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Eberhardt, Elisabeth, Lenzburg (1875-1966)

Elisabeth Eberhardt (* 5.2.1875 Lenzburg, † 2.10.1966 Lenzburg), undatierte Aufnahme. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Keramik von Elisabeth Eberhardt in CERAMICA CH

Elisabeth Eberhardt (* 5.2.1875 Lenzburg, † 2.10.1966 Lenzburg) war neben Nora Gross (1871-1929), eine der ersten kunstgewerblich ausgebildeten Keramikerinnen der Schweiz. Korrekterweise müsste man sie  als Keramikdesignerin und Keramikmalerin bezeichnen, denn sie konnte mangels Ausbildung nicht selber drehen und war in diesem Bereich auf zusätzliche professionelle Hilfe angewiesen. Nach zeichnerischen Entwürfen oder ihren direkten Anweisungen an die Dreher an der Scheibe entstanden ihre Keramikformen. Dekore und später vor allem die Glasuren waren ihre ganz eigenständigen Entwürfe.

Alles was wir heute über Elisabeth Eberhardt wissen, hat Barbara von Orelli-Messerli (1987 und 2010) erforscht und veröffentlicht (u.a. ein Katalog aller bis 1987 bekannten Keramiken).

Margaritha Elisabeth Eberhardt wurde am 5. Februar 1875 als jüngstes von drei Kindern des Lenzburger Kaufmanns  Fritz Eberhardt und seiner Frau Helene Landolt geboren.  Über  ihre Schul- und Ausbildungszeit wissen wir fast nichts. Warum sie sich 1903, erst im Alter von 28 Jahren “einem eigenen grossen Wunsche folgend”, entschied, in Steffisburg in einer Töpferei zu arbeiten, entzieht sich unserer Kenntnis.

Ohrenschale, signiert “E.E.”, Privatbesitz Schweiz.

Aufgrund einer signierten Kanne können wir annehmen, dass sie in der Töpferei von Karl Loder-Eyer (1871-1915) Keramik dekorierte und auch mit ihren Initialen “E.E” signieren durfte.

Ausweis für die Bernische Handwerker&Kunstgewerbeschule, Sommersemester 1906. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Der Arbeitsbeginn in Steffisburg fällt mit dem Beginn ihrer kunsthandwerklichen Ausbildung an der Bernischen Handwerker- & Kunstgewerbeschule zusammen, die sie von 1903 bis 1906 besuchte.  Ob sie dabei auch die 1905 gegründete keramische Fachklasse oder “nur” die allgemeinen Kunstgewerbekurse besuchte, ist unbekannt.  In Bern hatte sie vermutlich auch Zeichenunterricht bei dem Kunstgewerbelehrer Paul Wyss, der dort von 1900 bis 1918 wirkte und erheblichen Einfluss auf das  Design der Keramiker in Langnau, Heimberg und Steffisburg gewann.

Schweizerische Technikerzeitung 1906.

Es verblüfft daher nicht, wenn Teile ihrer Arbeiten 1906 in einer Druckbeilage der Schweizerischen Techniker-Zeitung als “Neue Bauernmajolika” bezeichnet werden. Auch die wenigen museal überlieferten frühen Keramiken von Elisabeth Eberhardt zeigen, dass sie bis etwa 1913/1915 noch ganz im Stil der Keramikfachschule Geschirr und Vasen mit der regionaltypischen Malhornmalerei und Ritzdekoration versah (Messerli-Bolliger 1987, Katalog 2-14). Abstrahiert-florale und geometrische Dekore zieren ihre Objekte.

Entwurfszeichnungen von Elisabeth Eberhardt, datiert “Thun Sommer 1908”. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Nach der Ausbildung und weiteren Arbeitsjahren in der Region Heimberg-Steffisburg (belegt durch 1908 datierte und mit “Thun” bezeichnete Keramikentwürfe) versuchte sie sich zunächst mit einer eigenen Werkstatt (an unbekanntem Ort) selbständig zu machen. Als dieser Versuch zu einem unbekannten Zeitpunkt scheiterte, stellte sie ihre Keramiken zunächst in einer Hafnerei in Langnau her (unbekannt bei welchem Hafner, vielleicht bei Adolf Gerber, der 1911 seine neue Töpferei eingerichtet hatte), bevor sie spätestens ab 1914 in der Töpferei von Karl Wespi in Aarau an der Entfelderstrasse, einen eigenen  Arbeitsplatz einrichten konnte. Als Dreher arbeitete dort für sie Alfred Müller und ab etwa 1923 bis zur Schliessung des Betriebes 1928/29 Karl Müller.

Wissen und Leben, Bd. 11, 1912-1913, 374

1912 besprach Nora Gross die Arbeiten von Elisabeth Eberhardt, die im Kunstgewerbemuseum Aarau ausgestellt waren, sehr positiv.

Das Werk : Architektur und Kunst = L’oeuvre : architecture et art, Band 1 (1914), 26.

1913/1914 gestaltete sie Keramik für die Ausstellung “Der gedeckte Tisch” im Kunstgewerbemuseum in Zürich.

1913 nahm sie mit Keramik am Salon d’automne  in Paris teil, wo ihr Geschirr lobend besprochen wurde “… erfreulich sind die bäuerlichen Fayencen von Frau Eberhardt …”.  Wahrscheinlich waren die ausgestellten Keramiken also immer noch mit dem Malhorn dekoriert.

Heimkunst 1913, 8 (Text Alfred Bauer).

1913 Von März bis Juni finden sich ihre Produkte auch auf einer Keramikausstellung des Kunstgewerbemuseums Zürich., wo sie von Alfred Bauer aber eher neutral besprochen werden (Besprechung der Ausstellung in der NZZ).

Arbeiten von Elisabeth Eberhardt, 1916 in Franziska Anner, Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz, Chur 1916, Taf.  37.

Der Umbruch zur reinen Form, ausschliesslich mit farbigen Glasuren und Laufglasuren verziert, setzte aufgrund datierter und erhaltener Stücke offenbar zwischen 1913 und 1915 ein und war wie das oben stehende Ensemblebild zeigt, um 1916 bereits abgeschlossen. Seit 1915 gehörte Elisabeth Eberhardt als eine der ersten Frauen dem Schweizerischen Werkbund an und vor 1928 auch der Gesellschaft Schweizerischer Malerinnen und Bildhauerinnen (GSMB), Sektion Zürich (seit 1928 Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen , GSMBK).

Zeitgenössische Aufnahmen ihrer Keramiken. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

1917 beteiligte sie sich an der XIII. Schweizerischen Kunstausstellung in Zürich, Abteilung für angewandte Kunst (Das Werk, Bd. 4, 1917, XIX).

1918 waren Arbeiten von ihr neben denen von J. Hermanns und Nora Gross auf der Schweizerischen Werkbund-Ausstellung in Zürich zu sehen (Die Schweiz : schweizerische illustrierte Zeitschrift, Band 22, 1918, 394).

1920 wurden Arbeiten in der Zeitschrift “Das Werk, S. 240” veröffentlicht.

1923 werden Arbeiten von ihr in der Zeitschrift “Das Werk” veröffentlicht und von Emmy Fischer sehr positiv besprochen.

1925 Teilnahme an der Aargauer Industrie- und Gewerbeausstellung in Baden (Kauf von Objekten durch das  Gewerbemuseum Aarau, heute Museen Aargau).

Keramik mit farbigen Laufglasuren im Museum Burghalde, Lenzburg. Foto Hans Weber, Museum Bellerive Zürich und Gewerbemuseum Winterthur.

1928 Ausstellung von Keramik an der “Saffa” (Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit) in Bern. Eine Besprechung durch Maria Weese und Doris Wild hebt ihre Schalen und Vasen hervor, “… denen edle, fein abgestufte Glasuren den Reiz verleihen …”  (Weese/Wild 1928, 28).

1928-1929 hatte sie einen Arbeitsplatz in der Hafnerei von Hans Brunner (1917-1982) Lenzburg, Burghalde.  Nach Auseinandersetzungen über abtropfende Glasuren verlegte sie ihren Arbeitsplatz in die Werkstatt ihrer früheren Dreher Alfred und vor allem Karl Müller, der von 1928 bis 1984 in Unterkulm eine Töpferei führte.  Spätestens 1931/1932 arbeitete sie jedoch wieder bei Brunner in Lenzburg, wo auch Walter Gebauer (1907-1998) für sie drehte (Orelli-Messerli 2010). Zwischen 1934 und 1938/39 war sie wieder in Unterkulm im Wynental, wo sie in einem kleinen Raum ungestört arbeiten und ihre Glasurfarben immer wieder prüfen und perfektionieren konnte.

Nach einer langen Zeit ohne weitere Ausstellung finden wir Elisabeth Erhardt 1937 erneut an einer Ausstellung der Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen in Bern. Ab 1938/39 arbeitete sie bis 1951 wieder in der Hafnerei Brunner in Lenzburg, wo sie für 5 Fr. im Monat eine lange Werkbank gemietet hatte.

1945, d.h. in ihrem 70. Lebensjahr, wurde sie von der Lenzburger Bibliotheksgesellschaft zum Martini-Essen und einer Künstlerehrung eingeladen und eine kleine Ausstellung alter und neuer Werke gezeigt.

Wirtschaftlich lebte Elisabeth Eberhardt, trotz eines kleinen, treuen Abnehmerkreises, wohl in sehr bescheidenen Verhältnissen, zu denen möglicherweise auch ererbte Finanzmittel beitrugen.

Mit ihrem zwischen etwa 1913 und 1922 entstandenen, sehr eigenständigen, auf Formen und Glasuren fokussierten Werk gehörte Elisabeth Eberhard zur schweizerischen Keramik-Avantgarde, jenseits floralem Jugendstil, Art déco und Heimatstil. Dieser Art Keramik blieb sie bis zur Aufgabe der Keramikproduktion im Alter von 76 Jahren treu. Zur künstlerischen Bedeutung von Elisabeth Eberhardt vgl. auch Daniela Ball 2005.

Neuerwerbungen Museum Burghalde Lenzburg im Jahr 2018. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch. Foto der Marke Auktionshaus Zofingen, 59. Auktion 1980, Los 900.

Marken und Signaturen

Elisabeth Eberhardt signierte ihre Keramiken in der Frühzeit mit den Buchstaben “E.E.“.

Ausserdem gab es mindestens eine Blindmarke in Form eines Wappenschildes, halb Schweizerwappen, halb Wappen Lenzburg (Messerli Bolliger 1987, Katalog 2).

Hinzu kamen auch Signaturen mit ihrem vollen Namen “E. Eberhardt”, auch in Kombination mit einer weiteren, leicht abgeänderten Blindmarke mit dem Wappen von Lenzburg (Beispiel EAA Inv. 0344).

Informationen zu Elisabeth Eberhardt in “Antik und rar”.

Archivalien und zahlreiche Keramiken von Elisabeth Eberhardt verwahrt das Museum Burghalde in Lenzburg.

Keramik von Elisabeth Eberhardt in der ZHdK-Kunstgewerbesammlung
Keramik im Schlossmuseum Lenzburg
Keramik im Gewerbemuseum Winterthur
Keramik im Schweizerischen Nationalmuseum Zürich

Bibliographie:

Attenhofer 1967
Ed. Attenhofer, Elisabeth Eberhardt, Keramikerin (1875-1966). Lenzburger Neujahrsblätter 1967.

Ball 2005
Daniela Ball, “Form ohne Ornament”? : Schweizer Keramik im Spiegel der Kulturdebatten der Zwischenkriegszeit.  Kunst + Architektur in der Schweiz 56, 2005, 38-45.

Fischer 1923
Emmy Fischer, Zu den Töpfereien von Elisabeth Eberhardt, in: Das Werk: Architektur und Kunst = L’oeuvre: architecture et art 10, 1923.

Messerli-Bolliger 1987
Barbara E. Messerli-Bolliger, Die Lenzburger Keramikerin Elisabeth Eberhardt 1875-1966, in: Museum Burghalde Lenzburg (Hrsg.), Keramik der Region,  Lenzburg 1987, 20-81.

Orelli-Messerli 2010
Barbara von Orelli-Messerli, Elisabeth Eberhardt (1875-1966) und Walter Gebauer (1907-1998): Eine keramische Begegnung als verpasste Chance?, in: Ralph Mennicken (Hrsg.), Keramische Begegnungen: Sachsen – Schlesien – Böhmen. Beiträge zum 42. Internationalen Symposium Keramikforschung des Arbeitskreises für Keramikforschung in Görlitz (D). Rareren 2010, 188-194.

Weese/Wild 1928
Maria Weese/Doris Wild, Die Schweizer Frau in Kunstgewerbe
und bildender Kunst. Schriften zur «SAFFA». Zürich und Leipzig 1928.

Embrach ZH, Landert Keramik AG

 

Landert-Keramik in CERAMICA CH

Embrach im Kanton Zürich hatte im späten 19. und im 20. Jahrhundert zwei bedeutende Keramikbetriebe: Die Geschirrfabrik und Kunsttöpferei Zangger und die Firma Landert-Keramik. Beide Firmen haben bisher keine umfassendere wirtschaftsgeschichtliche Bearbeitung erfahren (bislang nur: Stromer 1999, 162-163) und museale Objekte sind rare Ausnahmen.

Die Firma Landert-Keramik startete 1908 in sehr kleinen Verhältnissen mit eigenen Töpferei-Experimenten. Heinrich Landert (? – 1950) richtete im Keller seines Wohnhauses eine Töpfereie und einen Brennofen ein. Das Töpferhandwerk hatte er zuvor in der Kunsttöpferei von Gottlieb Zangger erlernt. 1909 gründete er eine eigene Firma und baute eine kleine, einfache Werkstatt. Das Schweizerische Handelsamtsblatt (SHAB) verzeichnete seine Firma zum ersten Mal am 29.10.1917 (SHAB 35,1917, 1732 No. 256). Heinrich Landert wurde als Inhaber einer Mechanischen Töpferei in Unterembrach angegeben.

Die Belegschaft bestand zunächst aus ihm selbst und seinem Bruder Emil (?-1948) sowie Kindern, die als Hilfsarbeiter fungierten. Bis zum Ersten Weltkrieg vergrösserte sich der Betrieb auf fünf bis sechs Angestellte. Die Werkstatt erhielt einen neuen Töpferofen und auch eine Blumentopfpresse. Der verwendete Ton kam aus eigenen Gruben im Bilg, bei der Wagenbrechi und bei Riederen (Rorbas).

Zwischen 1920 und 1934 lässt sich eine Filialfabrikation in Winterthur belegen (SHAB 38, 1920, 217 No. 32; 52, 1934, 2738, No. 232).

Um 1930 brachten die neu eingeführten elektrischen Brennöfen eine wesentliche Verbesserung der Produktion, die damals überwiegend aus Gebrauchsgeschirr, Buttertöpfen und Milchentrahmern bestand. Landert bot auch an, elektrische Brennöfen zu bauen. Der Betrieb war so erfolgreich, dass 1938 ein Elektrotunnelofen gebaut werden konnte. Der Zweite Weltkrieg reduzierte die Konkurrenz und führte zu einer nennenswerten Binnenkonjunktur, die es Landert erlaubte zwischen 1941und 1945 den Betrieb mehrfach auszubauen. Damals betrug der Höchststand der Mitarbeiter über 70.

1941 liess sich Landert einen Milchentrahmer patentieren (SHAB 60, 1941, 280, No. 29), der sich in Museumssammlungen Graubündens relativ oft findet.

1943 wurde eine Fürsorgestiftung für das Personal eingerichtet (Präsident Heinrich Landert,  sen.) und am 8. Juli eine erste Firmenmarke im Handelsamtsblatt eingetragen.

Nach dem Tod von Heinrich (I) Landert, sen. wurde die Firma im Jahr 1950 (SHAB  68, 1950. 2857, No. 61) in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt (Landert & Co.). Heinrich (II) Landert (? – 1982) und Walter Landert waren neben weiteren Familienmitgliedern Kommanditisten. 1960 wird Heinrich(III) Landert, zusätzlicher unbeschränkt haftender Gesellschafter (SHAB 78, 1960, 202 No. 171).

Die Kommanditgesellschaft wurde zum Jahreswechsel 1977/1978 in die Aktiengesellschaft “Töpferei Landert AG” umgewandelt (SHAB 96, 1978, 2765, No. 207).

1982 starb Heinrich (II) Landert und sein Bruder Martin wurde Vicepräsident der AG (SHAB 100, 1982, 4121, No. 301.

In den 1970er- und 1990er-Jahren fand die Firma eine Nische in der Produktion von Haushaltskeramik, vor allem  Fonduegeschirr, das mit grossem aufwand in Handarbeit verziert wurde. Ab 1969 kaufte die Luzerner Keramik man von der Firma Heinrich Landert in Embrach auch geschrühte, ungemarkte Rohware in Form von Caquelons hinzu, die dann mit dem Luzerner Dekor 210 verziert wurden, um vollständige Fondue-Sets in guter Qualität anbieten zu können (Auskunft Margret Loder, Ebikon). Franz und Margret Loder hatten Heinrich (III) Landert in der Keramikfachschule in Bern kennengelernt und blieben ein Leben lang befreundet. Die Luzerner Keramik arbeitete nachweislich bereits um 1945 erstmals mit der Landert-Keramik bei einem Kanne Becher-Set für den Männerchor zusammen:

1996 befand sich die “Töpferei Landert AG” in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Daher kam es 1997 zu einer Neugründung einer Aktiengesellschaft  “Landert Keramik AG” durch Christoph und Hanspeter Landert (SHAB 115, 1997, 721 No. 21.

Im selben Jahr erfolgte die Auslagerung der Geschirrproduktion in die Slowakei. 2005 kam es zu einer Wiederaufnahme der Produktion in Embrach mit Arbeitskräften der  Arbeitsstätte Hardundgut. Von der sozialen Einrichtung arbeiteten bis 2009 Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, unterstützt von vier Sozialpädagogen, im Betrieb. Im Februar 2010 wurde die Produktion definitiv beendet und die Aktiengesellschaft verkauft (18.03.2010).

Bislang ist das museal überlieferte und bekannte Gefässspektrum von Landert-Keramik sehr klein. Auf die zahlreichen Milchentrahmer, die auch die Marke “LANDERT EMBRACH-STATION mit der Armbrust” tragen, wurde oben ja schon hingewiesen. Die Marke „Armbrust“ wurde ab 1917 durch Swiss Label eingeführt und ab 1931 vom Verband für Inlandsproduktion verwendet (SHAB 49, 1931, 1086). Ab diesem Zeitpunkt finden wir sie wohl auch bei Landert-Keramik. Sie erlaubt uns die Zuweisung einer weiteren Geschirrgruppe zur Embracher Produktion.

  

Die sehr charakteristischen Dekore sind entweder mit einem Gummistempel aufgestempelt oder mit Schablone und Spritzpistole aufgebracht.

Der Dekor ist so charakteristisch, dass auch ungemarkte Stücke eindeutig zugeschrieben werden können.

Alle jüngeren Objekte tragen die erst 1943 neu eingeführte Marke, u.a. diese Art der Doppelgrifftöpfe, die als Vorratsgefässe gedient haben.

Keramiken aus der Landert-Produktion ohne genaue Datierung.

Landert, Embrach im Verzeichnis Schweizer Keramiksignaturen

Filme zur Keramik in Embrach

Bibliographie:

Markus Stromer, Geschichte der Gemeinde Embrach, Bd. 2., Das 19. und 20. Jahrhundert, Embrach 1999, 162-163.

Eysins VD, Töpferei Paul Gerber (1900–1977)

Keramik aus Eysins in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Nach einer zweijährigen Ausbildung an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-près-Renens, zwischen 1916 und 1918, perfektionierte sich Paul Gerber (1900–1977) im Bereich Drehen und Formen in Langenthal, Steffisburg und im Jura. Danach arbeitete er als Dreher in der Fayencemanufaktur von Charolles (Saône-et-Loire). Im Juli 1921 schloss er sich den Poteries du Sornin in Saint-Maurice-lès-Châteauneuf (Saône-et-Loire) an. Diese im April 1920 gegründete Töpferbetrieb befand sich unter der Leitung von Maurice Dagot, dessen Schwester Berthe Paul Gerber im August 1923 heiratete.

Das junge Unternehmen war ständig mit ernsthaften finanziellen Problemen konfrontiert, da es nicht in der Lage war, sich gegenüber der Konkurrenz, insbesondere der Faïencerie de Charolles, zu behaupten. Im November 1923 beschlossen die Aktionäre, die Produktion auszusetzen und nur noch die im Lager vorhandenen Schrühbrände zu dekorieren. Gerber fand einen Platz als Modelleur bzw. Dreher in der Steingutfabrik Hippolyte Boulenger & Cie in Montereau (Yonne). Zwischen dem 1. Februar 1924 und dem 30. November 1925 bekleidete er die Position des technischen Direktors in der Faïencerie von Charles Briand in Charolles (Duroy – siehe Quellen).

Die Auflösung der Firma Poteries du Sornin wurde im Januar 1924 bekannt gegeben. Die Gebäude und das Grundstück fanden 1925 neue Besitzer, während Gerber die Bestände an undekorierten Waren erwarb. Er versuchte, erneut eine Produktion aufzunehmen, wahrscheinlich indem er die alten Anlagen anmietete. Das Abenteuer war von kurzer Dauer: Die Öfen von Sornin wurden im April/Mai 1926 für immer stillgelegt. Ab 20. Mai 1926 hielt sich Gerber in Chauvigny-sur-Vienne auf, in der Region Poitou, wo er eine Stelle in der Porzellanfabrik von Fernand Deshoulières gefunden hatte (Duroy – siehe Quellen).

Nach seiner Rückkehr in die Schweiz im Jahr 1928 wurde er in einer provisorischen Anstellung zum stellvertretenden Fachlehrer an der Schweizerischen Keramikschule ernannt (Le Droit du Peuple vom 17. April 1928, 5). Seine Tätigkeit dauerte offenbar bis 1930/31, wird er doch von 1929 bis 1931 im Annuaire vaudois als «maître» (Meister/Fachlehrer) in der Rubrik zur Schule erwähnt. Gemäss der von seinem Enkel Christian Gerber erstellten Biografie zog er 1930 nach Ferney-Voltaire, bevor er sich in Carouge niederliess. Im Schweizerischen Handelsamtsblatt ist er am 19. September 1931 als Leiter der Firma «Paul Gerber – Commerce et fabrication de produits céramiques» mit Sitz in der Rue Jacques-Dalphin 48 in Carouge eingetragen (SHAB, Bd. 49, 1931, 2057).

Dieser Firmenname wurde einige Monate später, im Juni 1932, aus dem Register gestrichen, da der Zweck der Firma erloschen war (SHAB, Bd. 50, 1932, 1634). Es ist unwahrscheinlich, dass Gerber in so kurzer Zeit eine Produktion hätte aufnehmen können. Hatte er sich darauf beschränkt, die Produkte anderer Töpfer zu vermarkten? Nach einem kurzen Verbleib in Aubonne, wo er 1933/34, wiederum nach Angaben von Christian Gerber, einen Töpferladen betrieb, liess er sich in Nyon nieder. In Zusammenarbeit mit Robert Knecht, dem Besitzer der Töpferei Knecht in Ferney-Voltaire (Ain), eröffnete er dort unter dem Namen «Knecht et Gerber» ein neues Geschäft, das auf den Verkauf von Keramik, Fayence, Porzellan und Glaswaren spezialisiert war. Das Geschäft befand sich in der rue de Rive 43 (SHAB, Bd. 52, 1934, 2307). Knecht versuchte sehr wahrscheinlich, seinen Absatzmarkt auf die Schweiz auszuweiten, und vermutlich verbargen sich in der oben erwähnten kurzen Geschäftsperiode in Carouge die gleichen Beweggründe.

Nach diesem Lebensabschnitt, reich an vielfältigen und oft komplizierten Episoden, stellten Paul Gerber und seine Familie 1936 in Eysins, nicht weit von Nyon, endlich ihre Koffer ab. Die Löschung des Firmennamens «Knecht et Gerber» von Nyon wurde am 17. August 1938 registriert, wobei die Aktiva und Passiva von der «Poterie d’Eysins Paul Gerber» übernommen wurden, die am selben Tag offiziell eingetragen wurde (SHAB, Bd. 56, 1938, 1912). So konnte sich Paul Gerber schliesslich in Eysins in einer eigenen Werkstatt, ausgestattet mit einem nach seinen Wünschen gestalteten Holzofen, niederlassen.

Umgeben von einigen wenigen Mitarbeitern, darunter seinem Sohn Edmond, entwickelte er eine Produktion von engobierter Irdenware und Fayencen, die von seinem gesammelten Wissen zeugt, insbesondere auf dem Gebiet der Beschaffenheit der Glasuren und der Formgebung. Wirtschaftliche Zwänge drängten ihn oft, sich auf die laufende Produktion zu konzentrieren (MHPN MH-2000-127; MHPN MH-1993-22), zum Nachteil seiner kreativeren Ader, für die er offensichtliche Veranlagungen hatte (MHPN MH-2000-71; MHPN MH-2000-173A). Wie viele andere Töpfer der damaligen Zeit bediente Gerber auch den Markt für Gedenkgegenstände (ML 2020-28-1; MHPN MH-FA-4615; MHPN MH-FA-4662; MHPN MH-1993-14; MHPN MH-2000-62) und touristische Souvenirs (MHPN MH-1993-13). Zu seinen Stammkunden zählten die Genfer Floristen und Konditoren, Lebensmittelgeschäfte auf dem Land und sogar Kaufhäuser. Selbst bei grossen Serien blieb Gerber den streng handwerklichen Herstellungsverfahren treu, die er praktisch bis zum Tode fortführte.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen :

Collection de documents rassemblés par Christian Gerber sur le site www.notrehistoire.ch (critère de recherche «Paul Gerber»)

Daniel Duroy, Les faïences du Sornin (http://pjpmartin.free.fr/Chf15/Chf15_DD.pdf, consulté en mai 2019)

La Feuille officielle suisse du commerce (consultée sur le site e-periodica.ch)

La presse et les annuaires vaudois, consultés sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne

Frick AG, Dachziegelwerke Frick/Tonwerke Keller AG, Kunstkeramische Abteilung

Tonwerke Keller AG, Dachziegelwerke Frick, 1950er-Jahre, rot hervorgehoben Gebäude der Kunstkeramik (aus Ruetz, Bernhard, Vom Stein zum Haus: Die Geschichte der Keller Ziegeleien. Humlikon 2019, S. 84, verändert).

Andreas Heege, 2020

Frick ist eine Einwohnergemeinde im Kanton Aargau mit etwa 5.500 Einwohnern, etwa 20 km nördlich von Aarau.

Eckdaten zur Firma:

1904 Gründung durch Hermann Suter als mechanische Ziegelei.

Ab 1906 Aktiengesellschaft ” Dachziegelwerk Frick”, Neubau eines Werkes I im Jahr 1907. Herstellung von Biberschwanz- und Falzziegeln, daneben Backsteine.

Schon vor 1914 wirtschaftliche Schwierigkeiten, die durch den 1. Weltkrieg verschärft wurden.

1923 Übernahme der Aktienmehrheit durch die Zieglerfamilie Keller aus Pfungen (Jakob Ulrich Keller und Söhne Franz und Hans Keller). Neubau eines Werkes II ab 1924/1925, Ausbau zu einer Grossziegelei und einem der modernsten Werke Europas.

1935 Eröffnung einer neuen Opalinustongrube “in der Chäsleten” und Bau einer Luftseilbahn zum Betriebsgelände. Wirtschaftliche Krisenjahre waren 1935/1936.

Ab 1936 gab es ein bescheidenes eigenes Laboratorium, das fortlaufend ausgebaut wurde. Dieses diente, geführt von geschultem Keramik-Fachpersonal, vor allem der Qualitätsprüfung.

1938 Einrichtung einer Kunstkeramischen Abteilung, nachdem die Firma ein deutsches Patent zur Herstellung von Terra sigillata (einer eigentlich römischen Keramik mit einem feinen roten Glanztonüberzug) erworben hatte.  Herstellung erster Gefässe durch den technischen Leiter Albert Picard.

1939 Während der “Landi” (Schweizerische Landesausstellung) begann man mit der Beschäftigung eines Töpfers und richtete eine kleine Werkstatt mit elektrischem Brennofen ein. Von Anfang an entstanden neben Vasen und Schalen, Kopien nach griechischen und römischen Vorbildern, u.a. Amphoren, dazu individuell beschriftete Vereinskeramik.

Kanne mit Springfederdekor und Terra sigillata-Überzug, aus der frühen Produktion der Kunstkeramischen Abteilung zwischen 1938 und 1950.

Wegen der Mobilmachung 1939 und während des Zweiten Weltkrieges erfolgte eine phasenweise Stilllegung des Werkes.

1941 bezog die Kunstkeramikabteilung ein eigenes Gebäude, das mit einer Tonaufbereitung, elektrischen Öfen und Töpferscheiben eingerichtet und für einen Personalbestand von 5-10 Personen vorgesehen war.

1944 Brand von Werk I und Wiederaufbau, u.a. entstand 1944/1945 ein neuer Ringofen.

1954  Die gute Nachkriegskonjunktur führte zur Anlage von Werk III.

Die Kunstkeramikabteilung zeigte ihre Produkte auch wiederholte Male auf der Mustermesse (MUBA) in Basel.

1965 Abbruch und Neubau von Werk II. Verlagerung des Produktionsschwerpunktes auf Backsteine.

1970 Stillegung von Werk I (von 1944). Änderung des Firmennamens zu “Tonwerke Keller AG”.

Ab 1975 schwierige Jahre und Kurzarbeit, ab Anfang der 1980er-Jahre jedoch Erholung der Baukonjunktur und erneute Modernisierung des Werkes.

1983 Die Kunstkeramische Abteilung wurde geschlossen.

Die Firma Tonwerke Keller AG existiert heute noch erfolgreich.

Filme zum Dachziegelwerk 1925.

Bibliographie:

Jegge 1928
Emil Jegge, Das Dachziegelwerk Frick, in: Vom Jura zum Schwarzwald, Blätter für Heimatkunde und Heimatschutz 3, 1928, 5-11.

Wälchli 1981
E. Wälchli, Gebrannte Erde im Kunsthandwerk. Die Kunstkeramik-Abteilung in Frick. Die Ziegelpresse, Hauszeitung der Keller AG Pfungen und der Tonwerke Keller AG Frick, Heft 8, 1981, 6-7.

Roth 1996
R. Roth, Entwicklung des Dachziegelwerkes Frick zum Tonwerk Keller Frick, in: Museumsverein Laufenburg, Hafner, Töpfer, Ziegelbrenner. Keramische Erzeugnisse im Wandel der Zeit, Laufenburg 1996, 43-53.

Ruetz 2019
Ruetz, Bernhard, Vom Stein zum Haus: Die Geschichte der Keller Ziegeleien. Humlikon 2019.

Geiger, Benno (1903–1979), Wien, Aedermannsdorf SO und Bern BE

Benno Geiger, 1960er-Jahre (Foto Martin Hesse, Nachlass Benno Geiger)

Keramikobjekte in CERAMICA CH

Benjamin Geiger, Roland Blaettler und Andreas Heege 2020

Die folgende kurze Zusammenstellung beruht auf der untenstehenden Literatur und einer von Benjamin Geiger aufgrund des Nachlasses von Benno Geiger zur Ausstellung in Matzendorf im Jahr 2019 verfassten biographisch-familiengeschichtlichen Übersicht (überarbeitet im Mai 2020).

Benno Geiger (1903-1979) hat deutsche und schweizerische Wurzeln. Er wurde in Engelberg geboren und wuchs in Lugano auf. Die Eltern erwarben 1913 das Burgerrecht von Bosco Gurin. Seine Familie war stark kunsthandwerklich geprägt (Elfenbeinschnitzer, Holzschnitzer, Bildhauer, Tischlermeister). Benno lernte das Modellieren an der Kunstgewerbeschule in Lugano.

Benno Geiger als Mitarbeiter in der Werkstatt Meister in Dübendorf (Familienarchiv Meister &Cie, Christine Hobi-Meister).

Anschliessend absolvierte er von  November 1920 bis 1922 als erster Lehrling dieser Werkstatt eine Töpferlehre bei Heinrich Meister in Dübendorf (autobiographisches Manuskript aus dem Jahr 1972 im Nachlass Geiger, ausserdem Kölliker 2014, 84-85).

Benno Geiger, stehend, beim Modellieren einer Figur in der Werkstatt Meister (Nachlass Benno Geiger).

1923 bildete er sich in München-Schwabing bei dem Schweizer Keramiker Paul Speck (1896-1966) weiter und arbeite von Herbst 1923 bis September 1925 erneut als Mitarbeiter bei Heinrich Meister.  Vermutlich aus dieser Zeit oder aus den Jahren 1927/1928 hat sich eine Vase im Keramikmuseum in Matzendorf erhalten, die “Meister/Geiger” signiert ist (KMM 485).

Von  Herbst 1925 bis Oktober 1927 studierte Benno Geiger bei dem österreichischen Keramikdesigner und Bildhauer Michael Powolny an der Wiener Kunstgewerbeschule, und nahm anschliessend ein kurzes, schlecht bezahltes Engagement bei Friedrich Goldscheider an, bevor er 1927-1928 noch einmal zu Heinrich Meister nach Dübendorf zurückkehrte (vgl. auch Kölliker 2014, 85).

Die Fähigkeiten von Benno Geiger wurden in Wien offenbar so hoch eingeschätzt, dass man ihm im Herbst 1928 erneut eine Stelle anbot und ihn 1929 zum Künstlerischen Leiter der  Abteilung für moderne Keramik machte. Bis 1933 schuf er in der Wiener Manufaktur von Friedrich Goldscheider zahlreiche Modelle (u.a. KMM 486; vgl. auch Neuwirth 1974 und vor allem Dechant/Goldscheider 2007) und lernte dort die marktwirtschaftlich notwendige Produktion für verschiedene Käuferschichten, die er selbst mit “Kitsch-, Halbkitsch- und Edelkollektion” bezeichnete.

Schale im Stil der Goldscheider-Phase, vermutlich aus der Wiener Zeit oder unmittelbar aus den Anfängen in Aedermannsdorf.

Die nationalsozialistische Machtergreifung und die Boykottierung seines Arbeitgebers u.a. auf der Leipziger Messe, bewegten Benno Geiger schliesslich zu einer Beendigung seines Engagements im Mai 1933. Er verliess Wien im Herbst 1933.

Von Ende 1933 bis April 1934 lebte er als freier Künstler in Paris. Anschliessend kehrte er in die Schweiz zurück, wo er im Juni 1934 den Besitzer der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf  Alfred von der Mühll kennenlernte, der ihn ab August 1934 als Leiter der Kunstkeramischen Abteilung einstellte. Vereinbart wurde , dass die produzierte Kunstkeramik die Aedermannsdorfer Fabrikmarke tragen sollte, aber als “Geigerkeramik” vermarktet würde. Geiger hatte ein- oder mehrmals jährlich eine  künstlerisch hochstehende Kollektion zu entwerfen, sich um die Ausführung eingehender Aufträge zu kümmern und auch Muster herzustellen, die “künstlerisch oder geschmacklich nicht in seine Abteilung gehören”. Dafür durfte er gleichzeitig für sich auch eigene Arbeiten anfertigen (Arbeitsvertrag im Nachlass Geiger).

Unter Direktor von der Mühll erfolgte mit der 1934  neu geschaffenen Kunstabteilung eine Ausweitung im Angebot von Gebrauchsgeschirr (Messerli 2017, 118-123). Geiger nahm die Technik der Fayence wieder auf und erneuerte sie durch eigene Recherchen besonders auf dem Gebiet des Rauchbrandes (z. B. KMM 460; KMM 349).

Im Geiste des Heimatstils der Vorkriegs- und Kriegszeit entwickelte er aus marktwirtschaftlichen Gründen auch das Geschirr «Alt-Matzendorf» und Darstellungen von Trachtenbildern (z.B. KMM 510; KMM 403; KMM 497; KMM 410; KMM 493).

Seine Ritzdekore auf Engobeware oder auf Fayence sind zugleich rückwärtsgewandt und modernistisch (z. B. KMM 469; KMM 380; KMM 341).

Mit der Anstellung in Aedermannsdorf hatte Benno Geiger endlich auch die wirtschaftliche Grundlage, um am 11. September 1935 seine langjährige Freundin, die Keramikerin Eva Kowarcz , heiraten zu können. Das Paar kannte sich bereits seit 1925. Bis zum Januar 1939 lebten sie in Matzendorf, anschliessend in Basel und Balsthal bevor sie dauerhaft nach Bern umzogen.

1939 bewarb sich Benno Geiger erstmals um die freigewordene Stelle des Leiters der Keramikfachschule in Bern, da Jakob Hermanns, der bisherige Fachlehrer 1937 pensioniert und 1938 verstorben war (Messerli 2017,  107-108).  Der bernische Regierungsrat  schloss die Schule jedoch stattdessen am 24. März 1939 mit Wirkung zum 30. Oktober. Erst auf massiven Druck von verschiedenen Seiten (u.a. des Verbands Schweizerischer Töpfermeister und Tonwarenfabrikanten) korrigierte der Regierungsrat diese Entscheidung. Im Dezember 1940 wurden die Stellen des Leiters und eines Fachlehrers neu ausgeschrieben und 1941 schliesslich mit Benno Geiger und Werner Burri besetzt. Der Schulbetrieb wurde am 19. Mai 1941 in den alten Lokalitäten in der Felsenburg wieder aufgenommen bevor am 1. November 1942 ein Umzug der Keramischen Fachschule in grössere Räumlichkeiten an der Spitalackerstrasse 63 in Bern erfolgen konnte (Messerli 2017, 112). Benno Geigers Aufgaben als Leiter und Keramiklehrer waren die Berufskunde, die Glasur- und Brenntechnik und die Malstube (d.h. die Keramikmalerinnen) im 3. Lehrjahr. Das Thema Fachschule soll an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden (vgl. dazu Messerli 2017, 107-123).

Seine Arbeiten in Aedermannsdorf musste er zunächst auf 20%, dann auf 10% reduzieren und gab Mitte 1948 seine Stelle dort schliesslich ganz auf, um sich bis zu seiner Pensionierung 1969 vollständig der Fachschule (Geiger 1952), der Publikation leicht verständlicher Lehrmittel (Geiger 1947; Geiger 1957), der Jurorentätigkeit, der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Keramiker, zahlreichen Ausstellungen (Liste in Schnyder 1985, 33-36) und meist an den Wochenenden seinen eigenen “Atelierarbeiten” widmen zu können, die er bis zu seinem Tod 1979 fortsetzte.

   

Von diesen Atelierarbeiten verwahrt das Keramikmuseum Matzendorf, das Benno Geigers Werk 1991 (Aedermannsdorf 1991) und 2019 mit einer Ausstellung ehrte, einen ansehnlichen Bestand (z.B. KMM 321; KMM 322; KMM 323; KMM 324).

Zu seinen Atelierarbeiten gehören auch zahlreiche plastische Werke, wie z.B. die Musikantinnen, die vor 1957 entstanden sind.

Eine seiner herausragenden Arbeiten ist die Figurengruppe “Das Urteil des Paris” (Figurenhöhe 42, 33 und 32 cm):

Fotos Werner Singer, Uhwiesen, www.tabouret.ch  (Herzlichen Dank für das Bildmaterial!)

Zahlreiche Keramiken von Benno Geiger wurden 2017 im Auktionshaus Schuler in Zürich  (herzlichen Dank für die zur Verfügung gestellten Fotos) versteigert und befinden sich heute weitestgehend im Keramikmuseum Matzendorf (s.u.). Sie illustrieren eindrucksvoll die Bandbreite des keramischen Schaffens von Benno Geiger, der neben Werner Burri, während 28 Jahren eine grosse Zahl schweizerischer Keramikerinnen und Keramiker sowie Keramikmalerinnen und -maler mit seinem Stil und seinen künstlerischen Vorstellungen prägte.

      

Alle Objekte im Keramikmuseum Matzendorf (Fotos Schuler-Auktionen Zürich. Herzlichen Dank).

Objekte in Privatbesitz (Fotos Schuler-Auktionen Zürich. Herzlichen Dank):

Bibliographie:

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 40 und 356.

Dechant/Goldscheider 2007
Robert E. Dechant, Filipp Goldscheider, Goldscheider – Firmengeschichte und Werkverzeichnis. Stuttgart 2007.

Fachschule Bern 1960
Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.), Die Keramische Fachschule Bern und ihre Schüler – Kleine keramische Technologie, Schülerarbeiten, Arbeiten ehemaliger Schüler, Zürich 1960.

Aedermannsdorf 1991
Freunde der Matzendorfer Keramik (Hrsg.): Benno Geiger 1903-1979. Aedermannsdorf 1991.

Geiger 1947
Benno Geiger, Keramisches ABC, Bern 1947.

Geiger 1952
Benno Geiger, Keramische Fachschule Bern 1941 -1951, Bern 1952.

Geiger 1957
Benno Geiger, Keramisches Gestalten. Eine Anleitung mit über 300 Beispielen und vielen Anregungen für Laien und Fachleute (Hochwächter-Bücherei Band 19), Bern 1957.

Geiger 1967
Martin Geiger, Ein Gespräch mit dem Keramiker Benno Geiger, in: Das Werk. Architektur und Kunst 54, 1967, 799-802.

Kölliker 2014
Richard Kölliker, Meister-Keramik – Heinrich und Gertrud Meister-Zingg und ihre Kunstkeramik Werkstatt in Dübendorf-Stettbach 1920–1961. Selbstverlag., Schaffhausen 2014.

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik, von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017.

Neuwirth 1974
Waltraut Neuwirth, Wiener Keramik. Historismus, Jugendstil, Art Déco, Braunschweig 1974.

Schnyder 1985
Rudolf Schnyder, Vier Berner Keramiker: Werner Burri, Benno Geiger, Margrit Linck, Jakob Stucki. Ausstellungskatalog im Rahmen der 10. Spiezer Keramik-Ausstellung, Schloss Spiez. Bern 1985, 33–51.

Vogt 2000
Albert Vogt Die Geschichte der keramischen Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798-1998. In: Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» (Hsg.), 200 Jahre keramische Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798-1998. Matzendorf, 9-90.

Genf GE, Bastard, Marc-Auguste (1863–1926), Maler und Dekorateur

Keramik von Marc-Auguste Bastard in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

In der Liste der Gesellschaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten ist Marc-Auguste Bastard (1863–1926) ab 1901 als Maler und Dekorateur aufgeführt. Er wurde offenbar an der École des Arts Industriels in Genf ausgebildet, möglicherweise in der von Joseph Mittey geleiteten Keramikklasse. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass Bastard bereits 1885 anlässlich der Jahresausstellung der Stadt Genf im Musée Rath ein Vasenpaar aus «Fayence, Scharffeuerbrand» ausstellte; der Katalog bezeichnet ihn unter der Nr. 9 als Schüler der genannten Schule.

Mittey lehrte nur Keramikdekorationstechniken und bildete keine Keramiker aus, die den gesamten Herstellungsprozess beherrschten. Bastard musste folglich für die Formung und den Brand der Töpfereien, die er verzierte, Töpfer beauftragen. Das Musée Ariana verfügt über acht Keramiken – hauptsächlich engobierte Irdenware –, die die Unterschrift von Bastard tragen: Sieben davon wurden vom ehemaligen Musée des Arts Décoratifs von Genf in den Jahren 1902 und 1903 erworben. Im Inventar steht, dass sie von der Poterie des Pâquis ausgeführt wurden (Inv. C 0293, C 0296 bis C 0300 und C 0304). Das letzte Objekt (Inv. C 0525) ist jünger und wurde zwischen 1908 und 1910 erworben. Hierfür arbeitete Bastard mit der Töpferei Liotard in Ferney-Voltaire zusammen.

Bastard nahm mit verziertem Tafelgeschirr an der Landesausstellung von 1914 teil. Die Expertenjury lobte die Originalität der gezeigten Motive, verwies jedoch auf die mangelhafte technische Ausführungsqualität (Bern 1914, 75). Aber dieses Medium ist nur ein Teil seiner kreativen Tätigkeit: An der städtischen Kunstausstellung von 1921 im Musée Rath präsentierte er zum Beispiel einen Paravent (Katalog Nr. 410). Einer seiner populärsten Beiträge war ein Werbeposter für das Bier von Meuse, das gegen 1896 bei Lemercier in Paris gedruckt wurde (gallica.bnf.fr). Bastard verzierte auch Glas und führte Kirchenfenster (Kirche Saints-Pierre-et-Paul, Confignon GE) sowie Gebäudedekorationen aus.

In der Nr. 10 der Zeitschrift Heimatschutz – Patrimoine aus dem Jahr 1915 war die Adresse eines Händlers zu finden, der Gläser und Keramiken von Auguste Bastard verkaufte: Rue Carteret 6 in Genf.

Bastard gehörte ausserdem 1913 zu den Gründern von L’Œuvre, der Westschweizer Sektion des Schweizerischen Werkbunds, wie auch Hélène de Mandrot, mit der er befreundet war. Er war regelmässiger Gast im von Mandrot geleiteten Maison des Artistes im Schloss La Sallaz. Die beiden arbeiteten namentlich im Rahmen von Ausstellungen zusammen, die von der Vereinigung organisiert wurden (Baudin 1998, 18, 25–27, 45). Mandrot erwarb offenbar eine Keramik von Bastard, es sei denn, der Künstler schenkte sie ihr (CLS MURO 57).

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

Baudin 1998
Antoine Baudin, Hélène de Mandrot et la Maison des artistes de La Sarraz. Lausanne 1998.

Berne 1914
Schweizerische Landesausstellung in Bern. Fachberichte. Band VI. Berne 1914.

 

Genf GE, Thagouhi Beer-Zorian (1901–1982)

Keramik von Thagouhi Beer-Zorian  in CERAMICA CH

 Roland Blaettler, 2019

Thagouhi Zorian (Plovdiv, Bulgarien, 1901 – Genf, 1982) war die Tochter von Stepan oder Rostom Zorian (1867–1919), einem der drei Gründer der Armenischen Revolutionären Föderation, einer sozialistischen Bewegung, die 1890 in Tiflis gegründet wurde und sich für die Emanzipation der Armenier im Osmanischen Reich einsetzte. Thagouhi kam 1914 mit ihrer Mutter Elisabeth nach Genf, wo sie an der Kunstschule den Unterricht von Eugène Gilliard besuchte (artzakank-echo.ch). 1923 heiratete sie den Maler und Graveur Charles Richard Beer (geboren 1892). Thagouhi und Charles eröffneten einen Laden in der Grand’Rue in der Genfer Altstadt, wo sie ihre Kunstwerke ausstellten.

Thagouhi war als Malerin tätig, vor allem verwendete sie die Batiktechnik und die Malerei auf Keramik (hauptsächlich auf Fayence). An der nationalen Kunstausstellung von 1922 in Lausanne stellte sie nur Batikarbeiten aus wie auch im Folgejahr an der Ausstellung der Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen in Genf. Als Mitglied von L’Œuvre, der Westschweizer Sektion des Schweizerischen Werkbunds, nahm sie ab 1926 regelmässig an den Ausstellungen teil, die diese Vereinigung veranstaltete. Sie stellte meistens Keramik und Batik aus. 1959 zeigte sie einige Stücke im Rahmen der zeitgenössischen Schweizer Keramikausstellung im Kunst- und Geschichtsmuseum Genf. An die Ausstellung «Eugène Gilliard et ses élèves» von 1961 sandte sie fünf Batiken und fünf Keramiken (Gilliard 1961, Nr. 41–50). Sowohl unter dem Banner der Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen als auch für die Mutuelle des Artistes Genevois stellte sie bis Anfang der 1970er-Jahre Keramikarbeiten aus.

Beer-Zorian hatte engen Kontakt mit Edith Duflon, die sie offenbar in den Kursen von Gilliard kennenlernte. Die beiden Frauen teilten sich eine Zeit lang das 1925 von Duflon auf dem väterlichen Gut La Muraz eingerichtete Atelier in Villeneuve. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Beer-Zorian an der Seite von Duflon an die Kunst der Fayence herangeführt wurde.

Für die in La Muraz möglicherweise zwischen 1925 und 1930 ausgeführten Arbeiten verwendete die Keramikerin die gleichen Glasuren mit satten und kräftigen Farben wie ihre Kollegin (MHL AA.VL 2002 C 5508-15; MHL AA.VL 2002 C 5508-54). Die Formen der Gefässe wurden von Dritten entworfenen und gestaltet (siehe auch «Edith Dusserre-Duflon»). An der SAFFA, der grossen Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit, die 1928 in Bern durchgeführt wurde, zeigten Duflon und Beer-Zorian ihre Arbeiten an einem eigenen Stand, den sie speziell für diese Gelegenheit von einem Architekten hatten zeichnen lassen, mit dem Schild «La Muraz – Poterie artistique» (SAFFA 1928, Ausstellernr. 1303).

Die späteren Werke von Beer-Zorian, die hauptsächlich aus Fayence bestehen, zeichnen sich allgemein durch eine abgeschwächtere Farbpalette mit oft wässrigen Farben aus. Die Figuren oder Blumenmotive sind sehr frei gezeichnet, mit manchmal an Dilettantismus grenzenden Formen (MHL AA.MI.1744; MHL AA.MI.1659 – Musée Ariana, Inv. AD 0418; AD 1235; AD 1236; AD 1237; AR 11479; AR 11498; AR 11499).

Anlässlich einer Ausstellung der Mutuelle Artistique von Genf äusserte die bekannte Kunstkritikerin Lucienne Florentin im Jahr 1925, nachdem sie das Talent von Beer-Zorion in der Batiktechnik lobte («Frau Beer-Zorian sollte Ihre Aufmerksamkeit auf die Batiktechnik richten»), eine eher milde Kritik zu den Keramiken von Thagouhi: «zerfliessende Farben, ein bisschen schmückende Verwirrung, warme, manchmal tiefe Töne, ein eher schöner Werkstoff, eine ergiebige Fantasie und manuelle Lebhaftigkeit» (La Suisse vom 28. November 1925, S. 1).

Die Marke von Beer-Zorian setzt sich im Grund aus einem Motiv aus zwei nebeneinanderliegenden Dreiecken und der Erwähnung «TB / ZORIAN» zusammen (MHL AA.MI.1744).

Übersetzung Stephanie Tremp

Sources:

Artzakank, bimestriel bilingue français-arménien publié à Genève (artzakank-echo.ch. – consulté en mai 2019)

 Bibliographie:

Gilliard 1961
Eugène Gilliard et ses élèves. Exposition commémorant le centième anniversaire de la naissance de l’artiste. Catalogue d’exposition, Musée Rath. Genève 1961.

Saffa 1928
Saffa. Schweiz. Ausstellung für Frauenarbeit – Exposition nationale suisse du travail féminin. Catalogue principal. Berne 1928.

Genferseeregion/Savoyen, die engobierten Irdenwaren (Ende 19. bis 20. Jahrhundert)

Keramik der Genferseeregion/Savoyens in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019 (mit Ergänzungen durch Andreas Heege, 2023)

Bei der Zusammenstellung dieses Inventars haben wir besonderes Augenmerk auf die in der Westschweiz gebräuchliche Keramik gelegt, bei der es sich im Allgemeinen um engobierte, glasierte Irdenware handelt (MHL AA.46.D.21). Es versteht sich von selbst, dass die Interpretation dieser Art von Produktion oft schwierig ist, da die verwendeten Technologien und Formen sehr einfach, weit verbreitet und von langer Lebensdauer sind. Das häufige Fehlen von Dekoren und das fast systematische Fehlen von Marken machte unsere Aufgabe nicht leichter. Ausserdem mussten wir feststellen, dass dieses Alltagsgeschirr in den Museumssammlungen nicht sehr gut vertreten ist. Objekte dieser Art haben den Lauf der Zeit nur selten überlebt, eben weil sie im Alltag verwendet wurden und weil ihr banales Aussehen selten einen Konservierungsreflex auslösten.

In den ländlichen Gebieten erwarteten wir, dass die Heimatmuseen, die sich oft mit dem Alltagsleben befassen, mehr Interesse an dieser Art von Geschirr haben würden. Dies ist in der Tat der Fall, sei es in den Kantonen Waadt oder Neuenburg. Diese Einrichtungen sind jedoch im Allgemeinen jüngeren Datums als die städtischen Museen und stammen meist aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und in diesen relativ jungen Sammlungen stellt man fest, dass eine Minderheit der Objekte – in dem Bereich, der uns interessiert – aus ehemaligen einheimischen Familien stammt: Eine grosse Anzahl von Exemplaren wurde von Antiquitätenhändlern erworben oder von Sammlern gestiftet, was die Frage nach der genauen Herkunft der Keramik weiter verwischen dürfte.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass das bewahrte Gebrauchsgeschirr aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, vor allem aber aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stammt.

Ältere Exemplare sind selten (z. B. MHL AA.46.D.18; MHL AA.46.D.6; MVVE 5244; MPE Nr. 12; MHV 984; MHPN MH-FA-611; MHPN MH-FA-4061; MHPN MH-FA-525). Aber selbst in diesem modernen Segment bleibt die Ernte relativ bescheiden. Dies gilt für das Alltagsgeschirr, aber auch für die in den Quellen jener Zeit als «künstlerisch» bezeichneten Keramik, die oft aus denselben Werkstätten stammte. Dies ist überraschend, wenn man die Anzahl der bisher erfassten Töpfereien und die Lebensdauer einiger von ihnen bedenkt.

Nach der Untersuchung der Neuenburger und Waadtländer Sammlungen, die wir auch mit den Genfer Beständen (und insbesondere mit der Sammlung Amoudruz des Musée d’ethnographie) verglichen haben, stellten wir eine grosse Homogenität im Bestand der Gebrauchskeramik innerhalb dieses weiträumigen Gebiets fest, das sich von den Ufern des Genfersees bis zum Neuenburger Jura und nach Savoyen (Buttin/Pachoud-Chevrier 2007) erstreckte.

Beispiele hierfür sind diese zylindrischen Behälter für die Konservierung von Lebensmitteln, die in der Genfer Region als «Toupines» bezeichnet werden (MPE 2938; MVB 380B; MVB 380C; MVB 380D; MHPN MH-FA-4427A; MHPN MH-1996-79; MHPN MH-FA-4427B);

oder diese bekannten Krüge mit ihrem röhrenförmigen Ausguss und den Doppelgriffen, die in der Regel mit einer grünen Glasur überzogen sind (MM 920; MM 929; MHPN MH-1996-77).

Weitere Beispiele sind die konischen Aufrahmschüsseln (MM 1014; MHPN MH-1996-78), zu denen auch eines der wenigen gemarkten Stücke aus der  Poterie moderne von Chavannes-près-Renens gehört (MHL AA.46.D.22).

Andere Formen sind in den Sammlungen weniger häufig vorhanden, gehören aber zum gleichen Produktionstyp wie diese Tassen und Untertassen (MVM M 193; MVM M 195), Terrinen (MHL AA.VL 90 C 690; MVB No 2) oder Schmalztöpfe (MVM M 204; MVM M 203).04; MVM M 203).

Im gleichen Verbreitungsgebiet fanden wir zahlreiche Beispiele eines anderen Typs, der zur gleichen Produktionsart gehört, sich aber durch das fast systematische Vorhandensein eines Dekors auszeichnet, der meist aus einem skizzierten floralen Motiv oder einem geometrischen Muster besteht. Bei dieser relativ kohärenten Gruppe von Objekten handelt es sich fast ausschliesslich um zylindrische Milchtöpfe in unterschiedlichen Grössen, die durch einen verdickten und aussen gekehlten Rand gekennzeichnet sind (MVB Nr. 1; MVVE 3210; MPE Nr. 8; MRVT Nr. 68; MRVT BR 4a; MRVT Nr. 67; MRVT BR 4; MPA 914; MPA Bv 4; MPA Bv 15; MPA Bv 12; MPA Bv 5).

Eine Abbildung aus einer ethnologischen Studie (De Freire de Andrade und De Chastonay 1956, Abb. 5) und die zahlreichen vergleichbaren Exemplare im Musée d’ethnographie de Genève in der Sammlung Amoudruz, wo sie fast systematisch «Colovrex» zugeschrieben werden, veranlassten uns am Anfang, sie der Keramik der Töpferei Knecht von Colovrex (oder sogar Ferney-Voltaire) zuzuordnen. Die Sammlung von Amoudruz enthält eine Reihe von Töpfen der gleichen Form mit Gedenkinschriften, datiert zwischen 1914 und 1967. Je mehr Objekte wir untersuchten, desto mehr Unterschiede konnten wir in der Machart feststellen. Diese Variationen lassen sich zum Teil durch die Langlebigkeit dieses Produkttyps erklären, aber sie legen auch die Möglichkeit nahe, dass andere Werkstätten eine sehr ähnliche Typologie übernommen haben.

Und tatsächlich, bei der Durchsicht des im Kanton Neuenburg erfassten Materials, haben wir vor kurzem ein zylindrisches Milchkännchen gefunden, das im Musée régional du Val-de-Travers in Môtiers aufbewahrt wird, das perfekt in diese Kategorie passt und das wir bei der Veröffentlichung des ersten Bandes der gedruckten Version unseres Inventars (Ceramica CH, t. I) nicht berücksichtigt hatten. Dieses Gefäss, das mit einem mehrfarbigen Marmorierungsmuster auf dunkelbraunem Grund verziert ist, trägt jedoch die Prägemarke der modernen Töpferei von Chavannes-près-Renens (MRVT Nr. 26)!

Eine Marke, die wir in diesem Stadium unserer Forschungen noch nicht identifiziert hatten und von der wir heute wissen, dass sie 1902 eingeführt wurde, gleich nach der Gründung der Töpferei durch Lucien Ménétrey. Sehr wahrscheinlich blieb sie bis 1905 in Kraft, als der Betrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde (siehe das Kapitel «Les poteries de Renens et de Chavannes-près-Renens»). Dank dieses Exemplars, das unseres Wissens als einziges dieses Typs gemarkt ist, wissen wir nun, dass zylindrische Töpfe dieses Typs nicht systematisch den Knecht’schen Töpfereien zugeschrieben werden dürfen.

Es ist jedoch klar, dass die Knechts mit ihren beiden Betrieben beiderseits der Grenze eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der engobierten Irdenware in der Genferseeregion gespielt haben. In den Jahren 1875–1920 umfasste ihr Sortiment eine feiner ausgearbeitete Art von Keramik, die als «künstlerisch» eingestuft werden konnte, die berühmten patronymischen Kannen (auch «Willkommenskannen» genannt, vor allem in der Ferney-Literatur) mit ihrem unvermeidlichen gemodelten Auflagendekor aus Weinrebenzweigen (MVVE 2355; MVVE 2411).

Die Zuschreibung an die Töpfereien Knecht ist heute dank der beiden einzigen bekannten gemarkten Exemplare, die beide im Musée du Château de Nyon aufbewahrt werden (MHPN MH-2015-9; MHPN MH-2014-10), gesichert. Das Verbreitungsgebiet dieses Gefässtyps, so wie es bisher aussieht, entspricht dem der zylindrischen Töpfe mit skizziertem oder geometrischem Blumendekor, d.h. den Kantonen Genf, Waadt und Neuenburg (siehe oben). Die «Willkommenskannen» dienen somit als Gradmesser für die Stärke der kommerziellen Durchdringung der Knechts in einem Gebiet, das weit über die Grenzen von Genf hinausging. Es ist anzunehmen, dass dieses Phänomen auch die Produktion von Alltagsgeschirr betraf.

Masstabelle für gebrannte Töpferwaren, die von der Föderation der Töpfer der Region Genf, Ferney, Renens, Annecy und der umliegenden Gebiete und von den unterzeichneten Arbeitgebern übernommen wurden.

Angesichts der Unmöglichkeit, das in den Kantonen Neuenburg und Waadt untersuchte Alltagsgeschirr – insbesondere die Objekte ohne Dekor – genauer zuordnenzu können, haben wir beschlossen, es vorläufig unter dem Oberbegriff «engobierte Irdenwaren der Genferseeregion» zusammenzufassen. Ein wertvolles Dokument, das 1984 von Historikern von Ferney-Voltaire veröffentlicht wurde, unterstützt unseren Ansatz: das «Tableau des mesures de poterie cuite adoptées par la Fédération des ouvriers tourneurs de la région de Genève, Ferney, Renens, Annecy et zones environnantes et de Messieurs les patrons soussignés» [Masstabelle für gebrannte Töpferwaren, die von der Föderation der Töpfer der Region Genf, Ferney, Renens, Annecy und der umliegenden Gebiete und von den unterzeichneten Arbeitgebern übernommen wurden] (Ferney-Voltaire 1984, 264–265).

Dieses lithografierte Dokument aus dem Ende des 19. Jahrhunderts (wir persönlich ordnen es zwischen 1893 und 1896 ein) sollte in den Werkstätten angeschlagen werden. Es zeugt von den Bemühungen der Töpfermeister der Genferseeregion, ihre Preisgestaltung zu vereinheitlichen, vielleicht auf Druck der Vereinigung der Dreher (Fédération des ouvriers tourneurs). Die Tabelle legt die Anzahl der Stücke jeder Form fest, die ein Töpfer mit einer bestimmten Menge Ton, dem «compte», herzustellen hatte. Der «compte» war somit die Masseinheit für die Berechnung des Entgelts der Dreher.

Die Tabelle listet etwa 30 Formen in jeweils verschiedenen Grössen auf, Höhe und Breite der Objekte werden auf einen halben Zentimeter genau angegeben. Diese Genauigkeit in den Massen setzte stark standardisierte Formen voraus.

Wir stellen die Existenz einer Art grenzüberschreitender Fachgruppe fest, oder besser gesagt zweier Gruppierungen, die die Arbeitnehmer auf der einen Seite und die Arbeitgeber auf der anderen Seite zusammenbringen. Diese gegenseitige Interessengemeinschaft erklärt sich offensichtlich durch die hohe Durchlässigkeit der Grenze in Bezug auf die Mobilität von Fachkräften. Es liegt auf der Hand, dass zum Beispiel Dreher unabhängig von der Grenze von einer Werkstatt zur anderen ziehen mussten. Die Geschichte der verschiedenen Werkstätten in Nyon oder Renens zeigt deutlich die engen persönlichen Beziehungen zwischen einigen dieser Betriebe und dem Töpferzentrum in Ferney-Voltaire bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts (siehe insbesondere die Kapitel «La Poterie commune de Nyon et ses successeurs» und «Les poteries de Renens et de Chavannes-près-Renens»).

Unter den Unterschriften der Patrons am Ende des Dokuments befindet sich die des Töpfermeisters Alexandre Liotard, der seit 1882 in Ferney-Voltaire tätig war. Für die Knecht-Töpfereien in Colovrex und Ferney-Voltaire ist es offenbar Stanislas, der das Dokument unterzeichnet hat. Nach dem Tod von Lucien im Jahr 1890 wurden die beiden Werkstätten von seiner Witwe Jeanne gemeinsam mit ihren drei Söhnen Stanislas, Arnold und Louis geführt (Buttin/Pachoud-Chevrier 2007, 85-88). Weiter unten figuriert Jean Bœhler, der zwischen 1885 und 1902 die Poterie commune de Nyon leitete. Was die Töpfer von Renens betrifft, so sind sie alle aufgeführt: Samuel Jaccard, seit 1890 in Renens ansässig, Paul Bouchet, der die von seinem Vater 1883 gegründete Werkstatt übernommen hatte, und Émile Mercier, der 1892 seine Töpferei gründete und bis 1898 an der Spitze des Unternehmens blieb. Zur Gruppe der Arbeitgeber gehörten auch vier Genfer Töpfer: Aimé Joseph Amédée Gremaud, ein Töpfer und Ofenbauer, der von 1883 bis 1899 an der Place de la Navigation ansässig war (SHAB, Bd. 1, 1883, 723 – Bd. 2, 1883, 723). 17, 1899, 1241); Alfred Pouzet, der 1888 die vier Jahre zuvor von seinem Vater Antoine in der Rue de la Terrassière gegründete Töpferei übernahm und bis 1924 weiterführte (SHAB, Bd. 6, 1888, 716 – Bd. 6, 1888, 716). 42, 1924, 734); Jacob Knecht, ein Neffe von Henry, dem Gründervater der Töpferei Ferney, der an der Seite seines Onkels ausgebildet wurde, bevor er 1884 eine Töpferei in der Rue du Temple in Carouge übernahm (SHAB, vol. 2, 1884, 45), und schliesslich François-Joseph Cartier-Girard, Inhaber einer «Töpferfabrik für Gebrauchskeramik», die er 1893 in Petit-Saconnex (GE) gründete und bis zu seinem frühen Tod 1896 leitete (SHAB, Bd. 11, 1893, 195 – Bd. 14, 1896, 1097). Die letztgenannte Töpferei wurde übrigens 1896 von Louis-Charles Leuba, Jules Genoux und Henri Magnin unter dem Namen Leuba et Co. übernommen (SHAB, Bd. 14, 1896, 1089). Das Landesmuseum in Zürich besitzt einen Wasserkrug zum Servieren von Absinth mit der Marke «G. Girard Genève» (Inv. LM-65630).

Henri Magnin ist ebenfalls unter den Unterzeichnern unserer Tabelle, allerdings auf der Arbeiterseite: Er war damals Präsident der 1892 gegründeten Chambre syndicale des ouvriers tourneurs en poterie du canton de Genève; Magnin hatte dieses Amt mindestens bis 1901 inne (SHAB, Bd. 10, 1892, 934 – Bd. 19, 1901, 782). Einige Jahre später, zwischen 1905 und 1907, war Henri Magnin erneut Direktor der Poterie moderne S. A. von Chavannes-près-Renens (siehe das Kapitel «Die Töpfereien von Renens und Chavannes-près-Renens»).

Wie allein aus diesem Dokument hervorgeht, bildeten die Töpfer der Genferseeregion und teilweise Savoyens (Buttin/Pachoud-Chevrier 2007) ein echtes Netzwerk, sowohl auf der Ebene der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ihre Basisproduktion – undekoriertes Alltagsgeschirr bzw. Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie es in den meisten Werkstätten hergestellt wurde – ein sehr homogenes Ganzes bildete.

Um auf die stilisierten oder geometrischen Blumendekore der oben erwähnten zylindrischen Milchtöpfe zurückzukommen, haben wir hier und da sehr ähnliche Ornamente und eine ähnliche Machart auf anderen Formen gefunden. Auf Milchkannen (MVB 380F; MVB 380E; MPA Bc 32), auf einem Teller im Musée du Pays-d’Enhaut in Château-d’Œx (MPE 1336) oder auf einem Teller im Museum von Montreux (MM 766). Die Ähnlichkeit mit den Blumendekors der zylindrischen Töpfe ist besonders auffällig auf einem Teller, der möglicherweise aus der Poterie commune de Nyon stammt, als diese noch von Théophile Thomas-Morello geleitet wurde (MPE 2995). Es ist anzumerken, dass diese wenigen Objekte die einzigen bislang erfassten Beispiele für diese Art von Dekor auf anderen Formen als zylindrischen Töpfen sind. In der Sammlung Amoudruz gibt es nur etwa zehn ähnlich dekorierte Teller oder Milchkannen von insgesamt etwa 400 regionalen Töpferwaren.

Wie eine Ansicht seines Standes auf der Exposition industrielle de Carouge-Acacias im Jahr 1906 zeigt, stellte Jacob Knecht in seiner Töpferei in Carouge ähnlich dekoriertes Geschirr her wie die meisten der oben beschriebenen, häufig verwendeten Gefässe (Dumaret 2006, 141–143, Abb. 113).

Sein Sohn Édouard (1876–1928) trat 1913 die Nachfolge von Jacob an (SHAB, Bd. 32, 1914, 1289). Nach Édouards Tod führte seine Witwe Lina die Arbeit unter dem Firmennamen Veuve Édouard Knecht fort, bevor sie 1930 zusammen mit dem Bildhauer Jean Chomel (1902–1979 – SHAB, Bd. 48, 1930, 903) die Kollektivgesellschaft Knecht & Chomel gründete. Nach dem Tod von Lina im Jahr 1932 übernahm Chomel die Leitung des Unternehmens allein, bevor er im Jahr 1934 die Poterie de Carouge S. A. gründete. Diese Firma ging zwei Jahre später in Konkurs (SHAB, Bd. 52, 1934, 2101 – Bd. 54, 1936, 1984).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:
Feuille officielle suisse du commerce, dès 1883 (consultée sur le site e-periodica.ch)

Bibliographie:

Buttin/Pachoud-Chevrier 2007
Anne Buttin/Michèle Pachoud-Chevrier, La Poterie domestique en Savoie, Annecy 2007.

De Freire de Andrade et de Chastonay 1956
Nadège de Freire de Andrade et de Philibert Chastonay, La dernière poterie rustique genevoise. Archives suisses d’anthropologie générale XXI, 8-141.

Dumaret 2006
Isabelle Dumaret, Faïenceries et faïenciers à Carouge. Arts à Carouge: Céramistes et figuristes. Dictionnaire carougeois IV A. Carouge 2006, 15-253.

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Gesellen, fremde im Kanton Bern (ausserkantonale, ausländische)

Orte mit Keramikproduktion im Kanton Bern aufgrund archivalischer Nachweise.

Andreas Kistler, Andreas Heege, 2021

Der Kanton Bern verfügt mit der ämterweise geführten Fremdenkontrolle über eine, ungewöhnliche Quelle zum Handwerk. Trotzdem die Kontrolllisten nicht aus allen Ämtern erhalten sind, ergeben sich grundlegende Informationen zum Hafnerhandwerk im Kanton Bern im 19. Jahrhundert. Zwischen 1810 und 1908 musste jeder ausserkantonale und ausländische Geselle, also auch die Hafnergesellen, der im Kanton Bern Arbeit fand, gemeldet werden und zwar mit dem Arbeitsort und dem Namen des beschäftigenden Hafners, der Arbeitsdauer und dem Namen und Herkunftsort des Gesellen. So verfügen wir heute über eine Liste der Hafnereien (siehe Kartierung grüne Punkte), die sich im 19. Jahrhundert die Beschäftigung eines Gesellen leisten konnten. Ausserdem bekommen wir einen Eindruck, aus welchen Kantonen oder Bundesländern Österreichs oder Deutschlands bzw. Frankreichs (sehr selten) Gesellen zuwanderten. Die Gesellenwanderung ist im 19. Jahrhundert der Motor des technologischen und dekorativen Wandels und trug wesentlich zur Entstehung und Ausbreitung der Keramik “Heimberger Art” bzw. der “Thuner Majolika” bei.

Liste der bernischen Hafner, bei denen fremde Gesellen gearbeitet haben (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Liste der fremden Gesellen nach Alphabet (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Liste der fremden Gesellen nach Land, Kanton/Bundesland, Ort (Daten Andreas Kistler nach Archivalien StAB)

Der Zustrom schweizerischer, aber auch deutscher Gesellen nach Heimberg hielt nach 1800 unvermindert an. Zwischen 1810 und 1908 lassen sich in den beiden relevanten Amtsbezirken Thun und Konolfingen die Arbeitsmeldungen für 401 Gesellen aus der Schweiz (inkl. Kanton Bern), 229 aus Deutschland, 19 aus Frankreich (Elsass), 7 aus Österreich und einen aus den Niederlanden bzw. Ungarn nachweisen (StAB, Archivalien der Fremdenkontrolle).

Unter den Gesellen aus Deutschland dominieren die aus Baden und Württemberg weit vor denen aus Bayern, Hessen, Nassau, Preussen oder Sachsen. Unter den schweizerischen Gesellen stammen viele aus den Kantonen Aargau (vor allem Rekingen), Basel (Läufelfingen), Luzern (Malters, Meggen), Sankt Gallen (Berneck und Orte im Umfeld-Altstätten, Au, Balgach, Eichberg, Lüchingen, Marbach sowie Rapperswil, St. Gallen), Schaffhausen (Beggingen, Neunkirch, Ober- und Unterhallau, Thayngen und Wilchingen), Thurgau (Berlingen, Steckborn), Waadt (Duillier, Poliez-Pittet) und Zürich (Bülach, Dällikon, Rafz, Schauenberg, Unterstammheim, Wädenswil und Zürich). Alle diese Gesellen nahmen die Kenntnis des «Heimberg Stils» (Dekortechnik und Motive) mit zurück in ihre Heimatgemeinden und sorgten auf diesem Wege für eine entsprechende Verbreitung.

Da die Unterlagen der ämterweise geführten Fremdenkontrolle wohl korrekt sind, so lassen sich entgegen bisherigen Zahlenangaben in der Literatur (Schwab 1921, 85; «80 Gesellen pro Jahr in den 1850er-Jahren») in keinem Jahr zwischen 1809 und 1908 in der Region Heimberg-Steffisburg mehr als 27 Ameldungen fremder Gesellen nachweisen. Wir müssten also postulieren, dass gleichzeitig etwa 50 weitere, bernische Gesellen beschäftigt wurden. Durchweg mehr als zehn Neuanmeldungen je Jahr charakterisieren offenbar die produktivsten Jahre des Heimberger Gewerbes zwischen 1843 und 1866. Nach diesem Zeitpunkt fallen die Zahlen unter zehn und schwanken zwischen 1880 und 1908 zwischen einem und drei fremden Gesellen je Jahr. Die von Schwab mitgeteilten Streitigkeiten mit den deutschen Gesellen in den 1860er-Jahren (Schwab 1921, 81) finden eine klare Bestätigung in den festgehaltenen Neuanmeldungen. Wurden 1863 und 1864 noch neun bzw. acht deutsche Gesellen für die Region Heimberg verzeichnet, so fiel die Zahl 1865 auf drei, 1866 auf zwei, 1867 auf einen, und 1868 kam gar kein deutscher Geselle mehr. Zwischen 1869 und 1881 sind dann nur noch insgesamt elf deutsche Gesellen dokumentiert. Es darf dabei jedoch nicht übersehen werden, dass sich das Heimberger Gewerbe offenbar in dieser Zeit in einer grundsätzlichen Krise und Phase der Umstrukturierung befand, denn auch die Zahl der schweizerischen Gesellen war im selben Zeitraum stark rückläufig.

Frz.: Compagnon

Engl.: Journeyman

Bibliographie:

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.

Grenchen SO, Hafnerei  Affolter (1799-1813)

Roland Blaettler (Übersetzung Rudolf Schnyder) 2019

Euseb Affolter errichtete 1799 oberhalb des Dorfes Grenchen, beim sogenannten Schafgässlein (an der heutigen Studenstrasse), eine kleine Hafnerhütte, die von seinen Nachkommen bis ins Jahr 1913 mit einer Belegschaft von zwei bis drei Arbeitern weitergeführt wurde. Die Hafnerei soll – wahrscheinlich in den Anfängen – «blau und weiss glasierte» Ofenkacheln produziert haben, später auch Blumengeschirr, Milchtöpfe und Tassen (Strub 1949, 332).

Erhalten hat sich im Kultur-Historischen Museum Grenchen (KHM 0058) ein 1879 datiertes Tintengeschirr, das aufgrund des Museumseintrages der Hafnerei Affolter zugewiesen wurde.

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014,52

Strub 1949
Strub, Werner, Heimatbuch Grenchen. Die vergangenen Jahrhunderte bis in die Gegenwart dargestellt, Solothurn 1949.