Renens, Charles Lévy-Schwob» erfolgte am 19. Mai (SHAB, Bd. 18, 1900, 748). Das Kapital der neuen Gesellschaft wurde auf 200 000 Franken festgelegt und in 400 Inhaberaktien aufgeteilt. Charles Lévy-Schwob wurde zum Direktor und Émile Mercier zum geschäftsführenden Direktor ernannt, eine Funktion, die er mindestens bis 1903 innehaben sollte.

Die Töpferei arbeitete also ohne Unterbruch und unter demselben Direktor weiter. Sie stellte ihre Produkte 1901 auf der Kantonalen Ausstellung in Vevey vor (siehe oben unter Jaccard-Töpferei), nämlich «Urnen mit eleganten Formen, Blumenvasen, Kapitelle für Kamine, künstlerische Töpferwaren mit Blumen im Auflagendekor und Landschaften» (La Revue vom 24. Juli 1901, 1). Die Sendung wurde nur mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.

In einem Brief, der in La Revue vom 27. September 1901 veröffentlicht wurde (S. 4) wetterte Charles Lévy-Schwob gegen diese Auszeichnung, die er für unzureichend hielt: «Wir haben bereits zwei Silbermedaillen erhalten, eine davon an der Landesausstellung in Genf […] Seitdem haben wir unsere Produkte verbessert, unsere Produktion und unsere Verkäufe haben sich verdoppelt, und hier werden wir durch die Kantonale Ausstellung in Vevey auf eine neue Silbermedaille herabgesetzt, die nach derjenigen von Genf nur von einem Rückschritt zeugen kann, den uns zu beschuldigen ungerecht wäre.» Der Direktor der «wichtigsten Töpferfabrik des Kantons» führte die schlechte Bewertung darauf zurück, dass sein Unternehmen in der Sektion «Bauwesen» der Ausstellung klassifiziert worden war, obwohl Bauelemente wie Kaminhüte nur ein Sechstel der ausgestellten Waren ausmachten. Folglich waren seine Produkte von Ingenieuren beurteilt worden, die nicht unbedingt die geeignetste Jury darstellten. Lévy-Schwob lehnte die Medaille ab und zitierte aus den Basler Nachrichten vom 21. August 1901: «La fabrique de poterie de Renens stellte schöne Platten und Vasen im Stil der Thuner Keramik aus. Eine handgedrehte Urne, etwa einen halben Meter hoch, gereicht dieser Einrichtung zur grössten Ehre».

Bisher haben wir nur ein einziges Objekt gefunden, das eindeutig aus der sogenannten «grossen Töpferei» stammt: eine Schüssel, die an die Waadtländer Hundertjahrfeier von 1903 erinnert und im Museum von Orbe aufbewahrt wird, mit der besonders hochtrabenden Marke «Fabrique poterie de Renens Société anonyme» (MO Nr. 1).

Der Töpfer war sichtlich stolz auf sein Werk, das im Vergleich zu den vagen, aber lobenden Beschreibungen, die Chronisten anlässlich verschiedener Ausstellungen lieferten, immer noch eine relativ bescheidene Leistung ist.

Das Jahr 1901 war durch einen weiteren Streik der Töpferarbeiter gekennzeichnet, der in den beiden Töpfereien von Renens (Töpferei S. Jaccard und Société anonyme) ausbrach, die «etwa siebzig Arbeiter beschäftigten, die meisten von ihnen Franzosen, die sich aber mit ihren Familien in Renens niedergelassen hatten» (Tribune de Lausanne vom 7. Mai 1901, 2). Tatsächlich betraf die Bewegung vor allem die Dreher, die in gewisser Weise die Aristokratie der Arbeiterschaft darstellten und besonders gut organisiert waren. Die Streikenden forderten eine Lohnerhöhung und eine Verkürzung der Arbeitszeit. Nach drei Wochen einigte sich Jaccard mit seinen Streikenden, während der Konflikt bei Lévy-Schwob weitergehen sollte (Feuille d’avis de Lausanne vom 23. Mai 1901, 11). Es dauerte fast zwei Jahre, bis die Differenzen innerhalb der «grossen Töpferei» beigelegt waren, wie die Arbeiterpresse feststellte: «Nach zwei Jahren Widerstand hat Herr Lévy, Direktor der Töpferei von Renens, die Dreher zum neuen Tarif wieder eingestellt […], einem Tarif, der in den anderen Fabriken von Renens [Jaccard und Poterie moderne, siehe unten] bezahlt wurde. Nach einer Streikbewegung im Mai 1901 wurde das ganze Dreherpersonal entlassen und durch mechanische Arbeit ersetzt. […] Nach diesem langen Kampf sind die Dreher siegreich, und ihren Sieg errangen sie über das Kapital und über den Maschinismus, der in diesem Zweig nicht die Ergebnisse gebracht hat, die unsere Geldgeber davon erwarteten» (Le Grutli vom 3. Juli 1903, 6).

Im selben Jahr 1903 durchlief die «grosse Töpferei» eine weitere Reorganisation. Am 16. April erweiterte die Fabrique de Poterie de Renens S. A. ihre Statuten um einen Zusatz, der besagte, dass «die Gesellschaft die Fabrik selbst betreiben oder durch Pächter betreiben lassen kann» (SHAB, Bd. 21, 1903, 757). Zwei Wochen später erklärte Charles Lévy-Schwob, dass er auf seinen Posten als Direktor verzichte, während Émile Mercier an seiner Stelle als geschäftsführender Direktor bestätigt wurde (SHAB, Bd. 21, 1903, 853).

Aber Lévy-Schwob verliess die Töpferei de facto nicht. Am 28. März des folgenden Jahres wurde er als Chef der Firma «Fabrique de poterie, Charles Lévy-Schwob» eingetragen (SHAB, Bd. 22, 1904, 553). Angesichts der obigen Ausführungen kann man davon ausgehen, dass er seine Tätigkeit wieder aufnahm – oder fortsetzte –, indem er das Gebäude und die technische Infrastruktur, die der Firma Fabrique de poterie S. A. gehörten, mietete.

Lévy-Schwob arbeitete noch bis Januar 1906. Der Firmenname wurde am 25. Januar «nach Verkauf des Geschäfts» gelöscht. Am selben Tag wurde Paul Pasquier- Castella aus Bulle, wohnhaft in Lausanne, als Chef der Firma «Fabrique de poterie, P. Pasquier-Castella» in Renens registriert (SHAB, Bd. 24, 1906, 161).

Charles Lévy-Schwob schaltete seinerseits ab März Werbeanzeigen, um sein «Bureau commercial et immobilier» mit Sitz in Grand-Pont 4 und Grand-Saint-Jean 18 in Lausanne zu bewerben, ein Unternehmen, das sich mit dem Kauf, Verkauf und der Verwaltung von Immobilien beschäftigte (siehe z. B. Feuille d’avis de Lausanne vom 3. März 1906, 9). Von 1912 bis 1919 tat er sich auch als Präsident der israelitischen Gemeinde von Lausanne hervor. Ausserdem blieb Lévy-Schwob dem Unternehmen in Renens als Vizepräsident des Verwaltungsrats der Briqueterie, Tuilerie et Poterie de Renens bis zu seinem Tod am 26. November 1933 verbunden (Gazette de Lausanne vom 28. November 1933, Todesanzeige auf S. 7).

1907 druckte der Indicateur vaudois unter der Rubrik der in Renens ansässigen Töpfereien einen Werbekasten mit der Bezeichnung «Fabrique de poterie P. Pasquier-Castella – poterie commune, vases à fleurs, capes, boisseaux, drains – Poteries artistiques de Mlle Nora Gross» (S. 389). Pasquier – der neue Mieter der Fabrique de poterie de Renens S. A. – begnügte sich also nicht damit, die traditionellen Produkte der Einrichtung fortzuführen, sondern war auch innovativ, indem er versuchte, eine echte künstlerische Linie einzuführen, die von einer unabhängigen Designerin entworfen wurde. Die obige Insertion ist jedoch die einzige Erwähnung, die wir von dieser Zusammenarbeit gefunden haben. Das Experiment war wahrscheinlich nur von kurzer Dauer, und wir haben keine Objekte identifiziert, die davon zeugen könnten (siehe auch den Text zu «Nora Gross»).

In seiner sehr kurzen Karriere als selbstständiger Unternehmer ging Pasquier-Castella eine weitere künstlerische Zusammenarbeit ein, die eine deutlichere Spur hinterliess: «Seit kurzem hat sich ein Arbeiter, der in den Fabriken von Rambervillers und auch bei Massier in Golfe-Juan Erfahrungen gesammelt hat, in Renens niedergelassen. Er betreibt seinen Brennofen in der Töpferei Pasquier-Castella, in den Räumen, in denen früher Kunstdünger hergestellt wurde […] Die Töpferwaren sind im Glattbrand hergestellt, das heisst, Produkte aus Steinzeug […] mindestens dreimal gebrannt […] und bei einer Temperatur von etwa 1300 Grad. […] Der Arbeiter heisst M. Beyer. Er kommt aus Strassburg […] Hier ein metallisierendes Blau, es sieht aus wie ein riesiger, alle Schattierungen von Azur ausstrahlender Rosenkäfer [sic]. Am anderen Ende ein mattes Aquamarin mit unvorhergesehenen Flammungen. Dazwischen die Palette der gesprenkelten, gefleckten, gestreiften, rosafarbenen, lilafarbenen, schwarzen […] Dekore» (D., «Une leçon d’art», in: Gazette de Lausanne vom 20. November 1906, 3).

Der erwähnte Keramiker war Paul Beyer (1873–1945), einer der grossen Namen der französischen Kunstkeramik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Aufenthalt in Renens von 1906 bis1907 war vor allem geprägt durch seine Steinzeugarbeiten, eine Keramikart, die hierzulande völlig neu war. In begeisterten Zeitungsartikeln wurde die fast mystische Atmosphäre beschrieben, in der die langen Brennvorgänge bei hohen Temperaturen stattfanden, wobei man auch erfuhr, dass Beyer selbst einen von ihm erfundenen Töpferofen mit doppelter Einfeuerung in den Räumlichkeiten von Pasquier gebaut hatte (Cd., «Art domestique», in: Journal de Genève vom 14. September 1907, 5).

Die Steinzeugarbeiten, die Beyer ab 1906 in Renens herstellte, wurden in Lausanne (u. a. in den Räumen der Gazette de Lausanne), Genf (im Rahmen des Maison d’art de la Corraterie – Journal de Genève vom 26. April 1907, 4, und vom 14. September 1907, 5) und in der Kunstgewerbeschule in Zürich (Journal de Genève vom 20. Februar 1907, 1) ausgestellt. Das Musée des arts industriels in Genf und das Kunstgewerbemuseum in Zürich sollen mehrere Exemplare erworben haben. In Genf bewahrt das Musée Ariana eine Vase auf, die 1906 oder 1907 vom damaligen Musée des arts industriels im Maison d’art erworben wurde (MAG AR 05458); die Genfer Institution besitzt ausserdem elf Exemplare, die später in der Schweiz erworben wurden und die ebenfalls auf die Waadtländer Episode in der Karriere des Keramikers zurückgehen könnten (MAG AR 05457; AR 05539; AR 06939; AR 11332 bis AR 11339). In Zürich befinden sich acht Stücke von Beyer im Inventar des Museums für Gestaltung (ZHdK KGS-06744 à -06749, -06751 et -6903). Auch das Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel bewahrt eine Vase von Beyer auf, die 1909 auf dem örtlichen Grand Bazar erworben wurde. Das alte Inventar des Museums gibt an, dass das Objekt 1906 in der Werkstatt von Paul Pasquier-Castella hergestellt wurde (MAHN AA 1046).

Auch das Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel bewahrt eine Vase von Beyer auf, die 1909 auf dem örtlichen Grand Bazar erworben wurde. Das alte Inventar des Museums gibt an, dass das Objekt 1906 in der Werkstatt von Paul Pasquier-Castella hergestellt wurde (MAHN AA 1046).

Nebenbei sei bemerkt, dass einige Stücke im Musée Ariana – darunter die Vase, die für die Ausstellung von Beyer im Maison d’art erworben wurde – und die Vase aus Neuchâtel kein Steinzeug sind, sondern mit Glanzglasuren überzogene Fayencen, ein wenig in der Manier des Keramikers Massier. Im Fall des Genfer Beispiels heisst es im alten Inventar des Musée des arts industriels tatsächlich «faïence dure, imitation de grès» (harte Fayence, Nachahmung von Steinzeug). Es scheint also, dass der Keramiker eine Zwischenphase durchlaufen musste, bevor er echtes Steinzeug herstellen konnte, es sei denn, er experimentierte mit beiden Techniken parallel.

Am 14. März 1907 wurde Pasquier zum Sekretär des Verwaltungsrats und Émile Paccaud zum Präsidenten der Fabrique de poterie de Renens S. A. ernannt (SHAB, Bd. 25, 1907, 475). Eine tiefgreifende Umgestaltung des Betriebs stand an: Die Aktionäre der Aktiengesellschaft wurden zu einer ausserordentlichen Generalversammlung am 16. Oktober eingeladen, auf der eine Änderung der Statuten, die «Abtretung der Immobilien, Anlagen und Werkzeuge» sowie die Frage des Aktienumtauschs auf der Tagesordnung standen (Feuille d’avis de Lausanne vom 28. September 1907, 24).

Konkret und in Übereinstimmung mit der im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 15. November eingetragenen Information hatte die Generalversammlung beschlossen, die Aktiengesellschaft aufzulösen und ihre Liquidation drei Verwaltungsratsmitgliedern anzuvertrauen: Émile Paccaud, Charles Lévy-Schwob und Paul Pasquier (SHAB, Bd. 25, 1907, 1975 – La Revue vom 21. November 1907, 2). Die Liquidation wurde erst im März 1917 mit der endgültigen Löschung der Firma Fabrique de poterie de Renens S. A. vollendet.

Am selben 15. November 1907 verkündete das SHAB die am 30. Oktober erfolgte Gründung einer neuen Gesellschaft unter dem Namen «Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A.» dotiert mit einem Kapital von 600 000 Franken, aufgeteilt in 1200 Aktien. Es wurde festgelegt, dass die Gesellschaft «…] sich nach Bedarf die notwendigen Immobilien, Einrichtungen und Materialien beschaffen und diejenigen, die überflüssig werden, liquidieren[a] wird, wenn dies Vorteile bringen würde». Der Präsident des Verwaltungsrats war Émile Paccaud, der Sekretär Aloys Fonjallaz, Gemeindepräsident von Cully, der Verwaltungsratsdelegierte Auguste Ludowici aus Genf. Die Leitung des Unternehmens wurde Paul Pasquier anvertraut (SHAB, Bd. 25, 1907, 1975).

Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. (1907–1923), nachher Briqueterie, tuilerie et poterie de Renens S. A. (1923–1969)

Im folgenden Frühjahr berichtete die Gazette de Lausanne mit folgenden Worten über das Ereignis: «In Renens-Gare wurde eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 600 000 Franken gegründet, um in kurzer Zeit eine grosse Ziegelbrennerei zu errichten. An der Spitze dieser neuen Gesellschaft stehen die Eigentümer der Töpfereien Pasquier-Castella und Jaccard, die derzeit fusioniert sind. Die neue Fabrik wird südlich der Töpferei Pasquier, ehemals Lévy-Schwob, entstehen. Die Erdarbeiten haben bereits begonnen, und man beabsichtigt, die neue Fabrik bereits im nächsten Winter in Betrieb zu nehmen» (Ausgabe vom 7. Mai 1908, 2).

Dieser kurze Artikel beleuchtet die Modalitäten der «Fusion» der ehemaligen Unternehmen: Anscheinend erwarb die Fabrique de poterie de Renens S. A. die Töpferei Jaccard (oder zumindest ihren Geschäftswert); in einem zweiten Schritt wurde die alte Aktiengesellschaft aufgelöst und die Verantwortlichen gründeten eine neue Gesellschaft, ebenfalls in der Form einer S. A. und mit dem Ziel, eine Fabrik aus dem Nichts zu errichten. Die Ausrüstung und das Gebäude der Töpferfabrik wurden wahrscheinlich auf die neue Einheit übertragen, die anscheinend bereits im Winter 1908 ihre Arbeit aufnahm. Von Oktober bis Dezember 1908 veröffentlichte die Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. eine Anzeige über den Verkauf einer Fabrik in Renens, «mit Keramiköfen, Grundstück ad libitum»; dabei handelte es sich um das Gebäude der früheren Aktiengesellschaft (z. B. SHAB, Bd. 26, 1908, 2172).

Bis zur Fertigstellung der neuen Anlagen wurde die Produktion offenbar in der alten «grossen Töpferei» fortgesetzt, denn Le Grütli vom 30. Oktober 1908 (S. 2) berichtet über einen Streik der Dreher und Lackierer der Poterie et briqueterie de Renens, die die gleichen Löhne wie in der Poterie moderne verlangten (siehe unten).

Mit der Gründung der neuen Gesellschaft wurde deutlich, dass sich das Unternehmen nun auf einer höheren Stufe bewegte, sowohl in Bezug auf das Kapital als auch auf die Produktionsmittel. Die angekündigten Produkte umfassten immer noch gewöhnliche Töpferwaren und Blumenvasen, doch der Schwerpunkt sollte nun auf «Baukeramik» liegen, insbesondere auf Dachziegel, Backsteine und Rohre.

Paul Pasquier-Castella blieb bis 1909 in der Geschäftsleitung; im Indicateur vaudois gab er fortan den Beruf des Vertreters an. Die Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. änderte im Jahr 1923 ihren Firmennamen in Briqueterie, tuilerie et poterie de Renens S. A., eine Umbenennung, die ihre immer stärkere Ausrichtung auf die industrielle Herstellung von Bauelementen widerspiegelte (SHAB, Bd. 41, 1923, 556).

Eine ganzseitige illustrierte Anzeige, erschienen im Indicateur pratique du commerce et de l’industrie du canton de Vaud im Jahr 1931 (S. X), zeigt deutlich, wie gross die neuen Anlagen geworden waren, die nun wie ein moderner Industriekomplex aussahen, der ordnungsgemäss an das Eisenbahn- und Strassennetz angeschlossen war. Das gleiche Jahrbuch enthält ähnlich illustrierte Anzeigen von drei weiteren grossen Ziegelindustrien des Kantons: Dutoit & Cie in Yvonand (unpag. vor S. I); Barraud & Cie in Bussigny, Chavornay, Éclépens und Yverdon (S. III); Morandi Frères in Corcelles-près-Payerne (S. VI).

Das Unternehmen wurde 1966 in «Briqueterie Renens S. A.» umbenannt mit Verlegung des Firmensitzes nach Crissier (SHAB, Bd. 84, 1966, 3109). Zu diesem Zeitpunkt stellte das Unternehmen hauptsächlich Materialien auf der Basis von Zement, Sandstein oder mit Silizium angereichertem Beton her.

1972 wird der Firmenname in BTR Matériaux S. A. umbenannt.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise et genevoise, ainsi que les annuaires du canton de Vaud (consultés sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne et sur le site letempsarchives.ch)
La Feuille officielle suisse du commerce, dès 1883 (consultée sur le site e-periodica.ch)

Bibliographie:

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Huguenin 2010
Claire Huguenin (éd.), Patrimoines en stock. Les collections de Chillon. Une exposition du Musée cantonal d’archéologie et d’histoire de Lausanne en collaboration avec la Fondation du château de Chillon, Espace Arlaud, Lausanne et Château de Chillon. Lausanne 2010.

Rüschlikon ZH, Fayencemanufaktur Abegg (1836-1842)

Roland Blaettler, Andreas Heege 2019

In Rüschlikon, nahe bei Kilchberg-Schooren, produzierten ab den 1830er-Jahren zwei Fayencemanufakturen, aber wohl in einem geringeren Umfang als die von Scheller bzw. Nägeli in Kilchberg-Schooren. Die Manufaktur von Jakob Fehr war von 1832 bis 1866 aktiv, die der Gebrüder Abegg von 1836 bis 1842 (Matter 2012, 17).

 Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon

Die grosse Produktion der vier Manufakturen am Zürichsee bietet besonders in Hinblick auf die Unterscheidung ihrer einfachen, fast identischen Grundformen noch viele Probleme. Die komplexeren Formen der Suppenschüsseln zeigen dagegen formale Eigenheiten, die erlauben, sie verschiedenen Fabriken zuzuweisen. So ist es Rudolf Schnyder überzeugend gelungen, typische Formen der zwei wichtigsten Manufakturen Nägeli (HMO 8689; AF Nr. 28) und Scheller zu definieren (AF Nr. 25; AF Nr. 73; HMO 8149) (Schnyder 1990). Diese erste Unterscheidung nach formalen Kriterien erlaubt zwar, die Dekore auf den Erzeugnissen der beiden sich konkurrenzierenden Unternehmen zu vergleichen, nicht aber endgültig dem einen oder andern Betrieb zuzuweisen. Die Dekorfrage bleibt problematisch, weil man weiss, dass die Maler einmal in dieser, einmal in jener Fabrik arbeiteten.

Schnyder hat auch auf Formen von Suppenschüsseln hingewiesen, die als Modelle von Fehr oder Abegg in Rüschlikon in Frage kommen; doch sind deren Erzeugnisse seltener und die Zuweisungen noch weitgehend hypothetisch (KMM 225; MBS 1944.93; HMO 8141; SFM 113; SFM 111; SFM 112; AF Nr. 74).

Bei den Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon haben wir auf Vergleiche und vertiefte Studien zu jedem Objekt verzichtet. Eine präzisere Zuordnung haben wir nur in Fällen vorgenommen, die klar erscheinen, vermerken aber auch von Rudolf Schnyder gemachte Vorschläge zu Produkten von Rüschlikon. Der Begriff «Kilchberg» bezieht sich auf Stücke, die Nägeli im Schooren oder Scheller im Böndler vor seinem 1835 erfolgten Umzug nach Schooren produzierten. «Kilchberg-Schooren» aber bezeichnet Objekte von Nägeli oder Scheller von nach 1835. Es ist durchaus möglich, dass es unter den hier «Kilchberg» und «Kilchberg-Schooren» zugewiesenen Fayencen auch Exemplare gibt, die, wenn wir einmal klarer sehen sollten, sich dereinst als Erzeugnisse von Rüschlikon erweisen.

 Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz (1500–1950), Sulgen 2014, 42–43

Matter 2012
Annamaria Matter, Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren. Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763–1906. Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43. Zürich 2012.

Schnyder 1990
Rudolf Schnyder, Schweizer Biedermeier-Fayencen, Schooren und Matzendorf. Sammlung Gubi Leemann. Bern 1990.

Rüschlikon ZH, Fayencemanufaktur Fehr (1832-1866)

Roland Blaettler, Andreas Heege 2019

In Rüschlikon, nahe bei Kilchberg-Schooren, produzierten ab den 1830er-Jahren zwei Fayencemanufakturen, aber wohl in einem geringeren Umfang als die von Scheller bzw. Nägeli in Kilchberg-Schooren. Die Manufaktur von Jakob Fehr war von 1832 bis 1866 aktiv, die der Gebrüder Abegg von 1836 bis 1842 (Matter 2012, 17).

 Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon

Die grosse Produktion der vier Manufakturen am Zürichsee bietet besonders in Hinblick auf die Unterscheidung ihrer einfachen, fast identischen Grundformen noch viele Probleme. Die komplexeren Formen der Suppenschüsseln zeigen dagegen formale Eigenheiten, die erlauben, sie verschiedenen Fabriken zuzuweisen. So ist es Rudolf Schnyder überzeugend gelungen, typische Formen der zwei wichtigsten Manufakturen Nägeli (HMO 8689; AF Nr. 28) und Scheller zu definieren (AF Nr. 25; AF Nr. 73; HMO 8149) (Schnyder 1990). Diese erste Unterscheidung nach formalen Kriterien erlaubt zwar, die Dekore auf den Erzeugnissen der beiden sich konkurrenzierenden Unternehmen zu vergleichen, nicht aber endgültig dem einen oder andern Betrieb zuzuweisen. Die Dekorfrage bleibt problematisch, weil man weiss, dass die Maler einmal in dieser, einmal in jener Fabrik arbeiteten.

Schnyder hat auch auf Formen von Suppenschüsseln hingewiesen, die als Modelle von Fehr oder Abegg in Rüschlikon in Frage kommen; doch sind deren Erzeugnisse seltener und die Zuweisungen noch weitgehend hypothetisch (KMM 225; MBS 1944.93; HMO 8141; SFM 113; SFM 111; SFM 112; AF Nr. 74).

Bei den Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon haben wir auf Vergleiche und vertiefte Studien zu jedem Objekt verzichtet. Eine präzisere Zuordnung haben wir nur in Fällen vorgenommen, die klar erscheinen, vermerken aber auch von Rudolf Schnyder gemachte Vorschläge zu Produkten von Rüschlikon. Der Begriff «Kilchberg» bezieht sich auf Stücke, die Nägeli im Schooren oder Scheller im Böndler vor seinem 1835 erfolgten Umzug nach Schooren produzierten. «Kilchberg-Schooren» aber bezeichnet Objekte von Nägeli oder Scheller von nach 1835. Es ist durchaus möglich, dass es unter den hier «Kilchberg» und «Kilchberg-Schooren» zugewiesenen Fayencen auch Exemplare gibt, die, wenn wir einmal klarer sehen sollten, sich dereinst als Erzeugnisse von Rüschlikon erweisen.

 Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz (1500–1950), Sulgen 2014, 42–43

Matter 2012
Annamaria Matter, Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren. Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763–1906. Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43. Zürich 2012.

Schnyder 1990
Rudolf Schnyder, Schweizer Biedermeier-Fayencen, Schooren und Matzendorf. Sammlung Gubi Leemann. Bern 1990.

Schaffhausen SH, Ziegler´sche Tonwarenfabrik (1828-1973)

Schaffhausen, Zieglersche Tonwarenfabrik  1861, auf beiden Seiten des Rheins

Keramik der  Tonwarenfabrik in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019

Eine umfassende, kulturhistorische und auf die überlieferten Objekte abgestützte Geschichte der Ziegler’schen Tonwarenfabrik in Schaffhausen existiert bis heute nicht und kann an dieser Stelle auch nicht vorgelegt werden. Unsere derzeitigen Kenntnisse, die durch die Bombardierung und den Brand der Fabrik und des Fabrikarchivs im Jahr 1944 extrem rudimentär sind, können sich nur auf veröffentlichte biographische Daten aus der Familie (Ziegler-Ziegler 1888), sowie wissenschaftliche Arbeiten von Karl Frei (1926 und 1951, Fortsetzung 1952), Siegfried Ducret (1953)  und Barbara Messerli-Bolliger (1991 und 1993) stützen. 1993 begleitete ein kleiner Katalog eine Sonderausstellung im Museum Allerheiligen in Schaffhausen (Ziegler-Keramik 1993). 2014 wurde noch einmal ein Teil der Keramiksammlung des Museums in der Ausstellung “geschaffen – gebraucht – gesammelt. Schaffhauser Keramik” gezeigt. Leider erschien dazu kein Katalog.

Eckdaten der Firmengeschichte

1828 Jakob Ziegler (1775-1863) aus Winterthur pachtete die städtische Ziegelhütte in Schaffhausen und erstellte auf dem rechten Rheinufer ein erstes Firmengebäude. Beginn der Produktion chemischer Gefässe und Leitungsröhren, vor allem für seine chemische Fabrik in Winterthur.

1829  Lehensbrief der Stadt als Ziegelbrenner.

1831 Kauf des Steinbruchs der Gemeinde Flurlingen auf der linken Rheinseite. Bau einer Wasserkraft und eines Zulaufkanals vom Rhein, dabei 1833 Durchbruch des “Rheinfelsens”. Bau von Betriebsgebäuden und Gebäudeerweiterungen bis 1836. Darin auch Unterbringung einer Baumwollweberei. Masse- und Glasuraufbereitung mit Hilfe der Wasserkraft.

1839 Verlegung der Kochgeschirr- und Fayenceproduktion  in die Gebäude auf der linken Rheinseite nach Schliessung der Weberei. Nach der Heirat mit Fanny Pellis aus Lausanne Führung des Doppelnamens Ziegler-Pellis.

Firmengebäude auf der linken Rheinseite, wohl um 1840.

1843 Brand eines Teiles der linksrheinischen Fabrikgebäude, anschliessend Wiederaufbau. Teilnahme an der 1. Schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellung in St. Gallen (Ausstellung von Schmelztiegeln)

1846 Teilnahme an der 1. Industrieausstellung des  Kantons Zürich (Tonröhren, Backsteine, Architekturteile, braunes Kochgeschirr, Vasen, Urnen, Medaillen)

1848 Teilnahme an der 2. Schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellung in Bern. Goldmedaille für Tonwaren.

1850 Kauf der städtischen Ziegelhütte auf dem  rechten Rheinufer.

1851 Beschickung der 1. Weltausstellung in London, Ausstellung eines neugotischen Taufsteins.

1854  Teilnahme an der 2. Industrieausstellung des  Kantons Zürich.

1857 Teilnahme an der 3. Schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellung in Bern. Bronzemedaille. Gezeigt werden u.a. Arbeiten, die in Zusammenarbeit mit dem Künstler Johann Jacob Oechslin entstanden sind.

1860 Bau des Rheinsteges, der die Firmenteile auf beiden Rheinufern verbindet. Teilnahme an der Industrieausstellung in Uster.

1863 Nach dem Tod von Jakob Ziegler Übernahme der Firma  durch seinen Sohn Johannes Ziegler-Ernst (1809-1868). Ausbau der Wasserkraft.

1866 Bau einer Seiltransmisson über den Rhein zum Antrieb der rechtsrheinischen Fabrik. Ausbau der Maschinenarbeit. Bau eines neuen Fabrikgebäudes und modernen Brennofens auf der linken Rheinseite.

1868 Tod von Johannes Ziegler-Ernst. Verwaltung der Fabrik durch Friedrich Zollinger.

1870 Beschickung an einer Ausstellung in Kassel, 1. Preis.

1873 Teilnahme an der Weltausstellung in Wien, als einziger nennenswerter Vertreter der keramischen Industrie bzw. des Hafnerhandwerks in der Schweiz (Katalog für die schweizerische Abtheilung der Wiener Welt-Ausstellung 1873, IX. Gruppe, Stein-, Thon- und Glas-Industrie, Ausstellernummer 517). Ausstellungsobjekte: Tonröhren mit porenfreien Wandungen für Kanalisation und Wasserleitungen, Röhren für Drainage, ein Sortiment feines braunes Kochgeschirr, ein Sortiment Blumenvasen und Hängelampen, ein Sortiment glasierte Falzziegel für flache Dächer. Ergebnis: Verdienst-Medaille.

1874 Hermann Ziegler-Frauler (1848-1913) tritt in die Fabrik ein und wirkt dort bis 1910.

1875/76 Stilllegung der alten Ziegelhütte und Bau einer Steinzeugfabrik (Röhrenfabrik) auf dem rechten Rheinufer zwischen der Eisenbahnlinie und den alten Fabrikgebäuden

1876 Eduard Ziegler-Ziegler (1852-1935) tritt in die Fabrik ein.

1877 Bau eines neuen grossen Ofens. Einführung eines ununterbrochenen Fabrikbetriebs.

1878 Teilnahme an der Weltausstellung in Paris, Silbermedaille.

1880 Rückkehr der Geschirrproduktion auf die rechte Rheinseite.

1883 Teilnahme an der 1. Schweizerischen Landesausstellung in Zürich. Auszeichnung für Geschirr und Röhren.

1890 Gründung der mechanischen Ziegel- und Röhrenfabrik (später Schweizerische Steinzeugröhrenfabrik).

1894 Ausstellung in Zürich, goldenes Ehrendiplom.

1896 2. Landesausstellung in Genf, Goldmedaille.

1899 Abtrennung der Röhrenfabrik (Mechanische Ton- und Röhrenfabrik) von der Geschirrfabrikation.

1907 Eintritt von Eduard Ziegler-Studer in die Firma (1879-1944).

1912 Brand der rechtsrheinischen Fabrik und Neubau. Stilllegung des  Betriebs “Rheinfels” auf dem linken Rheinufer (Abbruch der Fabrikgebäude zwischen 1920 und 1928).

1914 Aussteller auf der Schweizerischen Landesausstellung in Bern, Goldmedaille (siehe Bild aus der Zeitschrift “Die Schweiz”).

1915 Umwandlung der Kollektivgesellschaft Eduard Ziegler und Sohn in eine Aktiengesellschaft.

1916-1918 Durch den 1. Weltkrieg bedingte Produktionsprobleme

1918 Verkauf der linksrheinischen Liegenschaften samt Wasserkraft und Unterhaltspflicht für den Rheinsteg. Teilnahme an der Schweizerischen Mustermesse in Basel.

1921 Teilnahme an der Kantonalen Gartenbauausstellung Imthurneum (Vasen).

1923 Ausstellung in der Tonhalle Zürich.

1930 Teilnahme an der Schweizerischen Mustermesse Basel.

1935 Teilnahme an der Schweizerischen Mustermesse Basel, Schweizer Woche Luzern, Comptoir Suisse In Lausanne.

1938 Werner Ziegler-Egger (5. Generation) tritt in die Firma ein.

1939 Teinahme an der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich

1941 Rolf Ziegler (5. Generation) tritt in die Firma ein. Teilweise Umstellung des Brennbetriebes auf Elektrizität.

1944, 1. April Zerstörung von 2/3 der Firmengebäude und des Firmenarchivs durch den irrtümlichen Brandbombenabwurf amerikanischer Bomber.

1945-1946 Wiederaufbau

1947 Umstellung von Weichsteingut (Kalksteingut) auf Hartsteingut (Feldspatsteingut)

1949 Einrichtung einer Kunstabteilung unter Gustav Spörri (1902-1976; Strübin 2013), die dieser bis 1964 als künstlerischer Leiter führt.

1953 Firmenjubiläum 125 Jahre Tonwarenfabrik Ziegler AG.

1957 Aufgabe des beliebten “Bauerndekors”.

1957-1964 Teilnahme an der Frankfurter Messe.

1964 Beschluss einer ausserordentlichen GV der Aktiengesellschaft, die Keramikproduktion ab Januar 1965 schrittweise zurückzufahren.

1973 Definitive Stilllegung der Keramikproduktion.

 

Über das Aussehen der frühen Produkte der 1830er-Jahre von Schaffhausen, wissen wir so gut wie nichts. Jakob Ziegler-Pellis präsentierte aber unter der Ausstellernummer 691 zwei Terrinen im Stil «à la Dufour» auf der 2.  Schweizerischen Industrieausstellung in Bern im Jahr 1848 (Messerli Bolliger 1991, 28). Dies ist das einzige bekannte Exemplar (MHV 2869), das zugleich die damalige Fabrikmarke zeigt.  Deutlich wird auch, dass man in Schaffhausen Geschirr mit Manganglasur fertigte, in einer Qualität, die der Manufakturen am Zürichsee  in Kilchberg-Schooren (Nägeli, Scheller, später Staub) durchaus entsprach. Über die weiteren Ausstellungsstücke von 1848, u.a. Kopien von Basaltware (“Wedgwoodgeschirr” ) und einem umfangreichen Spektrum an Geschirr mit Manganglasur (u.a. auch Kaffeemaschinen mit keramischem Filter) berichtete Karl Frei  (1951) ausführlich, gestützt auf den technischen Ausstellungsbericht von Dr. Ludwig Stantz (1801—1871) : “Von Herrn Ziegler-Pellis waren ausgestellt in beinahe siebzig Artikeln braunglasierte, im Model geformte, steingutähnliche, mit geschmackvollen Perlenbördchen verzierte Koch- und Tafelgeschirre, ferner Nachbildungen der schwarzen englischen Wedgewood- Basalt-Geschirre. Die ersten Waren haben durch Eleganz der Form, verbunden mit deren Tauglichkeit zum praktischen Gebrauche, durch den Glanz und die Gleichmässigkeit der Glasur, den schönen hellen Klang und durch ihre Mannigfaltigkeit den allgemeinen Beifall gewonnen. Dieser Industriezweig, ein ziemlich neuer, ist ganz geeignet, jedem Töpfer zum Vorbild zu dienen. Die Geschirre des Herrn Ziegler sind nicht viel theurer als die gemeinen, meist sehr hässlichen und plumpen Töpferwaren und können, die Farbe allein abgerechnet, in den meisten Fällen die Fayence ersetzen.” Für seine Produkte erhielt Ziegler eine Goldmedaille.

Auf der 3.  Schweizerischen Industrieausstellung in Bern im Jahr 1857, war Ziegler nach Ausstellungsbeteiligungen an den Weltausstellungen in London 1851 und Paris 1855, allerdings weniger erfolgreich (Frei 1952). Karl Frei analysierte 1952 den Jurybericht:

“An den Geschirren der Mechanischen Tonwarenfabrik in Schaffhausen wird gelobt, dass ihre Glasuren sehr glatt und gut geflossen, die Masse gut verarbeitet und die Form gefällig sei. Bei aller Anerkennung für das Bestreben der Fabrik, diese unbedingt guten Geschirre in den Handel zu bringen, müsse aber doch gesagt werden, dass sie wohl kaum die weissen Fayencen und Steingutwaren werde verdrängen können, da die braune Glasur der grossen Terrinen, Platten und Tassen dem entgegenwirke.”

Von besonderer Bedeutung für unsere Kenntnisse des Produktionsspektrums ist die Tatsache, dass aufgrund der frühen Forschungen von Karl Frei (1926) im Schweizerischen Nationalmuseum Negative von drei Preislisten bzw. Musterbüchern der Fabrik erhalten geblieben sind, deren exakte Datierung sich jedoch in der Diskussion befindet. Eine illustrierte Preisliste für Kanalisations- und Abtrittröhren  bzw. Abtritttrichter und spezielle Dachziegel (Dachlichter, Guggerli)  aus der Zeit um 1860 befindet sich im Stadtarchiv Schaffhausen (Ziegler-Keramik 1993, 28).

Karl Frei schrieb 1926, S. 101–104:

“Aus den Zeiten von J. Ziegler-Pellis existiert ein „Preis Corrent von den Thonwaarenfabriken von J. Ziegler-Pellis bei Schaffhausen”, in welchem neben bildlichen Darstellungen, die „Mechanisch gepresste, steinhart gebrannte, circa 4 Fuss lange Teichel aus Thon zu Brunnenleitungen”, sowie „Hartgebrannte circa 2 Fuss lange Röhren für Heizungen, für Abtrittscanäle, nebst Einmündungen und Kaminhüten, Drainröhren von 1 Fuss Länge”, „Dachlichter” und „Guggerli” zeigen, die Preise der Artikel und „Erläuterungen und nähere Bestimmungen” zu den „Teicheln” neuen und alten Systems. Im Kopf des Prospekts liest man ausserdem, dass die Fabrik neben „Teichel zu Brunnenleitungen, Röhren zu Abtritten, Kaminen, glasierten Falzplatten, Dachlichtern, feuerfesten Steinen, Ornamenten” auch „feines braunes Kochgeschirr, weisses, blaues, gelbes und gemaltes Fayance, Blumenlampen, Vasen, Briefbeschwerer, Büsten, Statueten etc.” verfertigte.

 

Die Röhren der Zieglerschen Produktion tragen eingestempelte Marken (Bänteli/Bürgin 2017, Bd. 2, Abb. 499,  Foto Kantonsarchäologie Schaffhausen)

Endlich existiert noch ein französisch abgefasster Prospekt, der nach einem Bleistiftvermerk jedenfalls vor 1862 zu datieren ist und die Preisliste samt den Abbildungen der Fabrikate der linksrheinischen Geschirrfabrik enthält. Es gibt da, wir verdeutschen: Teller verschiedener Art (1-3), Bartbecken (4, Rasierschüsseln), Kindersaugfläschchen, Kasserolen und sog. Dreifüsse (14, 15), Kaffeekannen und -Maschinen (17, 18, 31, 77), Henkel-, Ohren- und Glockentassen (26, 29, 30), Bettflaschen (5), Wasserbecken (23, 24), Schreibzeuge (27, 93), Sulzformen (31-38), Brot- und Fruchtkörbchen (26, 41, 42), diverse Braten-, Marinier-, Ragout- und andere Platten (21, 62), Seifenschalen (87, 88), Milchkrüge „forme bernoise et zurichoise” (49-51, 53), unglasierte, poröse Wasserflaschen (54, „Alcarasa”), Kinderkochherde (61), Bratplatten (62, „Poêlon à frire et à queue”), Salat- und Suppenschüsseln (65, 66, 67, 71, 72, 103), Salz- und Pfeffergeschirre (68-70), Zuckerbüchsen (76), Teekannen (52), Briefbeschwerer mit figürlichem Schmuck (79-83, liegender Löwe und Hund, liegendes Kind und Pferd, liegende Sphinx), Kindergeschirr und Blumengefässe (84, 85, 101, 102) usw. Die Gegenstände kommen entweder als braunes Kochgeschirr (Fayences brunes à cuire [Kommentar Andreas Heege: wohl manganglasiertes Geschirr?]) oder, zu erhöhten Preisen in weisser, blauer und gelber Fayence in den Handel, die Briefbeschwerer und Blumengefässe unglasiert. Ausser dem einfach blau, weiss, gelb oder braun glasierten Fayencegeschirr, mit welchem die Fabrik den Schaffhauser Landhafnern Konkurrenz machte, wird in den Prospekten noch von bemalten Fayencen gesprochen, ohne dass es uns aber möglich wäre, davon eine Probe im Bilde zu geben. Es soll sich meist um einfache Dekors mit einer farbigen Rose und ähnlichem gehandelt haben.

Nach dem „Preis-Corrent” von 1862/65 verkaufte die Zieglersche Tonwarenfabrik folgende Sachen: „Für Bauten: Architektonische Verzierungen, als Capitäle, Gesimse, Gurte, Friese, Consolen, Füllungen, Rosetten, Baluster etc. — Für Kirchen: Taufsteine in gothischem und modernem Styl. — Zu Decoration von Gärten, Balcons, Portalen, Salons etc.: Vasen und Urnen in grosser Abwechslung der Formen und Verzierungen, Hängelampen, Blumenbecher, Blumentöpfe, Blumenkübel, Frucht- und Wandkörbe, Briefbeschwerer, Büsten, Gruppen, Statuetten, Medaillons etc. — Für Küchen und Vorrathskammern : Braun glasiertes Kochgeschirr in gefälligen Formen und billigen Preisen. Fayence in weiss, blau und gelber Glasur, glatt und bemalt, Beizehäfen, Oel- und Wasserkrüge, grosse Schüsseln und Töpfe mit Wasserschluss für Fleisch und Butter. — Für chemische Fabriken, Färbereien etc. : Farbschüsseln in allen Grössen, Possierschalen, Abdampf- und Reibschalen mit Pistill, Retorten mit Tubus und Deckel für Chlorbereitung, Zinnsalzschüsseln, Säuremass, Trichter bis 4 Zoll Diameter.” Mit Abbildungen figurieren im Preisverzeichnis von 1862/65 die Teuchel zu Brunnenleitungen, Drainröhren, Röhren für Rauchleitungen, die Dachlichter, Eirstplatten, glasierten Falz- und unglasierten Geländerziegel, die geschliffenen und farbigen Bodenplatten, Gewölbesteine und Rabattenziegel und Teile zu sanitären Anlagen.

Ähnlich in dem 32 seitigen lithographierten “Preis – Corrent” von 1869. Hier sieht man überdies Bilder der Vasen, Etageren, Wandkörbchen, Hängelampen, Briefbeschwerer, Taufsteine und architektonischen Verzierungen, welche man in der rechtsrheinischen Fabrik herstellte.”

1879 verfertigte die Fabrik nach Jaennicke 1879, S. 911:  “Geschirre, bleiglasiert von dunkelschokoladebrauner Farbe und schöne Terracotta-Statuetten und Gruppen …”

Die jüngere Firmengeschichte des späten 19. und des 20. Jahrhunderts ist bisher nicht detailliert aufgearbeitet worden. Einzig zu dem bedeutenden Keramiker Gustav Spörri (1902-1976), der von 1949 bis 1964 die kunstkeramische Abteilung leitete, existiert eine monographische Bearbeitung (Strübin 2013).

 

Preisliste um 1860

Musterbuch vor 1862 (Messerli-Bolliger 1991: später als 1863)

Musterbuch 1862/1865 (Messerli-Bolliger 1991: 1865 oder später)

Musterbuch 1869/1872

Fotos der Tonwarenfabrik

Marken der Fabrik

Bibliographie

Bänteli/Bürgin 2017
Kurt Bänteli/Katharina Bürgin, Schaffhausen im Mittelalter – Baugeschichte 1045-1550 und archäologisch-historischer Stadtkataster des baulichen Erbes 1045-1900 (Schaffhauser Archäologie 11), Schaffhausen 2017, besonders Bd. 2, Abb. 499.

Ducret 1953
Siegfried Ducret, 125 Jahre Tonwarenfabrik Ziegler A.G. Schaffhausen, in: Keramikfreunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 24, 1953, 16-19.

Frei 1926
Karl Frei, Ein Portraitmedaillon des ersten schweizerischen Bundespräsidenten Jonas Furrer aus der Tonwarenfabrik J. Ziegler-Pellis in Schaffhausen: modelliert von Johann Jakob Oechslin, in: Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums 35, 1926, 85-105.

Frei 1951
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil I, in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 20, 1951, 4-7.

Frei 1952
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil II., in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 21, 1952, 3-6.

Jaennicke 1879
Friedrich Jaennicke, Grundriss der Keramik in Bezug auf das Kunstgewerbe, Stuttgart 1879.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert, zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 5-100.

Messerli Bolliger 1993
Barbara E. Messerli Bolliger, Keramik in der Schweiz. Von den Anfängen bis heute, Zürich 1993, 145-149.

Strübin 2013
Markus Strübin, Begegnungen mit Gustav Spörri 1902-76. Hommage an einen beinahe in Vergessenheit geratenen Schweizer Keramik-Künstler, Allschwil 2013.

Ziegler-Keramik 1993
Museum zu Allerheiligen (Hrsg.), Ziegler-Keramik. Ziegler’sche Thonwarenfabrik AG Schaffhausen (1828-1973), Schaffhausen 1993.

Ziegler-Ziegler 1888
Eduard Ziegler-Ziegler, Jakob Ziegler-Pellis von Winterthur. Eine Skizze seines Lebens für die Familie bestimmt. Mit dem Bildnisse Jakob Zieglers und einer Stammtafel, Winterthur 1888.

Schramberg, Baden-Württemberg, Deutschland

Objekte in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019

Wichtige Konkurrenten der schweizerischen Fayence- und Steingutproduktion waren verschiedene südwestdeutsche Manufakturen. Diese hatten angesichts der unzureichenden schweizerischen Produktionsverhältnisse, zumindest in der Deutschschweiz in den 1820er- bis 1840er-Jahren so etwas wie ein «Monopol», stand ihren Produkten doch wohl nur eine begrenzte lokale Herstellung gegenüber. Es handelt sich um die badischen Manufakturen Zell am Harmersbach (ab 1794, wechselnde Besitzer, bis heute in Produktion), Hornberg (1817–1912, heute Duravit Sanitärkeramik) sowie das württembergische Schramberg (1820–1882, ab 1829 unter Uechtritz & Faist firmierend) und zahlreiche weitere kleine Produktionsorte im süddeutschen Raum (Zu den genannten Produktionsorten: Kybalová 1990, 121–126; Simmermacher 2002; Kronberger-Frentzen 1964; Schüly 2000. Zu Hornberg vgl. auch: Hitzfeld 1970. Zu Zell am Harmersbach vgl. auch: Spindler 2005; Sandfuchs 1989). Die teilweise wohl überragende Konkurrenz spiegelt sich auch in den Berichten zu den bernischen Industriemessen von 1848 bzw. 1857 (Frei 1951; Frei 1952).

Die wichtigsten Steingutmanufakturen nördlich der Schweiz (nach Brandl 1993, 22 verändert).

Zu Schramberg (1820-1883) gibt es ganz aktuell eine monographische Aufarbeitung der Firmengeschichte, ihrer Produkte und ihrer Marken (Staffhorst 2020 – ISBN 978-3-9821496-0-8); vgl. bisher: Waller 1872, 109–111; Singer 1918, 45–47; Kronberger-Frenzen 1964, 65-76; Preger 1977; Heege 2013).

Zu Schramberg unter Villeroy und Boch: vgl. Thomas 1976, 42–43; Thomas 1977, 29, ausserdem: Brinkmann/Brinkmann 2016. Vgl. auch: www.porcelainmarksandmore.com).

Das 200jährige Firmenjubiläum, der heute nicht mehr produzierenden Schramberger Majolikafabrik würdigt  Buchholz 2020.

Perioden der Firmengeschichte

Faist’sche Steingutfabrik (1820 bis 1829)
Steingut- und Majolikafabrik Uechtritz & Faist (1829 bis 1883)
Villeroy & Boch, Niederlassung Schramberg (1883 bis 1912)
Schramberger Majolikafabrik (1912 bis 1989, ab 1918 G.m.b.H.

Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass für Schramberg sowohl zwei Musterbücher als auch Preislisten aus den 1850er-Jahren existieren, die einen guten Eindruck von der Produktion vermitteln.  Schramberg ist wie Zell am Harmersbach und Hornberg bekannt für seine Umdruckdekore.

Musterbuch I Schramberg, Baden-Württemberg , Deutschland

Musterbuch Schramberg II – Tafeln und Texte

Musterbuch Schramberg II – Preislisten

Musterbuch Schramberg II – Publikation, Baden-Württemberg, Deutschland

Musterbücher und Preislisten im Besitz des Stadtmuseums Schramberg

Musterbuch Schramberg III – ca. 1871-1883

Musterbuch Schramberg IV – V&B – 1886, Nachtrag

Musterbuch Schramberg V – V&B – 1890. Teil 1

Musterbuch Schramberg V – V&B – 1890. Teil 2

Musterbuch Schramberg V – V&B – 1890. Teil 3

Musterbuch Schramberg VI – V&B, 1892, Nachtrag

Musterbuch/Preisverzeichnis  Schramberg VII – V&B – 1898

Musterbuch Schramberg VIII – V&B – 1901, Teil 1

Musterbuch Schramberg VIII – V&B – 1901, Teil 2

Sehenswerte Ausstellung zur Firmengeschichte und den Schramberger Keramikprodukten: Stadtmuseum Schramberg.

Bibliographie

Brandl 1993
Andrea Brandl, Aschacher Steingut. Die Steingutfabrik (1829-1861) des Schweinfurter Industriellen Wilhelm Sattler (Schweinfurter Museumsschriften 55), Schweinfurt 1993.

Brinkmann/Brinkmann 2016
Karl-Eugen Brinkmann/Margitta Brinkmann, Schramberg 1857-1912. Eine Keramikfabrik an der Schwelle zur Hochindustrie, Dillingen 2016 (ohne ISBN).

Buchholz 2020
Günter Buchholz, Schramberger Majolikafabrik. Die Steingutfabrik – Grundstein der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Stadt, Messkirch 2020.

Bühler/Schmidt 1967
Carl Bühler/Eckhard Schmidt, Vom Steingut Geschirr zur Sanitär Keramik. 150 Jahre im Dienste der Keramik, Hornberg 1967.

Frei 1951
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil I, in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 20, 1951, 4-7.

Frei 1952
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil II., in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 21, 1952, 3-6.

Heege 2013
Andreas Heege, Ein unbekanntes Musterbuch der ersten königlich württembergischen Steingutmanufaktur Schramberg (Uechtritz&Faist) aus der Zeit nach 1855 in: Harald Siebenmorgen, Blick nach Westen. Keramik in Baden und im Elsass. 45. Internationales Symposium Keramikforschung Badisches Landesmuseum Karlsruhe 24.8.-28.9.2012, Karlsruhe 2013, 107-115.

Hitzfeld 1970
Karlleopold Hitzfeld, Hornberg an der Schwarzwaldbahn. Vergangenheit und Gegenwart der Stadt des Hornberger Schiessens, Hornberg 1970.

Kronberger-Frentzen 1964
Hanna Kronberger-Frentzen, Altes Bildergeschirr. Bilderdruck auf Steingut aus süddeutschen und saarländischcen Manufakturen, Tübingen 1964.

Kybalová 1990
Jana Kybalová, Steingut, Prag 1990.

Preger 1977
Max Preger, Schramberger Bildergeschirr, in: Schwäbische Heimat, 1977, Heft 4, 311-319.

Sandfuchs 1989
Bertram Sandfuchs, Zeller Keramik seit 1794: Ausstellung “Zeller Keramik” zum 850jährigen Stadtjubiläum, 7. Mai – 17. Septemberg 1989, Zell 1989.

Schüly 2000
Maria Schüly, Antikisches Geschirr aus dem Schwarzwald. Die Steingutmanufaktur in Zell, Hornberg und Schramberg, in: Martin Flashar, Europa à la Grecque. Vasen machen Mode, München 2000, 124-129.

Simmermacher 2002
René Simmermacher, Gebrauchskeramik in Südbaden, Karlsruhe 2002.

Singer 1918
F. X. Singer, Schwarzwaldbuch. Ein Volksbuch für Heimatkunde und Heimatpflege (zunächst) in Stadt und Bezirk Oberndorf, Oberndorf 1918.

Spindler 2005
Konrad Spindler, Ein Grubeninhalt der Zeit kurz nach 1900 aus Riezlern, Gem. Mittelberg, im Kleinen Walsertal, Vorarlberg – Keramik, Glas und Metall, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 149, 2005, 67-106.

Staffhorst 2020
Andreas Staffhorst, Schramberger Steingut 1820-1882 (Schriftenreihe des Stadtarchivs und Stadtmuseums Schramberg 30), Schramberg 2020.

Thomas 1976
Thérèse Thomas, Villeroy & Boch. Keramik vom Barock bis zur Neuen Sachlichkeit. Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Mettlach 1976.

Thomas 1977
Thérèse Thomas, Villeroy&Boch 1748-1930. Keramik aus der Produktion zweier Jahrhunderte, Amsterdam 1977.

Waller 1872
German Waller, Chronik der Stadt und ehemaligen Herrschaft Schramberg sowie Ortsbeschreibung von Schramberg, Wolfach 1872.

Schüpbach BE, Töpferei Kohler

Schüpbach, um 1928. 1 Standort der ersten Töpferei im Keller des Gasthof Kreuz, 1869-1879. 2 Töpferei von 1879-1926. 3 Neuerbaute Töpferei Kohler von 1927 bis heute. Nördlich der Brücke über die Emme liegen die Dorfteile “Bord” und “Fuhren”.

Andreas Heege, Andreas Kistler, 2023
Unter intensiver Nutzung der Seminararbeit von Fanny Ruesch (1984) und aufgrund von Erzählungen und Informationen von Ueli Kohler.

Keramik der Töpferei  Kohler in CERAMICA CH

Einleitung – Die Töpfer in der Gemeinde Signau

Schüpbach im Emmental ist ein Teil der heutigen Gemeinde Signau im Kanton Bern. Als Töpferort lag Schüpbach immer etwas im Schatten von Langnau, wo seit Beginn des 17. Jahrhunderts eine grössere Anzahl von Werkstätten der Töpferfamilie Herrmann existierte.

Ein erster Töpfer in der Gemeinde Signau lässt sich 1798 nachweisen, als ein Johannes Schüpbach aus Schüpbach (1750-?) mit dem Wohnort Signau im Helvetischen Bürgerregister verzeichnet wird (Rohrbach 1999, Bd. 2, S. 701). Wo er seine Werkstatt hatte, wissen wir nicht. Archivalisch lässt sich belegen, dass zwischen 1835 und 1848 in Signau ein Töpfer mit Namen Christian Herrmann (1793-1851) arbeitete, der aus Langnau stammte. Auch hier sind die Lage der Werkstatt und das Produktionsspektrum unbekannt (Heege/Kistler 2017, 90-91). Gleiches gilt für den Töpfer Jakob Ryser, für den Nachweise zwischen 1851 und 1864 vorliegen (StAB Bez Signau B19 und B20). Nach Informationen von Ulrich Kohler, existierte die Töpferei Ryser in Signau , im Moserhaus (Dorfstrasse 58), bis 1920. Familienmitglieder arbeiteten später bei Oswald Kohler und einzelne Teile der Werkstatt-Ausstattung wurden von Kohlers übernommen.

Die ersten nachweisbaren Töpfer auf dem Gemeindeteilgebiet von Schüpbach waren die Töpfer Johann Liechti (1856 und 1860) und Carl Liechti (1860 und 1861, StAB Bez Signau B20).

Lage der 2022/2023 abgebrochenen Töpferei in Schüpbach-Fuhren bzw. Port/Bord, Kartengrundlage Swisstopo, Zeitreise, Datierung 1893.

Zumindest für Letzteren wird als Wohnort Schüpbach-Fuhren bzw. Schüpbach-Fuhren, Port (Bord) angegeben. Damit hätte die Töpferei auf der Nordseite der Emme Richtung Langnau gelegen. Für denselben Standort finden sich auch noch Angaben zum Töpfer Johannes Lüthi (1859 und 1860, StAB Bez Signau B20). Vielleicht existierten in diesem Ortsteil kurzfristig also zwei Töpfereibetriebe, über deren weiteres Schicksal wir nichts wissen. Einer der Töpfer Liechti war der Lehrmeister für Niklaus Kohler (s.u.).

Für das südlich gelegene Dorf Schüpbach selbst haben wir erste Töpfernachweise aus den Jahren 1865 und 1866 (Töpfer Lehmann, StAB Bez Signau B20), 1867 und 1868 (Töpfer Gottlieb Wüthrich, StAB Bez Signau B20) und 1868 und 1869 (Töpfer Christian Bieri,  StAB Bez Signau B20). Für keine dieser Töpfereien kennen wir die Bestandszeit oder das Grundstück). Einer dieser Betriebe mag, nach den Erinnerungen von Familie Kohler, an der heutigen Hauptstrasse 17 in Schüpbach gelegen haben.

Töpfermeister Fr. Dällenbach (1864-1937) lässt sich aufgrund von Archivalien und Zeitungsinformationen zwischen 1898 und 1937 sicher nachweisen (StAB Bez Signau B 754, B 755). Seine Töpferei lag nach Aussage von Familie Kohler “Im Schachen”, Schachenweg 5.

Töpfer Jakob Berchtold erscheint zwischen 1902 und 1908 in Zeitungsannoncen und Quellen (StAB Bez Signau B 755). Diese Töpferei lag nach Aussagen von Familie Kohler an der Eggiwilstrasse 43 und soll um 1935 die Produktion eingestellt haben (Ruesch 1984, 1) .

Die Töpferei Kohler in Schüpbach

Niklaus und Marianne Kohler und ihre Kinder, Schüpbach, vor 1922 (Foto Ulrich Kohler, Schüpbach).

Niklaus Kohler (1843-1927), der nach familiärer Überlieferung seine Töpferei 1869 in Schüpbach einrichtete, scheint aufgrund von beschäftigten Gesellen nur 1891 und 1904/1905 in den Quellen auf (StAB Bez Signau B 753, B 755), jedoch ist die familiäre Überlieferung aufgrund der Arbeit von Fanny Ruesch (Ruesch 1984) wesentlich dichter.

Stammbaum Kohler-Gerber-Aebi

Familie Kohler ist in Landiswil BE heimatberechtigt (Burgerrodel Landiswil, 4, 21). Niklaus Kohler (1843-1927, Burgerrodel Landiswil 5, 616) , der erste Töpfer, wurde in Langnau als Sohn eine Ziegenhirten in ärmlichen Verhältnissen geboren und wuchs dort auf. Er machte nach Familienüberlieferung seine Lehre bei Töpfer Liechti in Schüpbach (also wohl Schüpbach-Fuhren), nachdem er bereits vorher einer Brauerlehre im Gasthof “Leuen” in Langnau absolviert hatte.

Er liess sich vor 1869 in Schüpbach nieder und richtete seine Töpferei zunächst in einem Kellerraum des heutigen Gasthauses “Kreuz” in Schüpbach, Eggiwilstrasse 1, ein (Ruesch 1984, 9). Am 6.7.1866 heiratete er Marianne Salzmann aus Signau, die in der Gegend als “Heilerin” bekannt war. Nach Familienerinnerungen hat sie im Betrieb nicht als Malerin mitgearbeitet. Etwa 10 Jahre blieb die Töpferei an diesem Ort. Die Familie lebte im gleichen Haus. Um 1879 erwarb Niklaus Kohler in der Nachbarschaft am Schüpbachkanal eine ehemalige Gerberei (ehemals Eggiwilstrasse 81, heute Eggiwilstrasse 11). Ausser der Werkstatt gehörte ein kleiner Stall mit Scheune zur Einrichtung des Hauses. Im Nachbarhaus, auf der anderen Seite des Schüpbachkanals (ehemals Eggiwilstrasse 80, heute Eggiwilstrasse 9), war zu diesem Zeitpunkt eine Glätte- bzw. Glasurmühle untergebracht. Von dort bezog Niklaus Kohler seine Glasuren. Den Ton grub Niklaus Kohler zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der Gemeinde Eggiwil beim “Gäumenhüsi”. Die anfallenden Fehlbrände habe man normalerweise in der Emme versenkt.

Im Haus Eggiwilstrasse 11 lebten im frühen 20. Jahrhundert zeitweilig vier Parteien, neben den Familien von Niklaus und Oswald Kohler u.a. auch die Familie Adolf Gerber und Marie Kohler. Das grösste Problem dieser Liegenschaft war ein sehr hoher Grundwasserstand, der offenbar immer wieder auch den Brennofen und seine Basis beeinflusste und zu erheblichen Verlusten beim Brenngut führte. Pläne den Ofen anzuheben, wurden letztlich nicht realisiert.

Niklaus Kohler und Marianne Salzmann bekamen elf Kindern, von denen nur Oswald Kohler (1886-1955) in die Fussstapfen seines Vaters trat. Eine unverheiratete Schwester arbeitete in der Töpferei mit. Oswalds Schwester Marie (1882-1935) heiratete am 11. Mai 1904 den Töpfergesellen Adolf Gerber (1879-1951) von Hasle. Oswald Kohler (1886-1955) machte seine Lehre im Betrieb seines Vaters und besuchte nie eine Berufsschule. Einzige Weiterbildung war der Besuch der Zeichenkurse durch den Kunstgewerbelehrer Paul Wyss, der sich sehr um die Neubelebung des Töpferhandwerks bemühte.

Ab November 1909  bildete Paul Wyss auch in Langnau  die Hafner und Keramikmalerinnen weiter (Zeichenkurs). In einem biographischen Abriss zu seinem 60. Geburtstag wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass Hafner aus Langnau, Schüpbach, Grünenmatt und Oberburg an seinen Kursen teilnahmen (Messerli 2017, 93).

Intelligenzblatt der Stadt Bern  16. und 25. August 1910.

Leider werden keine Namen genannt, doch dürfen wir auch aufgrund der späteren Kontakte und Produkte davon ausgehen, dass es sich u.a. um Mitarbeiterinnen, Kinder, Gesellen oder Meister der Töpfereien Gerber in Hasle, Gerber in Grünen bei Sumiswald, Kohler in Schüpbach, Mosimann in Oberburg sowie Röthlisberger, Aegerter und Werthmüller in Langnau gehandelt haben dürfte (vgl. Heege/Kistler 2017, Hafnertabelle).

1909 übernahm Oswald Kohler (1886–1955)  zusammen mit seinem Schwager Adolf Gerber (1879–1951) die Werkstatt in Schüpbach pachtweise. Jedoch trennte man sich vermutlich auch aus räumlichen Gründen bereits 1911 wieder und Adolf Gerber übernahm die Werkstatt Langnau, Güterstrasse 3.

Aus der gemeinsamen Zeit von 1909 bis 1911 haben sich immerhin einige wenige Keramikobjekte erhalten, die auch den Einfluss von Paul Wyss sehr schön verdeutlichen.

 

Herausragend ist eine 1910 datierte und gemarkte Kanne, die sich heute in der Sammlung Werner Gut, Triengen befindet.

Aus der gemeinsamen Zeit von Adolf Gerber und Oswald Kohler (1909 bis 1911) haben sich immerhin einige wenige Keramikobjekte erhalten.

Perlrollstempel aus Messing. In der Werkstatt Adolf Gerber in Hasle bzw. in Langnau und in der Werkstattgemeinschaft Gerber/Kohler dekorierte man damit Standringe der Bodenunterseite und selten umlaufende Grate der Schauseite (siehe oben).

Die Zeit des ersten Weltkrieges war eine Krisenzeit für die Werkstatt Kohler, da Oswald Kohler, wiederholte Male zum Kriegsdienst und der Grenzbesetzung eingezogen wurde und die Werkstatt ohne Gesellen keinen Verdienst abwarf. Bertha Lüthi (1884-1933), die Ehefrau von Oswald Kohler, hatte grosse Schwierigkeiten die Familie mit zwei kleinen Kindern (Hans, geboren 1909 und Oswald, geboren 1914) durchzubringen. Im Jahr 1920 übernahm Oswald Kohler den Betrieb von seinem Vater Niklaus. Von 1925 bis 1933 war Oswald neben Johann Röthlisberger aus Langnau, Adolf Schweizer aus Steffisburg und Franz Aebi aus Hasle Beisitzer im Vorstand des Bernischen Töpfermeisterverbandes (SHAB 48, 1930, 2401; 53, 1934, 60). Präsident und Vizepräsident waren zu diesem Zeitpunkt Gottfried und Fritz Hänni aus Heimberg. Oswald grub seinen Ton ebenfalls in der Gemeinde Eggiwil in der “Mosmatt”.

Hafnerei Kohler, Eggiwilstrasse 15, 1927. Vor dem Haus stehen Niklaus Kohler, Franz Kohler, Hans Kohler und Bertha Kohler-Lüthi mit der Tochter Erna Kohler auf dem Arm.

Nun wurden Pläne geschmiedet, eine neue Werkstatt zu bauen. 1926 nahm man auf dem heutigen Grundstück Eggiwilstrasse 15 einen Neubau in Angriff, der 1927 fertiggestellt war. Die Werkstatt befand sich im Erdgeschoss, darüber die Wohnräume, eine Stallteil mit Kuh- und Schweinestall war angebaut. Die Wohnung im Obergeschoss war über eine Treppe auf der Gebäuderückseite erreichbar. Das Gebäude war teilunterkellert. Im Keller befand sich das Tonlager und die Tonaufbereitung. In der Aufteilung entsprach das Haus typischen Töpferhäusern, wie wir sie auch aus Heimberg und Steffisburg kennen. Auf der Strassenseite richtete man einen kleinen Verkaufsladen ein. Die Masse des Verkaufs lief jedoch über Zwischenhändler und Hausierer, die oft Ware zweiter Wahl mitnahmen.

Oswald Kohler schaffte zu einem unbekannten Zeitpunkt für sich einen Markenstempel an, der im Original erhalten ist, dessen Gebrauch  aber bislang nur auf sehr wenigen Keramiken auch wirklich nachgewiesen werden konnte.

Oswald Kohlers Ehefrau Bertha Lüthi (1884-1933) starb bereits 1933. Er heiratete später Ida Ramseier (1905-1987), die nach Berthas Tod als Haushälterin in die Familie gekommen war.

Nach 1920 arbeitete die Hafnerei Kohler möglichst ohne externes Personal, während alle Kinder aus erster Ehe (Hans, Oswald, Franz, Erna, und Bertha) zumindest vorübergehend in irgendeiner Form im Betrieb tätig waren. Hans wurde später Landwirt. Die beiden jüngsten Söhne aus der zweiten Ehe mit Ida Ramseier (1905-1987), Niklaus (1942-?) und Rudolf (1947-?), wurden Mechaniker bzw. kaufmännischer Angestellter.

Im Oktober 1935 beteiligte sich die Hafnerei Kohler auch an dem zum zweiten Mal stattfindenden Chachelimärit im Bernischen Gewerbemuseum.

1935 wurde aus der Liquidation der Töpferei Karl Hodel, Steffisburg-Station, Alte Bernstrasse 135 (1907-1936) die erste elektrische Töpferscheibe für den Betrieb angeschafft. Im Laufe der Zeit kamen zwei weitere elektrische Scheiben hinzu.

1938 wurde die Töpferei Oswald Kohler auch im Schweizerischen Handelsamtsblatt verzeichnet (SHAB  56, 1938, 2357).

1938 errichtete man auf der Nordseite einen zusätzlichen Schuppen für eine Tonaufbereitung. Sämtliche Maschinen und Geräte hatte man von der in Konkurs gegangenen Töpfergenossenschaft in Steffisburg zum Preis von Fr.  5.000 (Neupreis Fr. 13.000) kaufen können. Diese Anlage blieb 2013 in Betrieb (Film zur Tonaufbereitung ab Minute 0:23 bis 3:05).

Tonaufbereitung, Zustand vor 1984 (aus Ruesch 1984).

Vor dem Kauf der Trommelmühle war die Tonaufbereitung bei Kohlers sehr mühsam. Bis Ende der 1920er-Jahre wurde der Ton in der Werkstatt nur mit Muskelkraft aufbereitet. Man schichtete zwei qualitativ verschiedene Tonsorten aufeinander und trat mit Holzschuhen an den Füssen die Tonmasse solange, bis sie hinreichend gemischt war. Danach wurden Tonbrocken auf einen im Keller stehenden Tisch geschlagen um Luft zu entfernen. Anschliessend wurde der Ton aufgeschichtet und mit einer Sichel in schmale Scheiben geschnitten und gröbere Verunreinigungen (Steine und Wurzeln) herausgelesen. Anschliessend wurde der Ton im Erdgeschoss von Hand durch eine “Lättwalze” gedreht. Dabei konnten die letzten Steinchen herausgelesen werden. Der fertige Ton wurde im Tonkeller gelagert, wo er “reifen” konnte. Vor der eigentlichen Verwendung wurde er noch einmal angefeuchtet, durchgeknetet (entlüftet) und nach Augenmass portioniert. In späteren Jahren wurden die Tonmengen je Objekt möglichst genau ausgewogen, um die Arbeit beim Abdrehen zu reduzieren.

Vor 1938 wurde wiederholt auch Ton gebrauchsfertig zugekauft. 1949 mischte man 2/3 blaugrauen Ton aus der Gegend von Sumiswald BE mit 1/3 rotem Ton aus Herbligen BE. Ab 1980 verwendete man selbtstabgebauten blauen Ton aus Eggiwil BE “Hindten Grosstannen” (70%) und roten, kalkfreien Ton aus Dättnau ZH (20%). Daneben wurden in kleineren Mengen je 5% Schlämmsand mit hohem Kalkanteil (Verhinderung von Glasurrissen) , Glimmermehl (Leukophyllit, Rissfestigkeit bei hohen Temperaturen)  und Tonabfälle beigesetzt.

Vor dem zweiten Weltkrieg kaufte man die Glasuren überwiegend in Meissen, später wich man auf Lieferanten aus der Tschechoslowakei aus. In den 1980er-Jahren existierten fünf verschiedene Glasurrezepte, die alle einen transparenten Überzug ergaben. Die vorbereitete, teilweise selbst in einer speziellen Trommelmühle gemahlene Glasur, wurde in Fässern aufbewahrt. Die Glasur wurde in der Regel angegossen, seltener wurden kleinere Gefässe getaucht oder die Glasur wurde mit der Spritzpistole aufgetragen.

Aufgrund der Kriegskonjunktur während des zweiten Weltkriegs waren die Absatzmöglichkeiten gesichert. Zugleich waren die Töchter zu Malerinnen herangewachsen, sodass die Malstube zusätzlichen Platz benötigte.  1943 erweiterte man daher die Töpferei durch einen rückwärtigen Flügelanbau auf etwa die doppelte Grundfläche.

Grundriss Kellergeschoss, vor 1984 (Fanny Ruesch 1984).

Grundriss Erdgeschoss, vor 1984 (Fanny Ruesch 1984).

Im Keller entstand ein Lager, die Werkstatt wurde in diesen neuen Trakt verlegt. Gebrannt wurde nach wie vor in einem für die Region typischen rechteckigen, stehenden Holzbrandöfen. Der Kohler’sche Ofen fasste etwa 5 m3. In der untersten eingesetzten Ofenlage befanden sich meist Blumentöpfe, bessere Ware darüber. Ein Brand verbrauchte vier Ster Holz und dauerte 14 Stunden. Gebrannt habe man vor allem bei Bise, wegen Flugaschebildung aber nie bei Föhn. Vor allem um Ascheverunreinigungen zu vermeiden wurden Flachformen wie Teller und Röstiplatten im Ofen vertikal (gerollt) eingesetzt.

Im Gegensatz zu Ihrem Vater Oswald lernten die beiden Söhne Oswald, jun. (1914-2003) und Franz (1921-1998) nach ihrer betriebsinternen Lehre auch andere Hafnereibetriebe kennen. Oswald arbeitete in den 1930er-Jahren für längere Zeit bei Robert Gottfried Hänni (1900-1947) in Steffisburg, Alte Bernstrasse 161, wo er das Malen mit dem Malhorn erlernte. Diese Fertigkeit gab er schliesslich an seine Schwestern Bertha und Erna weiter. Erna bildete sich auch für kurze Zeit in der Keramikfachschule in Bern weiter und wurde von der Porzellanmalerin Frau Fischer, die oft im Betrieb arbeitete (nicht als Angestellte) in ihren Maltechniken und den Dekoren beeinflusst.

Franz Kohler kam 1944 für eine kurze Zeit nach Luzern, wohl zur Kunstkeramik A.G. Die dortige Weiterbildung musste er jedoch wegen einer Gelbsucht seines Vaters bald wieder abbrechen. Eine Zeit lang arbeitete er auch bei der Töpferei Willy Lanz in Gwatt bei Thun, wo er vor allem den Brand im Elektroofen kennenlernen sollte. Anschliessend arbeitete er einige Zeit in der Werkstatt Meister in Dübendorf, wo er die maschinelle Herstellung von Tellern und die Nutzung einer Spritzkabine erlernte (Ruesch 1984, 7). Ausserdem arbeitete von Oktober 1945 bis Februar 1946 bei der Firma Albert Hans “Hans-Keramik” (gegründet 1945), wo er die Herstellung von Gipsformen erlernte. Er heiratete 1948 in Signau Martha Liechti (1923-2018) mit der er eine erste Wohnung über dem Werkstattanbau von 1943 bezog. Martha Kohler, Liechti war gelernte Schneiderin und hatte vor der Heirat keinen Bezug zur Keramikherstellung. Im Betrieb war ihre wesentliche Aufgabe der Verkauf über den Laden.

Zum 1.4.1946 übernahmen Oswald und Franz Kohler die Werkstatt von ihrem Vater zur Miete und gründeten die Firma “Gebrüder Kohler”. Diese Geschäftsübergabe wurde auch im Schweizerischen Handelsamtsblatt eingetragen (SHAB 64, 1946, 1850). Oswald Kohler, sen. besorgte weiterhin das Brennen, Oswald Kohler, jun. das Drehen und Franz leitete den Aussendienst, die Schreibarbeiten und die Tonaufbereitung.

1946 wurde schliesslich ein erster BBC-Elektro-Brennofen angeschafft, der bis 2013 in Betrieb war. 1947 wurde die Werkstatt um eine Spritzkabine erweitert und 1952 schaffte man sich als erstes Auto einen Mercedes an, um vor allem die Kundenbetreuung optimieren zu können.

Aus dieser Zeit um 1946 haben sich einige wenige Werkstattfotos erhalten.

1946, Oswald Kohler, jun. beim Drehen von Vasen.

1946, Bertha und Erna Kohler in der Malstube beim Dekorieren von Keramik.

Zum 80. Jubiläum der Werkstattgründung erschien ein schön bebilderter Bericht über die Hafnerei Kohler in der Zeitschrift “Der Hochwächter” (Schnellmann 1949).

Wohl zu diesem Zweck wurden verschiedene informative Fotos gemacht und teilweise gedruckt:

1949, Oswald Kohler, jun. beim Drehen.

1949, Oswald Kohler, jun. und Lehrling Willy Wüthrich beim Henkeln. Die Henkelstränge werden mit der Henkelpresse ausgestossen, eine Schablone gibt den gewünschten Querschnitt vor.

1949, Franz Kohler trägt Zierkeramik zum Trocknen vors Haus.

1949, Franz Kohler beim Engobieren der lederharten Keramik mit Hilfe einer hölzernen Schöpfkelle.

1949, Erna Kohler (später Erna Schröter-Kohler) bemalt eine vorgeritzte Terrine im Stil Alt-Langnau mit dem Malhörnchen. Vor ihr auf dem Tisch Pinsel und diverse Malengoben.

1949, Oswald Kohler, sen. nimmt den Elektro-Brennofen aus. Noch in den 1980er-Jahren wurden bei Kohlers bestimmte Geschirrtypen nur einmal gebrannt, d.h. es wurde auf einen Schrühbrand verzichtet. Gebrannt wurde aus Kostengründen mit Nachtstrom. Für den Glasurbrand wurden Temperaturen von 960 bis 970 Grad Celsius angestrebt.

1955 überschrieb Oswald Kohler, sen. den Betrieb testamentarisch an seinen Sohn Franz, da Oswald, jun. kinderlos geblieben war. Oswald wechselte daraufhin die Arbeitsstelle und trat in die Firma Rössler in Ersigen ein.

Die Gesellschaft “Gebrüder Kohler” wurde zum 1. Januar 1956 aufgehoben und neuer, alleiniger Besitzer wurde Franz Kohler  (SHAB 74, 1956, 474). Oswald, jun.  kehrte allerdings 1959 in den Betrieb zurück und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1979. Noch 1980 baute Franz Kohler selbst Ton in der Gemeinde Eggiwil auf dem Platz “Hindten Grosstannen” ab. Eine Zeit lang war Franz Kohler auch Mitglied des Vorstandes des bernischen Töpfermeisterverbandes.  Eine seiner Hauptarbeiten in der Töpferei waren die administrativen Aufgaben (Buchführung, Auftragseingang und Auslieferung der Ware, Betreuung des Lagers, Brennen der Keramik, Materialbeschaffung und Tonaufbereitung). Die in der Werkstatt beschäftigten Familienmitglieder bzw. angestellte Dreher besorgten bei den von Ihnen hergestellten Stücken jeweils alle anfallenden Arbeiten inkl. Abdrehen, Henkeln, Engobieren und Glasieren. Engobieren mit der Spritzpistole durch die Lehrtöchter kam ebenfalls vor.

Bei den Malerinnen bestand der Grundsatz, dass alle möglichst alle Arbeiten ausführen können sollten. In der Realität gab es jedoch durchaus Unterschiede, welche Malerin welche Dekortechniken oder Motive lieber ausführte. verschiedene charakteristische Gerätschaften haben sich in der Malstube erhalten:

Geräte für die Herstellung des Dekors “Alt-Langnau”, Kritzer, gezähnte Rollrädchen für die Herstellung des typischen Langnauer “Springfederdekors” und Malhörnchen. Die ebenfalls benötigten Pinsel fehlen auf diesem Bild.

Die Kinder von Franz Kohler und Martha Kohler-Liechti, Ulrich (1949-), Dora (1951-), Werner (1955-) und Eduard (1960-) haben alle eine keramische Ausbildung genossen. Ulrich wurde allerdings erst in einer Zweitausbildung Töpfer und übernahm anschliessend von seinem Vater Franz die Irdenware-Töpferei.  Werner machte seine Keramikerausbildung im Betrieb, orientierte sich später aber anders,  Eduard besuchte die Keramische Fachschule in Bern und spezialisierte sich nach Auslandsaufenthalten, u.a. in Frankreich, auf die Steinzeugproduktion. Dora wurde im eigenen Betrieb zur Keramikmalerin ausgebildet und arbeitete später in der Keramikfabrik Kohler in Biel. Sie lebt heute als Bäuerin.

Die Produkte der Werkstatt

Nach der Aussage von Oswald Kohler, sen. und Franz Kohler zerfällt die Entwicklung der Produktion bei Kohlers in zwei grosse Abschnitte. Bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg dominiert mengenmässig die Herstellung von einfachem, wenig verziertem Gebrauchsgeschirr, das zudem fast nie gemarkt war. Dementsprechend gibt es quasi keine museale Überlieferung, die erkannt und der Hafnerei Kohler zugeschrieben werden könnte.

Eine grosse, in der Werkstatt benutzte Glasur- oder Engobeschüssel dürfte aufgrund des Horizontalstreifendekors noch aus der Werkstattzeit von Niklaus Kohler vor 1920 stammen.

Nur aufgrund eines gemarkten Milchtopfes wissen wir, dass diese Art schablonendekorierte Keramik wohl in den 1920er/1930er-Jahren in Schüpbach entstand. Die ungemarkte Suppenschüssel wurde aus der Hafnerei Kohler ins Museum in Trubschachen gegeben.

Ein in der Werkstatt erhaltener Tabaktopf dürfte ebenfalls aus dieser Zeit stammen.

Nach dem 2. Weltkrieg fand sukzessive eine Verlagerung in Richtung auf “Sonntags-” und “Ziergeschirr” statt, wobei vor allem Keramik mit dem Muster “Alt-Langnau” jahrzehntelang besonders gefragt. war.

Die Werkstattbeschreibung von 1949 (Schnellmann 1949) vermittelt einen kleinen Eindruck von der damaligen Produktion.

Eine Röstiplatte mit dem Muster “Alt-Langnau” entsteht (2013)

Keramik mit dem Muster “Alt-Langnau” war die aufwendigste Art von Keramik, die von der Töpferei Kohler hergestellt wurde. Im Prinzip handelt es sich um traditionelle Langnauer Pflanzenmotive der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, deren Grundelemente die Tulpe, die Rosette und das Herzchen sind. Kombiniert wurden Blätter und Knospen. Die Muster wurden auf konzentrische Ornamentbänder verteilt oder als kompaktes Blumenbouquet im Mittelteil von Tellern und Platten gemalt (siehe Musterbücher).

Die Musterbücher der Hafnerei Kohler

Auf Wandtellern konnte der Dekor “Alt-Langnau” auch mit moralisierenden oder lustigen Sprüchen kombiniert werden. Die Wiederbelebung der alten Langnauer Muster geht auf die gemeinsamen Bemühungen von Adolf Gerber, Oswald Kohler, sen. und den Kunstgewerbelehrer Paul Wyss zurück. Für die Töpferei Kohler hatte diese Keramikgattung nach dem zweiten Weltkrieg eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung und sicherte grosse Teile des Umsatzes. Daher reagierten Kohlers auch empfindlich als 1984 unter Mitwirkung des Keramikers Heinz Gerber im Langnauer Töpferhus Herrmann eine neue Töpferei eingerichtet wurde, die vor allem im «Alt-Langnauer» Stil fertigte und sich in der Presse als “Retter der einheimischen Töpferkunst und Pionier in diesem Bereich der Keramikherstellung” positionierte, nachdem man vorher versucht hatte einen der Kohlerschen Söhne als technischen Leiter der neuen Töpferei abzuwerben (Ruesch 1984, 78).

Zwei signierte Teller aus dem Regionalmuseum in Langnau erinnern im Dekor sehr an Stücke, die ab 1984 im Töpferhaus Herrmann in Langnau entstanden. Bei der Signatur “O. Kohler” kann es sich daher nur um Oswald Kohler, jun. (1914-2003) handeln.

1983 wurden folgende Gefässformen mit dem Muster “Alt-Langnau” verziert:

Mostkrug, Tabaktopf mit Deckel, Würstli-Hafen mit Henkeln und Deckel, Röhrenkrug, Milchkrug, Teekanne, Crèmier, Suppenschüssel, Saladier, Henkelschale, Leberschüssel, Gemüseplatte, Crème-Schale, Fruchtknopfdose, Bicher-Schüsseli, Suppenbols, Bols-Tassli (mit oder ohne Ohren), Käsli-Dose, Konfektdose mit Henkel und Deckel, Nidel-Näpfli, Honigdose mit Deckel, Becher, Tassen, Schale mit Untertasse, Mocca-Tasse, Suppenteller mit oder ohne Rand, Fleischteller, Dessertteller, Nipp-Schäli, Güetzi-Teller, Wandteller, Röstiplatte (Dm. 18, 21, 27 cm), Tortenplatte, Cakeplatte, Butterteller.

Darüber hinaus gab es um 1950 Ziergeschirr das mit “Neapelgelb” (Ritz- und Malhorndekor) und “Hammerschlag” (Ritzdekor) bezeichnet und später vom Geschirr “Alt-Langnau” verdrängt wurde. Beim “Neapelgelb” wurde der Farbton mit der zweiten Engobe erzielt, beim “Hammerschlag” durch den Zusatz von Eisenhammerschlag aus der Dorfschmiede zur Glasur. Auch “Hammerschlag” hatte eine dunkle Grundengobe unter einer weissen Engobe.

Neben dem Muster Alt-Langnau wurden auch eigenständigere Sgraffito-Dekore und um der Konkurrenz des Porzellans zu begegnen für eine begrenzte Zeit sogar Fayencegeschirre mit Pinseldekor hergestellt. Aufgrund seiner Erfahrungen als Geselle in Steffisburg übernahm Oswald Kohler, jun. für die Hafnerei auch weiss, blau, rot und braun engobiertes Geschirr.

 

Die weisse, auch als “Blaurandgeschirr” bezeichnete Keramik, bildete in den 1940er-/1950er-Jahren das Hauptangebot für einfache Haushalte – meist Milchkrüge und Gemüseplatten – und wird noch 2023 von Ulrich Kohler gefertigt.

Es gab drei mit dem Pinsel gemalte Dekorvarianten: das “Kränzli” (siehe Milchtopf von Ueli Kohler), die Rose und den Asternstrauss. Die Dekorentwürfe stammen ebenfalls von Oswald Kohler, jun. Gefertigt wurden um 1983 mit diesem Dekor: Milchtöpfe (1/4-4 Liter), Gemüseplatten und Tassen mit Untertassen.

Als “Lättbrun” bezeichnete Keramik trug keine Grundengobe und in der Regel nur eine sehr einfache Malhorndekoration bzw. weisse dicke Punkte (Tropfen) unter der Glasur. Die auf der Tonfarbe basierende Malengobe wurde im Betrieb als “Lättfarbe” bezeichnet. 1983 stellte man mit dieser Dekorvariante folgende Gefässtypen her: Milchtöpfe (1/4-4 Liter), Rahmhäfeli, Tassen und Untertassen, Dessertteller, Fleischteller, Suppenteller, Butterteller, Wandteller und Röstiplatten. Daneben gab es auch einfache Milch- und Löcherbecken (Siebe) mit weissem Horizontalstreifendekor. Bauchigere Teigschüsseln bekamen innen einen Beguss aus weisser Engobe und einen schwarzen Randstrich.

Keramik mit blauer Grundengobe und Edelweissdekor lieferte man vor allem an Souvenirläden im Berner Oberland.

Von der durch die Heimberger Keramik beeinflussten Ware mit schwarzbrauner oder roter Grundengobe und Malhorndekor produzierte man anfänglich nur Einzelstücke, während in den 1980er-Jahren auch ganze Service von den Kunden erworben wurden. Diese Ware wurde aufgrund eines von Oswald Kohler, Jun. entworfenen Musters mit einem Hahn als “Güggelbrun” bezeichnet. Mit dieser Dekorvariante bemalte man um 1983 folgende Geschirrformen:

Milchkrüge (1/4-2 Liter), Kaffeekanne, Crèmier, Teekanne, Tasse mit Untertasse, Würstli-Hafen, Suppenschüssel, Saladier, Zuckerdose, Suppenteller, Fleischteller, Dessertteller, Röstiplatte (18, 21, 24, 27 cm Dm.), Tortenplatte, Cakeplatte, Butterteller.

In den 1950er-Jahren wurde noch eine weitere Dekorvariante hergestellt, die sog. “Klinkerware”. Bei dieser wurde derselbe Ton aufbereitet aber sehr fein abgesiebt. Die Aussenseite wurde mit roter oder schwarzer Sinterengobe mit der Spritzpistole überspritzt, das Gefässinnere glasiert. Der Dekor wurde anschliessend eingekratzt, sodass die hellere Scherbenfarbe in der dunkleren Sinterengobe den Dekor ergab. In dieser Dekortechnik wurden Vasen und Blumenampeln hergestellt.

Seit Niklaus Kohler (Schnellmann 1949, 266) wurden immer wieder auch kleine Tierfiguren als Spielzeuge für Kinder mit zweiteiligen Gipsformen gepresst. Die mühsame Herstellung , an die sich auch Ueli Kohler noch gut erinnert, war eine typische Arbeit für die Töpferkinder, um das Taschengeld aufzubessern. Leider wurden die Figuren nicht signiert, sodass sich die der Töpferei Kohler nur schwer von denen der übrigen Hersteller in der Region Heimberg bzw. Langnau unterscheiden lassen. Eine grössere Anzahl an Original- und Arbeitsformen aus Gips existiert heute noch in der Werkstatt, sodass identische Tiere und Dragoner auch 2023 immer noch hergestellt werden können.

Der Absatz

Der Verkauf der Ware erfolgte noch bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg mehrheitlich über Zwischenhändler und Hausierer (oft Ware zweiter Wahl) und in geringerem Umfang über den eigenen kleinen Laden. Die Kunden wurden zu Fuss oder mit dem Fahrrad besucht. Die bestellte Ware wurde regelhaft per Bahn verschickt. Ab 1950 besuchte Franz Kohler die Kunden mit einem betriebseigenen Auto. Mit Ware zweiter Wahl ging man bis 1982 auch an die Blapbach-Chilbi um diese Keramik mit “Zwirbele” (eine Art Glücksrad) unter das Volk zu bringen. In den 1980er-Jahren hatte daneben der eigene Laden an Bedeutung gewonnen, gleichzeitig gab es jedoch immer noch einzelne grössere Abnehmer als Wiederverkäufer. Zum Kundenkreis gehörten in den 1980er-Jahren auch immer noch Vereine, die Wandteller, Krüge, Becher etc. als Siegespreise oder als Anerkennung für treue Mitglieder in Auftrag gaben. Auch von privater Seite oder von Firmen wurden regelmässig Hochzeits- und Jubiläumsgeschenke bestellt.

Nebenerwerb

Niklaus und Oswald Kohler und ihre Familien waren Selbstversorger auf einem kleinen Stück Land (Kuhweide und Kartoffelacker) und mit einer Gartenparzelle (Gemüse). Es gab meist 1-2 Kühe, einige Schweine und Ziegen. Im Laden wurden ausserdem Glaswaren und zugekauftes Geschirr (Rössler, Ersigen) verkauft. Die Aufbereitung von Ton und der Weiterverkauf können ebenfalls zum Nebenerwerb des Betriebs gerechnet werden.

Die Hafnerei von Ueli Kohler im Film

 

Hinweis: Ueli Kohler kann auf Bestellung (Eggiwilstrasse 11, 3535 Schüpbach BE, 034 497 12 08) auch heute immer noch alle Keramiktypen der Töpferei Kohler anfertigen und liefern. Sein Bruder Eduard fertigt in seiner Töpferei Steinzeug, das vor Ort gekauft oder bestellt werden kann (Eggiwilstrasse 15, 3535 Schüpbach BE, 034 497 21 67).

Bibliographie:

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Rohrbach 1999
Lewis Bunker Rohrbach, Men of Bern: The 1798 Bürgerverzeichnisse of Canton Bern, Switzerland, Rockport 1999.

Ruesch 1984
Fanny Ruesch, Töpferei Kohler, Eggiwilstrasse, 3535 Schüpbach i.E. – Ethnologisches Seminar der Universität Basel, Ethnographische Feldarbeit: Berner Töpferei 15. August – 2. September 1983, Basel 1984.

Schnellmann 1949
Paul Werner Schnellmann, Besuch in einer ländlichen Töpferei, in: Der Hochwächter. Blätter für heimatliche Art und Kunst 5, 1949, 254-266.

 

 

 

 

Schwander, Adèle Luise, Bern, Keramikerin (1880-1949)

Schüssel mit Grifflappen nach Langnauer Vorbild, gestaltet von Adèle Schwander, ausgeführt von Bendicht Loder-Walder, 1908. Privatbesitz Schweiz, Foto Christoph Messerli (Messerli 2009, Abb. 80).

Keramik von Adèle Luise Schwander,  in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2023

Adèle Luise Schwander wurde am 21. Mai 1880 geboren. Ihre Eltern waren vermutlich der Kirchberger Kolonialwarenhändler Johann Gottfried Schwander und Adele Schwander-Landsmann. Sie starb am 4. Januar 1949. Sie war Bürgerin von Aarberg BE und wirkte als Kunstgewerblerin und Malerin (vgl. Messerli-Bolliger 1988, S. 47, Anmerkung 34 und 35). Schwander zählte zu den ersten Schülerinnen der Keramischen Fachschule Bern (nachweisbar in der Schülerliste WS 1910/11, Kunstgewerbe, aber bereits vorher im kunstgewerblichen Praktikum bei Lehrer Huttenlocher). In diesem Semester traf sie auf Frieda Lauterburg, Emil Loder und Elisabeth Strasser (Messerli 2009, Schülerliste) . Aufgrund eines Artikels aus dem Jahr 1906 ist davon auszugehen, dass Adèle Schwander auch Elisabeth Eberhardt gekannt hat, die in ihrer Frühphase ganz ähnlich dekoriert hat (Messerli 2009, 72 Anm. 281).

Sie schöpfte ihre Kreativität, wie Frieda Lauterburg (1877- 1943) aus Langnau und Anna Müller (1892-1968) aus Grosshöchstetten aus dem reichen Dekor- und Formenschatz der traditionellen Langnauer und Heimberger Keramik des 18. und 19. Jahrhunderts.

Schweizerische Technikerzeitung 1906.

Es verblüfft daher nicht, wenn Teile ihrer Arbeiten bereits 1906 in einer Druckbeilage der Schweizerischen Techniker-Zeitung als “Neue Bauernmajolika” bezeichnet wurden.

1905 In der Presse begegnet sie ein erstes Mal im Zusammenhang mit der Weihnachtsausstellung des Gewerbemuseums in Bern, allerdings zeigt sie dort 1905 Lederarbeiten und keine Keramik (Der Bund, Band 56, Nummer 603, 21. Dezember 1905 Ausgabe 02)

Der Bund, Band 59, Nummer 148, 27. März 1908 Ausgabe 02, identisch Bieler Tagblatt, Nummer 75, 28. März 1908 und Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern, Band 55, Nummer 27, 1. April 1908.

Tagblatt der Stadt Thun, Band 32, Nummer 63, 14. März 1908

1908: Als „Kunstschülerin der Keramischen Fachschule Bern“ wurde ihr „Heimberger Geschirr“ im März 1908 im Kantonalen Gewerbemuseum Bern ausgestellt (Tschabold 1969, 25). Die Besprechung im Thuner Tagblatt war überaus positiv.

Keramik von Adele Schwander und Bendicht Loder-Walder in der Sammlung Stiftung Schloss Thun.

Keramik von Adèle Schwander, hergestellt in der Werkstatt von Bendicht Loder-Walder, Heimberg.

Der Bund, Band 61, Nummer 224, 15. Mai 1910.

1910 Vermutlich konnte Adèle Schwander von ihren kunsthandwerklichen Arbeiten nicht leben, denn im Mai 1910 warb sie um Schüler für Öl-, Aquarell- und Pastellmalerei. Zu diesem Zeitpunkt war sie in Bern,  Junkerngasse 37 wohnhaft.

1910 An der Ausstellung “Kunstindustrien im Kanton Bern” im Gewerbemuseum im Dezember 1910 nahm Adèle Schwander mit Stick- und Näharbeiten teil (Intelligenzblatt für die Stadt Bern, 15. Dezember 1910; auch Der Bund, Band 62, Nummer 29, 18. Januar 1911 Ausgabe 02).

Der Bund, Band 75, Nummer 334, 8. August 1924.

1924 In der Presse erscheint Adèle Schwander erst wieder 1924. Sie beteiligte sich an der “Kantonalbernischen Ausstellung für Gewerbe und Industrie” (KABA) in Burgdorf mit Keramik, die aber in den Pressenotizen nicht genauer beschrieben, sondern nur anerkennend erwähnt wird. Möglicherweise befasste sie sich mit Porzellanmalerei. In diese Richtung deuten vielleicht auch ein weitere Berichte:


Der Bund, Band 75, Nummer 337, 10. August 1924.

Das Bieler Tagblatt (Bieler Tagblatt, Nummer 199, 26. August 1924) schrieb von einem “rassigen Kinderservice”. Der BUND berichtete im September:  “… Welche Wunderdinge birgt doch der Zierschrank hinter seinen Glasfenstern: Täßchen, Krüge, Vasen, Porzellanfiguren in den apartesten Formen, kunstvoll bemalt von Marie Nil, Selma Robin , R. Hänni, Adele Schwander, Grety Sutter u. a. Das Terrakotta-Kinderköpfchen von Margaritha Mermuth spricht zu jedem Mutterherzen…”. (Der Bund, Band 75, Nummer 392, 14. September 1924).

1924 Im November berichtete der BUND über eine Ausstellung kunstgewerblicher Arbeiten in Bern (Der Bund, Band 75, Nummer 502, 23. November 1924):”…die Porzellane und Fayencen von Adele Schwander besitzen die habliche, gefällige Einfachheit des Heimatschutzes …”.

1925 Die NZZ schrieb am 13. Oktober: “Die Räume der Kunsthalle [Bern] sind mit den Werken unserer in der Gesellschaft Schweiz. Malerinnen und Bildhauerinnen vereinigten Künstlerinnen geschmückt. Mit sicherer Hand hat die Jury Akzente von eindringlicher Kraft gesetzt… Auch in der Keramik sind große Fortschritte festzustellen. Ich erinnere nur an die schöngeformten Schalen und Teller von G. Meister-Zingg, an Clara Vogelsangs technisch vollendete Krüge und Schalen. Von Adele Schwander sind hübsche und brauchbare Tassen und Schalen da…”

Zwischen 1925 und 1949 schweigen die Quellen.

1949, 4. Januar, die ledige Adèle Louise Schwander verstarb in Münsingen (Der Bund, Band 100, Nummer 22, 14. Januar 1949). Es fand sich kein Nachruf.

Bibliographie:

Messerli 2009
Christoph Messerli, Von der Souvenir- zur Studiokeramik. Die Berner Keramik im 19. und 20. Jahrhundert. Lizentiatsarbeit, Institut für Kunstgeschichte des Universität Bern, Bern 2009, bes. 71-73.

Messerli-Bolliger 1988
Barbara E. Messerli-Bolliger, Die Lenzburger Keramikerin Elisabeth Eberhardt 1875-1966, in: Lenzburger Neujahrsbläter 59, 1988, 20-81.

Tschabold 1969
Alfred Tschabold, 100 Jahre Gewerbemuseum in Bern. Zeittafel zu seiner Geschichte 1869 bis 1969, Bern 1969.

 

 

Seftigen BE, Töpferei Gebrüder Schneider (1948-1961)

Seftigen, Hausmattweg 5, September 2023. Die Töpferei befand sich im Gebäudeanbau (Foto Heidi Meer, Seftigen)

Keramik von Hans Schneider in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2023

Hans Schneider (1923-2006) absolvierte  von 1941 bis 1944 eine Lehre in einer nicht überlieferten Hafnerei in Steffisburg. 1945 bis 1947 verbrachte er seine Gesellenzeit bei Fritz Hausmann in Uster (Quelle: Antik und Rar). 1948 richtete er zusammen mit seiner Frau Susi auf dem Grundstück Hausmatt 5 in Seftigen eine Töpferei ein (Information seiner Enkelin Verena Peronino, Steffisburg).

 

1950-1951 werden “Schneider, Gebr., Seftigen, Hausmatt” erstmals im Ausstellungskatalog der Mustermesse in Basel (MUBA) gelistet.  Ein Eintrag im Schweizerischen Handelsamtsblatt fehlt für die Gebrüder Schneider. Hinter den “Gebr. Schneider” verbergen sich Ernst und Hans Schneider. Ernst Schneider (1922-2010) absolvierte seine Töpferlehre in Gwatt bei Thun und arbeitete anschliessend in verschiedenen Töpfereien in der Schweiz. Von 1943 bis 1946 bildete er sich an der Kunstgewerbeschule in Zürich bzw. Bern weiter (er erscheint allerdings nicht in der bernischen Schülerliste). Nach einer überstandenen Lungentuberkulose arbeitete er schliesslich in der Werkstatt seines Bruders Hans in Seftigen und später wohl auch in Steffisburg. Ab 1955 schuf er in seiner Wohnung in Thun auch Plastiken aus Ton und erhielt später auch Aufträge für Bronzefiguren (Nachruf).

Welche Produkte sich der Frühzeit in Seftigen zuordnen lassen ist unklar, jedoch führte Hans Schneider schon 1960 die auch später übliche Werkstattmarke, wie man einem Briefkopf entnehmen kann.

Kurth Dänzer an der Töpferscheibe (unbekannter Fotograf, Reproduktion Roland Dänzer)

In Seftigen bildete Hans Schneider auch Lehrlinge aus, unter anderem von 1952-1955 Kurth Dänzer (1935-2008), von dem zwei Bilder bei der Arbeit an der Töpferscheibe existieren.

Die von ihm für die Abschlussprüfung geschaffene Keramik hat sich erhalten.  Kurth Dänzer arbeitete anschliessend in der Kunstkeramik in Luzern als Dreher und von 1957 von 1959 noch einmal als Dreher bei Hans Schneider in Seftigen. Ein zweiter Lehrling war Hans Gillardi.

Mit Nutzen und Schaden auf den 1. Mai 1961 kaufte Hans Schneider-Kraft von Adolf Schweizer die ehemalige Manufaktur Wanzenried in Steffisburg, Glättemühleweg 25 (vgl. hierzu Frank 2000, 575). Hans Schneider modernisierte und renovierte den Betrieb sehr intensiv (Thuner Tagblatt 86, Nummer 275, 23. November 1962; auch GB Thun, Belege 6, No. 7226, vom 16. Oktober 1961). 1965 entfernte er die alte Tonaufbereitungsanlage, die für seinen Betrieb viel zu gross und unwirtschaftlich war (Frank 2000, 575, 578).

Umbau 1991: Thuner Tagblatt, Band 115, Nummer 38, 15. Februar 1991

Thuner Tagblatt 115, Nummer 77, 4.4.1991

1989-1992 folgte eine weitere intensive Umbaumassnahme im ehemaligen Gebäude der Majolikafabrik von Johannes Wanzenried (Thuner Tagblatt, Band 115, Nummer 38, 15. Februar 1991; Thuner Tagblatt 115, Nummer 77, 4.4.1991, vgl. Frank 2000, 575).

Hans Schneider produzierte noch 1996. Im April 1996 stellte er auf der Gewerbeausstellung Steffisburg seine Keramiken aus (Thuner Tagblatt, Band 120, Nummer 95, 24. April 1996). Seine Tochter Brigitte, verh. Peronino, stellte im Mai 1996 in Thun im Turmcafe eigene Werke aus (Thuner Tagblatt 31. Mai 1996).  Danach finden sich keine weiteren Informationen zur Keramikwerkstatt mehr in der Presse. Wann Hans Schneider seinen Betrieb vor 2006 definitiv einstellte, ist unklar.

Dank

Herzlichen Dank für die Unterstützung dieses Beitrages an Verena Peronino, Steffisburg, Andreas Kistler, Bäriswil, Heidi Meer, Seftigen und Roland Dänzer, Seftigen.

Bibliographie: 

Frank 2000
Georg Frank, “Dank dem Gewerbefleiss früherer Jahrhunderte”. Die Nutzung der Wasserkraft in der bernischen Gemeinde Steffisburg vom ausgehenden 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Thun 2000, bes. Kap. 4.16.

 

Solothurn, Hafnerdynastie Wysswald

Keramik der Hafnerdynastie Wysswald in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

Begründer der Solothurner Hafner-Dynastie Wysswald ist Johann (1655–1727), der in den archivalischen Quellen 1697 erstmals als Hafner erwähnt wird. Seine fünf Söhne erlernten alle das väterliche Handwerk. Von Urs Johann (1680–1753) und Johann Kaspar (1682–1742) wissen wir, dass sie mit Unterbrüchen zusammen arbeiteten, sich aber mehrmals zerstritten und schliesslich selbständige Betriebe führten. Urs Johann besass in der Vorstadt, bei Dreibeinskreuz, eine Brennhütte, die er 1719 erweitern liess. Johann Kaspar wohnte zunächst an der Schmiedengasse, bevor er 1729 in der Vorstadt beim Berntor ein Haus erwarb.

Die drei jüngeren Brüder, Johann Jakob (1695–1746), Wolfgang (1697-?) und Urs Joseph (1700–1763) wurden ebenfalls im Handwerk tätig. In der dritten Generation gab es drei Cousins, die Hafner waren: Dominik Wysswald (1709–1751), Johann Kaspars Sohn, Urs Victor (1725–1765), Johann Jakobs Sohn, und Joseph Pankraz (1739–1772), Urs Josephs Sohn.

Signierte Öfen oder Ofenkacheln sind lediglich von Urs Johann und Johann Kaspar bekannt. Während Letzterer Arbeiten von schwächerer Qualität hinterlassen hat, gehören die Werke Urs Johanns zu den prachtvollsten Beispielen schweizerischer Hafnerkunst aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Zu nennen wären hier zum Beispiel die zwei 1723 datierten Turmöfen aus dem Schlössli Beitenwil (Rubigen BE), heute im Schloss Jegenstorf (Brennpunkt 2013, Nr. 4 und 5), und der 1741 datierte Prunkofen, angeblich aus dem Ambassadorenhof in Solothurn, heute im Rathaus (Hochstrasser 1995, Abb. 10–12).

Urs Johann Wysswald hat allem Anschein nach gelegentlich auch Fayencegeschirr hergestellt, wie es die vier aus altem Familienbesitz stammenden Platten im Museum Blumenstein bezeugen.

Drei von ihnen waren als Geschenke für Wysswalds Töchter bestimmt: Anna Katharina, die 1729 Franz Carl Derendinger, Weibel in Solothurn, geheiratet hatte (MBS 1962.13), Anna Maria (geb. 1707 – MBS 1962.12) und Anna Margaritha Franziska (1712–1747), die zur Seite des Vaters als Malerin tätig war (MBS 2005.49). Der Ofen im Rathaus wurde von ihr dekoriert, wie es eine Inschrift auf der Kuppel bestätigt. Von der Form her nähern sich die Platten deutschen Prototypen aus dem ausgehenden 17. und dem angehenden 18. Jahrhundert (Hanau, Frankfurt). Der springende Hirsch, die drei Tannen und die zwei Sterne im Spiegel von MBS 1962.12 und MBS 2005.49 sind Teile des Familienwappens Wysswald (Tatarinoff-Eggenschwiler 1939; Hochstrasser 1995).

Die Platte MBS 1962.14 unterscheidet sich leicht von den anderen, in der Form wie in der Dekorationsart.

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950). Sulgen 2014, 74–75.

Brennpunkt  2013
Schloss Jegenstorf (Hrsg.), Im Brennpunkt – die Sammlung historischer Kachelöfen Schloss Jegenstorf. Jegenstorf 2013.

Hochstrasser 1995
Markus Hochstrasser, Die Wysswald-Hafnereien in Solothurn. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1995, 33–46.

Tatarinoff-Eggenschwiler 1939
Adele Tatarinoff-Eggenschwiler, Die Familie Wisswald von Solothurn. Solothurn 1939.

 

St. Antönien GR, Hafnerei Lötscher (1804-1898)

Lötscher-Keramik in CERAMICA CH

Keramik von Peter (1750-1818) oder Andreas Lötscher (1787-1852)

Keramik von Andreas Lötscher (1787-1852)

Keramik von Christian Lötscher (1821-1880)

Keramik von Peter Lötscher d.J. (1845-1894)

Keramik von Andreas Lötscher d.J. (1857-1933)

Andreas Heege, 2019

Von 1804 bis 1898 wurde in der auf 1300 m ü. M. gelegenen Walsersiedlung St. Antönien-Ascharina, im Norden des Kantons Graubünden, an der Grenze zum österreichischen Vorarlberg, Keramik hergestellt. Fünf Hafner der Familie Lötscher produzierten dort während vier Generationen Geschirrkeramik, Kachelöfen und Wasserleitungsröhren. Die Grundlage für den Betrieb bildete ein lokales Tonvorkommen. Obwohl die Lage der Töpferei, abgelegen in einem nur auf Saumpfaden erreichbaren Seitental des Prättigaus, nicht als optimal eingestuft werden kann, waren die Hafner Lötscher bis in die 1870er-Jahre wirtschaftlich erfolgreich. Ihre lokalen Produkte hatten wohl aufgrund der Transportkosten einen gewissen Vorteil gegenüber Importen aus der übrigen Deutschschweiz, Süddeutschland oder Italien. Erst mit der Fertigstellung der Eisenbahnlinie Chur-Rheineck SG im Jahr 1858 und der Prättigauer Talstrasse um 1860 entstand die Möglichkeit für einen regelmässigeren Fracht- oder Postverkehr und einen besseren Warenverkehr, der die Konkurrenz zunehmend bevorteilte.

Die Familie Lötscher lässt sich in St. Antönien seit dem 17. Jahrhundert archivalisch nachweisen. Die beiden ersten Generationen lebten auf dem Hof «Mittlere Rhonegga». Lebensgrundlage war die Vieh- und Milchwirtschaft (Butter und halbfetter Käse) in dem von Lawinen immer wieder heimgesuchten Tal, dessen Wiesen jedoch als überaus starkwüchsig galten.

Peter Lötscher (1750–1818), aus der dritten nachweisbaren Generation, hatte sechs weitere Geschwister. Für ihn stand zu Beginn seines Lebens keineswegs fest, dass er der erste Hafner in St. Antönien werden würde. Zunächst ging er von etwa 1770 bis 1782 in niederländische Dienste. Mit dem «Regiment Zwitzers No. IV» unter Generalleutnant Johann Christian Friedrich Schmid von Malans, war er an verschiedenen Orten, u. a. in Maastricht und Ter Veere an der Nordsee, stationiert. Während der Winter war das Regiment jeweils auf Privatquartiere verteilt. Wir können nur vermuten, dass Peter seine handwerklichen Kenntnisse als Keramikmaler bzw. Hafner bei einer dieser Gelegenheiten erwarb. Eine Vielzahl von Rezepten für Glasuren und keramische Malfarben, die er in den Niederlanden kennengelernt haben dürfte, schrieb er später in sein Hausbuch. Peter erreichte den höchsten Unteroffiziersrang und kehrte als Wachtmeister gesund in seine Heimat zurück. Dort heiratete er mit Dorothea Luck eine Frau, die eine gute Erbschaft zu erwarten hatte. Die folgenden 20 Jahre widmete er der Übernahme des Hofs, der Erweiterung seines Landbesitzes sowie der Viehwirtschaft auf der «Mittleren Rhonegga».

Nach einer chronikalischen Quelle begründete Peter Lötscher erst 1804 auf seinem Hof eine Hafnerei. Vorher hatte er seinen Sohn Andreas an unbekanntem Ort in die Hafnerlehre geschickt. Schon zu Lebzeiten teilte er 1806 seinen Besitz unter seine beiden Söhne Andreas (1787–1852) und Hans (1788–1870) auf. Hans blieb Landwirt auf der «Mittleren Rhonegga». Andreas verlegte die Töpferei bis 1810 an einen unterhalb gelegenen, günstigeren Ort am Talweg. Bis zu Peters Tod 1818 arbeiteten Vater und Sohn in einer Werkstattgemeinschaft, in der der Vater offenbar eher Keramikmaler denn -dreher war. Für die Zeit von 1806 (ältestes datiertes Objekt) bis 1818 lassen sich die Dekorhandschriften von Vater und Sohn kaum auseinanderhalten. Peters dekoratives Schaffen («Unterglasur-Pinseldekor») wird aufgrund eines signierten Kachelofens von 1811 besonders deutlich. Als Vorlage für die Ofenbilder verwendete er ein französisches Modejournal der vorrevolutionären Zeit und pinselte selbstgereimte Gedichte dazu. Einen vergleichbaren Fall gibt es in der ganzen Deutschschweiz kein weiteres Mal. Erstaunlich eigenständig und kreativ waren Vater und Sohn auch, wenn es um die Gefässformen der Becher, Tassen, Weinkannen, Kaffeekannen, Töpfe, Wandbrunnen, Handwaschbecken und Teller ging. Besonders fantasievoll fielen die verschiedenen hausförmigen Schreibgeschirre und Taschenuhrständer aus. Bei den Schüsseln orientierten sich Vater und Sohn dagegen am Randformenspektrum des Bregenzerwalds. Neben Pinseldekor, u. a. vom Typ «Egg» (nach einer Töpferei im vorarlbergischen Egg-Jöhle), begegnen zeittypische Lauf- und Borstenzugdekore. Die Anzahl noch nachweisbarer Kachelöfen ist nicht sehr gross. Immerhin gibt es noch einen Ofen von der «Mittleren Rhonegga» von 1809, Reste eines Ofens für das Wohnhaus des Direktors des Davoser Silberbergwerks in Klosters (um 1805) und einzelne Kacheln eines Ofens aus Klosters-Selfranga. Die letzgenannten Öfen belegen, dass das Absatzgebiet der Töpferei seit Beginn offenbar das gesamte Prättigau mit seinen damals 7000 Einwohnern umfasste. Peter Lötscher war nicht nur ein an den politischen und kriegerischen Ereignissen seiner Zeit interessierter Mensch, sondern auch ein guter Beobachter des Klimas und der Natur. In seinem erhaltenen Hausbuch verzeichnete er unter anderem die katastrophalen klimatischen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Jahres ohne Sommer 1816.

Zwischen 1818 und etwa 1843 führte Peters Sohn Andreas Lötscher die Hafnerei allein. In dieser Zeit entstanden weitere, charakteristisch mit dem Pinsel verzierte Kachelöfen. Die auf einem der Öfen gemalten Tiere belegen für das Prättigau erstmals die Existenz einer heute ausgestorbenen Gürtelschwein-Landrasse. Der älteste Ofen ist 1822 datiert und war bis vor Kurzem noch in Benutzung. Andreas setzte die Form- und Dekortraditionen seines Vaters quasi bruchlos fort. Als einzige keramiktechnische Neuerung ist auf die Übernahme dendritischer Dekore ab spätestens 1829 zu verweisen. Andreas bekam zusammen mit seiner Frau Barbara Hartmann vier Söhne und drei Töchter. Er wurde wie sein Vater Peter als «Geschworener» bezeichnet, war also offenbar auch Mitglied des lokalen Gerichts und zeitweise «Gemeindsvogt». Neben der Töpferei spielte die Viehwirtschaft immer eine bedeutende Rolle als wirtschaftliche Grundlage des Haushalts. Daneben betrieb Andreas auch die Herstellung von Kalk in seinem unterhalb des Hauses gelegenen Kalkbrennofen. In der wirtschaftlich schwierigen Zeit der Kartoffelpest 1845–1847 musste er erleben, dass sein ältester Sohn Peter nach Amerika auswanderte. Ein weiterer Sohn und eine grössere Anzahl seiner Enkel folgten mit ihren Familien 1867, 1871 und 1889.

Sein zweitältester Sohn Christian (1821–1880) wurde in Horgen am Zürichsee zum Hafner ausgebildet. Ab 1843 übernahm dieser zielstrebig die Leitung der Werkstatt und signierte sehr selbstbewusst erste Kachelöfen. Sein Vater Andreas arbeitete weiterhin in der Werkstatt mit. Letzte Objekte können ihm aus dem Jahr 1847 zugeschrieben werden. Christian, der hervorragend drehen konnte, führte eine Reihe von Neuerungen in der Werkstatt ein. Er dekorierte mit dem Malhorn statt dem Pinsel und verzierte den grössten Teil seiner Ofenkacheln mit charakteristischem, grünem Schablonendekor. Ausserdem beherrschte er die Fayencetechnologie, die er ebenfalls überwiegend bei Kachelöfen einsetzte. Seine Kachelofenaufsätze waren teilweise sehr originell. In mindestens zwei Fällen lässt sich eine grosse Kuh nachweisen. Eine Reihe von Gefässformen wurde von Christian Lötscher ganz neu entwickelt. Hierzu gehören die grossen Rahmtöpfe mit zwei Knäufen. Eine spezielle Form von Doppelknauftöpfen mit Stülpdeckel verwendete man schliesslich im ganzen Prättigau für das Blaufärben von Textilfasern mithilfe von Urin und Indigo. Auch seine Tee- und Kaffeekannen sind sehr charakteristisch und teilweise ungewöhnlich gestaltet. Seine Keramiken verzierte er mit roter, schwarzer und weisser Grundengobe. Ab 1846 fertigte er, wohl aufgrund der massiven Konkurrenz aus Berneck SG, erstmals auch Schüsseln mit scharfkantigem Kragenrand, wie sie in der übrigen Deutschschweiz modern waren. Ab 1849 experimentierte er auch mit Dekoren mit Farbkörpern in der Grundengobe (einer Erfindung aus Langnau im Emmental BE), die er in der Spätzeit seiner Werkstatt auch für Kachelöfen verwendete.

Nach dem Tod des Vaters Andreas (1852) begann Christian zunächst mit dem Umbau und der Ausschmückung des Hafnerhauses. 1857 erbaute er neben dem Haus eine neue Werkstatt mit wassergetriebener Glasurmühle und Tonaufbereitung und nahm dort, einem allgemeinen Zeittrend folgend, die Produktion gepresster Wasserleitungsröhren auf. Die gekaufte Röhrenpresse ermöglichte ihm schliesslich auch die Herstellung gepresster Ofenkacheln, womit er, wie kein anderer Hafner in der Deutschschweiz, technologisches Neuland betrat. Christian setzte Kachelöfen im ganzen Prättigau zwischen Davos und Landquart. Verschiedene Öfen haben sich bis heute in Funktion erhalten. Einzelne Öfen und Keramiken schmückte er mit Szenen aus dem Älplerleben, die in ihrer Darstellung denen aus dem Kanton Appenzell bzw. dem Toggenburg sehr nahestehen. Vermutlich gehören in diese Zeit auch ungewöhnliche Zuckerdosen in Entenform, Briefbeschwerer mit Löwen und Ziegenböcken und Kinderspielzeug (Tierfiguren, Flötpfeifchen).

Christian wird als streng, christlich, sparsam, unermüdlich, pünktlich, genau, gewissenhaft, mit segensvoller, aber immer bescheidener Tätigkeit in öffentlichen Ämtern und als zuverlässiger Ratgeber und dienstfertiger Freund beschrieben: «Er erkannte Wahrheit und bekannte sie offen, unverhohlen und rücksichtslos». Vermutlich war es nicht immer leicht, mit ihm auszukommen. Es verwundert daher nicht, wenn wir Christian in seiner Lebenszeit in fast allen denkbaren öffentlichen Ämtern, ausser dem des Gemeindepräsidenten, finden. Er war als Hafner finanziell erfolgreich. Zugleich war er aktiver Landwirt, Kirchenvogt, Waldvogt, Gemeinderat, Vermittler am Gericht und ab 1851 Posthalter der Schweizerischen Bundespost für die Postablage Ascharina. Ausserdem war er einer der wenigen Zeitungsleser im Tal. Sooft er konnte, erweiterte er seinen Grundbesitz um Mähwiesen und Weiderechte.

Christian war mit Magdalena Buol aus einer angesehenen und begüterten Familie in St. Antönien-Ascharina verheiratet. Ein erhaltenes Familienbild aus der Zeit um 1870 zeigt ihn als Patriarchen zusammen mit seiner Frau und seinen zu diesem Zeitpunkt lebenden sieben Kindern, u. a. den Söhnen Peter und Andreas. Im April 1867 beschloss Christian Lötscher, sich vom Hafnerhandwerk zurückzuziehen und die Hafnerei an seinen seit 1864 in der Werkstatt mitarbeitenden Sohn Peter d. J. zu übergeben. Er selbst eröffnete in St. Antönien-Platz zusammen mit seiner Frau die Pension Lötscher, das heutige Hotel Rhätia.

Peter d. J. (1845–1894) gab sich in der Folge redlich Mühe, seinem Vater als Hafner, Röhren- und Kachelofenproduzenten nachzueifern. Jedoch besass er, betrachtet man seine Endprodukte, offenbar weder die fachliche Neigung, noch die dreherischen oder dekorativen Fähigkeiten und wohl auch nicht die wirtschaftlichen Ambitionen seines Vaters. Vermutlich genügte er in keinster Weise den väterlichen Ansprüchen und man ahnt einen wohl schon länger schwelenden Vater-Sohn-Konflikt. Peter, mittlerweile ebenfalls verheiratet, wich diesem Konflikt 1871 durch die Auswanderung in die USA aus. Die im Familienkreis verlesenen Briefe der ausgewanderten Onkel, Vettern und Cousinen aus dem «Land der unbegrenzten Möglichkeiten» dürften einen mächtigen Zauber auf ihn ausgeübt haben. Zusammen mit einem Vetter gleichen Namens schiffte er sich nach New Orleans ein und liess sich mit seiner Familie in Conway in Arkansas nieder, wo er als Farmer und Winzer seinen Lebensunterhalt zunächst erfolgreich verdiente. Vor allem mit Geld aus seinem väterlichen Erbe kaufte er zwischen 1880 und 1883 etwa 80 Hektar Land. Im Zuge von Auseinandersetzungen um die strikte Durchsetzung der Prohibition in Conway wurde er 1894 auf seinem Hof Opfer eines Totschlags.

Mit der Auswanderung von Peter d. J. blieb Christian Lötscher ab 1871 zunächst nichts anderes übrig, als die Werkstatt erneut selbst zu übernehmen. Der jüngste Sohn Andreas (1857–1933) war zu diesem Zeitpunkt erst 14 Jahre alt. Christian produzierte zwischen 1872 und 1879 weiterhin erfolgreich Öfen und Röhren, während das Spektrum an Gebrauchsgeschirr stärker eingeschränkt war, als in seiner ersten Produktionsperiode. Erhalten haben sich vor allem Schüsseln, Tintengeschirre, Rahm- und Farbtöpfe sowie Zwiebeltöpfe. Daneben arrondierte er seinen Grundbesitz in St. Antönien durch zahlreiche weitere Liegenschaftskäufe.

Mit Christians Tod übernahm Andreas Lötscher d. J. als fünfter Hafner in St. Antönien die Werkstatt und produzierte nach eigener Aussage überwiegend Röhren. Von seiner Hand sind keine Kachelöfen bekannt und die wenige Geschirrkeramik ist ausschliesslich in das Jahr 1891 datiert. Sie verrät die Hand des ungeübten Drehers und Keramikdekorateurs. Der Bau der Rhätischen Eisenbahn 1889/90 reduzierte schliesslich die Transportkosten für ausserkantonale und ausländische Keramikgrossproduzenten in einem solchen Masse, dass Andreas Lötscher d. J. die Keramikproduktion nicht mehr wirtschaftlich aufrechterhalten konnte. Er stellte den Betrieb 1898 endgültig ein. Da er ebenfalls zahlreiche öffentliche Ämter bekleidete und mit Verena Luck eine wirtschaftlich gut gestellte Ehefrau gefunden hatte, konnte er seine Lebensgrundlagen in den folgenden Jahren erfolgreich auf die Viehwirtschaft umstellen. 1910 zerstörte ein Hochwasser Teile der Werkstattgebäude und der Maschinen. Andreas Lötscher verkaufte das Hafnerhaus in St Antönien-Ascharina 1920 und starb 1933 auf dem knapp oberhalb liegenden Heimwesen «Bärtsch», das seine Frau geerbt hatte.

Dass es 120 Jahre nach der Schliessung der Werkstatt in St. Antönien-Ascharina möglich war, eine so umfassende Familien- und Hafnereigeschichte zu schreiben, hat verschiedene Gründe. Zum einen sind es die glücklich erhaltenen schriftlichen Quellen, einerseits aus dem Hafnerhaus selbst und andererseits in Form des Hausbuchs von der «Mittleren Rhonegga». Ergänzt werden diese durch lokale Archivalien, die Grundbucheintragungen und akribische, genealogische Forschungen. Zum anderen ist es die doch erstaunlich grosse Zahl erhaltener Keramikobjekte, Röhren und Kachelöfen, die sich zumindest teilweise einzelnen Hafnern stilistisch zuweisen lassen. Besonders bedeutsam für die Überlieferung der keramischen Quellen war das frühe Interesse zweier Museumsdirektoren, nur wenige Jahre nach der Schliessung der Hafnerei. Ohne das besondere Engagement des ersten Kurators des Rätischen Museums Chur, Fritz Jecklin, und des Direktors des damaligen Schweizerischen Landesmuseums in Zürich, Hans Lehmann, gäbe es die beiden grossen und für die vorliegende Studie unverzichtbaren Grundlagensammlungen nicht. Unterstützt vom letzten Hafner Andreas Lötscher, dem Lehrer Valentin Flütsch-Egli und dem Churer Antiquitätenhändler Johann Jakob Hablützel, sicherten sie den wichtigsten Teil der materiellen Geschichte dieser für Graubünden so aussergewöhnlichen Hafnerei des 19. Jahrhunderts. Verschiedene Sammlerinnen und Sammler sowie Lokalmuseen (Klosters, Davos, Grüsch und St. Antönien) und das Museum der Kulturen in Basel schlossen sich diesen Bemühungen schliesslich im 20. Jahrhundert ebenfalls erfolgreich an.

Bibliographie

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.

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