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Bugnei GR, Töpferei Sep Anthoni Deragisch (Vater und Sohn)

Jau Baibel Bugien Cafe 1842 – Ich trinke gern Kaffee!  Sicher das eindrucksvollste Werk von Sep Antoni Deragisch aus Bugnei.

Keramik aus Bugnei in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019

Die Hafnerei in Bugnei, Gemeinde Tavetsch, Bezirk Surselva im Bündner Oberland am Fusse des Oberalppasses geht auf Sep (Josef) Antoni Deragisch (*13. März 1815, + 6. August 1882, Lebensdaten nach HLS), den Sohn eines katholischen Bauern zurück (alle Informationen basieren auf: Curti 1920; Gadola/Curti 1929; Frei 1947, 31; Creux 1970, 128–129, Kat. 4 und 5; Schnyder 1979, 331. Freundliche Hinweise lieferte auch Tarcisi Hendry, Museum La Truaisch, Sedrun. Unveröffentlicht: Haldner 1982. Ohne weitere eigenständige Informationen: Jenny 1991, 136; Erstveröffentlichung dieses Textes Heege 2016).

Sep Antoni Deragisch machte seine Lehre bei dem Hafner Fidel Wölfle in Wangen im Allgäu. 1920 war das Original seines Gesellenbriefes von 1834 noch im Besitz der Familie (Curti 1920, 270, Verbleib unbekannt). Nach dem Abschluss der Lehre gründete er in seinem Heimatdorf in seinem Haus einen eigenen Töpfereibetrieb.

Sep Antoni d. J. (*21. September 1842, + 27. Oktober 1930)

Sein Sohn und Nachfolger Sep Antoni d. J. (*21. September 1842, + 27. Oktober 1930), der in Flüelen die Hafnerlehre bei einem nicht überlieferten Meister absolvierte, stellte die Produktion wohl bald nach 1918 ein, wobei das genaue Schlussjahr unbekannt ist (Curti 1920). Er dürfte der Gewährsmann für die Informationen gewesen sein, die sich in den Veröffentlichungen von Pater Notker Curti aus dem Benediktinerkloster Disentis finden.

 

Überblick über das hauptsächliche Produktionsspektrum von Bugnei, Sammlung des Klostermuseums Disentis.

Einen Eindruck von der produzierten Keramik vermitteln die Sammlungsbestände des Rätischen Museums, die teilweise von Pater Notker Curti und von Sep Antoni Deragisch d.J. selbst stammen sowie der grösste Bestand in der Sammlung des Klostermuseums Disentis. Daneben gibt es entsprechende Keramik in der Sammlung des Museums La Truaisch in Sedrun sowie im Museum Nutli Hüschi in Klosters. Erhalten hat sich auch ein in romanischer Sprache geschriebenes Geschäftsbuch mit Eintragungen von 1866–1882 (also wohl von Sep Antoni Deragisch d. Ä., Transkription Tarcisi Hendry, 2021) sowie ein bislang nicht ausgewertetes Skizzenbuch mit Datierungen ab 1875 (zumindest teilweise also wohl von Sep Antoni Deragisch d. J.; RMC Inv. H1981.1134, H1982.12). Sollte Pater Notker in seinem Aufsatz von 1920 dieses Skizzenbuch vor Augen gehabt haben, so ergibt sich eine Diskrepanz zwischen den handschriftlichen Daten im Buch und Notkers Zuordnung. Notker Curti nimmt an, dass es sich vor allem bei den Zeichnungen der Kachelöfen um Skizzen von Sep Antoni Deragisch dem Älteren handelt. Diese Information kann er eigentlich nur vom letzten Hafner selbst haben, denn das Buch liefert dafür keinen Beleg.

Es enthält darüberhinaus einen technischen Schnitt durch einen typischen stehenden Töpferofen, wie er im 19. Jahrhundert in der Deutschschweiz erwartet werden kann. Ob der holzgefeuerte Töpferofen in Bugnei jedoch ebenfalls diesem Bautypus entsprach, ist unbekannt.

Skizzenbuch aus dem Rätischen Museum: Töpferofenquerschnitt, Kachelofen, Gebrauchsgeschirr (RMC H1981.1134).

Daneben gibt es zahlreiche Skizzen zu Kachelöfen. Sep Antoni Deragisch d. Ä. begeisterte sich offenbar vor allem für den Dekor und den Kachelofenstil des biedermeierlichen Empire bzw. des beginnenden Historismus. Gleichzeitig wurden im Skizzenbuch aber auch andere technische Details notiert (z. B. eine wasserradgetriebene Töpferscheibe oder Glasurmühle) und offenbar im eigenen Betrieb gefertigte Gefässformen skizziert.

Zu den Produkten der Werkstatt Deragisch äusserte sich Pater Notker vermutlich auf der Basis der von ihm zusammengetragenen Klostersammlung sowie der nach Chur an das Rätische Museum vermittelten Stücke folgendermassen:

«Die gangbaren Hausierwaren bieten leider nicht viel an Dekor und Form. Sie teilen sich in zwei Gruppen: In Gebrauchs- und Ziergegenstände. Zur ersten Abteilung gehören all die verschiedenen Töpfe, Krüge und Häfen, vom einfachen unglasierten Blumentopf bis zum grossen Kaffeekrug, die grösseren Stücke meist dunkel, fast schwarz (RMC Inv. H1971.459, KMDis Inv. 1999-350, U15, RMC Inv. H1971.451, H1971.460. Alle Stücke, die das RMC heute verwahrt, wurden von Pater Notker angekauft. Weitere typische Bügelkannen: KMDis Inv. 1999-347, U20, U22, U24, U32, RMC Inv. H1971.1174, H1973.885, H1984.3 (Kauf in Rodels). Kaffee- und Teekannen: KMDis Inv. 1999-351, U31, U34, RMC Inv. H1971.451, H1971.460), die anderen schmutzigweiss oder gelbbraun, die Blumentöpfe gern grün (KMDis Inv. U16, 1999-344, U21–U23). Mit Verzierungen war man in Bugnei stets sparsam, das schwarze Geschirr ist ohne Schmuck, das helle wird mit einem mageren Blattkranz, dem Rest von Deragischs Empirekunst, oder mit dünnem Punktdekor abgemacht (KMDis Inv. U1, U4, RMC Inv. H1971.477, KMDis Inv. U6. Weitere Stücke, die hier stilistisch wohl zugeordnet werden können: KMDis Inv. 1999-346, U5, U18, U137 und U137a (Tassen, Kauf in Bugnei 1947), RMC Inv. H1964.233 (Kauf in Trun 1910), H1970.203, H1971.478, H1971.1164 (Fehlbrand, Kauf in Bugnei in der Werkstatt Deragisch).

Originell sind fast nur die sog. broccas, die allerdings sehr altertümlich anmuten. Es sind Bauernkrüge, heute meist für Kaffee verwendet, mit kleinem rundem Ausguss und zwei Henkeln, einem kleinen dem Ausguss gegenüber und einem grösseren gedrehten Traghenkel. Da dieser aber das gefüllte Gefäss nicht trägt, wird er mit Draht oder Schnur verstärkt. Zwei Löcher an den Henkelansätzen dienen zur Befestigung der Verstärkung. Auch die Ziergegenstände sind nicht sehr dekorativ, weder in Form noch Farbe.

Nicht nur die rohen Weihwasserkessel (RMC Inv. H1970.216, H1970.217. Weitere: KMDis Inv. 1996-298, 1996-299, RMC Inv. H1971.474. In der Klostersammlung Disentis ist für eine der Weihwasserbecken-Rückseiten ein «JAD» signierter Model erhalten: KMDis Inv. 1999-345) und Kruzifixe (KMDis Inv. U109a),…, auch die Leuchterchen (ev. KMDis Inv. U7, RMC Inv. H1971.453) sind recht plump und manchmal wenig ansprechend in der Färbung. Besser machen sich die einfachen dunklen Tintengeschirre mit runden Löchern als Verzierung (KMDis Inv. U10, ausserdem wohl zuzuordnen U26, Kauf in Tavetsch 1926, U139, Kauf in Bugnei 1947). Auch die Bilderrahmen aus gedrehten Schnüren in Blauviolett und Weiss sind gar nicht übel (KMDis Inv. U122, auch KMDis Inv. U2). Vielleicht das Beste stellen die Giessfassbecken (romanisch: butschidas) dar, die mit ihren Gehängen und Festons noch lebhaft an die Lehrzeit des alten Deragisch erinnern (RMC Inv. H1973.455, gut vergleichbar: KMDis Inv. U29). Leider ist die Färbung oft nicht sehr ansprechend, ein Mittelding zwischen Weiss und Grün. Kurz, was in Tavetsch hergestellt wurde, ist für eine Kundschaft berechnet, die einfache billige Ware wünschte und an Form und Farbe keine grossen Anforderungen stellte, weil sie mit dem Geschirr nicht präsentieren wollte…» (Curti 1920, 272–273).

Es gibt darüber hinaus eine Reihe von Beobachtungen, die Pater Notker nicht mitteilt. So tragen die Bügelkannen auf der Bodenunterseite gelegentlich eine eingeritzte Zahl, die sich auch auf der Unterseite des zugehörigen Deckels wiederfindet. Dies erleichterte nach dem Ausnehmen des Töpferofens die Zuordnung der passgenau angefertigten Deckel zu jedem Gefäss. Daneben ist auf die Verzierung des schwarzbraun glasierten Geschirrs mit eingeritzten Wellenlinien oder Rollstempeldekor hinzuweisen.

Ein Aktenbeschwerer in der Sammlung des Rätischen Museums trägt die eingepressten Initialen des Herstellers «J a D», den rechteckigen Abdruck eines Models mit einem Herz-Jesu-Motiv, flankiert von zwei Engeln, und zudem die Blindmarken «BUGNEI» und «Tujetsch» (RMC Inv. H1970.221, KMDis Inv. U13.). Die beiden Blindmarken finden sich auch bei einem der kleinen Henkeltöpfe und dem Tintengeschirr und bestätigen auf diese Weise die Zuordnung zur Hafnerei Deragisch. Das Herz-Jesu-Motiv findet sich auch auf der Vorderseite eines kleinen grünen Kerzenleuchters, des rechteckigen Beckens von 1912, auf der Schulter eines Blumentopfes (KMDis Inv. U21) und seitlich am Sockel des Kruzifixes. Die Vorderseite des Sockels ziert ein schwach abgedrücktes Lamm-Gottes-Motiv, das sich identisch im Spiegel einer flachen Kragenrandschüssel findet (KMDis U006). Die rückseitige Auflage eines Streichholzhalters zeigt eine halbplastische Büste in einem Perlkreis (RMC H1971.453). Dieselbe Auflage findet sich sowohl an einem Blumentopf (KMDis Inv. U23), der zusätzlich mit gedrehten Schnüren verziert ist, als auch an der keramischen Einfassung eines Hausaltärchens (KMDis Inv. U150).

Kachelofen (H. 148 cm, Br. 117 cm, T. 72 cm), der bis zum September 1980 im Töpferhaus Deragisch, Via Romana 5, in Bugnei stand. Teile von identisch verzierten Wandfliesen gelangten auch ins Museum Al Truaisch in Sedrun.

Daneben produzierten Vater und Sohn Deragisch in unbekanntem Umfang offenbar auch Kachelöfen mit grün, gelb oder schwarzbraun glasierten Kacheln, die zusätzlich ein Zickzackmuster aufweisen konnten (Einzelkachel RMC Inv. HXIII.220, Erwerb von Pater Notker, Disentis; weitere Kacheln verwahrt das Museum in Sedrun). Für diese Musterung, die auch bei einem rechteckigen, schnurverzierten Kasten vorkommt (RMC H1971.454), wurde in der Werkstatt ein Gipsmodel verwendet, der sich heute im Rätischen Museum befindet (RMC HXIII.227). Die Gesimskacheln waren oft dunkelbraun gehalten und mit mageren Blumengirlanden versehen. Ein solcher Ofen stand zumindest bei Deragisch selbst im Haus (Curti 1920, 272–273). Er gelangte aufgrund von Umbauarbeiten im Töpferhaus 1980 in das Rätische Museum (Jenny 1991, Abb. S. 131; RMC H1980.224).

Nach Pater Notker Curti handelte Sep Antoni Deragisch mit seiner Keramik im ganzen Bündner Oberland zwischen Bugnei und Ilanz. Zeitweise hatte er Geschirr-Niederlagen in Ilanz, Disentis und Trun. Ob Teile seiner Keramik auch den Weg zu Käufern in Chur oder sogar weiter rheinabwärts bis nach Liechtenstein fanden, entzieht sich unserer Kenntnis. Die abgelegene Produktion von Tavetsch reflektiert, bei erkennbarer Eigenständigkeit, vor allem die typologischen Elemente und Dekormoden des 19. Jahrhunderts der Deutschschweiz bzw. Süddeutschlands.

Dank

Ich danke Pater Theo Theiler, dass er mir den Zugang zu den Stücken aus dem KMDis ermöglicht hat. Ein Gesamterfassung der Klostersammlung konnte 2020 realisiert werden. Darüber hinaus verwahrt das SNM zwei Objekte (einen Kinderkochherd aus Keramik; einen Krug), die angeblich in Bugnei hergestellt worden sein sollen (SNM Inv. LM-60575, LM-114745). Ausserdem gibt es offenbar Keramik aus Bugnei in einer mir nicht zugänglichen Privatsammlung in Flims-Waldhaus (Creux 1970, 129 Kat. 4). Konrad Schmid in Chur danke ich, dass ich seine schöne kleine Sammlung begutachten durfte. Über weitere Keramiken verfügen das Museum der Kulturen in Basel sowie die Museen in Ilanz, Sedrun, Trun und Klosters. Im Familienbesitz erhaltene Keramiken bearbeitet demnächst Livia Deragisch, aus Bugnei.

Bibliographie

Creux 1970
René Creux, Volkskunst in der Schweiz, Paudex 1970.

Curti 1920
Notker Curti, Eine Töpferei im Tavetsch, in: Bündnerisches Monatsblatt, 1920, Heft 9, 269-273.

Frei 1947
Karl Frei, Keramik des Mittelalters und der Neuzeit, in: Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.), Ausstellung Schweizerische Keramik von der Urzeit bis heute, Zürich 1947, 27-46.

Gadola/Curti 1929
Guglielm Gadola/Notker Curti, La Fabrica da vischalla da tiara cotga a Bugnei, in: Il Glogn, calender dil pievel, annalas per historia, litteratura e cultura romontscha 3, 1929, 34-37.

Haldner 1982
Priska Haldner, Die Töpferei von Sep Antoni Deragisch in Bugnei Tavetsch. Maschinenschriftliches Manuskript im Rätischen Museum Chur, 1982, Chur.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Jenny 1991
Valentin Jenny, Handwerk und Industrie in Graubünden im 19. Jahrhundert. Bestrebungen zur Förderung von Handwerk und Einführung von Industrie als Massnahme zur Hebung des Volkswohlstandes, Chur 1991.

Schnyder 1979
Rudolf Schnyder, Bündner Keramik-, Glas und Lavezsteingewerbe, in: Hans Erb, Das Rätische Museum, ein Spiegel von Bündens Kultur und Geschichte, Chur 1979, 328-347.

Bugnei GR, Vischlaria Sep Antoni Deragisch (bab e fegl)

Jau Baibel Bugien Cafe 1842 – Segiramein la pli  impressiunonta lavur da Sep Antoni Deragisch da Bugnei

Keramik aus Bugnei in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019 / Versiun romontscha Tarcisi Hendry 2020

La vischlaria a Bugnei, Tujetsch, va anavos sin Sep Antoni Deragisch, 13 da mars 1815 – 6 d’uost 1882 *. Sep Antoni Deragisch ha absolviu siu emprendissadi tiel vischler Fidel Wölfle a Wangen egl Allgäu. Igl onn 1920 fuva igl original da sia brev d’emprendissadi digl onn 1834 aunc en possess dalla famiglia, denton ei il document deplorablamein sparius. Suenter igl emprendissadi fundescha el ina atgna vischlaria e pignaria a Bugnei en sia casa.

Sep Antoni Deragisch, il giuven, 21 da settember 1842 – 27 d’october 1930.

Siu fegl e successur Sep Antoni, il giuven (1842-1930) fa igl emprendissadi da vischler a Flüela. Il luvratori ei buca enconuschents. Cuort suenter igl onn 1918 cala el culla producziun da vischala, precis tgei onn ei buca enconuschent, il Museum La Truaisch posseda ina scadiala cugl orsal 1919. La publicaziun da pader Notker Curti dalla clasutra da Mustér, davart la vischlaria a Bugnei cul tetel “La Fabrica da vischalla da tiara cotga a Bugnei”, el Glogn,1929, pag. 34-37, sebasa carteivel sin las informaziuns da Sep Antoni Deragisch, il giuven.

Survesta dil spectrum principal da ses products a Bugnei, collecziun dalla claustra da Mustér.

Ina impressiun dalla cheramica producida paleisa igl inventari dalla collecziun dil Museum Retic a Cuera, che deriva per part da pader Notker Curti e da Sep Antoni Deragisch, il giuven, sco era igl inventari dalla collecziun dil museum dalla claustra a Mustér. Dasperas dat ei cheramica ella collecziun dil Museum La Truaisch sco era el museum Nutli Hüschi a Claustra.

Ei exista aunc in cudischet da menaschi cun impurtaziuns denter 1866 e 1882 (Transcripziun e translaziun Tarcisi Hendry, 2021) , pia da Sep Antoni Deragisch, il vegl. Plinavon dat ei in cudisch da skizzas ch’ei entochen oz aunc buca vegnius examinaus da rudien. Quel datescha digl onn 1875, silmeins parzialmein da Sep Antoni Deragisch, il giuven. Vess pader Notker duvrau quei cudischet da skizzas igl onn 1920 per sia lavur historica, dess ei negina discrepanza denter las notizias manuscrettas el cudisch e l’attribuziun da pader Notker. Il pader suppona che oravontut las skizzas da pegnas derivien dil Sep Antoni, il vegl. Quella informaziun sa el mo dil davos vischler sez, damai ch’il cudisch sez consigna negin mussament.

El cuntegn ultra da quei in tagl traversal tecnic atras ina tipica pegna da quadrels sidretg sco ella fuva derasada ella Svizra Tudestga. Schebein la pegna da Bugnei corrispundeva per propi a quei tip ei buca segiramein enconuschent.

Cudischet da skizzas el Museum Retic: tagl traversal d’ina pegn da tiaracotga, pegna da quadrels e differenta vischala da diever.

Dasperas dat ei numerusas skizzas da pegnas da tiaracotga. Sep Antoni Deragisch, il vegl, s’entusiasmava apparentamein ed oravontut per decoraziun ed il stil da pegnas dil stil da Biedermeier, respectivamein dall’entschatta dil historissem. Il medem mument vegnan era auters detagls nudai el cudisch da skizzas, per exempel ina rundella da vischler messa en moviment cun ina roda d’aua ed in mulin da glasura. Plinavon cuntegn il cudischet fuormas da vischala ord il luvratori Deragisch.

Davart ils products dil luvratori da Bugnei sebasa la lavur da pader Notker probabel sin la collecziun en claustra, rimnada entras el sez, sco era dalla collecziun dil Museum Retic procurada medemamein entras il pader:

«La rauba da casegliar porscha buca gest bia en fuorma e decoraziun. Ella fuorma duas gruppas: rauba da diever ed objects decorativs. Tier l’emprema gruppa s’audan la brocca, ils ruogs e naschors, ils ruogs da flurs senza glasura, ils ruogs gronds da caffè, ils gronds pil pli stgirs, gie quasi ners. Vinavon pliras hontas cun moni, hontas da caffè e tè. Auters products ein d’in alv cut ni mellen-brin, ils ruogs da flurs il pli bugen verds.

Cun decoraziuns ein ils vischlers da Bugnei spargnus, la vischala nera ei senza decor, la vischala clara cun in mudest e magher tschupi da feglia, il rest dils Deragischs ei art empiric, ni fini cun in sempel decor satel da puncts.

Originalas ein quasi mo las aschinumnadas broccas, mo paran denton da moda plitost antica. Ei satracta da vischala purila, oz il pli savens duvradas per caffè, cun in pign e rodund biutsch e duas manetschas, ina pli gronda visavi il biutsch e suren ina pli gronda manetscha da purtar strubegiada. Quella teness buca il vischi empleniu e vegn rinforzada cun fildirom ni corda. Duas ruosnas all’entschatta dalla manetscha surveschan per fermar il rinforzament. Era las caussas decorativas ein buca fetg garnidas, ni ella fuorma ni ella colur.

Buca mo ils parlets d’aua benedida empau ruhs ed ils crucifixs, mo era las cazzolas ein plitost groppas e mintgaton pauc attractivas ella colur. Pli bein sepresentan ils vischals sempels e stgirs per la tenta cun ruosnas rodundas sco decoraziun. Era ils roms da maletgs cun cordas strubegiadas en violet-blau ed alv ein buca mal. Forsa dil meglier ein las butschidas, che regordan aspramein cun siu penderlem e girlandas da feglia al temps d’emprendissadi da Sep Antoni Deragisch, il vegl.

Deplorablamein ei la colur il pli savens buca fetg plascheivla, enzatgei denter alv e verd. Detg cuortamein, ils products da Tujetsch ein previ per ina clientella che giavischava rauba da bienmarcau e cun pintgas pretensiuns da fuorma e colur. La vischala fuva buca cheu per sepresentar. …» (Curti, 1920, pag. 272-273)

Dapli dat ei ina retscha dad observaziuns, che pader Notker ha buca communicau. Aschia portan ils ruogs e la brocca cun manetschas magari ina numera sgarflada el funs. Quella ei lu era d’anflar sil funs dil corrispundent uvierchel. Quei levgiava il metter ensemen suenter il prender ord il fuorn, il dretg uvierchel sil dretg vischi. Dasperas eisi necessari da mussar vi sin la decoraziun dalla vischala da glasura e brin-nera cun lingias undadas sgarfladas en ni decoraziuns fatgas cun in bul rullont.

In smaccactas ella collecziun dil Museum Retic porta las inizialas J e D, in bul dretgangular d’ina fuorma cun in motiv dil cor da Jesus flancaus da dus aunghels e leutier ils buls en reliev BUGNEI e Tujetsch. Quels dus buls ein era d’anflar sin in pign ruog da manetscha e sil vischi da tenta e confirman la derivonza dalla vischlaria da Deragisch. Il motiv dil cor d’Jesus ei era d’anflar sin la fatscha d’avon d’in candelier pign-verd, sin ina butschida dretgangulara da 1912, sin in ruog da flurs e d’ina vart dil sochel dil crucifix. Il frontispezi dil sochel decorescha in fleivel motiv dil Tschut da Diu ch’ei identics ed era d’anflar sin ina scadialetta platta cun culier.

La part davos d’in porta-zulprins muossa ina mesa plastica en in rudi da perlas. Il medem ei era da cattar sin in ruog da flurs ch’ei aunc supplementarmein decoraus cun cordas strubegiadas. Semegliontamein sepresenta era l’enramaziun d’in altaret da casa.

Pegna da tiaracotga (altezia 148 cm, ladezia 117 cm, profunditad 72 cm), che sesanflava tochen il settember 1980 en casa Deragisch, Via Romana 5, a Bugnei. Parts da semeglionts identics quadrels sesanflan el Museum La Truaisch, Sedrun.

Dasperas producevan bab e fegl Deragisch en nunenconuschent volumen apparentamein era pegnas da tiaracotga cun quadrels da glasura verds, mellens ni brin-ners. Per part eran quels decorai cun musters da zic zac. Per la decoraziun, ch’ei era d’anflar tier las butschidas dretgangularas ed ornadas cun cordas, ei vegniu duvrau el luvratori in model da gep. Quel sesanfla oz el Museum Retic a Cuera. Ils quadrels pil baun da seser fuvan savens stgir-brins ed ornai magramein cun girlandas da flurs. Ina tala pegna sesanflava era en stiva dils Deragischs. Quella ei igl onn 1980 arrivada a Cuera el Museum Retic a caschun da renovaziun ed adattaziuns en casa a Bugnei.

Tenor pader Notker Curti casegliava Sep Antoni Deragisch cun sia cheramica ella Surselva, denter Bugnei e Glion. Per part veva el deposits a Mustér, Trun e Glion. Schebein rauba ei vegnida vendida engiuviars tochen Cuera ni schizun vinavon entochen al Prinzipadi da Liechtenstein ei buca enconuschent. La producziun isolada en Tujetsch reflectescha, cun veseivla originalitad, oravontut elements tipologics e modas da decorar dil 19avel tschentaner en Svizra ed el sid dalla Tiaratudestga.

Engraziament

Jeu engraziel a pader Theo Theiler, che ha possibilitau igl access alla collecziun dalla Claustra da Mustér. L’entira registraziun dalla collecziun claustrala ha saviu vegnir realisada igl onn 2020. Dapli conservescha il Museum Naziunal Svizzer dus objects, ina pegna da cuschinar per affons ord cheramica ed in ruog, che dueien derivar da Bugnei.

Ulteriuramein secatta, sco ei para cheramica da Bugnei, en ina collecziun privata buca accessibla a Flem. Konrad Schmid a Cuera engraziel jeu che jeu hai astgau examinar sia pintga e biala rimnada. Ulteriura cheramica dispona il museum da cultura a Basel sco era Glion, Sedrun, Trun e Claustra. Cheramica en possess dalla  famiglia Deragisch tracta proximamein Livia Deragisch da Bugnei. **

* Tuttas informaziuns sebasan sin pader Notker Curti 1920; Gadola/Curti 1929; Frei 1947, 31; Creux 1970, 128–129, cat. 4 e 5; Schnyder 1979, 331. Indicaziuns era da Tarcisi Hendry, Museum La Truaisch, Sedrun. Nunpublicau: Haldner 1982. Senza ulteriuras indicaziuns: Jenny 1991, 136; Emprema publicaziun da quei text entras A. Heege 2016.
** Ella part tudestga ein d’anflar supplementarmein numerusas indicaziuns davart las fotografias dalla vischala els differents museums.

La fabrica da vischala da tiaracotga a Bugnei  

Bibliografia :

Creux 1970
René Creux, Volkskunst in der Schweiz, Paudex 1970.

Curti 1920
Notker Curti, Eine Töpferei im Tavetsch, in: Bündnerisches Monatsblatt, 1920, Heft 9, 269-273.

Frei 1947
Karl Frei, Keramik des Mittelalters und der Neuzeit, in: Kunstgewerbemuseum Zürich (Hrsg.), Ausstellung Schweizerische Keramik von der Urzeit bis heute, Zürich 1947, 27-46.

Gadola/Curti 1929
Guglielm Gadola/Notker Curti, La Fabrica da vischalla da tiara cotga a Bugnei, in: Il Glogn, calender dil pievel, annalas per historia, litteratura e cultura romontscha 3, 1929, 34-37.

Haldner 1982
Priska Haldner, Die Töpferei von Sep Antoni Deragisch in Bugnei Tavetsch. Maschinenschriftliches Manuskript im Rätischen Museum Chur, 1982, Chur.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Jenny 1991
Valentin Jenny, Handwerk und Industrie in Graubünden im 19. Jahrhundert. Bestrebungen zur Förderung von Handwerk und Einführung von Industrie als Massnahme zur Hebung des Volkswohlstandes, Chur 1991.

Schnyder 1979
Rudolf Schnyder, Bündner Keramik-, Glas und Lavezsteingewerbe, in: Hans Erb, Das Rätische Museum, ein Spiegel von Bündens Kultur und Geschichte, Chur 1979, 328-347.

 

 

Burgdorf BE, Hafner Vögeli

Andreas Heege, 2019

In Burgdorf und Oberburg arbeiteten ab dem 16. Jahrhundert verschiedene Hafner (Abb. 1), unter anderem Johannes und Jakob Vögeli, die bislang als Vater und Sohn eingestuft wurden (Boschetti-Maradi 2006, 195–199).

Abb. 1 Bekannte Standorte von Burgdorfer Hafnereien (siehe Liste im Anhang)

Um herauszufinden, welche Keramik von welchem Hafner gefertigt wurde, ist man in Burgdorf, wie im übrigen Kanton Bern, zumeist auf stilistische Kriterien oder auf Bodenfunde (Fehlbrände, Abwurfhalden) aus Hafnereien angewiesen, da im 18. und 19. Jahrhundert nur wenige Hafner ihre Produkte signierten. Es gibt jedoch einige wenige Ausnahmen.

Abb. 2 Wandbrunnen von Hafner Johannes Vögeli aus Burgdorf, datiert 1707, Br. max. 16,5 cm (Basisplatte), 15,7 cm (Kasten), H. 24 cm, T. 10,3 cm (Basisplatte), 9,8 cm (Kasten), (RSB Inv. IV-1026, Foto A. Heege)

Hierzu gehört der 1923 dem Rittersaalverein geschenkte Wandbrunnen (Abb. 2) des Burgdorfer Hafners Johannes Vögeli (RSB IV-1060; Erstmalige Einordnung: Boschetti-Maradi 2006, 196 Abb. 230). Diesem lassen sich stilistisch eine Reihe weiterer Keramiken anschliessen, so dass erstmals Aussagen über die stilistischen Charakteristika dieser Burgdorfer Werkstatt möglich werden. Eine kurze Zusammenstellung unseres derzeitigen Kenntnisstandes ist auch deshalb gerechtfertigt, da Trudi Aeschlimann zahlreiche bislang unbekannte Dokumente zu Johannes und Jakob Vögeli ausfindig machen konnte, die die bisher postulierte Verwandschaft in anderem Licht erscheinen lassen (Die folgenden Ausführungen stützen sich vor allem auf das Burgerarchiv Burgdorf (BAB): Taufverzeichnisse von Pfr. Joh. Rudolf Gruner 1758 (BBB, MS HH VIII 33); Genealogien von Chronist Joh. Rudolf Aeschlimann 1795 (BAB Manuskript);  Kirchenbücher von Burgdorf, speziell Totenrodel 1 1706–1726 im Staatsarchiv Bern (StABE), KA 4 II, Kopien im BAB; Burgdorfer Ratsmanuale nach Registern, Zeitraum 1658 bis 1719 (BAB); Akten der Zunft zu Schmieden und Zimmerleuten (BAB).

Betrachten wir zunächst den über weisser Grundengobe grün glasierten Wandbrunnen. Er ist kastenförmig, mit rechteckigem Querschnitt. Sein oberer Abschluss besteht aus einem dreieckig gestalteten Zinnenkranz und einem Deckel in Form eines abgewalmten Daches mit verstärktem First und Graten. Zwei rundstabige Ösen (eine abgebrochen) dienten ursprünglich der Aufhängung in einem Stubenbuffet. Die Schmalseiten und die Schauseite des Unterteiles tragen Ritzdekor in Form von Feldern, die mit Doppellinien eingefasst sind. Die Schauseite ist mit zwei mehrblütigen Blumen (Tulpen?) verziert. Die linke Schmalseite trägt den Spruch «der dich Im guten Stand wol gmeind und hoch ge=Ehrt, Wüschen die Fus an dich, wann du Bist umb gekehrt». Die rechte Schmalseite Hafnersignatur und Datierung «den 4ten Aprellen Anno 1707 Johannes Vögeli haffner in Burgdorff». Der Deckel auf beiden Breitseiten ebenfalls jeweils einen Spruch «Thu das, weil du noch bist gesund, was du wünschest zur Sterbens Stund» und «Wann Irgend einer wär, der könt den tod vertreiben, so würden gar Leüt, auff erden Lebend Bleiben». Die linke Deckelseite nennt erneut die Datierung «den 4ten aprellen» und die rechte Seite zeigt zusätzlich die Initialen «HV».

Es zeugt von einem für einen Hafner ungewöhnlichen Selbstbewusstsein, dass Johannes Vögeli dieses Stück mit seinem Namen signierte. Besonders charakteristisch ist die Schreibweise der Buchstaben und Zahlen sowie die Verwendung einer kleinen Raute als Begrenzungs- und Trennungszeichen. Da im Kanton Bern im 18. Jahrhundert in der Regel nur die Männer in der Schule schreiben lernten (Vgl. Heege/Kistler/Thut 2011, 144 und 154) ist anzunehmen, dass die Keramiken von Johannes Vögeli in der Werkstatt selbst beschriftet wurden und diese Arbeit nicht einer Hilfskraft überlassen wurde. Vögeli ist im Bernbiet der erste, der umfangreichere Sprüche auf die Teller ritzte. Die eventuell existierenden literarischen Quellen dieser Sprüche sind bislang unbekannt. Es kann nur vermutet werden, dass Winterthurer Produkte, die bereits im frühen 17. Jahrhundert Spruchinschriften aufweisen (Wyss 1973; Schnyder 1989), als Vorbild gedient haben. Im Bernbiet wurden Sprüche im frühen 18. Jahrhundert auch in der Technik des Unterglasur-Pinseldekors ausgeführt, jedoch haben sich hier keine vollständigen Museumsobjekte erhalten (Boschetti-Maradi 2006, 138–143).

Wer war nun dieser Johannes Vögeli?

Er wurde am 21. März 1642 getauft. Sein Grossvater Hans/Johannes (1585–1651) und sein Vater Jakob (1613–1696) waren beide Seiler und zugleich Burger von Burgdorf. Johannes wurde 1659 ebenfalls als Burger in Burgdorf angenommen und wurde Mitglied in der Zunft zu Schmieden und Zimmerleuten. Er heiratete am 4. August 1662 Catharina Leeman. Die Ehe blieb kinderlos.

Unter dem 4. Juni 1659 verzeichnet das Ratsmanual von Burgdorf: «Johannes Vögeli dem Hafner ist zwar bewilliget, in seines Vatters se: behusung ein Brönofen ze machen. In Form wi er sölches den Hrn., so den Augenschein ingenommen, angegeben. Jedoch nur so lang es mHerren gefalt.» (RM 45 1658–1662, S. 31). Dieser Eintrag bedeutet, dass Johannes mit 17 Jahren, unmittelbar nachdem er als Burger angenommen worden war, eine Töpferwerkstatt mit Brennofen im elterlichen Haus einrichtete. Es erstaunt daher nicht, wenn Johannes Vögeli nach 1660/61 auch in den bernischen Amtsrechnungen für Burgdorf vorkommt (Boschetti-Maradi 2006, 194 Anm. 1122). Wo die Werkstatt genau lag, ist leider unbekannt.

Der Töpferofen von Johannes sollte in den kommenden Jahren immer wieder für Probleme sorgen. Im Juli 1663 meldete das Ratsmanual, dass zum Schrecken der Nachbarn aus dem erlaubten Brennofen des Hafners Johannes Vögeli Flammen schlugen. Vögeli erklärte daraufhin, er habe nur grösseres Geschirr gebrannt und kein kleineres. Er wurde ermahnt in Zukunft vorsichtiger zu sein. Für April 1667 ist ein ähnlicher Vorfall belegt (RM 46 1663-1666. S. 41; RM 47 1666-1669, S. 66). 1673 musste Vögeli sogar den Um- oder Neubau eines Töpferofens in seinem Haus stoppen, nachdem sich offenbar die Nachbarschaft über die potentielle Feuergefahr beim Rat beschwert hatte. Schliesslich wurde beschlossen: «Dass er den zu machen vorhabenden anderwertigen Brönoffen in seiner Mutter Haus (Verena Venner, Erg. Verf.) werschafft ze machen begehren.» Ausserdem müsse er für alle auftretenden Schäden aufkommen (RM 49 1672–1676, S. 83, 84).

Streit um die Standorte der als feuergefährlich eingestuften Töpferöfen, gab es in Burgdorf immer wieder, auch im Zusammenhang mit anderen Hafnern. So drohte z. B. 1683 der Hafner Oswald Schönberger (geb. 1642), wenn man ihm keinen anderen Platz zu einem Brennofen als im Kloster anbiete, gehe er fort und lasse Frau und Kinder im Stich. Daraufhin erhielt er die Bewilligung «im Graben einen Brennofen zu machen» (RM 51 1679-1684, S. 267. Kloster = Franziskanerkloster zwischen Ober- und Unterstadt, zur Lage vgl. Baeriswyl 2003, Abb. 25). Möglicherweise handelt es sich um den Grabenbereich neben dem Mühletor, denn dort gehörte Oswald Schönberger 1715 zu den Geschädigten des Unterstadtbrandes. 1697 wurde er erneut abgewiesen, als er einen Brennofen im Graben an der Ringmauer errichten wollte (RM 56/57/58 1696-1698, S. 146). 1690 wollte der Hafner Bendicht Gammeter (geb. 1648) bei seinem Haus «im Graben vorem underen Thor» (=Wynigentor) einen neuen Brennofen errichten. Dies wurde jedoch wegen Beschwerden der Nachbarschaft abgewiesen. Schliesslich genehmigte ihm der Rat einen Brennofen in seinem Haus anzulegen, wenn dieser die Nachbarschaft nicht gefährde (RM 53 1687-1690, S. 178, 189 und 190, 200).

In Bezug auf die Werkstatt des Johannes Vögeli gab es 30 Jahre lang keine Beschwerden mehr. Erst 1703 wird er erneut «wegen allzu starker Feuerung» befragt. Er gab an, dass sein Geselle etwas zu stark gefeuert habe, was ihm leid tue (RM 62a 1702-1709, S. 77).

1676 lässt sich belegen, dass Johannes Vögeli aus dem Lohn des Hafners Jacob Knup d.J. von Oberburg (verstorben 1690), wöchentlich 2 Batzen zur Unterstützung von Knups Frau und seinen drei Kindern beitragen musste. Offenbar arbeitete Knup in Vögelis Betrieb (RM 50 1676-1679, S. 7. Verschiedene weitere Hinweise auf die Oberburger Hafner Jakob Knup d.Ä., Jakob Knup d. J. und Hans Knup finden sich auch im Stubenbuch der Burgdorfer Schmiedenzunft 1673–1700 sowie im Zinsrodel der Schmiedenzunft, ca. 1686/1691–1713). Aufgrund von leider undatierten Einträgen im Zinsrodel der Schmiedenzunft (ca. 1686/1691–1713) lässt sich belegen, dass Johannes Vögeli auch Lehrlinge ausbildete. Vögelis Arbeiten waren inzwischen wohl von einer solchen Qualität, dass man ihm 1677 auch einen öffentlichen Auftrag zukommen liess. Für 20 Kronen samt Trinkgeld wurde ihm das Setzen eines neuen Kachelofens in der hinteren Ratsstube verdingt (RM 50 1676-1679, S. 96; Schweizer 1985, 269). Zwischen 1689/90 und 1697/98 lassen sich Arbeiten von Johannes Vögeli auch in den bernischen Amtsrechnungen für die Landvogtei Brandis belegen (Boschetti-Maradi 2006, 194 Anm. 1122).

Von 1680–1684 wirkte Johannes als «Iseler», d.h. Aufseher über Mass und Gewicht (RM 51 1679-1684, S. 75). Als Mitglied des 32er Rates versah er von 1684–1688 das Amt des «Einungers» (RM 52 1684-1687, S. 115; RM 53 1687-1690, S. 65, letzte Einungeramtsrechnung von Hafner Johannes Vögeli). Damit führte er als eine Art städtischer Polizeibeamter die Aufsicht über Forsten und Holzabgaben. Im Alter von 60 Jahren heiratete er 1702 ein zweites Mal Magdalena Matter. Ein gemeinsamer Sohn Johann Christian wurde am 14. Okt. 1703 getauft.

Es war eher ungewöhnlich für einen Hafner, dass er zu Ratswürden kam, doch war dies bei Johannes Vögeli der Fall. Als Mitglied des 32er Rates wurde er ab 1705 für 5 Jahre zum Kirchmeier, d.h. dem Verwalter Kirchenfinanzen gewählt (RM 62a 1702-1709, S. 383; RM 65, 1709-1714, S. 180).

Für seinen tapferen Einsatz beim Burgdorfer Oberstadtbrand von 1706 (Zum Oberstadtbrand von 1706 vgl. Schweizer 1985, 242–244) erhielt der Geselle von Johannes Vögeli eine »Discretion». Vögeli selbst verteilte nach dem Feuer jeder betroffenen Haushaltung «etliche Stücke irdenes Geschirr» (Aeschlimann 1847, 194).

1706 lässt sich ein Streit zwischen dem Kirchmeier und Hafnermeister Johannes Vögeli und dem Hafner Bendicht Gammeter belegen. Gammeter war die Errichtung eines Kachelofens im Sigristenhaus (am Kirchbühl/Beginengässli) vom Burgermeister verdingt worden. Der Ofen wurde jedoch, so erkennt der Rat zu Recht von Vögeli gemacht, da die Obhut über Öfen und Fenster zu den Amtsaufgaben des Kirchmeiers gehört (RM 62a, 1702-1709, S. 571).

Dem Meisterbuch der Schmiedenzunft kann unter dem 26. Dezember 1712 ein weiterer Hinweis auf Johannes Vögeli entnommen werden. Ihm wurde «wegen vorgeschützten hohen Alters (70 Jahre!) und Leibsunvermöglichkeiten die Besuchung der Leichten (Leichenbegräbnisse) gegen 5 Bz» erlassen. Er «solle aber das Meisterbott so weit wie möglich besuchen oder sonst Ersatzzahlung von 1 lb leisten» (Meisterbuch der Schmiedenzunft 1701–1766, S. 87). Leider gibt es 1713-1714 eine Lücke in den Burgdorfer Totenrodeln, so dass unklar ist, wann Johannes Vögeli starb. Laut dem städtischem Chronisten Joh. Rudolf Aeschlimann hat Johannes Vögeli bei seinem Tod keine Kinder hinterlassen (Genealogien von Chronist Joh. Rudolf Aeschlimann 1795, 553ff.). Auch im Zusammenhang mit dem Unterstadtbrand von 1715 wird kein Geschädigter mit Namen Johannes Vögeli in den Archivalien genannt (vgl. Baeriswyl/Gutscher 1995, 76). Vermutlich kann man für Johannes aufgrund der bisher ermittelten Daten mit einer Produktionszeit von 1659 bis maximal 1714 rechnen.

Abb. 3 Aktenbeschwerer aus der Werkstatt von Johannes Vögeli, datiert 1669, Dm. max. 10,9 cm., H. max. 10 cm (Foto BHM Inv. 2091, A. Heege)

Die beschriebenen Charakteristika des Wandbrunnens von 1707 erlauben es, eine Reihe von Keramiken aus aus schweizerischen Museen und Privatsammlungen dem Hafner Johannes Vögeli bzw. seiner Werkstatt zuzuweisen. Das älteste datierte Stück ist ein Aktenbeschwerer aus Burgdorfer Familienbesitz, der die Jahreszahl 1669 und die typische kleine Raute trägt (Abb. 3).

Abb. 4 Humpen, datiert 1672, Aussenseite grüne, Innenseite gelbe Glasur, Rdm. 8 cm, H. 14,3 cm (Foto BHM Inv. 20728, A. Heege)

Ein Humpen von 1672 wurde 1930 beim Antiquitätenhändler Schumacher in Langenthal erworben (Abb. 4). Die Form der Jahreszahl und die Raute sind auch hier eindeutige Kriterien der Zuordnung.

Abb. 5 Teller, datiert 1677, Rdm. 37,1 cm, H. 8,1 cm (Foto BHM Inv. 5076, A. Heege)

Ein herausragendes Stück aus der Werkstatt von Johannes Vögeli ist ein 1677 datierter Teller (Abb. 5). Es handelt sich dabei um das älteste bekannte Stück im Kanton Bern mit einem zweifarbigen, rot-grünen Borstenzugdekor auf dem Rand und im Spiegel. Zugleich ist es das älteste Stück mit einem Spruch: «Die Kinder mutter liebt und wirt zu gleich geliebet, hiemit wirt beiderseits was Gott geliebet verlobet». Der Teller wurde 1903 in Montreux erworben.

Abb. 6 Handwaschbecken, datiert 1696, Br. Beckenrückseite max. 41 cm, H. Beckenrückseite max. 18 cm, T. Becken max. 34,8 cm, H. Beckenvorderseite 8,2 cm (RSB Inv. IV-209, Foto A. Heege)

Erst mit einer zeitlichen Lücke von fast 20 Jahren haben wir dann weitere Belegstücke. Hierzu gehört ein 1696 datiertes Handwaschbecken oder Lavabo (Abb. 6), das der Rittersaalverein bald nach seiner Gründung als Geschenk des Burgdorfer Tierarztes Isel erhielt (Bereits einmal vorgelegt von Boschetti-Maradi 2006, Abb. 144). Solche Becken wurden im 17. und 18. Jahrhundert normalerweise im Dekor passend zu den Giessfässern oder Wandbrunnen gefertigt. Das vorliegende Stück trägt über weisser Grundengobe innen und aussen grüne Glasur, die Rückwand ist als Spritzschutz erhöht bzw. gerade gestaltet und damit der Unterbrinung in einem Schrank angepasst. Zwei massive Henkel ermöglichten es, das Becken mit dem Schmutzwasser wegtragen und ausschütten zu können. Der Rand der Rückseite trägt den Spruch «freünd hier, freünd dort, an allem ort, wann ich nichts hab wer hilfft fort». Die Vorderseite gibt als Datierung an «den 15 wintermonat im Jar 1696».

Abb. 7 Zwiebeltopf, datiert 1696, Rdm. 13,3 cm, H. 19,6 cm (RSB IV-618, Foto A. Heege)

In dasselbe Jahr datiert ein sog. Zwiebeltopf, der von Uhrmacher Henzi aus Burgdorf um 1900 dem Museum verkauft wurde. Aufgrund der Form seiner eingeritzten Jahreszahl kann der Topf ebenfalls der Produktion von Johannes Vögeli zugewiesen werden (Abb. 7). Er ist über weisser Grundengobe grün glasiert und besitzt zwei randständige Ösen für die Aufhängung in der warmen Küche. An Martini mit kleinen Zwiebeln und Erde gefüllt, wuchsen bis Weihnachten aus den Löchern des Zwiebeltopfes die grünen Triebspitzen der Zwiebeln, die dann im Winter und Frühjahr anstelle von Schnittlauch für die Suppe verwendet wurden.

Abb. 8 Scherben eines Zwiebeltopfes aus einer Ausgrabung an der Kornhausgasse in der Burgdorfer Unterstadt. Der Topf entstand wahrscheinlich in der Hafnerei von Johannes Vögeli (ADB, Foto Badri Redha).

Aus einer Grabung an der Kornhausgasse in Burgdorf stammt der Bodenfund eines weiteren Zwiebeltopfes  (Abb. 8), der formal und aufgrund einer einzigen eingeritzten Jahreszahl möglicherweise ebenfalls hier angeschlossen werden kann (ADB Fnr. 45768).

Abb. 9 Wandbrunnen, datiert 1699, Br. mit Henkel noch 22 cm, H. 16 cm, T. 10 cm (SNM Inv. 8243, Foto Donat Stuppan)

Aufgrund der Form und des Ritzdekors gehört vermutlich auch ein 1699 datierter, über weisser Grundengobe grün glasierter Wandbrunnen aus dem Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich zu den Produkten der Hafnerei Vögeli (Abb. 9, vgl. Abb. 2). Die Vorderseite trägt in einer doppellinigen Rahmung einen typischen floralen Dekor. Schwierig gestaltet sich die Lesung der geritzten Inschrift, bei der es sich um einen Namen und eine Datierung handeln dürfte: « Melcker Wittewer (?)» und «Jener Lest Tag 1699» (gemeint Januar, letzter Tag 1699?). Der Schriftduktus ist nicht so gekonnt wie bei den übrigen Keramiken aus Vögelis Werkstatt. Handelt es sich um die Handschrift eines seiner Gesellen oder Lehrlinge?

Abb. 10 Teller, datiert 1696, Rdm. 38 cm, H. 8 cm (FMST Inv. K157, Foto A. Heege)

In einer bernischen Privatsammlung haben sich zwei 1696 und 1701 datierte Teller mit charakteristischer Schrift und passendem Dekor erhalten (Abb. 10 und 11). Der Teller von 1696 ist nur auf der Innenseite grün glasiert und trägt im Spiegel einen locker geritzten Pflanzendekor. Auf der Fahne stehen in zweizeiliger Anordnung die Sprüche: «So frech und mutig ist kein Mann, welchen der Muth nicht fehlt alsdann, wann er gedenckt und wird ermahnt, des Vatters oder der mutter Schand» sowie «Wuchs Laub und Gras wie Neid und Hass, so hetten Pferd und Rinder, heuer einen guten Winter». Datiert ist das Stück mit «den 9. Jenner Anno 1696» (Bereits veröffentlicht von Boschetti-Maradi 2006, 98 Abb. 122).

Abb. 11 Teller, datiert 1701, Rdm. 26 cm, H. 4,5 cm (FMST Inv. K122, Foto A. Heege)

Der Teller von 1701 (Abb. 11)  ist beidseitig über weisser Grundengobe grün glasiert. Im Spiegel finden sich eine Rosette und die Datierung «den 2 7ber Ao. 1701. Auf der Fahne stehen in zweizeiliger Anordnung die Sprüche: «Rede das du kanst bestehn, warheit mus durch alles gehen, Lügen schnimpffet Jederman, drumb red was man glauben kann, 1701» sowie «Wan irgendeiner wer, der könt den Tod vertreiben, so würden gar vill Leüt auf erden lebend bleiben».

Abb. 12 Teller, datiert 1702, Rdm. 29 cm, H. 7 cm (Privatbesitz , Foto A. Heege)

Ein weiterer Teller von 1702 ist in einer Privatsammlung in der Westschweiz erhalten (Abb. 12). Er ist über einer weissen Grundengobe beidseitig sehr dünn grün glasiert. Den Spiegel ziert eine geritzte Blume. Auf der Fahne stehen in zweizeiliger Anordnung die Sprüche und die DAtierung: «Ein reicher soll bedencken eben, das er hie hab kein Ewigs Leben, und sich so halten in dieser Zeit, das er mög Leben in Ewigkeit den 17 Aprellen Ao. 1702» sowie «Wer Welt tichten, Sinn und Muht, steht nur nach Kunst, Gunst, Ehr und gut, und wann sie solches erwerben, Ligen sie nider und sterben».

Abb. 13 Rasierbecken, datiert 1709, Rdm. 26,8 cm (SNM Inv. LM-45041, Foto Donat Stuppan)

Aus dem Jahr 1709 ist auch eine eher seltene Gefässform überliefert, ein über weisser Grundengobe innen und aussen gelb glasiertes Rasierbecken (Abb. 13). Der Ausschnitt des Randes sorgte dafür, dass man sich das Becken gut an den Hals halten konnte, während einen der Schärer rasierte. Auf der Rückseite hat das Becken eine Öse, so dass man es mit der Schauseite auch zur Dekoration an die Stubenwand hängen konnte. Im Spiegel findet sich wieder ein typisches geritztes Blumenmotiv zusammen mit der Jahreszahl 1709. Umgeben ist das Ganze von einem Kranz liegender Blumen. Die Fahne trägt in zweizeiliger Anordnung zwei Sprüche: «Rede das du kanst bestahn, warheit muß durch alles gahn, Lügen schimpffet Jederman, drum red was man glauben kann» sowie «mancher mich aufricht, der gedenckt sein nicht, dann, gedächt er sein, so vergäs er mein. den 23 augsten».

Abb. 14 Handwaschbecken, datiert 1710, Br. max. 34,5 cm, T. max. 28,6 cm, H. max. 19,5 cm (SNM Inv. IN-137.22b, Foto Donat Stuppan)

Stilistisch eng mit dem Handwaschbecken von 1696 (vgl. Abb. 6) ist ein weiteres 1710 datiertes Becken verwandt (Abb. 14). Es befindet sich heute im Schweizerrischen Nationalmuseum in Zürich. Die Zuordnung erfolgt aufgrund der Beckenform und der Art der Blumenritzung und Datierung auf der Beckenrückwand.

Abb. 15 Stülpdeckelterrine, datiert 1683, (MKB Inv. 1908-65, Foto A. Heege)

Schwieriger ist dagegen die Zuordnung einer 1683 datierten ungewöhnlich verzierten Stülpdeckelterrine (Abb. 15), die laut Inschrift der «IVNGFRAV ANMARIA ZENDER» gewidmet ist (Hinweis auf dieses Stück bei Boschetti-Maradi 2006, 117 Abb. 150). Sie ist überreich mit Stempeldekor und zusätzlich Kerbschnitt-Sterrnen verziert. In der Stülpdeckeloberseite ist ein Stück Spiegelglas eingelassen. Der Ritzdekor im Schüsselboden und im Inneren des Deckels entspricht dagegen stilistisch dem, was wir aus der Werkstatt Vögeli kennen. Ganz vergleichbare Stülpdeckelterrinen mit Puttokopf-Grifflappen lagen ausserdem auch im Brandschutt des Burgdorfer Unterstadtbrandes von 1715 (ADB, Fnr. 39791 aus Schicht 103), was als zusätzlicher Hinweis auf eine Herstellung in Burgdorf gewertet werden mag.

Abb. 16 Bodenfunde von Keramik aus Burgdorf, die Johannes Vögeli zugewiesen werden können. Oberer Teil Kornhausgasse 9-11, Ausgrabung 1992; vorletzte Zeile Kindergarten Kronenhalde, Ausgrabung 1991; unterste Zeile Kornhaus, Ausgrabung 1988/1989 (Foto ADB, Badri Redha)

Aus dem Verbrauchermilieu gibt es bislang drei Fundstellen mit Keramik aus der Werkstatt von Johannes Vögeli. Sie liegen alle in der Burgdorfer Unterstadt, im Bereich der Häuserzeile Kornhausgasse 9-11, im Brand- und Planierungsschutt der Unterstadtbrandes von 1715 unter dem Kornhaus und im Bereich des Neubaus des Kindergartens Kronenhalde (Abb. 16) vor dem Wynigentor (ADB, Fnr. 46103, Kornhausgasse 9–11; 26870, 26876, 30877, 32305, 39782, Kornhaus, 39770, Kindergarten Kronenhalde. Die Schrift und der geritzte Blumendekor erlauben eine eindeutige Zuweisung. Wichtig ist auch im Hinblick auf die nachfolgend zu besprechenden Funde die Tatsache, dass in Verbindung mit dem Ritzdekor von Johannes Vögeli nur Borstenzugdekor als weitere Dekortechnik belegt ist, während z.B. der sog. Springfederdekor fehlt. Ausserhalb von Burgdorf sind derzeit keine Fundpunkte bekannt.

Angesichts der Qualität der Produkte von Johannes Vögeli ist es sehr bedauerlich, dass wir die Lage der Werkstatt nicht kennen. Es kann nur vermutet werden, dass seine Hafnerei in der Burgdorfer Unterstadt, wohl in der Nähe des Mühletores bzw. eventuell an der nach 1715 aufgehobenen Rörlisgasse lag (Frdl. Hinweis Trudi Aeschlimann. Zur Lage vgl. Schweizer 1985, 387 Abb. 330; Baeriswyl/Gutscher 1995, Abb. 69).

Hafner Jakob Vögeli (1680-1724)

Genau andersherum verhält es sich mit der Werkstatt des Hafners Jakob Vögeli, die beim Unterstadtbrand von 1715 zerstört wurde. Jakob Vögeli wurde am 9. Mai 1680 getauft. Er starb am 31. März 1724 (Totenrodel 1 von Burgdorf 1706–1726, mit Lücken, S. 489). Seine seit dem 16. Jahrhundert in Burgdorf ansässigen Vorfahren waren Schuhmacher, Metzger und Seiler. Sie waren, und das ist das Verblüffende, trotz gleichen Namens eindeutig nicht mit dem Stamm des Johannes Vögeli verwandt. Jakob Vögeli erlernte ab 1696 bei Hans Knup (wohl 1647–1715) in Oberburg das Hafnerhandwerk (RM 55 1694-1696, S. 214; auch BAB T9, Zinsrodel der Schmiedenzunft, Eintrag ohne Datum, um 1696). Anschliessend ging er auf Wanderschaft, wobei wir leider seine Reiseroute nicht kennen. Das Meisterbuch der Schmiedenzunft verzeichnet unter dem 20. Juni 1706, dass Jakob Vögeli eine Bescheinigung seiner Lehr- und Wanderzeit verlangt habe. «Ist erkennt, dieweilen er das Hafnerhandwerk ordentlich erlehrnet, seine Wanderzeit völlig zugebracht, auch MeH. Ordnung nach Alter verrichtet, ist ihme ein Schein ausgestellt» (BAB T2, Meisterbuch der Schmiedenzunft 1701–1766, S. 63). Nur sechs Tage später wird er auch als Burger aufgenommen und Zunftgenosse zu Schmieden und Zimmerleuten (RM 62a, 1702-1709, S. 491). 1707 heiratete er Barbara Trechsel von Burgdorf.

Das Ratsmanual bestimmte zusammen mit seiner Burgeraufnahme: « Soll aber keinen Brennofen machen, es werde ihme dan ein gewisser Ort von MeHrn darzu bewilligt». Offenbar hat Jakob Vögeli unmittelbar anschliessend seine Tätigkeit aufgenommen, denn er gehört zu den Handwerkern, die nach dem Oberstadtbrand von 1706 beim Wiederaufbau mitarbeiteten. Im Dezember (wohl 1708) setzte er für 10 Kronen und 4 Batzen dem Kupferschmied Johannes Stähli in der Schmiedengasse 10 einen neuen Kachelofen (Rodel über Wiederaufbaukosten im Rittersaalverein Burgdorf RSB, Inv. RS X 214, auch: Schweizer 1985, 244). Wo er die dafür benötigten Kacheln brannte, ist unklar, denn es gab längere Querelen um den Bauort für seine Brennhütte mit dem Töpferofen. Am 15. Dezember 1706 wurde ihm bewilligt «… in dem Stattgraben vor dem Wyniger Thor eine Brönnhütten auf linker Seithen, am äusseren Ecken, der Mauer nach aufzurichten…». Durch den Bau dürfe jedoch keine Gefahr für die Nachbarn entstehen. Gleichzeitig wurde er verpflichtet, falls in Zukunft ein weiterer Burgerssohn das Hafnerhandwerk erlernen möchte, so müsse er diesen Lehrlingen seinen Brennofen zur Verfügung stellen. Am 9. April 1707 wurde ihm das Bauholz für seine Brennhütte zugewiesen, unter dem 13. April der Bauplatz aber in den Graben am unteren Turm, «Selsthurm» genannt, verlegt (Turm in der Nordwestecke der Unterstadtbefestigung). Dieser Bauplatz befriedigte Jakob Vögeli jedoch nicht, denn am 27. Februar 1708 wurde beschlossen, das zwei Ratsherren ihm einen anderen Bauplatz im Stadtgraben vor dem Mühletor anweisen sollten. Auch hier gegen prostestierte Jakob Vögeli offenbar erfolgreich, denn am 14. April 1708 wurde ihm schliesslich bewilligt, den Ofen in seinem eigenen Haus zu errichten. Dieser müsse jedoch so eingerichtet sein, dass keine Feuergefahr bestünde. Ausserdem dürfe er wie die anderen Burgdorfer Hafner nicht in der Nacht Geschirr brennen (RM 62a, 1702–1709, S. 591, 593, 665, 671, 780, 793).

Jakob Vögeli war möglicherweise ein weniger umgänglicher Zeitgenosse als sein Berufskollege Johannes Vögeli. Am 1. August 1711 wurde er bestraft, weil er widerrechtlich Holz bezogen hatte (RM 65, 1709-1714, S. 301). Gleichwohl erhielt er öffentliche Aufträge z.B. für Arbeiten in «MeHrn neuem Haus in der Schmiedengasse» oder dem Wasenmeisterhaus (RM 65, 1709-1714, S. 371). Im April 1713 musste Jakob Vögeli wegen «ungebührlichen Benehmens» zur Rede gestellt werden (RM 65, 1709–1714, S. 558). Da sein Brennofen angeblich gefährlich sei, wurdevom Rat am 2. Mai 1715 ein Augenschein anberaumt, jedoch ist das Ergebnis nicht bekannt (RM 66, 1714-1720, S. 100). Da Vögeli im Juli 1715 erneut Holzfrevel zum Bau seines Schweinestalles nachgewiesen werden konnte und er ausserdem unflätige Reden führte, kam er für 24 Stunden in Gefangenschaft (RM 66, 1714–1720, S. 120).

Dann brach am 14. August 1715 im «hindern Haus» des Hafners Heinrich Gammeter an der Röhrlisgasse ein Feuer aus (Brandschadennr. 7), das grosse Teile der Unterstadt einäscherte (Zum Unterstadtbrand von 1715 vgl. Aeschlimann 1847, 199–200; Schweizer 1985, 386–406; Baeriswyl/Gutscher 1995, 74–77; Baeriswyl 2003, 62–78; Boschetti-Maradi 2006, 67–70). In diesem Zusammenhang erfahren wir auch, dass Gammeter zumindest zwei Jahre vorher sein «Brönnhüttlin aussert der Statt am Kreutzgraben», also nicht innerhalb der Stadtmauern hatte (RM 66, 1714-1720, S. 148).

Jakob Vögeli gehörte ebenfalls zu den Geschädigten dieses Stadtbrandes (Brandschadennr. 15). Aufgrund der in diesem Zusammenhang entstandenen Akten lässt sich sein Wohnhaus mit dem Töpferofen identifizieren. Es hatte einen Wert von 550 Pfund, lag direkt an der Stadtmauer der Unterstadt unter dem 1770 erbauten Kornhaus (vgl. Abb. 1,8a) und wurde dort 1988/1989 ausgegraben (Baeriswyl/Gutscher 1995, 76).

Abb. 17 Töpferofenrest des Jacob Vögeli. Im Vordergrund die Einfeuerung, dahinter der Feuerungsraum. Der eigentlich Brennraum im Aufgehenden ist nicht erhalten. Der Töpferofen wurde beim Unterstadtbrand 1715 zerstört und anschliessend eingeebnet. (Foto ADB)

Bei dem ebenerdig in der Werkstatt angelegten Töpferofen (Abb. 17) handelt es sich um einen holzbefeuerten, rechteckigen Ofen vom Typ «Piccolpasso», wie er zwischen dem 16. und 20. Jahrhundert in der Deutschschweiz bei den Hafnern üblich war.

Abb. 18 Längsschnitt durch einen typischen, bernischen Töpferofen vom Typ Piccolpasso. (Boschetti-Maradi 2006, Abb. 48).

Bei diesem Ofentyp gibt es eine leicht vorgezogene Einfeuerung, einen Feuerungsraum, der durch eine Lochtenne vom darüber liegenden Brennraum getrennt ist, ein separates Rauchgewölbe und einen Schornstein als Abzug für die Rauchgase (Abb. 18).

Abb. 19 Brennhilfen aus dem Brandschutt im Bereich der Werkstatt des Jakob Vögeli unter dem Kornhaus in Burgdorf. (Foto ADB, Badri Redha)

Da der Brandschutt von Vögelis Haus und allen Nachbargebäuden an der Stadtmauer offenbar sehr systematisch durchsucht und anschliessend grossflächig ausplaniert wurde, lassen sich nur wenige Brennhilfen mit grösserer Wahrscheinlichkeit der Werkstatt von Jakob Vögeli zuweisen (Abb. 19). Solche Brennhilfen benötigte man beim Einsetzen der zu brennenden Ware im Töperofen.

Abb. 20 Schrühbrand eines Zwiebeltopfes aus dem Brandschutt im Bereich der Werkstatt des Jakob Vögeli unter dem Kornhaus in Burgdorf. (Foto ADB, Badri Redha).

Möglicherweise gehören auch einige unglasierte Gefässe, sog. Schrühbrände, zu seinen Produkten. Darunter befindet sich auch ein sog. Zwiebeltopf (Abb. 20). Alle übrigen Funde können sowohl die Produktion Vögelis als auch normalen Hausmüll bzw. Besitzstand seiner Nachbarn darstellen. Immerhin lassen sich alle verbrannten Keramiken in die Zeit vor den 14. August 1715 datieren.

Abb. 21 Verbrannte Keramik aus dem Brandschutt im Bereich der Werkstatt. Produkte des des Jakob Vögeli? (Foto ADB, Badri Redha).

Und hier lässt sich nun, im Vergleich mit den Produkten des Johannes Vögeli, eine interessante Beobachtung machen (Abb. 21). Während der Borstenzugdekor schon bei Johannes Vögeli vorkommt, finden sich jetzt auch vollflächige Marmorierungen und mehrfarbige Malhorndekore. Erstmals lässt sich auch der sog. Springfederdekor nachweisen, der gut 100 Jahre vorher in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt wurde. In der Deutschschweiz stellen die vorliegenden Funde, abgesehen von einigen wenigen Stücken aus Winterthur, den ältesten Nachweis für diese im Kanton Bern vorher unbekannte Dekortechnik dar (Zur Technik des Dekors und seiner Herkunft vgl. demnächst: Heege 2016, Kap. 4.1). Was liegt näher als anzunehmen, das Jakob Vögeli diese Technik auf seiner Gesellenwanderung in Deutschland kennengelernt hat?

Nach dem Stadtbrand errichtete Jakob Vögeli ein neues Wohnhaus an der Mühlegasse 10 in der Burgdorfer Unterstadt (vgl. Abb. 1,8b; Baeriswyl/Gutscher 1995, 76; RM 66, 1714–1720, S. 368). Wir dürfen wohl annehmen, dass sich seine Werkstatt ebenfalls dort befand. 1716/1717 arbeitete er auch bei der Wiederherstellung des Mühletores samt Wärterwohnung mit (Schweizer 1985, 39). 1719 hören wir ein letztes Mal von handgreiflichen Streitigkeiten mit seiner Nachbarin Maria Trechsel (Mühlegasse 8), die Vögeli für Arbeiten an einem Stubenofen noch eine halbe Krone schuldete (RM 66, 1714-1720, S. 785).

Jakob Vögeli wurde nur 44 Jahre alt. Er verstarb am 31. März 1724 ohne das wir den Grund dafür kennen (Totenrodel 1 von Burgdorf 1706–1726, S. 489). Mit ihm enden die Töpfereiaktivitäten auf der Parzelle Mühlegasse 10. Jakobs Sohn und Erbe JakobVögeli-Flückiger (1710–1778) war Schneider (Hinweis Trudi Aeschlimann). Aufgrund der bekannten Lebensdaten kann für ihn eine Produktionszeit von 1706 bis 1724 angenommen werden.

Zusammenfassung:

Hafner Johannes Vögeli (1642–ca. 1714), Sohn eines Burgdorfer Seilers, war offenbar ein erfolgreicher und sozial gut vernetzter und angesehener Hafner, der bis in der 32er Rat in Burgdorf aufstieg und zeitweise auch das Amt des Iselers, des Einungers bzw. des Kirchmeiers inne hatte. Aufgrund charakteristischer Beschriftungen lässt sich eine kleine Keramikgruppe eindeutig seiner Werkstatt zuweisen. Hierzu gehören auch Bodenfunde aus Burgdorf. Das Besondere seiner Keramik sind die zahlreichen geritzten Sprüche und Datierungen sowie die gelegentliche Verwendung des Borstenzugdekors. Bis zur Auffindung der Werkstatt von Johannes Vögeli können wir nur spekulieren, dass er auch ganz normale, wenig verzierte Gebrauchskeramik produzierte, die sich formal von der der übrigen Hafner in Burgdorf oder Bern kaum unterscheiden dürfte. Gesichert ist, dass Johannes Vögeli auch Kachelöfen produzierte und setzte, doch sind das Aussehen und der Dekor seiner Kacheln unbekannt.

Hafner Jakob Vögeli (1780–1724) stammte ebenfalls aus einer Burgdorfer Seilerfamilie, die jedoch mit der von Johannes Vögeli nicht verwandt war. Nach einer Lehre in Oberburg und Wanderjahren als Geselle, arbeitete er ab 1706 in Burgdorf als Hafner und Kachelofenproduzent. Seine Produktion lässt sich nicht zweifelsfrei von der anderer Burgdorfer Hafner unterscheiden. Es besteht jedoch der Verdacht, er könnte die Technik des Springfederdekors, der im 18. Jahrhundert vor allem bei der Langnauer Keramik grosse Bedeutung erlangen sollte, auf seiner Gesellenwanderung in Deutschland kennengelernt und mit nach Burgdorf gebracht haben.

Alle genealogischen und chronikalischen Informationen wurden von Trudi Aeschlimann , Burgdorf, zusammengetragen, der ich in diesem Zusammenhang sehr herzlich für ihre Hilfe und die Anregung zu diesem Artikel danken möchte.

Erstveröffentlichung:

Heege 2015
Andreas Heege, Die Hafnereien Vögeli in der Burgdorfer Unterstadt, in: Burgdorfer Jahrbuch 83, 2015, 41-68.

Standorte von Hafnereien in Burgdorf  (Legende zu Abb. 1)

1 + 2               Röhrisgasse, Jakob Knup der jüngere und der ältere, erwähnt 1689-1699
3                      Beginengässli West, Hafner Johannes Dübelts Witwe, Oberstadtbrand 1706
4                      Metzgergasse 4, bis 1712 Bendicht Gammeter, nachher seine Witwe K. Ris
14                    Metzgergasse 4, um 1746 Heinrich Gammeter „anderer“ Hafner
5                      Nähe untere Mühle/ Röhrisgasse, bis spätestens 1714 Johannes Vögeli
6                      wohl Chnuppenmatt (Post) Oberburg, eigentlich Gemeindebezirk Burgdorf,                                 der Burgdorfer Hafner Hans Knup, erwähnt 1688-1715
7                      beim Mühletor/Stadtgraben, Oswald Schönberger, erwähnt 1683-1719
8a                    „unter“ dem Kornhaus, 1708-1715 Jakob Vögeli
8b                    Mühlegasse 10, ab 1715 Jakob Vögeli
9a                    Röhrisgasse, bis Brandausbruch 1715 Heinrich Gammeter
9b                    Milchgässli (westl. obere Badstube), Heinrich Gammeter, erwähnt 1746
19a                  Milchgässli (westl. obere Badstube), Emanuel Aeschlimann, erwähnt ab 1775
10                    Hofstatt 7, „Gammeterhaus“, Jakob Gammeter-Flückiger, erwähnt 1737-1754
15                    Hofstatt 7, Joh. Jakob Gammeter-Aeschlimann älter, erwähnt 1754-1800
11                    Hintere Gasse (Kornhausgasse) 10, Samuel I Gammeter, erwähnt 1746-1758
12                    Hintere Gasse (Kornhausgasse) 10, Samuel II Gammeter, erwähnt 1758-1761
18                    Hintere Gasse (Kornhausgasse) 10, Rudolf Samuel Gammeter, erwähnt 1800
13                    Hintere Gasse, neben späterem Kornhaus, Johann Heinrich Gammeter jun.                                 verzinst 1759 bis 1770 die Hafnerhütte (siehe Aeschlimannplan 1773)
16                    Rütschelengasse 6/Hofstatt 5, Joh. Jakob Gammeter Sohn, erwähnt 1800
19b                 Rütschelengasse 23, beim Tor, ca. ab 1795-1832 Emanuel Aeschlimann
17                    Rütschelengasse 23, bis 1828 Joh. Heinrich I Aeschlimann
20                    Rütschelengasse 23, bis 1866 Heinrich II Aeschlimann
21                    Rütschelengasse 23, bis 1908 Joh. Arthur Aeschlimann „Deuchelfabrikant“

Bibliographie:

Aeschlimann 1847
Johann Rudolf Aeschlimann, Geschichte von Burgdorf und Umgegend, Zwickau 1847.

Baeriswyl 2003
Armand Baeriswyl, Stadt, Vorstadt und Stadterweiterung im Mittelalter. Archäologische und historische Studien zum Wachstum der drei Zähringerstädte Burgdorf, Bern und Freiburg im Breisgau (Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters 30), Basel 2003.

Baeriswyl/Gutscher 1995
Armand Baeriswyl/Daniel Gutscher, Burgdorf Kornhaus, Eine mittelalterliche Häuserzeile in der Burgdorfer Unterstadt (Schriftenreihe der Erziehungsdirektion des Kantons Bern), Bern 1995.

Boschetti-Maradi 2006
Adriano Boschetti-Maradi, Gefässkeramik und Hafnerei in der Frühen Neuzeit im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 8), Bern 2006.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Die Geschirrkeramik des 12. bis 20. Jahrhunderts, Vaduz 2016

Heege/Kistler/Thut 2011
Andreas Heege/Andreas Kistler/Walter Thut, Keramik aus Bäriswil. Zur Geschichte einer bedeutenden Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 10), Bern 2011.

Schnyder 1989
Rudolf Schnyder, Winterthurer Keramik, Winterthur 1989.

Schweizer 1985
Jürg Schweizer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern, Land, Bd. 1, Die Stadt Burgdorf (Die Kunstdenkmäler der Schweiz 75), Basel 1985.

Wyss 1973
Robert L. Wyss, Winterthurer Keramik. Hafnerware aus dem 17. Jahrhundert (Schweizer Heimatbücher 169-172), Bern 1973.

Burri, Werner (1898-1972), Dornburg, Velten, Carouge, Marwitz, Keramikfachschule Bern

Werner Burri erteilt Unterricht im Drehen (aus Tschabold 1945).

Keramik von Werner Burri in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2022

Die folgende Zusammenstellung will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Sie soll lediglich einige Eckdaten zum Leben Werner Burris mitteilen, der als Keramikfachlehrer an der Keramikfachschule in Bern zwischen 1941 und 1963 einen grundlegenden Einfluss auf eine Vielzahl von Keramikerinnen und Keramikern im Kanton Bern und der Deutschschweiz hatte. Die vorliegenden Daten stammen aus der Literatur (Schnyder 1985; besonders grundlegend zuletzt Messerli 2017, 135-158).

1898, 18. Oktober Werner Burri geboren in Bern.

1919-1920 Studium der Ingenieurwissenschaften am Polytechnikum in Zürich abgebrochen, um sich der Malerei zu widmen.

1921, Herbst Student am Bauhaus in Weimar, absolvierte den Vorkurs bei Johannes Itten. Wechsel in die Bauhaus-Töpferei in Dornburg an der Saale (Leitung Gerhard Marcks) stand.

1922, 1. April Beginn der Lehre in Dornburg, Ende des Lehrvertrages 31.3.1925.

1924/25, Wintersemester Gesellenprüfung als Töpfer.

1925 Umzug des Bauhauses nach Dessau, dort war keine Keramikwerkstatt mehr eingerichtet. Burri arbeitete bis zum 1. Juni 1927 als Geselle in der von Otto Lindig weitergeführten Dornburger Werkstatt.

1927, Juli Arbeitsbeginn in der Steingutfabrik Velten-Vordamm, Kontakt mit Hedwig Bollhagen, Leiterin der Malabteilung.

1927, Dezember Arbeitszeugnis von Gerhard Marcks für Werner Burri: “Herr Werner Burri hat sich am Bauhause, zeitweise unter meiner Leitung, handwerklich in der Töpferei 5 Jahre lang beschäftigt. In Entwurf und Ausführung zeigte er eine durchaus selbständige Begabung. Seine graphischen Fähigkeiten schätze ich hoch ein. Sie zeigen eine ungewöhnliche Empfindung und reiche Phantasie. Herr Burri wäre wohl imstande, auf Grund seiner Begabung und Ausbildung Unterricht zu erteilen und eine Klasse zu leiten. Halle 10. XII 27 gez. Prof. G. Marcks“ (Nachlass Burri).

1928, 26. Januar Leiter der Modell- und Formwerkstatt in die Steingutfabriken Velten-Vordamm. Dort zeichnete er für viele der bekannten Serienformen und Einzelstücke verantwortlich (Dittmar 1997, 17). Drei Skizzenhefte sind aus dieser Zeit erhalten.

1931 Konkurs Steingutfabriken Velten-Vordamm, Rückkehr in die Schweiz.

1932-1933 Arbeit in der Werkstatt La Chapelle von Marcel Noverraz (1899-1972) in Carouge.

1934 , ab April Arbeit in Perugia (C.I.M.A., Consorzio Italiano Maioliche Artistiche) und Deruta. Wohnort Oberwil im Simmental.

1934-1939 in den Sommermonaten bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges freier künstlerischer Mitarbeiter der HB-Werkstätten für Keramik bei Hedwig Bollhagen  in Marwitz bei Velten (Dittmar 1997, 19). Produkte von Werner Burri. In Marwitz eignete er sich unter dem Einfluss des früheren Kollegen Charles Crodel auch die Sgraffitotechnik für seine Keramiken an: “vielfach schmückte er sie aber auch mit Stillleben, Schiffen, floralen und phantasievollen, reichen figürlichen Dekoren […], Tierdarstellungen, heitere figürliche Szenen mit Paaren und Akten, häufig Putti, italienische Frauenfiguren mit Wein, Bacchus, Kindern, Weihnachtsszenen etc. Hierbei wandte er  […] die Sgraffitotechnik in heller Engobe auf dunklerem (zumeist dunkelbraunschwarzem, manganhaltigem) Scherben an, zuweilen kombiniert mit partieller farbiger Unterglasurbemalung” (Heger 2005, 93-94, 368-369).

1941, 19. Mai, Wiedereröffnung der Keramikfachschule Bern unter Fachlehrer und Schulleiter Benno Geiger (bis 1969/1970, vgl. zur Person Schnyder 1985; Messerli 2017) und Werkmeister Werner Burri (bis 1963, vgl. zur Person Schnyder 1985; Messerli 2017) am alten Standort. Mit der Wahl von Geiger und Burri gelang es dem bernischen Regierungsrat, zwei qualifizierte Fachmänner einzustellen, welche aufgrund ihrer Auslandaufenthalte stilprägende Einflüsse (und Gegensätze!) aus der Wiener Kunstgewerbeschule und der Dornburger Bauhaustöpferei mit sich brachten. Burri pendelte bis zu seine Pensionierung täglich von Oberwil im Simmental nach Bern. Burri hatte nie ein eigenes Atelier, d.h. alle seine Arbeiten nach 1941 entstanden in der Keramikfachschule in Bern.

1942, 1. Januar, Die Keramische Fachschule erhielt ein eigenes Reglement.

1942 Umzug der Keramischen Fachschule von der Felsenburg in grössere Räumlichkeiten an der Spitalackerstrasse 63 in Bern.

Bericht über die Keramikfachschule in einer unbekannten Illustrierten, zwischen 1945 und 1950.

1951 Ziele der Keramikausbildung in Bern: “Beide Lehrer waren lange im Ausland tätig gewesen, der eine in Berlin, der andere in Wien und Paris. Wir waren also durchaus moderne alte Praktiker. Trotzdem sagten wir uns: Wir sind hier in Bern; Bern hat eine berühmte keramische Tradition; es ist selbstverständlich, dass wir an diese Tradition anknüpfen. Wir wollten allerdings die alten Heimberger und Langnauer Keramiken nicht sklavisch kopieren, sondern uns von der soliden Handwerklichkeit der Formen, der Leuchtkraft der Farben und der naiven Fröhlichkeit der Darstellungen inspirieren lassen, um mit der Zeit zu eigenen, neuen Lösungen zu kommen. Wir wollten also gewissermassen Pflanzen sein, deren Wurzeln im alten, heimatlichen Boden stecken, deren Blüten aber neue Formen und Farben treiben.” (Geiger 1952, 8-9). Inwieweit diese Ziele erreicht wurden, liesse sich nur bei einem Abgleich der Schüler/Schülerinnenlisten (in Messerli 2017) mit deren jeweiligem Lebenswerk feststellen (vgl. z.B. Jakob Stucki, Franz Loder und Margret Loder-Rettenmund).

1959 Die Keramikfachschule in der Presse

1950er-Jahre Ablösung der Sgraffitotechnik durch formunterstützende Liniendekore, schliesslich Verzicht auf jegliche Dekoration, dünnwandige, schlanke Vasen, als spielerisch arrangierte Formgruppen (Schnyder 1985, 13-15), schliesslich nur noch unglasierte Schrühbrände. Aus Furcht davor, dass sein Spätwerk auf Unverständnis stossen könnte, verzichtete Burri auf Ausstellungsteilnahmen. Leitgedanke seines Spätwerkes “Am Ende ist die Form” (Messerli 2017, 153).

1959  Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Keramiker.

1960 Die Keramikfachschule und wichtige Schüler der Keramikfachklasse präsentieren sich im Kunstgewerbemuseum in Zürich in Form einer Ausstellung (Fischli/Rotzler 1960).

1963 Werner Burri wird pensioniert. Nachfolger wird der Fachlehrer Urs Adolf Gremli.

1972, 13. Mai Werner Burri stirbt nach mehreren Schlaganfällen im Altersheim Engeried  in Bern. Die Arbeitsgemeinschaft Schweizer Keramiker (ASK) würdigte sein Wirken mit einer Sonderausstellung anlässlich der 7. Ausstellung der ASK in Schloss Schadau (Thuner Tagblatt, Band 95, Nummer 155, 5. Juli 1972; Neue Zürcher Zeitung, Nummer 340, 24. Juli 1972).

1985 Erinnerungsausstellung in Schloss Spiez: Werner Burri, Benno Geiger, Jakob Stucki und Margrit Daepp-Linck (Thuner Tagblatt, Band 109, Nummer 163, 16. Juli 1985; dazu Schnyder 1985).

2019 Anlässlich der 100. Geburtstages des Bauhauses wurde 2019 im Düsseldorfer Hetjens-Museum eine Ausstellung mit Entwürfen von Walter Burri gezeigt:  Wechselwirkungen – Meister und Gesellen des Bauhauses zwischen Werkstatt und Industrie.

Keramik von Werner Burri in Drammens Museum

Keramik von Werner Burri und Luise Harkort im MFA, Boston

Keramik von Werner Burri im Keramik-Sammler.de

Bibliographie:

Dittmar 1997
Monika Dittmar, Vollendung des Einfachen : Hedwig Bollhagen wird neunzig ; eine Ausstellung des Fördervereins Ofen- und Keramikmuseum Velten e.V., Velten 1997.

Geiger 1952
Benno Geiger, Keramische Fachschule Bern 1941 -1951, Bern 1952.

Heger 2005
Andreas Heger, Keramik zum Gebrauch – Hedwig Bollhagen und die HB-Werkstätten für Keramik, Dissertation, Weimar 2005.

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik. Von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017, bes. 135-158 (zu Werner Burri).

Schnyder 1985
Rudolf Schnyder, Vier Berner Keramiker. Werner Burri, Benno Geiger, Margrit Linck, Jakob Stucki, Bern 1985.

Tschabold 1945
Alfred Tschabold, Geschichte des Gewerbemuseums 1869-1944, in: Kantonales Gewerbemuseum Bern, 75 Jahre Kantonales Gewerbemuseum Bern 1869-1944, Bern 1945, 9-51.

Tschabold 1969
Alfred Tschabold, 100 Jahre Gewerbemuseum in Bern. Zeittafel zu seiner Geschichte 1869 bis 1969, Bern 1969.

Champ-du-Moulin (Boudry) NE, Werkstatt von Vincent Diana (1890–1905)

Keramik aus der Werkstatt von Vincent Diana in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Im Kanton Neuenburg haben wir eine uns völlig unbekannte Keramikwerkstatt entdeckt, oder besser gesagt wiederentdeckt. Sie wird in der Literatur kaum erwähnt, ausser in einer Studie der beiden Schülerinnen Marianne Biselli  und Antonella Simonetti mit dem Titel Travail de l’argile au Val-de-travers hier et aujourd’hui. Sie entstand im Jahr 1984 unter der Leitung von Pierre-André Klauser. In dieser nicht sehr ambitionierten Forschungsarbeit, in Form eines Daktyloskripts vorliegend, wird in der Tat eine Töpferei erwähnt, die Vincent Diana in Champ-du-Moulin (Gemeinde Boudry) in den Jahren 1890-1905 führte.

In einer kürzlich entdeckten Zeitungsnotiz, erschienen in Le Nouvelliste vaudois vom 10. März 1900 (S. 2), finden sich weitere Informationen zu den offiziellen Anfängen von Dianas Werkstatt. Darin heisst es: «Auf der malerischen Lichtung von Champ-du-Moulin hat sich gerade ein neues Unternehmen niedergelassen. Es handelt sich um eine Töpferei, deren Produkte aus Mergel oder lokalem Ton hergestellt werden.» Das Neuenburger Museum für Kunst und Geschichte (Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel) verfügt über zwei unvollendete Keramiken aus dieser Werkstatt, die vom Töpfer selbst überreicht wurden, sowie über drei etwas feiner ausgearbeitete Exemplare, eine Schenkung von Alfred Godet und Théodore Delachaux. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich das Museum für das zeitgenössische Schaffen interessierte, insbesondere für eine Werkstatt, die vor kurzem im Kanton eingerichtet worden war und in die man offensichtlich einige Hoffnungen gesteckt hatte.

Die beiden unvollendeten Exemplare – Schrühbrände (MAHN AA 1321; MAHN AA 1320) –, die von Diana gestiftet wurden, gelangten 1899 in die Sammlung, ebenso wie die von Alfred Godet gestiftete und von einer gewissen Frau O. Godet dekorierte Schale (MAHN AA 2072), was beweist, dass der Töpfer einige Monate vor dem Frühjahr 1900 mit der Arbeit begonnen hatte, ohne jedoch den gesamten Herstellungsprozess zu beherrschen. Tatsächlich wurde die bemalte Schale «in Nyon emailliert und gebrannt», wahrscheinlich in den Einrichtungen der Manufacture de poteries fines de Nyon. Diese drei frühen Beispiele tragen eine Blindmarke, ein verziertes «C» (wahrscheinlich für Champ-du-Moulin), die in den noch feuchten Ton eingedrückt wurde (siehe MAHN AA 1321; MAHN AA 1320; MAHN AA 2072).

Die beiden Vasen in etwas feinerer Ausführung, aus der Schenkung von Théodore Delachaux (MAHN AA 1870; MAHN AA 2084), werden erst 1935 mit der Erwähnung «Erste Versuche von M. Diana, April 1901» in die Sammlungen aufgenommen. Aus dem alten Inventar des Museums geht auch hervor, dass die Formen der beiden Vasen «von Clement Heaton» (1861–1940) stammten, dem berühmten Glasmacher und Dekorateur englischer Herkunft, der zwischen 1893 und 1914 in Neuenburg lebte.

Nachforschungen, insbesondere beim Zivilstandsamt, ergaben keine Hinweise zu den Lebensdaten von Vincent Diana, noch zum Zeitraum seiner Niederlassung in der Region. Auch ein Besuch bei Herrn Maximilien Diana, dem Neffen von Vincent, der noch immer in Travers lebt, erlaubte uns nicht, diese Wissenslücken vollständig zu schliessen. Wir können nur bestätigen, dass die Dianas, eine Emigrantenfamilie aus Brusnengo (Piemont), in Frankreich und Portugal gelebt haben, bevor sie sich in Champ-du-Moulin niederliessen, wo Vincents Mutter ein Restaurant betrieb, wie ein von Herrn Diana aufbewahrtes Kontobuch von 1869 bezeugt. Letzterer besitzt auch etwa fünfzehn von seinem Onkel hinterlassene Keramiken. Darunter befindet sich ein signierter, 1898 datierter Schrühbrand eines Irdenwarekruges: ein etwa 30 cm hohes balusterförmiges Gefäss mit einem gemodelten Frosch als Henkel. Die Form zeigt ein komplexes Profil, erzeugt durch Abdrehen auf der Töpferscheibe. Eine weitere Vase ohne Glasur zeigt die Dekorationstechnik, die der Töpfer bei einigen seiner Stücke anwendete: eine gemodeltes Auflage wird auf das Objekt appliziert, die feinen Details werden von Hand kunstvoll eingearbeitet, und dann wird das Ganze mit einer farbigen Engobe überzogen (siehe MAHN AA 1870; MAHN AA 2084).

Die Mehrzahl der Stücke, die wir in Travers untersuchen konnten, sind kleine Vasen mit einfachen, eleganten Formen, wahrscheinlich mit einer rosa Glasur überzogen und mit relativ nüchternen geometrischen oder pflanzlichen Motiven verziert, die in Blau, Schwarz und Gelb gemalt sind, ein wenig im Geist des niederländischen Jugendstils. Tatsächlich ist die Hintergrundfarbe durch eine Engobe gegeben, die mit einer semi-opaken Glasur überzogen ist; die Motive scheinen auch mit farbigen Engoben ausgeführt zu sein, die unter der Glasur aufgetragen wurden. Die meisten dieser verzierten und glasierten Objekte sind sehr genau bezeichnet und datiert: «V. Diana – Champ-du-Moulin – 15.XII.1900». Wie die im MAHN aufbewahrten Exemplare zeichnen sie sich durch ihren experimentellen Charakter aus: Die Glasur und die darunter liegenden Dekore weisen regelmässig Brennfehler auf.

Es ist offensichtlich, dass Vincent Diana verschiedene Techniken der Tonformung perfekt beherrschte: Drehen, Giessen, Eindrehen, und es ist wahrscheinlich, dass er dieses Know-how bereits besass, als er sich vermutlich Ende der 1890er-Jahre in Champ-du-Moulin niederliess. Hingegen scheint es ihm nie gelungen zu sein, das Glasieren vollständig zu beherrschen. Dies mag einer der Gründe gewesen sein, warum er die Region um 1905–1906 in Richtung Tessin verliess, wo er als Angestellter der 1904 gegründeten Keramikfabrik in Sementina, im Bezirk Bellinzona, arbeitete (Schweizerisches Handelsblatt, Bd. 22, 1904, S. 1354). Maximilian Diana besitzt zwei feine Steingutobjekte mit der Stempelmarke «Sementina»: eine kleine Jugendstil-Vase mit erhabenen Pflanzenmotiven in mehrfarbiger Unterglasurmalerei und einen Krug in Form eines karikierten Gesichts eines ausgelassenen Lebemanns aus dem Volk. Beide Objekte tragen die Unterschrift von Vincent Diana und das eingeritzte Datum 1907. Laut Maximilian Diana war Vincent als Vorarbeiter in der Keramikfabrik in Sementina angestellt und offensichtlich hat er auch Formen für die Manufaktur entworfen, insbesondere diejenigen, die wir in Travers untersuchen konnten. In Champ-du-Moulin, wo er seine Werkstatt «auf einem Stück Land, das ihm nicht gehörte» eingerichtet hatte, arbeitete Vinzenz zusammen mit seiner Schwester Clothilde und seinem Bruder Albert, Maximiliens Vater. Albert folgte seinem Bruder für einige Zeit nach Sementina, wo sie gemeinsam in der Keramikfabrik arbeiteten.

Weitere Nachforschungen in den Tessiner Archiven werden es uns vielleicht eines Tages ermöglichen, den Werdegang von Vincent Diana genauer nachzuvollziehen, einem interessanten Keramiker, dessen unbestreitbare Talente während seines Aufenthalts in Neuenburg offenbar nie ihren vollen Ausdruck finden konnten.

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013, 26-28, 500.

Chavannes-près-Renens VD, Poterie moderne (S.A.), 1902-1972/73

Roland Blaettler, 2019

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts erfuhr das Keramikindustriezentrum von Renens mit der Gründung der «Poterie moderne» im Jahr 1902 in der kleinen angrenzenden Gemeinde Chavannes-près-Renens und 1912 mit der Eröffnung der «Schweizer Keramikschule» (siehe Kapitel «Chavannes-près-Renens, École suisse de céramique» eine erhebliche Aufwertung. Diese beiden Institutionen entstanden dank der persönlichen Initiative von Lucien Ménétrey (1853–1930), einer «originellen und populären Persönlichkeit aus der Gegend, einem Mann, der unbestritten in der Region eine herausragende Rolle spielte und zu ihrer Entwicklung beitrug», wie es in seinem Nachruf steht (Feuille d’avis de Lausanne vom 4. August 1930, S. 7 unter der Signatur «A. T.»). Aus eben diesem Nachruf stammen die wichtigsten Informationen, mit denen wir versucht haben, eine Biografie über diese bedeutende Persönlichkeit zu verfassen.

Lucien war der Sohn von Jacques Louis Ménétrey (1820–1901), Landwirt, Holzhändler und ehemaliger Bürgermeister von Chavannes. Nach seiner Schulzeit lebte er mehr als ein Jahr in Uebendorf bei Thun, um Deutsch zu lernen. 1879 zog der junge Mann nach Paris, wo er sein Debüt als «Kommissionär und sogenannter Rezeptjunge» gab, bevor er Handelskurse bei der französischen Grossloge der Freimaurer, Grand-Orient de France, besuchte. War der junge Mann bereits vorher in die Freimaurerei eingetreten, war er der Protegé eines älteren «Bruders» (seines Vaters)? Dafür gibt es derzeit keine Anhaltspunkte. Dem Nachruf gemäss scheint Ménétrey etwa fünfzehn Jahre lang in Paris gelebt zu haben. Erst 1894 kehrte er nach Chavannes zurück, wo er zehn Jahre lang das Dorfcafé betrieb. Im selben Jahr trat er dem Gemeinderat in den Reihen der Freisinningen-Demokratischen Partei bei. Später definierte er sich selbst als «progressiven Freisinningen» (Nouvelliste vaudois vom 28. Februar 1901, 2).

Ménétrey wurde 1904 zum Bürgermeister von Chavannes gewählt, ein Amt, das er bis zu seiner Abwahl im Jahr 1913 ausübte. Bei den Wahlen im November 1913 wurde die von Ménétrey geführte Liste von den Sozialisten und einer Gruppe von freisinnigen Abtrünnigen faktisch besiegt, und es war gerade ein freisinniger Abweichler, der sein Amt an der Spitze der Gemeinde übernahm. Ein Beobachter wird feststellen, dass «auf den Siegerlisten mehrere Namen aus der Liste von Ménétrey erschienen» (La Revue vom 17. November 1913, 2; Nouvelliste vaudois vom 6. Dezember 1913, 3). Offenbar standen nicht alle Parteimitglieder geschlossen hinter dem lebhaften Politiker.

Während seiner Amtszeit leistete Lucien Ménétrey einen bedeutenden Beitrag zur Modernisierung der Gemeinde, unter anderem schreibt man ihm den Bau der Bahnhofstrasse, die den Ort mit dem Bahnhof Renens verband, die Elektrifizierung der öffentlichen Beleuchtung und den Bau von Trinkwasser-, Gas- und Kanalisationsnetzen zu. Nachdem er Firmenchef geworden war, liess er fünfzehn Arbeiterhäuser für die Angestellten seiner Töpferei bauen.

Ménétrey, der sich aktiv am öffentlichen Leben seiner Region und seines Kantons beteiligte, äusserte regelmässig seine Standpunkte in der Presse, insbesondere im Journal de Morges, unter den Pseudonymen «Pierre Dif», «Pierre» oder «Jean-Pierre». Im Jahr 1907 trat er als einziger Kommanditär der Firma auf, die das 1906 gegründete Journal et Feuille d’avis de Renens herausgab (SHAB, Bd. 26, 1908, 1361). Zwei Jahre später kaufte er die Zeitung (Nouvelliste vaudois vom 25. Februar 1909, 2).

Lucien Ménétrey war aktives Mitglied der Waadtländer Handelskammer und bekleidete leitende Positionen in den Freimaurerkreisen von Lausanne (Historisches Lexikon der Schweiz, online konsultiert, Artikel von Gilbert Marion). In den Danksagungen, die von der Familie von Ménétrey am Tag nach seiner Beerdigung veröffentlicht wurden (Feuille d’avis de Lausanne vom 9. August 1930, 6), erscheinen die Loge «Le Progrès», das Kapitel «Souverain Chapitre L’Amitié» und der Areopag «Les Amis de la lumière», die drei Lausanner Institutionen, die es den Eingeweihten ermöglichten, sich bis zum 30. Grad (von 33) der freimaurerischen Hierarchie des «Alten und Angenommenen Schottischen Ritus» (AASR) zu entwickeln. Ein zweiter, kurzer Nachruf, der in der Feuille d’avis de Lausanne vom 5. August 1930 (S. 6) veröffentlicht wurde, erinnert daran, dass der Verstorbene 1910 den «höchsten Grad erreicht hatte».

Die nachhaltigsten Spuren, die Ménétrey hinterliess, waren zweifellos die beiden von ihm gegründeten Institutionen im Bereich der Keramikindustrie: Die erste wurde zur innovativsten Töpferei des Kantons und die zweite war lange Jahre die erste Keramikfachschule, die diesen Namen in der Westschweiz verdiente.

Poterie moderne – Lucien Ménétrey, 1902-1905

Poterie moderne S. A. 1905-1972/73 (?)

Lucien Ménétrey liess seine «Poterie moderne» im August 1902 ins Handelsregister eintragen (SHAB, Bd. 20, 1902, 1282). Das neue Unternehmen, das in einem nagelneuen, heute noch existierenden Gebäude an der Ecke Avenue de la Gare und Rue de la Blancherie untergebracht war, dürfte schon einige Zeit in Betriebe gewesen sein, da der erste Brand «etwa im Monat August 1902» stattfand (La Tribune de Lausanne vom 29. Juni 1905, 2–3). Im selben Artikel erklärt der Journalist, dass nach «einigen unvermeidlichen Veränderungen diese Fabrik im Ort mit ihrer Produktion der Waren begann, die sofort Aufmerksamkeit erregten und geschätzt wurden». Aus dem Artikel geht auch hervor, dass das Rohmaterial an Ort und Stelle gefunden wurde, zur vollen Zufriedenheit des Unternehmens.

Ab September veröffentlichte Ménétrey Werbeanzeigen zur Förderung seiner «Kunst- und Gebrauchskeramik» und seiner Bau- und Ofenkeramik. Die Inserate kündigten auch eine Ausstellung seiner «künstlerischen Produktserie» an, die in den Schaufenstern des Kaufhauses Martinioni in der Rue Centrale in Lausanne präsentiert wurden (Nouvelliste vaudois vom 12. September 1902, 4). Drei Tage später begrüsste dieselbe Zeitung das Entstehen der neuen Firma mit folgenden Worten: «In der Schweiz gibt es wenig Kunsttöpfereien. Die bekannteste ist die von Thun. Auch Ferney-Voltaire, im Pays de Gex, hat sich einen Ruf erworben, der weit zurückreicht, und Liebhaber von schönen Nippsachen werden sie sicherlich dort kaufen. Eine dritte Fabrik ist vor den Toren der Hauptstadt eröffnet worden, in der Nähe des Bahnhofs von Renens […]» (Ausgabe vom 15. September 1902, 2).

Ohne Zweifel gehörte das Alltags- oder Kochgeschirr zu den Basisprodukten der Poterie moderne und ihr Stil entsprach den Produkten, wie sie auch in anderen Töpfereien der Genferseeregion zu finden waren. Hierzu gehört auch eine mit grüner Glasur überzogene, engobierte Aufrahmschüssel aus Irdenware, die die erste Blindmarke der Firma mit den Initialen des Besitzers – «L. M.» in einem Oval trägt (MHL AA.46.D.22). Diese Firmenmarke wurde am 17. September 1902 ordnungsgemäss registriert (SHAB, Band 20, 1902, 1362).

Die Schüssel ist bis anhin das einzige bekannte, gemarkte Exemplar aus der sicher umfangreich produzierten Gruppe der undekorierten Gebrauchsgeschirre.

Dank eines weiteren gemarkten Exemplars, das im Musée régional du Val-de-Travers in Môtiers (NE) verwahrt wird, wissen wir, dass in der Poterie moderne auch verzierte zylindrische Milchtöpfe mit verdicktem Rand hergestellt wurden, ein weiterer Typus, der charakteristisch ist für die engobierte Irdenware aus der Genferseeregion (MRVT Nr. 26).

Ambitioniertere, «künstlerische» Objekte, die der frühen Produktionsphase des Unternehmens zugeschrieben werden, finden sich unter den Auftragsarbeiten für verschiedene Gemeinden anlässlich der Feierlichkeiten zum Waadtländer 100-Jahr-Jubiläum von 1903 (MHV 5245; MVVE 5180; MVM M 909; MCAHL HIS 11-19; MCAHL HIS 11-16; MCAHL HIS 11-10; MCAHL HIS 11-15; MCAHL HIS 11-12; MCAHL HIS 11-11; MHPN MH-1998-95). Die meisten dieser Stücke tragen die oben erwähnte Blindmarke, manchmal eingerahmt mit dem vollständigen Text «POTERIE MODERNE CHAVANNES RENENS» (MCAHL HIS 11-14).

Wie andere Berufskollegen nutzte auch Ménétrey geschickt die durch die Hundertjahrfeier erzeugte Euphorie in der Bevölkerung. Soweit wir beurteilen können, konnte er mindestens sieben Gemeinden mit Gedenkgeschirr versorgen: Pully, Cully, Grandson, Vevey, Moudon, Riex und Vuarrens. Wie bei Samuel Jaccard in Renens besteht der grösste Teil des Dekors aus heraldischen Motiven und die ganze Spezialserie ist in der traditionellen Technik der engobierten Irdenware ausgeführt, ergänzt mit gemodelten und applizierten Reliefornamenten und versehen mit einer bleihaltigen Glasur. Allerdings ist die Ausführung im Detail raffinierter als bei Jaccard: Einige besonders feine Auflagen sind aus weissem Ton, dessen Wirkung an Steingut erinnert, und die eingelassenen Inschriften – die Namen der Gemeinden oder der Wahlspruch des Waadtländer Wappens – sind mit Druckbuchstaben eingedrückt.

Anhand der einzigen noch vorhandenen Suppenschüssel aus der Reihe der Gedenkkeramik, die für die Stadt Moudon hergestellt wurde (MVM M 909), erahnt man die Palette von Spezialverfahren, die die Töpfer von Ménétrey entwickelt haben, um beispielsweise eine «naturalistische» Gestaltung der Griffe in Form von Zweigen zu kreieren.

Im Conteur vaudois vom 18. Juni 1904 berichtet ein gewisser J. M. von einem von Ménétrey begleiteten Besuch in der Töpferei. In seinem Artikel beschreibt er die kunstvolle Keramik «mit originellen Formen und schillernden Farben», verziert mit farbiger Glasur im Laufdekor, und auf der anderen Seite «das in grosser Menge produzierte Alltagsgeschirr aus rotem oder gelbem Ton, verziert mit bizarren und vielfarbigen Mustern, dem unsere Bauern treu geblieben sind». Das einzige bisher bekannte Motiv, das diesen «bizarren und vielfarbigen Dekoren» entsprechen könnte, ist genau dieser Marmordekor, der von dem Milchtopf im Museum von Môtiers (MRVT Nr. 26) bezeugt wird.

Im Frühjahr 1905 beschloss Lucien Ménétrey, nachdem er «die Gewissheit erlangt hatte, dass diese Industrie eine angemessene Dividende ausschüttet», seine Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, «um bei allen Personen Interesse zu wecken, die entweder als Produzenten oder als Händler in direkter Beziehung zu ihr stehen» (Tribune de Lausanne vom 29. Juni 1905, 2-3). Rund vierzig Subskribenten versammmelten sich daher am 20. März, um das neue Unternehmen zu gründen. Der Journalist der Tribune bemerkte auch, dass Ménétrey, ermutigt durch die Beispiele französischer Unternehmen wie «Le Louvre», «Le Bon Marché» oder «Familistère de Guise», beschlossen hatte, die Arbeiter des neuen Unternehmens teilhaben zu lassen, indem er ihnen Aktien zu Vorzugspreisen anbot, eine vom Unternehmen finanzierte Unfallversicherung schuf und zehn Prozent des Gewinns unter dem Direktor und den Angestellten aufteilte.

Am 1. April 1905 wurde der alte Firmenname gelöscht, während die «Poterie moderne de Chavannes-Renens S. A.» neu im Schweizerischen Handelsamtsblatt eingetragen wurde (Bd. 23, 1905, 579). Ihr Zweck bestand darin, die Vermögenswerte der ehemaligen Einrichtung, die Gebäude, das Material und den Kundenstamm zu übernehmen. Das Kapital von 100 000 Franken wurde auf 400 Inhaberaktien aufgeteilt. Den Vorsitz im Verwaltungsrat führte Ménétrey, die Geschäftsführung wurde Henri Magnin von Collex-Bossy (GE), wohnhaft in Chavannes, anvertraut. Einige Jahre zuvor führte Magnin den Vorsitz der Chambre syndicale des ouvriers tourneurs en poterie du canton de Genève (siehe Kapitel «Poteries engobées de la région lémanique»).

Zwei Jahre später übergab Magnin seine Stelle als Direktor an seinen Schwiegersohn Henri Dusserre (1882–1950; Feuille d’avis de Lausanne  vom 18. Oktober 1907, 4). Ganz in den Fussstapfen von Ménétrey wurde Dusserre 1921 in den Gemeinderat von Chavannes gewählt, ebenfalls aus den Reihen der Freisinnig-Demokratischen Partei, und 1925 übernahm er das Bürgermeisteramt, das er bis September 1945 bekleidete.

Kurz nach seinem Aufstieg zum Direktor des Unternehmens und angesichts der Verwirrung, die durch die angebliche Fusion der Töpfereien Jaccard und Pasquier-Castella (voir plus haut) entstanden war, sah sich Dusserre gezwungen, folgende Mitteilung zu veröffentlichen: «Die Leitung der Poterie moderne teilt ihren ehrenwerten Kunden mit, dass sie nicht mit den anderen Renens-Werken fusioniert hat. Die grosse Zahl der Bestellungen ist der einzige Grund für die Verzögerung vieler Lieferungen» (La Revue vom 24. Dezember 1907, 4).

Ab 1908 wird in verschiedenen Werbeanzeigen, die im Indicateur vaudois erscheinen, auf eine neue Produktserie hingewiesen: die feuerfesten Kochgeschirre. In dieser Kategorie, wie übrigens auch in allen anderen, haben wir für die nächsten zwei Jahrzehnte kein der Poterie moderne zugeschriebenes Exemplar identifizieren können. Wir wissen jedoch, dass das Unternehmen 1912 an der Gartenbauausstellung von Montreux den ersten Preis gewann (Le Grutli, 18. Oktober 1912, 3). Im folgenden Jahr organisierte die Zeitung Lausanne Artistique für ihre Leser einen Wettbewerb mit mehreren Preisen. Der erste Preis bestand aus einem Paar grosser Majolikavasen aus der Poterie moderne im Wert von 25 Franken (Ausgabe vom 15. November 1913, 3).

Am 23. Mai 1925 liess das Unternehmen ein neues Firmenzeichen registrieren, diesmal in Form eines Rechtecks mit den Initialen «PM» (SHAB, Bd. 43, 1925, 1049). Derzeit ist uns kein Gegenstand bekannt, der diese neue Fabrikmarke trägt.

In ihrem Bericht über das Comptoir de Lausanne beschreibt die Zeitung L’Artistique vom 24. September 1927 den Stand der Poterie moderne. Der diensthabende Journalist bewundert insbesondere ein «ausgefallenes Frühstücksgedeck für zwei Personen in verschiedenen Farben», «Töpfe und Schalen mit offiziellen Motiven für die Fête des vignerons sowie entzückende kleine Amphoren, die ein grosser Erfolg sind und sich zu Hunderten verkaufen». Tatsächlich war die Poterie moderne vom Festkomitee als offizieller Lieferant für eine Serie von dekorativem Geschirr mit Unterglasurmalerei ausgewählt worden (Anzeige in der Revue vom 30. und 31. Juli 1927, S. 4). Eine andere Anzeige, die vom einzigen autorisierten Einzelhändler der Stadt Lausanne, der Firma Pamblanc Frères, aufgegeben wurde, zeigte drei Exemplare dieser Gedenkreihe, Teller mit jeweils einem Trommler in historischer Tracht, einer Traubenpflückerin und einem Traubenpflücker in traditioneller Tracht (Feuille d’avis de Lausanne vom 28. Juli, S. 7).

Die Website notrehistoire.ch zeigt eine Fotografie des Tellers mit der Traubenpflückerin und ein viertes Modell mit einem Müller (?), der ein Glas Wein in der Hand hält. Laut einem Kommentar von Christian Gerber zu diesen beiden Fotografien wurden die Prototypen an der Schweizer Keramikschule von seinem Vater Paul Gerber (1900–1977) hergestellt, der eine Zeitlang an dieser Institution lehrte (siehe Kapitel «Eysins, Paul Gerber»). Das Schweizerische Nationalmuseum verwahrt eine Bonbondose, die in der Poterie moderne für die Festspiele 1927 hergestellt wurde (SNM LM-167681), die Grundfarbe ist blau gesprenkelt und der Deckel verziert mit dem Porträt eines Pfeife rauchenden Sennen. Auch dieses Modell wird Gerber zugeschrieben.

Dank der immensen Ausstrahlung der Fête des vignerons und der anregenden Zusammenarbeit mit der benachbarten Keramikfachschule wurde die Bestellung von 1927 ein höchst profitabler Auftrag für die Poterie moderne, die von nun an und für einige Zeit sich einen Namen hatte als leistungsfähigste Institution des Kantons auf dem Gebiet der Kunstkeramik. Dieser Ruf führte dazu, dass sie als offizieller Lieferant für das 24. Eidgenössische Sängerfest ausgewählt wurde, das vom 6. bis 17. Juli in Lausanne stattfand (Tribune de Lausanne vom 6. Juli 1928, 1–2).

Zu diesem Anlass produzierte die Poterie moderne eine Reihe von Tellern, die einige der Kostüme darstellten, die der Waadtländer Maler Ernest Biéler (1863–1948) für die von Émile Jaques-Dalcroze geschaffene grosse Schau «Notre Pays» entworfen hatte, die einer der Höhepunkte der Feierlichkeiten sein sollte (MHL AA.46.B.58A; MHL AA.46.B.58B; MHL AA.VL 89 Di 534.64). Dieselben Motive wurden auch in Form von Postkarten vermarktet (Tribune de Lausanne vom 6. Juli 1928, Abb. S. 1). Die 1928 hergestellten Teller tragen eine neue, unter der Glasur aufgedrückte Stempelmarke in Form eines Wappenschildes, das einen Brückenbogen und drei Kirschen zeigt, den beiden wichtigsten Symbolen des Gemeindewappens von Chavannes-près-Renens. Oberhalb und unterhalb dieser Motive befinden sich die Inschriften «POMONE» (wahrscheinlich eine Verkürzung von «POterie MOderNE») und «CHAVANNES»(siehe MHL AA.46.B.58B). Zu diesem bereits 1905 angenommenen Gemeindewappen ist anzumerken, dass es vom Bürgermeister Lucien Ménétrey selbst gezeichnet wurde (Revue historique vaudoise, 28, 1920, 62)!

Auch wenn die Zahl der bisher inventarisierten Exemplare überraschend gering ist, kann man davon ausgehen, dass Bestellungen von Gedenkgegenständen für mehrere Jahrzehnte eine regelmässige Einnahmequelle der Poterie moderne gewesen sein dürften, ähnlich wie für Marcel Noverraz in Carouge. Und es ist immer die Technik der engobierten Irdenware, die zur Anwendung kommt, mit gemalten oder schablonierten Verzierungen auf einem sehr glatten und feinen Engobe-Untergrund (wahrscheinlich mit Spritzpistole aufgetragen), alle Stücke oft in sorgfältiger Ausführung (siehe z.B. MHL AA.46.B.56; MHL AA.VL 89 Di 534.66).

 

In seiner 1929 veröffentlichten kurzen Geschichte der Töpferei in Renens und Chavannes (voir plus haut) stellt der Schulinspektor Grivat fest, dass die Poterie moderne neben der Gebrauchskeramik/Alltagsgeschirr auch «[…] Kunstkeramik produzierte, wovon einige interessante Produkte auch in Lausanne, Montreux und Zermatt erhältlich sind. Einige wurden sogar nach Frankreich und England versandt» (Feuille d’avis du District de la Vallée  vom 21. November 1929, 7). Der internationale Tourismus war offenbar eine der Zielgruppen für diese bedeutende Kunstkeramikproduktion.

Im Frühjahr 1932 sah sich die Poterie moderne mit einem Streik ihrer acht Töpfer konfrontiert, der vom 12. April bis Mitte August dauerte. Mit dem Argument, dass seine Produktionskosten es ihm nicht mehr erlauben würden, mit der Konkurrenz Schritt zu halten und das Unternehmen unter einem chronischen Defizit leide, hatte Dusserre eine allgemeine Lohnkürzung von 10 Prozent angekündigt, was die Töpfer kategorisch ablehnten, zumal ihr Lohnniveau – nach ihren Angaben – bereits niedriger war als das der anderen Töpfereien der Region, in Renens, Colovrex und Carouge. Die kantonale Schlichtungsstelle versuchte es mit einem Kompromiss, indem sie eine auf 5 Prozent begrenzte Kürzung des Gehalts vorschlug. Die Betriebsleitung stimmte dem zu, aber die Streikenden lehnten den Vorschlag ab und beschlossen, ihren Kampf mit Unterstützung des waadtländischen Gewerkschaftskartells fortzusetzen (Le Droit du Peuple vom 19. April 1932, 4). In der Ausgabe vom 1. Juni veröffentlichte die Feuille d’avis de Lausanne (S. 6) den Standpunkt von Dusserre, aus dem hervorgeht, dass der durchschnittliche Monatslohn der Töpfer 1931 von 280 auf 370 Franken erhöht worden war und dass die 5-prozentige Senkung leicht ausgeglichen werden könne, da die Arbeiter im Akkord bezahlt würden. Der Direktor beschwerte sich erneut über den Umsatzrückgang und den damit einhergehenden Preisverfall. Er prangerte auch das aggressive Verhalten der Föderation der Holz- und Bauarbeiter an, die nicht gezögert habe, Arbeitnehmer einzuschüchtern, die sich entschieden hatten, auf ihrem Posten zu bleiben. Zudem übte sie durch Androhung eines Boykotts Druck auf die Händler aus, die das Geschäft mit der Poterie moderne beibehielten. In der Antwort des «Verbands der Töpfer von Renens», die teilweise in der Feuille d’avis de Lausanne, dann in aller Ausführlichkeit im Le Droit du Peuple vom 16. Juni (S. 5) veröffentlicht wurde, erfahren wir, dass Dusserre die Streikenden zumindest teilweise durch zwei junge Töpfer mit frischem Abschluss der Schweizerischen Keramikfachschule ersetzt hatte und einen «kroumir» (einen verachtenswerten Streikbrecher). Wenige Tage später veröffentlichte Dusserre tatsächlich eine Ankündigung, in der er erklärte, dass «trotz des Streiks einiger Töpfer die Poterie moderne in Chavannes ohne Unterbruch weiterarbeite» (Feuille d’avis de Lausanne vom 25. Juni 1932, 8). Der Konflikt wurde schliesslich im August gelöst, ohne dass wir auch nur die geringste Information über die getroffenen Abmachungen finden konnten. Immerhin verkündet Le Droit du Peuple vom 29. August 1932 (S. 5) die letzten Ergebnisse der offenen Subskription zugunsten der Streikenden mit dem Hinweis «Streik vorbei».

Um auf die Produktion der Poterie moderne zurückzukommen, von der wir wissen, dass sie durch die Ereignisse nie völlig lahmgelegt wurde, bleibt festzuhalten, dass wahrscheinlich Anfang der 1930er-Jahre eine neue Stempelmarke in Form eines auf einer Spitze stehenden Dreiecks eingeführt wurde. Das Dreieck enthält dieselben heraldischen Motive wie die vorherige Version der Firmenmarke und trägt die Umschrift «CHAVANNES POTERIE MODERNE» trägt, oftmals begleitet von der Erwähnung «handgemalt» (siehe MHL AA.46.B.56).

Eine dritte Stempelmarke ist aus den späten 1930er-Jahren belegt: Die Inschriften «POTERIE MODERNE CHAVANNES» und «handgemalt» sind hier in einem Kreis eingeschrieben, der ausserdem die drei Kirschen enthält, der Brückenbogen fehlt. Das einzige Beispiel, das wir bisher gesehen haben, befindet sich auf der Rückseite eines Gedenktellers von 1939, der im Musée du Léman in Nyon verwahrt wird (ML 2012-17-3).

Zusätzlich zu den Gedenktellernversuchte die Töpferei ein neues Nischenprodukt  zu entwickeln: Gegenstände mit Familienwappen. Einer Werbung für die «Familienwappenteller» der Poterie moderne entnehmen wir, dass das Unternehmen dazu sogar «Gratisrecherchen» anbieten würde, sehr wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit erfahrenen Heraldikern (z.B. in Le Grutli vom 9. März 1934, 3).

Aus der Linie der eigentlichen «Kunstkeramik», die in der Poterie moderne produziert wurde, kennen wir nur zwei relativ späte Beispiele. Die 1949 dem Musée des arts décoratifs de Lausanne gestifteten Objekte entsprechen dem Zeitgeist der Moderne, sie sind immer noch in der Technik der engobierten Irdenware ausgeführt, manchmal unter farbiger Glasur (MHL AA.MI.1893; MHL AA.MI.1892). Diese beiden Objekte tragen eine Blindmarke mit der Aufschrift «DE CHAVANNES SUISSE» in einem Kreis angeordnet, in dessen Mitte sich die drei Kirschen befinden (siehe MHL AA.MI.1892). Diese Marke wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre eingeführt.

Dieselbe Marke befindet sich auf der Rückseite eines Gedenktellers von 1953 (MHL AA.VL 92 C 2282). So überraschend dies für eine Institution, die bis Anfang der 1970er-Jahre tätig war, erscheinen mag, so ist der erwähnte Teller doch das späteste Beispiel in den öffentlichen Sammlungen des Kantons Waadt. Eine weitere Besonderheit des Exemplars ist die Herstellungstechnik, eine jahrtausendealte Technik zwar, die jedoch eine absolute Neuheit im Bereich der Poterie moderne darstellt: Fayence, die sich durch ihre Blei-Zinn-Glasur auszeichnet. Obwohl der Teller von 1953 die einzige Fayence ist, die wir der Poterie moderne zuschreiben können, glauben wir, dass das Unternehmen diese Technologie etwa zu dieser Zeit – Anfang der 1950er Jahre – eingeführt hat, ohne die traditionelle engobierte Irdenware aufzugeben.

Vom 20. Februar bis 30. März 1956 veranstaltete das Lausanner Warenhaus «Innovation» in seinen Räumlichkeiten eine «Ausstellung der Waadtländer Industrie». Auch die Poterie moderne gehörte zu den 21 Unternehmen, die eingeladen waren, einen Stand zu präsentieren. Innovation veröffentlichte in der Feuille d’avis de Lausanne  vom 20. Februar vier Werbeseiten mit einer kurzen Beschreibung der verschiedenen Firmen. Über die Poterie moderne lesen wir, dass «[…] 1927, anlässlich des grossen Winzerfests, das Unternehmen mit der Herstellung von Gedenktellern und kunstvoll verzierten Vasen beauftragt wurde und so einen wichtigen Platz einnahm unter den schönsten ausgeführten Kunstkeramiken. […] Bemerkenswert unter den schönsten Objekten dieser Kunstrichtung sind die schönen Fayencen verfeinert mit einer Blei-Zinn-Glasur in prächtigen Pasteltönen.» (S.7).

Ab den 1940er-Jahren fehlt es an Dokumenten, die Aufschluss über die Entwicklung des Unternehmens geben könnten, sei es in Form von Keramikobjekten oder Erwähnungen in der Presse. Die wichtigsten Informationen, die uns heute zur Verfügung stehen, stammen aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt und betreffen vor allem die Veränderungen, die an der Spitze des Unternehmens stattgefunden haben. So erfahren wir, dass die Firma 1944 ihre Statuten geändert hat. Neben der industriellen herstellung der Keramik behält sich das Unternehmen fortan das Recht vor, ihre Geschäftstätigkeit «auf alle geschäftsfelder auszudehnen, die mit dieser Tätigkeit zusammenhängen»; sie «kann sich auch direkt oder indirekt an allen Industrien oder Unternehmen beteiligen, die in irgendeiner Weise mit ihrer eigenen Geschäftstätigkeit zusammenhängen, Beteiligungen erwerben, Finanzgeschäfte im kommerziellen und industriellen Bereich sowie im Handel mit Mobilien und Immobilien tätigen, die mit dem Gesellschaftszweck zusammenhängen» (SHAB, Bd. 63, 1945, 371–372).

Diese wesentliche sowie ehrgeizige Statutenänderung steht in einem klaren Zusammenhang mit Roger Corthésy und vor allem Antoine Pfister, zwei neuen Persönlichkeiten, die an die Spitze des Unternehmens berufen worden waren. Beide wurden an der Seite von Henri Dusserre, Direktor und Präsident des Verwaltungsrats zu Geschäftsführern ernannt. Die Position des Präsidenten wurde gleichzeitig geschwächt: seine «Einzelunterschrift als Direktor» wurde gelöscht, und das Unternehmen wurde nun durch die Kollektivunterschrift von zweien der Geschäftsführer Dusserre, Pfister oder Corthésy vertreten (SHAB, Bd. 63, 1945, 372).

Im Juni 1945 nahm die Generalversammlung der Aktionäre den Rücktritt von Dusserre als Mitglied und Präsident des Verwaltungsrats zur Kenntnis. Mit seinen Funktionen wurde Pfister beauftragt (SHAB Bd. 63, 1945, 1923). Bereits 1946 erschien Antoine Pfister unter seiner Privatadresse in Renens mit dem Titel «Direktor der Poterie moderne», während Dusserre mit dem gleichen Titel aufgeführt war, aber nur unter der Geschäftsadresse der Töpferei. Wurde Pfister dazu aufgerufen, Dussere zu entlasten, da er dazumal schon gesundheitlich angeschlagen war, oder spiegelte die Aufteilung der Verantwortung, in Form einer zweiköpfigen Geschäftsleitung, lediglich die neuen Machtverhältnisse im Unternehmen? Nach dem Tod von Dusserre im Jahr 1950 (La Nouvelle Revue de Lausanne, 21. Dezember, S.   8) übernahm Pfister die Leitung des Unternehmens, offenbar bis zu seinem Tod im Jahr 1982.

Antoine Pfister, ursprünglich aus Tuggen im Kanton Schwyz, war bereits seit mehreren Jahren im Grosshandel mit Keramikprodukten tätig: 1940 gründete er die Firma «A. Pfister Keramik» (SHAB, Bd. 58, 1940, 619) in Zürich. 1945 verlegte er den Firmensitz an seine Privatadresse in Renens (SHAB, Bd. 63, 1945, 1939). Im Juli des folgenden Jahres wurde eine neue Aktiengesellschaft unter dem Namen «A. Pfister S. A.» an der avenue Fraisse 6 in Lausanne eingetragen, um den Grosshandel mit Keramik-, Glas- und Goldschmiedeprodukten zu betreiben. Der deklarierte Unternehmenszweck umfasste «den Import, Export und die Vertretung dieser Produkte sowie den Betrieb von Lagerhallen ausländischer Fabriken». Die Geschäftsführer der Firma waren Antoine Pfister und Alfred Froidevaux, wahrscheinlich sein Schwager (SHAB Bd. 64, 1946, 2094). Fünf Jahre später wurde der Sitz dieses Handelsunternehmens nach Chavannes-près-Renens verlegt, an die gleiche Adresse der Poterie moderne, Avenue de la Gare 33 (SHAB, Bd. 69, 1951, 1794). Pfister und Froidevaux traten 1981 aus dem Verwaltungsrat zurück (SHAB Bd. 100, 1982, 98). Das Unternehmen wird unter dem gleichen Namen weitergeführt; sein Sitz wurde 1985 nach Stäfa im Kanton Zürich verlegt.

Der Werdegang von Roger Corthésy (verstorben1990 in seinem 78. Lebensjahr) ist schwieriger zu fassen, wir haben versucht, ihn so gut wie möglich zu rekonstruieren, wobei wir uns fast ausschliesslich auf die Informationen aus den verschiedensten Waadtländer Verzeichnissen stützen können, zu denen wir Zugang hatten. Roger Corthésy erwarb 1932 das Töpferdiplom an der Schweizerischen Keramikfachschule (Feuille d’avis de Lausanne vom 30. März 1932, S. 2). In den Jahren 1933/34 wird er im Indicateur pratique du Canton de Vaud (Branchenverzeichnis) mit dem Beruf des Keramikers erwähnt. Er wohnte zu dieser Zeit im Lausanner Stadtteil Bellevaux. Im Annuaire et indicateur vaudois réunis wird ein Roger Corthésy zwischen 1938/39 und 1946 in Lausanne als Polizist erwähnt; bis 1942 lebte er am Chemin de la Motte, später in der Avenue Riant-Mont 20. Von 1947 bis 1960, und immer unter der gleichen Adresse, wird ein Roger Corthésy als «Direktor der Keramikfachschule von Chavannes» verzeichnet, zwischen 1961 und 1982 als «Geschäftsführer der Poterie moderne». Dieselbe Adresse, dieselbe Telefonnummer: Es scheint, dass wir es mit demselben Mann zu tun haben.

Wir vermuten, dass Roger Corthésy keine zufriedenstellende Arbeit in seinem Beruf fand und sich daher für einige Jahre für eine stabilere Karriere bei der Polizei entschied. Seine erste Ausbildung würde die Tatsache erklären, dass er bereits 1947 am Betrieb der Keramikfachschule beteiligt war. Ein äusserst merkwürdiger Umstand: In den Verzeichnissen erscheint er mit dem Titel als «Direktor» nur unter seiner Privatadresse und nirgends unter den Einträgen, die die Schule betreffen. Ebenso wenig wird sein Name im Zusammenhang mit der Schule in Chavannes in der Presse erwähnt.

Hinsichtlich seiner Verbindungen zur Poterie moderne wissen wir, dass er 1944 die Funktion als Geschäftsführer übernahm. Es ist wahrscheinlich, dass Corthésy im Verlauf der Zeit – vielleicht nach dem Tod von Dusserre – mehr Verantwortung übernommen hat, insbesondere im administrativen Bereich. Nichtsdestotrotz gibt er sich in den Verzeichnissen den Titel «Verwaltungsdirektor der Poterie moderne» von 1961 bis 1982; und wieder einmal erscheint dieser Titel nur unter seiner Privatadresse, während sein Name unter den Firmeneinträgen nicht erscheint. Die von den Verzeichnissen gelieferten Informationen sind wahrscheinlich nicht ganz zuverlässig, insbesondere wenn es sich um einzelne Einträge handelt. So wurde Corthésy in der Presse bereits 1954 als «Direktor der Poterie moderne» bezeichnet (Feuille d’avis de Vevey vom 4. Oktober 1954, S. 6). Es kommt noch besser: Bei zwei Stücken, die die Töpferei 1949 dem Musée d’art industriel et d’art décoratif de Lausanne geschenkt hat, ist in den alten Inventaren des Museums eindeutig «eine Schenkung von M. Corthésy, Direktor der Poterie moderne» angegeben, zu einer Zeit, in der Corthésy auch als «Direktor der Keramikschule» bezeichnet wurde!

Es liegt auf der Hand, dass diese Unklarheiten nur durch weitere Nachforschungen, insbesondere in den Beständen des Kantonsarchivs, beseitigt werden können. Vorläufig wissen wir, dass Corthésy 1972 aus dem Verwaltungsrat der Töpferei zurückgetreten ist, als das Unternehmen die Produktion eingestellt zu haben scheint (SHAB, Bd. 90, 1972, 383).

Der Firmenname «Poterie moderne» wurde bis 1997 beibehalten, dann wurde das Unternehmen in «S I. Gare 33» umbenannt, während der erklärte Firmenzweck nun «Immobiliengeschäfte» sind (SHAB, Bd. 115, 1997, 6492). Die lange Lebensdauer des Firmennamens ist irreführend, zumindest in seiner ursprünglichen Bedeutung betrachtet, da die Herstellung von Keramik, lange vor 1997 eingestellt wurde. Die Änderung der Statuten im Jahr 1944 bedeutete, dass sich Pfister seit seiner Ankunft das Recht vorbehielt, die Aktivitäten des Unternehmens zu diversifizieren. Hat diese Diversifizierung tatsächlich stattgefundenn, in welche Richtung und zu welchem Zeitpunkt? Was war die genaue Verbindung zwischen der Keramikfabrik und Pfisters zweiter Firma, «A. Pfister S. A.»? Diese Fragen bleiben bis auf weiteres unbeantwortet.

Dank Inseraten in der Presse wissen wir, dass die Töpferei 1961 immer noch Glasiererund 1962 Dreher suchte. In den Verzeichnissen findet man die Poterie moderne unter der Rubrik «Keramifabrike» bis 1973, danach, von 1974 bis 1980, erscheint sie nur noch in der alphabetischen Einwohnerliste und ab 1981 verschwindet sie ganz aus den Verzeichnissen. Daraus lässt sich ableiten, dass die Fabrik 1971/72 ihren Betrieb einstellte, ohne dass über das Ereignis in der Presse ausdrücklich berichtet wurde.

Die Aktiengesellschaft Poterie moderne S. A. blieb trotz der Aufgabe ihrer ursprünglichen Tätigkeit weiterhin bestehen. Wie aus den im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichten Mitteilungen hervorgeht, wurden die Aktionäre bis 1992 zu Versammlungen einberufen. Im Jahr 1977 wurde das Aktienkapital durch die Vernichtung der alten Aktien mit einem Nennwert von 5 Franken herabgesetzt. Im folgenden Jahr annulierte man 400 Genussscheine ohne Nennwert. 1978 wurden die Statuten anlässlich einer ausserordentlichen Generalversammlung geändert, ohne den Inhalt dieser Änderungen zu präzisieren. Für die Geschäftsjahre 1978 bis 1989 gewährte man den Aktionären sogar Dividenden.

Antoine Pfister starb im November 1982 (24 Heures vom 10. November 1982); Alfred Froidevaux trat seine Nachfolge als Verwaltungsratspräsident an, während die Tochter des Verstorbenen, Katrin Pfister, zur Geschäftsführerin mit Einzelunterschrift ernannt wurde (SHAB, Bd. 101, 1983, 3790). Seit 1981 nicht mehr präsent, taucht der Name der Firma «Poterie moderne de Chavannes-près-Renens S. A.» ein letztes Mal im Telefonbuch 1996/97 unter der Privatadresse von Katrin Pfister in Corcelles-le-Jorat auf, wobei Letztere als «alleinige Geschäftsführerin» bezeichnet wird.

Ein besonderer Fall: die Kunsttöpferei von Jules Merminod, 1907-1912

Im Musée de la vigne, du vin et de l’étiquette, im Château d’Aigle, fanden wir eine engobierte Irdenwarekanne mit geformtem, modelliertem und appliziertem Reliefdekor, der Weinranken und ein freimaurerisches Motiv trägt (MVVE 5095). Die Gestaltung des Dekors ist offensichtlich von den berühmten vaterländischen Kannen aus den Töpfereien Knecht inspiriert (siehe z.B. MVVE 2411 und MVVE 2355). Die Form ist eine perfekte Eigenkreation, ihre Verarbeitung von guter Qualität und durchaus vergleichbar mit den Kannen der Knecht-Töpfereien.

Aussergewöhnlich für diese Art Produkt ist jedoch eine eingeritzte Signatur auf der Unterseite des Objekts: «J. Merminod – Kunsttöpferei – Chavannes-Renens – Waadt». Unter der Annahme, dass es in Chavannes eine bisher unbekannte Töpferei gab, gingen wir zurück zu den Verzeichnissen; und im Indicateur vaudois der Jahre 1907 bis 1912 finden wir unter der Bezeichnung «Kunsttöpferei» tatsächlich einen Jules Merminod (sein Vorname wird manchmal mit «J.-L.» abgekürzt) in Chavannes, aufgeführt unmittelbar nach der Poterie moderne S. A., der die Kennzeichnung «Fabrique de poterie» vorangestellt ist. Wichtiges Detail: Merminods Name wird die Erwähnung «Poterie moderne» hinzugefügt.

Daraus leiten wir ab, dass Merminod keine unabhängige Werkstatt hatte, sondern seine Tätigkeit mit einem Sonderstatus innerhalb der Poterie moderne ausübte, der ihn beispielsweise dazu berechtigte, seine persönliche Produktion zu signieren. Es ist möglich, dass ihm dieser Status unter der Bedingung gewährt wurde, dem Unternehmen seine Fachkenntnisse zur Verfügung zu stellen. Zu beachten ist auch, dass Merminod als Unternehmer nicht im Schweizerischen Handelsamtsblatt erscheint. Nach 1912 findet sich kein Töpfer Merminod mehr in den Verzeichnissen.

Die Kanne aus dem Château d’Aigle ist bisher ein Einzelfall. Daraus könnte man ableiten, dass Merminods persönliche Produktion nur wenigen bekannt war und er wahrscheinlich auch am Betrieb der Poterie moderne mitgewirkt hat. Es sei auch darauf hingewiesen, dass seine Stellung als Kunsttöpfer dennoch mindestens fünf oder sechs Jahre lang aufrechterhalten wurde. Es ist auch möglich, ja sogar wahrscheinlich, dass er nicht alle seine Werke signiert hat.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen

Die Waadtländer und Genfer Presse sowie die Verzeichnisse des Kantons Waadt (konsultiert auf der Website Scriptorium der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne und auf der Website letempsarchives.ch)

Das Schweizerische Handelsamtsblatt, ab 1883 (verfügbar auf e-periodica.ch)

Bibliographie :

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Huguenin 2010
Claire Huguenin (éd.), Patrimoines en stock. Les collections de Chillon. Une exposition du Musée cantonal d’archéologie et d’histoire de Lausanne en collaboration avec la Fondation du château de Chillon, Espace Arlaud, Lausanne et Château de Chillon. Lausanne 2010.

Chavannes-près-Renens VD, Schweizerische Keramikfachschule

Die Sammlung der Keramikfachschule in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte die industrielle Entwicklung der Schweiz zu einem immer dringenderen Bedürfnis nach einer besseren Ausbildung der jungen Arbeitnehmer, zu einer Zeit, als die bildungspolitischen Vorrechte des Bundes sehr eingeschränkt waren. Die ersten Berufsschulen wurden oft von einem Unternehmen, einer Unternehmensgruppe oder einer Gemeinde mit starker finanzieller Unterstützung der Öffentlichkeit gegründet. Der Einbezug des Bundes konkretisierte sich 1884 mit der Verabschiedung eines Bundesbeschlusses, der Subventionen für männliche Berufsklassen einführte (Lüthi 2017, 120–121).

In diesem Kontext entstand die Schweizerische Keramikfachschule, die 1911 in Chavannes-près-Renens auf Initiative von Lucien Ménétrey (1853-1930), dem Bürgermeister der Gemeinde, gegründet wurde. Diese herausragende Persönlichkeit, ein Freimaurer, Mitglied der Freisinnig-Demokratischen Partei (er bezeichnete sich selbst als «progressiven Freisinnigen») und in den verschiedensten Bereichen engagierter Unternehmer, hatte in seiner Gemeinde bereits 1902 unter dem Namen «Poterie moderne S. A.» eine Keramikfirma gegründet (siehe Kapitel «Chavannes-près-Renens VD, Poterie moderne (S.A.), 1902-1972/73»).

Das neue Projekt des lebhaften Geschäftsmanns basierte auf seinen Erfahrungen als Unternehmer und insbesondere auf der immer wiederkehrenden Schwierigkeit, qualifizierte Arbeitskräfte im eigenen Land zu finden. Die meiste Zeit sah er sich gezwungen, wie seine Kollegen in der Region, Töpfer aus Frankreich, vor allem aus der Region Ferney-Voltaire oder aus Savoyen, manchmal auch aus Deutschland oder Italien, einzustellen. «Es ist leider erwiesen, dass wir zu abhängig sind von den Ländern um uns herum», sagte er später (La Revue vom 13. April 1908, 2). Es scheint, dass Ménétrey die Idee einer Keramikschule bereits seit 1903 mit sich herumtrug und er die Realisierung des Projekts anging, indem er mehrere Einrichtungen dieser Art in Europa besuchte (Gazette de Lausanne vom 3. September 1912, 3).

Im Jahr 1908 nahm das Projekt klarere Formen an und Ménétrey begann mit der Umsetzung einer Strategie, die darauf abzielte, sich die finanzielle Unterstützung der Behörden zu sichern, insbesondere als an der jährlichen Aktionärsversammlung seiner Keramikfirma der Wunsch geäussert wurde, dass «die Initiatoren des Projekts für eine Keramikschule von den kantonalen und eidgenössischen Behörden unterstützt werden». In ihrem Bericht über diese Versammlung bezog sich La Tribune de Lausanne auch auf das Programm, das Ménétrey zu diesem Projekt entwickelt hatte: «Es wurde ein Unterrichtsprojekt ausgearbeitet, der Standort der künftigen Schule ausgewählt, sogar Pläne existieren, und ein Bau- und Betriebsbudget wurde gewissenhaft erstellt». Die Gemeinde wäre Eigentümerin des Gebäudes und würde dafür bürgen. «Dieses Konsortium würde zunächst ein Kapital von 20 000 Franken für den Bau bereitstellen. Ein Hypothekendarlehen von 30 000 Franken würde aufgenommen, dessen Zinsen durch eine Subvention garantiert würden, die das Unternehmen vom Bund zu erhalten hofft. Der Restbetrag (20 000 Franken) würde als Subvention beim Staat beantragt». Die Schule würde von einem dreiköpfigen Ausschuss verwaltet, dem ein Delegierter des Departements für öffentliche Bildung, ein Delegierter der Stadtverwaltung von Chavannes und ein Delegierter des Schulrats dieser Stadtverwaltung angehören würden. Der Schulleiter und die Lehrer würden vom Staatsrat auf Anraten des Ausschusses oder Vorstands ernannt. Von Lehrlingen würde der Status eines Schweizer Bürgers verlangt». Das jährliche Betriebsbudget wurde auf 6 000 Franken geschätzt (Ausgabe vom 31. Mai 1908, 2).

In ihrer Ausgabe vom 4. August 1908 gab die Gazette de Lausanne (S. 3) einige zusätzliche Erklärungen zu der von Ménétrey ausgearbeiteten finanziellen Regelung bekannt. Sie sah die Errichtung eines Gebäudes auf dem Gebiet der Gemeinde Chavannes vor, die das Land, den für die Schularbeiten benötigten Lehm sowie eine «kleine Subvention» kostenlos zur Verfügung stellen sollte. Der Staat würde sich mit etwa einem Drittel an den Baukosten beteiligen. Das Departement für öffentliche Bildung hatte Berichten zufolge die Bereitschaft gezeigt, die Verwaltung der Schule zu subventionieren. Der Bund wäre seinerseits bereit, einen Zuschuss zu zahlen. Darüber hinaus sollten die Schulgebühren und der Erlös aus dem Verkauf einiger der produzierten Arbeiten das «bescheidene Budget der Schule» ausgleichen. Das Programm sah, zumindest in seiner vorliegenden Form, die von den Töpfern benötigte Grundausbildung vor, aber auch eine weitergehende künstlerische Ausbildung, zum Beispiel durch Kurse im dekorativen Zeichnen. Es waren sogar kostenlose Kurse für Keramikmaler für Porzellan, Irdenware oder Fayence vorgesehen. «Da Renens am Stadtrand von Lausanne liegt, werden die Kurse sicherlich von vielen Studenten besucht werden.» Die Zukunft würde zeigen, dass die Vorstellungen, die der Gründer hatte, viel zu optimistisch waren … zumal die Gemeinde Chavannes das Gebäude erst 1970 kaufte, als die Keramikschule schon längst unter einem anderen Dach lag.

Hinsichtlich des pädagogischen Inhalts der Ausbildung hatte Ménétrey die ehrgeizige Vision, die Keramiker so vollständig und selbstständig wie möglich auszubilden: «Ein guter Arbeiter muss wissen, wie man dreht, abdreht, sogar brennt, ein wenig modelliert, und auch wenn er wenig Geschmack hat, muss er wissen, wie man seine Produkte dekoriert […] Mit der Entwicklung der Industrie ist es für den Lehrling fast unmöglich, alle Seiten seines Handwerks gut zu kennen. Meistens bleibt der junge Mann unter den Fittichen eines Arbeiters, spezialisiert sich und lernt dieses Fachgebiet mehr schlecht als recht. Diesem Übel muss die Schule abhelfen» (La Revue vom 20. Juli 1908, 1).

Die neue Einrichtung sollte die Rechtsform einer Aktiengesellschaft annehmen, deren konstituierende Versammlung für den 10. Juli 1911 einberufen wurde (Nouvelliste vaudois vom 30. Juni 1911, 4). Die Gründung des Unternehmens wurde am 9. August 1911 im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) registriert. Darin heisst es insbesondere: «Unter dem Namen Société de l’École suisse de céramique de Chavannes-Renens wurde eine Aktiengesellschaft gegründet mit dem Ziel, eine Schweizer Keramikfachschule zu eröffnen, das Schulgebäude nach den vom Staat genehmigten Plänen zu bauen, das zu diesem Zweck unentgeltlich angebotene Grundstück sowie ausserordentliche und jährliche kantonale und eidgenössische Subventionen anzunehmen, diese Schule zu organisieren, zu verwalten und zu leiten. […] Die Statuten tragen das Datum des 10. Juli 1911. […] die Mitglieder des Verwaltungsrats sind: Lucien Ménétrey, Louis Laffely und Louis Michaud» (SHAB, Bd. 29, 1911, 1370). Laffely (1855–1925) war Unternehmer, Bürgermeister von Morges und Mitglied des Grossen Rats; Louis Michaud (1874–1954) war der Sohn des Direktors der Manufacture de poteries fines de Nyon. 1917 trat er die Nachfolge seines Vaters an und leitete das Unternehmen bis 1936.

m September 1911 vergab der Verwaltungsrat den Auftrag für die Aushub- und Maurerarbeiten. «An Weihnachten sollte das Gebäude überdacht sein, der Innenausbau sowie die Einrichtung und Ausstattung werden während des Winters ausgeführt. Spätestens Ende März 1912 wird alles fertig sein […] und die Eröffnung der Schweizerischen Keramikfachschule kann in den ersten Apriltagen stattfinden» (Avis de Lausanne vom 7. September 1911, 16).

Die Einweihung wurde jedoch erst am 1. September 1912 mit grossem Pomp gefeiert. Aus diesem Anlass rollte La Revue in ihrer Ausgabe vom 2. September (S.2) das «Abenteuer» zeitlich nochmals auf: Genehmigung der Baupläne des Lausanner Architekten Eugène d’Okolski am 3. März 1909, mit «der uneigennützigen Hilfe von Herrn Ménétrey, Bürgermeister von Chavannes»; der Beschluss des Staatsrats vom 20. Mai 1911, eine Bausubvention von 20 000 Franken zu gewähren; die Genehmigung der Statuten der Société de l’École suisse de céramique durch den Staatsrat am 30. Januar 1912 und schliesslich die Ernennung von Maurice Savreux, «bisher Professor an der Keramikschule von Vierzon», zum Direktor der Einrichtung im Mai 1912.

In seiner Rede anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten betonte Louis Gauthier, Leiter des Berufsbildungsamts, dass «die Unterstützung der Direktoren der Manufacture nationale de Sèvres bei der Wahl des Direktors besonders wertvoll war» (Gazette de Lausanne vom 3. September 1912, 3). Offenbar hatte Ménétrey den Rat der angesehenen Manufaktur eingeholt, die sehr wahrscheinlich Maurice Savreux vorschlug. Die ersten Kontakte mit dem künftigen Direktor fanden offenbar bereits 1911 statt (siehe unten). Es scheint uns offensichtlich, dass das Kursprogramm – wie es 1914 im Detail veröffentlicht wurde – seine Handschrift trägt, die eines Mannes, der sowohl technisch als auch künstlerisch solide ausgebildet war.

Nach einer ersten Einführung in die Malerei an der Kunstschule in Lille, zwischen 1899 und 1901, besuchte Maurice Savreux (1884–1971) von 1901 bis 1905 die Keramikschule von Sèvres (l’École de céramique de Sèvres), wo er ein Diplom als Keramikingenieur erwarb. Er kehrte zur Malerei zurück, indem er in den Jahren 1907–1910 an der École nationale des beaux-arts de Paris entsprechende Kurse belegte, bevor er an der École nationale professionnelle de Vierzon und der École des beaux-arts de Bourges unterrichtete. Laut Émile Langlade «befand sich Maurice Savreux 1911 noch in Vierzon, als er eine Anfrage aus der Schweiz erhielt. Da die Schweiz damals bestrebt war, in Lausanne eine nationale Keramikschule zu gründen, wurde er, ein ehemaliger Schüler unserer Schule von Sèvres, in Betracht gezogen» (Langlade 1938, 148). Als Unteroffizier der Infanterie mobilisiert, wurde er 1916 bei der Schlacht an der Somme verwundet. Nach einem Jahr Krankenhausaufenthalt wurde er demobilisiert und mit drei Auszeichnungen und dem Kreuz der Ehrenlegion geehrt. Savreux war zwischen 1917 und 1926 Chefkurator des französichen Nationalmuseums für Keramik (Musée de Sèvres), während dieser Zeit widmete er sich intensiv der Malerei. Nach der Teilnahme am «Sitzkrieg» wurde er 1946/47 sogar für kurze Zeit mit der Leitung der Manufacture de Sèvres beauftragt; Savreux lieferte zwischen 1907 und 1947 auch mehrere Malereien an die Manufaktur. Sein malerisches Werk besteht hauptsächlich aus Landschaften und Stillleben (Langlade 1938, 143-164; Le Delarge, Dictionnaire des arts plastiques modernes et contemporains, www.ledelarge.fr; Liste du personnel de Sèvres, unter http://www.thefrenchporcelainsociety.com).

In seiner eigenen Antrittsrede versäumte Ménétrey es nicht, «zu bedauern, dass der Staat und der Bund sich im Bereich der Berufsbildung nicht offener erwiesen». Er erinnerte daran, dass «diese Schule das Ziel habe, unserer Jugend das Arbeiten beizubringen», und drückte die Hoffnung aus, dass «bald ein neuer Stil der Schweizer Keramik geschaffen werde» (La Revue vom 2. September, 2). Die Gazette de Lausanne vom 3. September (S. 3) kommt in ihrem Bericht über die Veranstaltung wiederum auf die ehrgeizige Vision Ménétreys zurück: «Wir wollen Theorie und Praxis verbinden. Unsere Schule wird das Mutterhaus sein, in das Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen werden, um neue Verfahren und aktuelle Erfindungen kennen zu lernen, in dem jeder mit jedem in Kontakt kommt, während gegenwärtig anscheinend jeder eifersüchtig die Produktionsgeheimnisse hütet, in den meisten Fällen offene Geheimnisse […] Wir sind bestrebt, einen eigenen Schweizer Stil zu schaffen, ohne uns von Hodler oder den Banknotenvignetten der Nationalbank inspirieren zu lassen, und das wird nicht schwierig sein … Unsere Schule wird zehn Schüler pro Jahr aufnehmen können, also vierzig für die vier Jahre des Kurses.»

Im Nouvelliste vaudois vom 2. September (S. 2-3) findet sich eine genaue Beschreibung der Institution: «Im Kellergeschoss sind die Maschinen installiert: Mühlen, von einem Elektromotor angetriebene Strangpressen, dann die von Ingenieur M. Bigot gebauten Öfen, ausgestattet mit einem neuen System [sehr wahrscheinlich Alexandre Bigot (1862–1927), der berühmte französische Keramiker, der auch Doktor der Physik war]. Im Erdgeschoss befinden sich die Räume zum Modellieren, Formen und Drehen, das Chemielabor und eine Garderobe; im ersten Stock das Büro des Direktors, die Bibliothek und der Ausstellungsraum, der Zeichensaal, ein Saal für die Malerinnen und Maler und für die Ausführung der Abschlussarbeiten sowie zwei Theorieräume; im Obergeschoss die Wohnung des Direktors.»

Quelle: Savreux 1914

Die einzige uns bekannte Publikation, die der Schweizerischen Keramikfachschule gewidmet ist, ist eine von Savreux verfasste Broschüre, die 1914 in Genf erschienen ist. Der Autor gibt im ersten Teil einen Überblick über die Keramik in der Schweiz, von der Urgeschichte bis in die Gegenwart. Der zweite Teil der Publikation enthält die Schulordnung, eine Beschreibung der zur Verfügung stehenden Maschinen, das Kursprogramm und eine Reihe von Fotos, die die technischen Anlagen und die verschiedenen Klassenräume zeigen (Savreux 1914 – zum Gebäude, siehe auch Lüthi 2017, 134 und Abb. 11).

Quelle: Savreux 1914

Das Reglement hält fest, dass das Ziel der Schule die «Ausbildung von Keramikarbeitern und -vorarbeitern» ist. Es legt die Dauer der Lehre auf vier Jahre und das Eintrittsalter auf 15 Jahre fest, jedoch können «Jugendliche, die nach dem dritten Jahr ausreichende Kenntnisse nachweisen, zu diesem Zeitpunkt mit einem Lehrlingszeugnis entlassen werden». Das vollständige Studium ermöglicht den Erwerb eines Diploms als «Keramiker». Ausländische Studierende, deren Eltern nicht in der Schweiz wohnen, werden gegen eine Schulgebühr von 100 Franken pro Jahr aufgenommen, Schweizer Studierende bezahlen 50 Franken pro Schuljahr.

Das Programm der Kurse gibt sich sehr ehrgeizig: Die Werkstattarbeit umfasst die Ausführung von Gipsmodellen, die Herstellung von Gipsformen, das Drehen, Formen, Giessen und Überdrehen (Steinzeug, Steingut, Porzellan). Neben dem allgemeinen Unterricht (Französisch, Arithmetik, Elementargeometrie, Buchhaltung, Geschichte und Staatsbürgerkunde) werden die Lernenden in die Grundlagen der Geologie, Mineralogie, Physik (Wärme, Ausdehnung, Kalorimetrie, Hygrometrie, Statik der Flüssigkeiten und der Gase, Optik, Elektrizität), Chemie und Keramiktechnologie (Eigenschaften von Tonen, Färbemethoden, Glasurenforschung, Brenntechnik) eingeführt. Auch Kurse in Kunst- und Keramikgeschichte, technischem Zeichnen sowie ornamentalem Zeichnen waren vorgesehen.

Die technische Ausstattung umfasste mehrere Töpfer- und Muffelöfen, fussbetriebene und mechanische Töpferscheiben, Maschinen zum Überdrehen, eine hydraulische Presse zur Herstellung von Ofenkacheln, mit Druckluft betriebene Spritzpistolen, die für die Herstellung des Rohmaterials notwendigen Maschinen (mechanische Schlemmmaschine, Filterpresse, Alsing-Kugelmühle, horizontale Strangpresse, Mühlen zum Mahlen von Glasurfarben) und ein chemisches Labor.

Hinsichtlich des Lehrkörpers hatte der Verwaltungsrat dem Staatsrat vorgeschlagen, den Franzosen Auguste Lasseur zum Präparator, Modellbauer und Maschinenaufseher; Louis Pelet (1869–1941), Professor an der Universität Lausanne, zum Professor für theoretische und praktische Chemie; Auguste Veuillet (vermutlich ein Töpfer aus Savoyen) zum Töpfermeister und François Zooler zum Meister der «Bacolage» (?) sowie Engobier- und Brennmeister zu ernennen. Die ersten Kurse begannen im September 1912.

Am 29. Januar 1913 hielten Ménétrey und Savreux unter der Schirmherrschaft der Société industrielle et commerciale de Lausanne einen Vortrag über die Schule. Dem Bericht zufolge waren die Anfänge der Schule mit damals acht Schülern ermutigend. «Ihre Bemühungen zielten auch darauf ab, unvoreingenommen einen unserem Land eigenen Stil zu schaffen, der die gleiche Gunst geniessen sollte wie die Produkte einer sehr reinen und originellen Kunst gewisser Schweizer Fabriken» (Feuilles d’avis de Lausanne vom 1. Februar 1913, S. 12). In seinem Beitrag zeigte der Direktor einen gut gemeinten Bezug zur Realität: «[…] den Schülern wird versichert, dass sie im Land eine Erwerbstätigkeit finden. Die Schule ist nicht darauf bedacht, Künstler aus ihnen zu machen, sondern vielmehr Handwerker, deren Können sich durch die Beobachtung der Natur und das Studium von Exemplaren der Keramikkunst aus den besten Epochen entwickelt hat» (La Revue vom 30. Januar 1913, 3).

Damit hatte Lucien Ménétrey seinen Traum verwirklicht: die Schaffung einer perfekt ausgestatteten modernen Keramikfachschule, die von einem hervorragenden Fachmann geleitet wird und zum Ziel hat, qualifizierte Keramiker auszubilden, die alle Aspekte ihres Handwerks und alle Kategorien der Keramiktechnik beherrschen. Als erste Institution dieser Art im Land hat die Schweizerische Keramikfachschule ihren Namen sicherlich verdient, auch wenn sie weit davon entfernt war, von der politischen, finanziellen und administrativen Unterstützung einer wirklich nationalen Institution zu profitieren. Es blieb dem visionären Projekt von Ménétrey nur, sich der Herausforderung seiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit zu stellen, eine Aufgabe, die sein Fortbestehen mehr als einmal aufs Spiel setzen würde.

1913: Erster Keramikbrand und erste Produkte der Schule

Anlässlich ihrer Versammlung vom 16. Juni 1913 erfuhren die Aktionäre der Schule vom reibungslosen Betrieb der Ausbildungsstätte, die 15 Schüler zählte, von denen sie «einige Arbeiten und bemerkenswerte gebrannte Stücke» (Nouvelliste vaudois vom 19. Juni 1913, 3) bewundern konnten. Die bei dieser Gelegenheit präsentierten Stücke waren wahrscheinlich das Ergebnis eines Versuchsbrandes; der offizielle Eröffnungsbrand wurde zwei Monate später gefeiert, wie weiter unten zu lesen ist.

Die Sammlung des Centre d’enseignement professionnel de Vevey (CEPV) beinhaltet tatsächlich eine Fayencevase mit Blei-Zinn-Glasur, die mit einem in Blau, Ocker und Flieder gemalten Blumenfries (Inglasurmalerei) dekoriert ist. Sie trägt die Aufschrift «Schweizer Keramikschule – erster Brand – 1913» (CEPV G 15). Dieses Modell entspricht wahrscheinlich den beiden Blumenvasen, die dem Grossen Rat des Kantons Waadt im August 1913 geschenkt wurden, «die ersten Produkte dieser Schule, die in den Rauchsalon gestellt wurden» (Nouvelliste vaudois vom 27. August 1913, 2). Zu eben diesen Vasen heisst es in der Revue vom gleichen Mittwoch, 27. August, dass sie «am Montag aus dem Töpferofen genommen wurden» (S. 3). Damit würde das Datum des ersten offiziellen Keramikbrandes auf den 25. August 1913 festgelegt. Neben der gewöhnlichen engobierten Irdenware beherrschte die Schule daher von Anfang an auch die Fayencetechnik und die damit einhergehenden Blei-Zinn-Glasuren.

Noch erstaunlicher ist, dass es Maurice Savreux sogar gelang, hoch gebranntes Steinzeug herzustellen, die ersten Keramiken dieser Art in unserem Land (mit Ausnahme der Stücke, die der französische Keramiker Paul Beyer 1906/07 in der Töpferei von Pasquier-Castella in Renens gebrannt haben soll – siehe Kapitel «Renens et Chavannes-près-Renens – Les poteries»). Das CEPV bewahrt noch einige Exemplare – entsprechend datiert – dieses historischen Steinzeugs (CEPV 5.B.2; CEPV Nr. 6; CEPV Nr. 5; CEPV Nr. 4; CEPV Nr. 7).

In verschiedenen Inseraten, die den Beginn des Schuljahres ankündigten, erwähnte die Schule unter den unterrichteten Techniken auch Porzellan: Uns sind keine Beispiele bekannt. Es scheint jedoch, dass die Schule 1914 Schülerarbeiten aus diesem Fach an die Landesausstellung in Bern geschickt hat (La Revue vom 9. Mai 1914, 1-2). Wurden diese Porzellane vollständig in Chavannes produziert oder nur der Dekor? Die Frage bleibt offen.

Die Gazette de Lausanne würdigt in ihrem Bericht über die Landesausstellung von 1914 «den neuen Aufstieg der Keramik, einer Kunstform, die nach einer glänzenden Vergangenheit in der Tradition stecken geblieben war». In dieser ‹Renaissance› spielte die junge Keramikschule von Chavannes-Renens eine wichtige Rolle». Der Chronist schätzte insbesondere die variationsreichen Stücke, die von der Institution präsentiert wurden, «von hervorragendem Steinzeug bis hin zu feinstem Porzellan». Besonders hob er die Stücke hervor, die nach dem von Herrn Bonifas aus Genf erfundenen Verfahren dekoriert wurden, «das darin besteht, Blattschnitte aus Gold und Silber auf Email aufzutragen, eine Kombination von sehr künstlerischer Wirkung» (Ausgabe vom 23. Juli 1914, 3). Paul Bonifas besuchte die Schule zwischen 1913 und 1914, und dort machte er sich mit der Steinzeugtechnik vertraut, die er bald darauf, zwischen 1915 und 1917, in seiner Werkstatt in Versoix anwenden sollte (Ariana 1997, 12).

Beispiele für frühe Steinzeugarbeiten von Bonifas siehe: mudac 1001; mudac 1000; MAHN AA 2238; MAHN AA 2241; MAHN AA 2242; MAHN AA 2243; MAHN AA 2244; MEAA 0319-2.

1914: Erste Krise und vorübergehende Schliessung der Schule

Im Frühling des Jahres 1914 reichte eine Gruppe von Mitgliedern des Grossen Rats unter der Leitung von Alfred Panchaud eine Motion ein, in der der Staat aufgefordert wurde, die Institution finanziell zu unterstützen. Tatsächlich wies die Bauabrechnung ein Defizit von 20 000 Franken aus, der Keramikschule drohte schlichtweg der Bankrott! In seiner Eigenschaft als Berichterstatter der mit der Prüfung des Dossiers beauftragten Kommission antwortete Charles Burnier: «Die Schweizerische Keramikfachschule wurde in Form einer Aktiengesellschaft gegründet. Dies war ein erster Fehler: Das Gesetz schreibt vor, dass solche Schulen von Gemeinden oder Gemeindeverbänden gegründet werden müssen. […] Ein zweiter Fehler war das viel zu tiefe Aktienkapital der Schule. Jedenfalls stand es in keinem Verhältnis zur Relevanz des errichteten Gebäudes, der installierten technischen Anlagen und des Unterrichts, der dort heute stattfindet. Niemals hätte man mit nur einem Kapital von 5000 Franken daran denken sollen, eine Schule zu gründen, die so vollständig ist, dass man sie im Gegensatz zu dem, was wir im Moment unterstützen müssen, fast als Modellschule bezeichnet werden könnte. Ein dritter Fehler war der Versuch, von Grund auf eine Berufsschule zu gründen, die nicht den unmittelbaren und dringenden Bedürfnissen entsprach. Dies ist ein überzeugendes Beispiel für die Gefahren, denen man sich aussetzt, wenn man einer Idee folgt – zwar einer erhabener und grosszügigen –, ohne sich allzu sehr nach den praktischen Bedingungen ihrer Verwirklichung zu erkundigen […]» (Nouvelliste vaudois vom 13. Mai 1914, 1). Im Klartext: Das Projekt von Ménétrey war viel zu ehrgeizig, und vor allem war seine Umsetzung mit einer einzigartigen Unbekümmerheit durchgeführt worden, insbesondere was den finanziellen Aspekt betraf. Es scheint uns jedoch, dass sich der Hauptinteressent von Anfang an der finanziellen Schwierigkeiten bewusst war, die die Entwicklung seiner Schule behindern würden. Wusste er schon, dass der Staat die Uhr nicht mehr zurückdrehen konnte?

Da die Kommission unter dem Vorsitz von Burnier schliesslich zum Schluss kam, dass die Schule angesichts der guten Resultate von Savreux «unsere nationale Industrie entwickeln und uns vielleicht in die Lage versetzen wird, gegen die ausländische Konkurrenz zu kämpfen», überwies sie die Motion Panchaud und Konsorten an den Staatsrat, mit der dringenden Empfehlung, die Massnahmen zu ergreifen, die sie für angemessen halten würde, um die Schule vor dem Bankrott zu retten und ihren Fortbestand zu sichern, wobei man sich bewusst sei, dass die Exekutive bereits jede Rettungsaktion aus dem Baukonto ausgeschlossen habe. In seiner Begründung wies der Berichterstatter darauf hin, dass «jeder weiss, dass die Schweizerische Keramikschule hauptsächlich auf die Initiative eines Bürgers zurückzuführen ist, der sich vielleicht geirrt hat, aber der sich aufgeopfert hat für dieses Werk, das er selber bezahlte und mit viel Einsatz zu Ende führte, [… und] dass man zugeben muss, dass sich andere mit ihm geirrt haben» (Nouvelliste vaudois vom 13. Mai 1914, 1 – Der Bericht gibt fast wörtlich den offiziellen Bericht der Kommission wieder, der im Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1914, 137-143, veröffentlicht wurde).

An der Sitzung des Grossen Rats vom 11. November 1914 befragte Herr Laffely, Bürgermeister von Morges und Mitglied des Schulausschusses, die Regierung zu den Massnahmen, die sie auf den von Panchaud und Konsorten im Mai eingereichten Antrag hin zu ergreifen gedenke. Staatsrat Chuard erinnerte daran, dass die fragliche Institution damals etwas unüberlegt gegründet worden sei, ohne dass man sich Gedanken über die Sicherung der notwendigen Mittel gemacht habe; dass Bund und Kanton je ein Drittel der jährlichen Ausgaben, die sich auf 25 000 Franken beliefen, übernommen hätten. «Die Schule kann nur dann auf eine geregelte finanzielle Situation hoffen, wenn sie gesetzeskonform zu einer Institution der Gemeinden wird. Die konsultierten Gemeinden können jedoch nur einen Zuschuss von maximal 2000 Franken gewähren. Unter diesen Bedingungen ist es unmöglich, zu einer Entscheidung zu kommen, zumal das Eidgenössische Industrie- und Handelsdepartement die Absicht geäussert hat, seine Subventionen zu reduzieren.» Nach einem relativ lebhaften Austausch zwischen den verschiedenen Rednern war der Staatsrat der Ansicht, dass die Schule dank der Hilfsgelder weiter betrieben werden könne und dass nur die Immobiliengesellschaft, der das Gebäude gehört, bedroht sei. Chuard versprach schliesslich, dass die Verhandlungen fortgesetzt würden (Tribune de Lausanne vom 12. November, 3).

In der Zwischenzeit befand sich Europa von neuem im Krieg. Da die wichtigsten Lehrer der Schule – an erster Stelle der Schulleiter – in Frankreich mobilisiert worden waren, musste die Schule im Herbst 1914 ihre Pforten schliessen. In der Folge umriss der Kanton die Zukunft der Schule mit dem Versprechen einer erhöhten Finanzhilfe, unter der Bedingung, dass sich die Gemeinden der Region in einer Ad-hoc-Gruppierung zusammenschliessen und eine kollektive Subvention von 2000 Franken pro Jahr bereitstellen würden (Feuille d’avis de Lausanne vom 8. Dezember 1914, 3).

In einem Artikel, der in ihrer Ausgabe vom 3. November 1914 (S. 4) veröffentlicht wurde, stellte die Gazette de Lausanne fest, dass der Krieg allen lokalen Töpfereien, deren Personal grösstenteils aus französischen oder deutschen Staatsbürgern bestand und die ebenfalls zum Dienst einberufen wurden, ernste betriebliche Probleme bereitete. «Wäre die Keramikschule zwei Jahre früher gegründet worden, wüssten diese Fabriken, wo sie ihr Personal rekrutieren könnten, nämlich in der Schweiz, was nicht schaden würde».

1916: Ein neuer Anfang

Bereits im April 1916 veröffentlichte das Departement für öffentliche Bildung Anzeigen, in denen die Wiedereröffnung einer «reorganisierten» Schule im Mai angekündigt wurde (La Revue vom 6. April 1916, 4). Zu diesem Zeitpunkt wurde das Gebäude nach einem Vorschlag des Departements für öffentliche Bildung von der Aktiengesellschaft an die Gemeinde Chavannes vermietet (Feuilles d’avis de Lausanne vom 28. März 1916, 15). Die Wiedereröffnung wurde schliesslich am 15. Juni gefeiert, insbesondere in Anwesenheit des Präsidenten des Schulrats, Henri Dusserre, Schwiegersohn von Lucien Ménétrey und Direktor der Poterie moderne (La Revue vom 16. Juni 1916, 3).

Der Konkurs der Aktiengesellschaft der Keramikschule wurde schliesslich am 15. Dezember 1916 im Schweizerischen Handelsamtsblatt bekanntgegeben (SHAB, Bd. 35, 1917, 102), gleichzeitig wurde der Firmenname aus dem Register gestrichen (SHAB, Bd. 35, 1917, 104). Die Feuille d’avis de Lausanne erinnert daran, dass der Konkurs nur die Immobiliengesellschaft der Schweizerischen Keramikschule, Eigentümerin des Gebäudes, betraf und dass er keine Auswirkungen auf die Schule selbst hatte, die von der Gemeinde Chavannes verwaltet wurde und der Kontrolle des Staates unterstand (Ausgabe vom 2. Mai 1918, 3). Die Immobilie war Gegenstand einer vom Konkursamt organisierten öffentlichen Versteigerung, dabei wurde sie von Lucien Ménétrey und Louis Laffely gekauft. Das Gebäude, geschätzt auf über 93 000 Franken, fiel ihnen für 60 000 Franken zu (La Revue vom 29. August 1917, 3). Die neuen Eigentümer vermieteten die Räumlichkeiten weiterhin an die Gemeinde Chavannes-près-Renens, die im Namen der benachbarten beitragenden Gemeinden für die Verwaltung der Keramikschule zuständig war.

Die vom Staat durchgeführte Reorganisation der Schule betraf auch den Inhalt des Unterrichts, der nun «im Wesentlichen praktisch ist und den Lehrlingen ein Wissen vermitteln soll, das ebenso solide ist wie das in einer gewöhnlichen Lehre erworbene, aber vollständiger, koordinierter, methodischer» (Tribune de Lausanne vom 6. Mai 1916, 4). Der Unterschied zu den damaligen Intentionen von Savreux ist nicht offensichtlich; doch ist davon auszugehen, dass der Anteil der «künstlerischen» und wissenschaftlichen Komponente des Programms erheblich reduziert wurde und anspruchsvollere Fertigkeiten wie Steinzeug oder Porzellan eine Zeit lang in Vergessenheit gerieten. Die Begründung zum Gesetzentwurf von 1919 über die Berufsbildung bezieht sich auf die Überlegungen der damaligen Behörden: «Bereits 1915 wurde die Schule unter der Leitung des Staates von einer Gruppe von Gemeinden neu gegründet. Die Gemeinde Chavannes ist für ihre Verwaltung zuständig. Zuvor hatte sich die Schule hauptsächlich auf die Ausbildung von Keramikkünstlern konzentriert. Sie hatte einen Fachdirektor und mehrere Lehrer. Gegenwärtig ist sie auf kostengünstigerer Basis und mit dem unmittelbaren Ziel der Ausbildung vor allem guter Töpfer neu organisiert worden. Die erste Gruppe von 10 Schülern verliess die Schule nach einer zweijährigen Lehrzeit im Jahr 1918 (in: Bulletin des séances du Grand Conseil. Ordentliche Herbstsession 1921,988). Die Dauer der Ausbildung war demnach – vorläufig – auf zwei Jahre verkürzt worden; 1923 wurde sie auf drei Jahre verlängert; ab diesem Zeitpunkt erhielten die Schülerinnen und Schüler nach dem neuen Berufsbildungsgesetz einen gesetzlichen Lehrvertrag.

Die Leitung der Schule – im Gegensatz zu der früher von Savreux ausgeübten Funktion künftig als «administrativ» bezeichnet – wurde Justin Magnenat, Lehrer, Sekretär und damaliger Präsident des Stadtrats von Renens, anvertraut. Wenige Tage vor der Wiedereröffnung hatte der Staatsrat Jean Johannel zum Fachlehrer und Nora Gross zur Zeichenlehrerin ernannt (Feuille d’avis de Lausanne vom 10. Juni 1916, 23). Johannel (gestorben 1935), der sich 1907 in Ferney-Voltaire niederliess, hatte sich als einer der originellsten Töpfer des Ortes profiliert, hingegen in geschäftlichen Angelegenheiten war er nicht sehr erfolgreich: er musste sich 1918, zwei Jahre nach seiner Berufung an die Schweizerische Keramikschule, wo er sein Amt bis 1921 innehatte, zum Verkauf seiner Töpferei entschliessen (Clément 2000, 93-94; «Jean Johannel», sur le site notrehistoire.ch).

Das CEPV bewahrt eine engobierte Vase aus Irdenware, deren Stil an die Arbeiten erinnert, die nach Zeichnungen von Nora Gross in der Töpferei von Bendicht Loder-Walder in Heimberg in den Jahren 1903-1905 ausgeführt wurden (CEPV G 22). In Ermangelung einer Marke ist es schwierig festzustellen, ob es sich um ein Werk eines von Gross beeinflussten Schülers handelt oder um ein von Nora Gross in der Schule deponiertes Exemplar. Wir wissen vorerst nicht, wie lange Gross an der Schweizerischen Keramikschule unterrichtete. Fest steht, dass sie auch in den kommenden Jahren mit der Schule verbunden blieb. 1922 stellte sie Keramiken im Rahmen der 1ère Exposition nationale d’art appliqué (1. Nationale Ausstellung für angewandte Kunst) aus, die von L’Œuvre in Lausanne organisiert wurde, ein wichtiges Ereignis, bei dem sie eine der treibenden Kräfte war. Daniela Ball glaubt, dass diese Keramiken in den Werkstätten der Schule hergestellt wurden, dank der Kontakte, die mit den Verantwortlichen der Institution geknüpft wurden (Ball 1988, 125). Das Musée Ariana bewahrt eine Bonbondose, die während der Ausstellung von 1922 erworben wurde (MAG C 0797 – Ball 1988, Kat. Nr. 28), sowie ein Gefäss mit Deckel, das im gleichen Zusammenhang bestellt, aber erst im folgenden Jahr geliefert wurde (MAG C 0800 – Ball 1988, Kat. Nr. 29). Diese beiden Beispiele tragen eine Blindmarke «Nora Gross» zusammen mit einer Modellnummer.

Das Historische Museum von Lausanne bewahrt in seiner Sammlung eine weitere Bonbonnière dieser Art, deren Blindmarke identisch ist mit der auf der Bonbonnière des Musée Ariana (MHL Nr. 12).

In den alten Sammlungen der Schweizer Keramikschule, die am CEPV aufbewahrt werden, befinden sich einige sorgfältig gefertigte, engobierte Stücke aus Irdenware mit stilisierten geometrischen oder pflanzlichen Verzierungen, die auf den Unterricht von Nora Gross zurückgehen könnten (CEPV G 3; CEPV G 2); zwei Objekte tragen sogar eine Signatur: «A. Graf» (CEPV 5.D.2) und «C. Yung» (CEPV G 4). Es sei darauf hingewiesen, dass die Verbindung zwischen diesen Objekten und der Tätigkeit von Nora Gross vorerst höchst hypothetisch bleibt, da es nicht möglich war, ihre genaue Datierung festzustellen.

In den 1920er-Jahren scheint der Lehrkörper etwas gewachsen zu sein: In den Jahresberichten werden – manchmal mit Unterbrechungen – vor allem Louis Martin, J. Lambercy, Louis Barbay, Gustave Mayor (Töpfer), Jean Tschanz, Henri Terribilini (1922/23 als Fachlehrer gemeldet) erwähnt.

Der Staatsrat ernannte 1922 Ernest Becker (1883–1978) als neuen Direktor der Schule (La Revue vom 23. Februar 1922, 2; Feuille d’avis de Lausanne vom 5. Mai 1949, 2). Geboren in Brüssel als Sohn von Eltern, die in Martherenges die Staatsbürgerschaft des Kantons Waadt erworben hatten, studierte Becker in Nancy und Paris die schönen Künste, bevor er sich in Lausanne niederliess, wo er Landschaftsmalerei praktizierte; 1911 wurde er als Zeichenlehrer an Primarschulen ernannt (Tribune de Lausanne vom 11. November 1911, 2).

Auf einer Vase von fragwürdiger ästhetischer Qualität, aus der Sammlung der Schule, brachte Becker ein Etikett an, auf dem er sich deutlich von der Arbeit seiner jüngsten Vorgänger distanzierte: «Keramik, wie sie 1921 praktiziert wurde, als ich die Leitung der Schule übernahm» (CEPV G 20).

Dieselbe Sammlung enthält einige Exemplare aus Irdenware von ebenso rustikaler Machart (CEPV G 14; CEPV G 18), darunter eines der wenigen datierten Exemplare – eine Vase von 1919 (CEPV Nr. 10).

Das Historische Museum von Lausanne bewahrt zwei Gedenkteller von 1924, deren Dekor von einer Zeichnung von Ernest Becker (MHL AA.46.B.55) inspiriert ist.

Mit der Ernennung eines Direktors mit künstlerischer Ausbildung wollten die Behörden wahrscheinlich die Ausrichtung der Schule und insbesondere einen gewissen Qualitätsverlust korrigieren. Auch in technischer Hinsicht hatte sich die Institution ernsthaft verschlechtert, bis hin zum Verlust ihrer Autonomie: Erfahren wir doch zum Beispiel, dass 1923 «dank der Nähe der Poterie moderne und dem guten Willen ihres Direktors [Henri Dusserre], der Brand von geformten Gegenständen in den Öfen dieser Fabrik durchgeführt werden kann. […] Der Staat sollte eingreifen, ohne sich allzu sehr auf eine Initiative der Gemeinde Chavannes zu verlassen. Die Einrichtung hat in der Tat eher den Charakter einer Kantonsschule als den einer der Gemeinde unterstellten Schule. Heute erreicht sie mit den wenigen Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, und der Ausstattung, die viel zu wünschen übriglässt, den Zweck, für den sie geschaffen wurde» (Rapport de la sous-commission des écoles professionnelles, in: Bulletin des sessions du Grand Conseil, ausserordentliche Aprilsession 1923, 268).

1925: Übernahme der Schule durch den Kanton

Die Wünsche der Kommissare fanden Gehör, denn im November 1925 gewährte der Staatsrat einen ausserordentlichen Kredit von 125 000 Franken «für den Erwerb der Gebäude, die heute von der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-Renens benutzt werden, sowie für die Instandsetzung der Brennöfen der Schule» (Bulletin des séances du Grand Conseil, ordentliche Herbstsession 1925, 95). Nach dem Tod von Louis Laffely am 14. April 1925 (Tribune de Lausanne vom 16. April 1925, 2) sah sich Lucien Ménétrey gezwungen, das Gebäude samt seiner Ausstattung zum Verkauf anzubieten. Dem Entscheid der kantonalen Legislative ging eine ausführliche Stellungnahme der Berichterstatterin des zuständigen Ausschusses, Amédée Milliquet, voraus, die die gesamte Geschichte des Dossiers zurückverfolgte (Bulletin des séances du Grand Conseil, ordentliche Herbstsession 1925, 90-95). Wir erfahren insbesondere, dass der Zuwachs der Schülerzahl auf 24 es 1924 ermöglicht hatte, «qualifizierte Lehrkräfte der Porzellan- [sic] und Keramikfabrik in Langenthal sowie einen ehemaligen Absolventen der nationalen Keramikschule in Sèvres einzustellen» (Bulletin des séances du Grand Conseil, ordentliche Herbstsession 1925, 93 – Begründung und Entwurf eines Dekrets, ebd., 497-504). Dabei handelte es sich um Jean Lorenz, Töpfermeister, ehemaliger Vorarbeiter der Langenthaler Manufaktur, und Albert Blémond, der den Verzeichnissen zufolge bis 1926/27 die Position des Produktionsleiters innehatte. Er lehrte Formen, Modellieren, Dekorieren, Brennen, Chemie und Technik! Ein Albert Blémond unterrichtete zwischen 1945 und 1967 Technisches Zeichnen an der Schule von Sèvres (Liste der Mitarbeiter von Sèvres, auf http://www.thefrenchporcelainsociety.com).

Von nun an unter die alleinige Autorität des Staates gestellt, konnte die Schule der Zukunft mit einer gewissen Gelassenheit entgegensehen. Dass Becker lange Jahre an der Spitze der Schule stand – er verliess die Leitung der Schule erst 1949 (Feuille d’avis de Lausanne vom 5. Mai 1949, 2) – war ein weiterer Stabilitätsfaktor.

Vom 3. September bis 9. Oktober 1927 beteiligte sich die Schule an der Schweizerischen Keramikausstellung, organisiert vom Musée d’art et d’histoire de Genève, mit einer relativ bescheidenen Lieferung von sechs Objekten: zwei Vasen aus Steinzeug, drei Vasen (eine davon mit Unterglasur-Pinseldekor, zwei mit Laufdekor) und ein mit farbigen Engoben verziertes Räuchergefäss (Genf 1927, 23, Nr. 277-282). Lucienne Florentin, die berühmt-berüchtigte Kunstkritikerin aus Genf, schrieb in ihrem schonungslosen Bericht über die Ausstellung: «Sie [die Schweizer Keramikschule] stellt zwei wunderschöne Steinzeugvasen aus – aber sie wurden vor 14 Jahren hergestellt und waren 1914 an der Berner Ausstellung zu sehen … Die anderen Vasen, gewöhnliche Töpferware, sind völlig uninteressant» (L’Œuvre 14, 1927, 286). Die Schule begnügte sich offenbar damit, die 1913 hergestellten Steinzeugvasen zu «recyceln».

Im Frühling desselben Jahres richtete die Schule in ihren Mauern eine Ausstellung von Schülerarbeiten ein. Die Lausanner Presse war einiges enthusiastischer: «Wir sind erstaunt über die Vielfalt und die Qualität der Arbeit dieser jungen Leute. Diese Porzellan-, Fayence- und Töpferwaren zeugen von gutem Geschmack; die Natur und die Phantasie dieser jungen Menschen sind wichtige Inspirationsquellen für ihre Motive. Selbstverständlich werden die Genres, die Schule machten oder machen, wie etwa die Werke von Sèvres und Saxe, sowie die alten Schweizer Schulen nicht vernachlässigt. […] Alles, was man sich auf dem Gebiet der Töpferei oder Keramik vorstellen kann, wird von der Schule hergestellt, von der Milchkanne und der Terrine bis hin zu den elegantesten Services und den anmutigsten Amphoren, vom Aschenbecher bis zur Bonbonnière usw. Und hier einige Teller und Vasen, die für die nächste Fête des vignerons bereitstehen (siehe Kapitel «Renens et Chavannes-près-Renens – Les poteries») (La Revue vom 16. April 1927, 2).

Ab 1928 konnten die Studenten zwischen drei Fachrichtungen wählen, um sich zu spezialisieren: Drehen, Formen und Dekorieren (Feuille d’avis de Lausanne vom 4. April 1931, 24). Ein ehemaliger Schüler der Schule, Paul Gerber, war zwischen 1928 und 1930/31 Fachlehrer. Der bekannte Heimberger Töpfer Cäsar Adolf Schmalz (1887–1966) wird zwischen 1931 und 1932 in Chavannes unterrichten (siehe auch Marti/Straubhaar 2017). Im Januar 1936 wurden zwei neue Fachkräfte ernannt, zwei Persönlichkeiten, die den Keramikunterricht in Chavannes und später in Vevey nachhaltig prägen sollten: Jean Allenbach und Claude Vittel (Tribune de Lausanne, 23. Januar 1936, 4). Jean Allenbach (1910–1978) hatte in den 1920er-Jahren selbst die Schweizerische Keramikschule besucht und war bis zu seiner Pensionierung 1975 (24 Heures du 10 octobre 1975, 19) Abteilungsleiter der Keramiksektion von Vevey. Claude Vittel (1907-1993), ebenfalls ein ehemaliger Schüler von Chavannes, hatte in Deutschland studiert, namentlich in Koblenz und Bunzlau. Er spezialisierte sich auf die Keramiktechnologie, ihm wird ein 1976 zum ersten Mal veröffentlichtes Nachschlagewerk zugeschrieben: Pâtes et glaçures céramiques.

1938 feiert die Schweizerische Keramikschule ihr 25-jähriges Bestehen mit einer Ausstellung von Schülerarbeiten in den Räumlichkeiten der Firma Steiger in Lausanne, rue Saint-François. Der Chronist der Feuille d’avis, kein geringerer als der Lausanner Keramiker Pierre Wintsch, hebt vor allem die «technische Perfektion» der ausgestellten Werke hervor, eine deutliche Verbesserung gegenüber den zwei Jahre zuvor ausgestellten Keramiken: «[…] der Fortschritt zeigt sich in den eleganteren Formen, in der Wahl der Glasuren mit feineren Farbabstufungen und in den geschmackvoll dekorierten Stücken. […] Hervorzuheben sind einige schöne Vasen, Apfelweinkannen von einfacher Form, blaugrau matt, beige oder metallisch schwarz emailliert, die den Vergleich mit den Produkten bekannter Keramiker in keiner Weise zu scheuen hätten» (Feuille d’avis de Lausanne vom 14. September 1938, 4 – für eine etwas längere und signierte Version siehe Le Droit du peuple vom 21. September 1938, 4). Zur gleichen Ausstellung findet man in Le Droit du peuple vom 23. September (S. 4) einen etwas differenzierteren Text, geschrieben von einem gewissen «Jacques»: «[…] alle Techniken werden verwendet, sogar Relieftechnik bei den Tellern. Es wurde kein Aufwand gescheut, um die Vasen, Untertassen und Aschenbecher so schön wie möglich zu gestalten. Die Farben sind prächtig und variationsreich. Dekore gibt es im Überfluss: zwei, drei, manchmal mit einer grossen Anzahl von Farben ausgeführt. Die dekorativen Motive sind gut durchdacht, aber manchmal etwas zu gewöhnlich. Dies ist die gleiche Kritik, die ich generell an allen Werken üben werde. Sie überzeugen nicht voll und ganz. Es ist dieses Element der Meisterschaft, das überall fehlt, ausser vielleicht in einer grossen Vase, die in einer Vitrine steht und die demjenigen Ehre macht, der sie gemacht hat. Von Anfängern sollte man nicht zu viel verlangen, aber das ist es, was sie anstreben sollten. Die meisten von ihnen sind selbstsicher und überzeugt von ihrer Arbeit, einige sind sogar Virtuosen. Da sie selbstbewusst sind, sollten sie umso mehr versuchen, die Ästhetik ihrer Vasen zu verbessern. Seit der letzten Ausstellung dieser Schule wurde die Keramik mit einem reichen Farbspektrum erweitert, insbesondere mit einem sehr modischen Türkisblau, das herrlich frisch ist».

Vermutlich erschien zur Jubiläumsveranstaltung des Jahres 1938 die vorliegende Informationsbroschüre über Schweizer Keramiker.

Aus der Zeit zwischen 1945 und 1947 existiert ein gedrucktes Schulprogramm, dass die Ausbildung umfassend beschreibt.

1949 griff Pierre Wintsch erneut zur Feder, um über eine neue Ausstellung der Schüler von Chavannes zu berichten. Sein Artikel zeigt die Vielfalt der Techniken, die künftig in der Schule verwendet werden, deutlich auf: «Erwähnen wir zunächst die Keramik, deren mattblaue Glasur geritzt wird, um die Anmut eines dunkleren Dekors auf dem rauheren Material zu offenbaren. Gezeigt wird eine weitere Serie von Keramik mit Sgraffitodekor, die die alten Techniken der Thuner Töpfer in frischem Geist aufnimmt: Ritzdekor auf Keramik, die mit zwei Engoben, einer schwarzen und einer cremefarbenen, überzogen wurde und mit frischen Farben unter einer transparenten Glasur hervorgehoben wird. Daneben sind einige Muster eines Fayencegeschirrs mit floralen Verzierungen von Feldern und Wäldern zu sehen, sowie einige Stücke mit Lüsterglasuren, von denen einige sehr schön verziert sind in der Tradition des alten Steinzeugs aus China. Und zum Abschluss dieses kleinen Rückblicks einige schöne, klinkerartig hart gebrannte Vasen mit einem wirkungsvollen, schwarzen Liniendekor» (Le Peuple vom 16. September 1949, 5).

Im Jahr vor dieser Ausstellung war die Schule vom Musée d’art industriel et d’art décoratif de Lausanne eingeladen worden, beim Aufbau einer didaktischen Keramikausstellung mitzuwirken, die vom 15. November 1948 bis zum 15. Februar 1949 im Palais de Rumine stattfinden sollte. Die Veranstaltung umfasste eine didaktische Präsentation der verschiedenen Techniken – Irdenware, Fayence, Steinzeug und Porzellan –, die gemeinsam mit der Schule entwickelt wurde, sowie einen historischen Teil, der durch Leihgaben verschiedener Antiquitätenhändler, Sammler, Museen, Hersteller und Künstler gespiesen wurde (La Nouvelle revue de Lausanne vom 23. November 1948, 3 – Feuille d’avis de Lausanne vom 19. Januar 1949, 44).

Bei dieser Gelegenheit stiftete die Schule einige Schülerarbeiten, eine kleine Werkgruppe, die eine Vorstellung von den Werken vermittelte, die zu dieser Zeit produziert wurden: MHL AA.MI.1876; MHL AA.MI.1877; MHL AA.MI.1878; MHL

All diese Beispiele basieren auf der Technik der Fayence mit Blei-Zinn-Glasur, die sich für die unterschiedlichsten visuellen Effekte eignet, von der glänzend schwarzen Glasur in der Art von Bonifas (MHL AA.MI.1874) bis zur Nüchternheit einer weissen Glasur, die eher eine komplexe formale Suche unterstreicht und an bestimmte Werke von Noverraz in Genf (MHL AA.MI.1876) erinnert. Des weiteren erlaubt die Technik auch die Ausgestaltung polychromer Dekore (MHL AA.MI.1877; MHL AA.MI.1878). Die alte Technik der engobierten Irdenware war ebenfalls nicht in Vergessenheit geraten, wie eine heraldische Schale im Museum von Old Baulmes (MVB 1106) zeigt.

In ihrem Jahresbericht für das Jahr 1948 gab die Unterkommission des Grossen Rats für die Berufsschulen einen kurzen Überblick über die Tätigkeit der Schule: «Der heutige Direktor hat in den letzten 27 Jahren 260 Schüler ausgebildet, davon wurden 50 Führungskräfte in Unternehmen in der Deutschschweiz (Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1948, 841). Seit Beginn des Schuljahres 1951 wurden Frauen in die Schule aufgenommen, jedoch nur in der Dekorationsabteilung.

1950-1956: Neue Krise und Integration der Keramikausbildung in die Kunstgewerbeschule von Vevey

1950 wurden alle kantonalen Berufsschulen dem Departement für Landwirtschaft, Industrie und Handel unterstellt. Unter dem Vorsitz von Staatsrat Paul Chaudet hielt es die neue Aufsichtsbehörde für notwendig, eine erneute Reorganisation der Keramikschule zu prüfen, «damit sie den Bedürfnissen der betroffenen Handwerks- und Industriebetriebe besser gerecht wird». Die zu diesem Zweck eingesetzte Kommission schlug zunächst vor, die Schule aus ihrer Isolation herauszuführen und sie der Kunstgewerbeschule von Vevey (L’école des arts et métiers) anzuschliessen, für die die Gemeinde Vevey einen Neubau geplant hatte. Die Lösung zeigte mögliche Synergien in Bezug auf die Räumlichkeiten und das Lehrpersonal auf (Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1952, 1143).

Auch im Jahr 1950 griff Pierre Wintsch wieder zur Feder, um über eine neue Ausstellung von Schülerarbeiten zu berichten, die wieder bei der Firma Steiger in Lausanne stattfand. Er gibt einige Hinweise auf die neuen Tendenzen, ganz im Sinne des Zeitgeistes, die in den Werkstätten von Chavannes zum Ausdruck kamen: «Das Modell ist einfach, der Dekor wird im Allgemeinen frei umgesetzt. Die einfarbigen Stücke werden mit verschiedenen übereinanderliegenden Glasuren überzogen, mit dem Ziel, harmonische Töne zu erzeugen und auch die Intensität des Glanzes und den Grad der Mattheit zu variieren: mattes Pastellblau, mit Ritzdekor verziert, schwarzer Dekor unter türkiser Glasur, Kupferrot, entstanden durch Reduktionsbrand usw.» (Le Peuple, 23. September 1950, 5).

Die CEPV-Sammlung umfasst eine Reihe von Stücken, die einige dieser dekorativen Prozesse veranschaulichen, die prinzipiell in der Steinguttechnik ausgeführt wurden. Diese Verfahren wurden bis in die 1960er-Jahre angewandt, weshalb wir Schwierigkeiten haben, die fraglichen Beispiele genauer zu datieren. Beispiele von übereinanderliegenden Glasuren:

CEPV No 3; CEPV No 9; CEPV No 12; CEPV No 15; CEPV No 18; CEPV No 19; CEPV No 20; CEPV No 22; CEPV No 26; CEPV No 30; CEPV No 32; CEPV No 33.

Andere Exemplare mit dem berühmten Kupferrot zeugen vom Reduktionsbrand, der immer mehr in Mode kam: CEPV G 33; CEPV No 23; CEPV No 13; CEPV No 14; CEPV No 29; CEPV No 28; CEPV No 1; CEPV No 27; CEPV No 25; CEPV No 24; CEPV No 2; CEPV No 35.

Parallel zu diesen Neuerungenwurde in der Schule die Technik der engobierten Irdenware weiter entwickelt, insbesondere für Serien von Gedenkobjekten, die hier und da eine Einnahmequelle für die Institution darstellten (MHL AA.VL 2008 C 6683).

Anfang 1951 ernannte der Staatsrat, zunächst provisorisch für zwei Jahre, einen neuen Direktor: René Burkhardt, der damals in Mozzate (Italien) wohnhaft war und das Amt schliesslich bis 1956 innehatte (Avis de Lausanne vom 30. Januar 1951, 13). 1952, anlässlich ihres 40-jährigen Bestehens, organisierte die Schweizerische Keramikschule in Zusammenarbeit mit dem Musée d’art décoratif de Lausanne erneut eine wichtige Ausstellung mit dem Titel «Céramique suisse ancienne et contemporaine» (Alte und zeitgenössische Schweizer Keramik), die vom 20. September bis 16. November im Palais de Rumine stattfand. In seiner Eröffnungsrede begrüsste Burkhardt «die glückliche Renaissance seiner Schule unter der Leitung neuer Fachlehrer, darunter [Jean-Jacques] Mennet und [Jean-Pierre] Kaiser» (La Nouvelle Revue de Lausanne vom 23. September 1952, 2). Jean-Pierre Kaiser (1915–2001), Maler, Grafiker und Bildhauer, war seit 1950 Professor an der École cantonale de dessin et d’art appliqué in Lausanne (Kantonale Schule für Zeichnen und angewandte Kunst). Jean-Jacques Mennet (1889–1969), Maler und Grafiker, unterrichtete von 1920 bis 1955 an der Kantonalen Kunstschule. In Inseraten zur Förderung der Schweizerischen Keramikschule: Insbesondere im l’Éducateur et Bulletin corporatif (z.B. in Band 88/1 vom 12. Januar 1952, 1), wird Mennet bis 1956 als Verantwortlicher für die «künstlerische Ausrichtung» erwähnt. In denselben Anzeigen wurde auch ein neuer Kurs aufgeführt: «Vorbereitung für Führungskräfte in der Industrie».

Der «alte» Teil der Ausstellung von 1952 scheint auf eine Retrospektive mit engobierter Irdenware aus Heimberg, die aus der Sammlung des Museums stammte, reduziert gewesen zu sein. Der zeitgenössische Teil der Ausstellung mit rund 600 Werken von 70 Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Schweiz, den Schulen von Chavannes-près-Renens, Bern und Genf sowie der Keramikabteilung der École cantonale de dessin et d’art appliqué in Lausanne stand im Zentrum der Präsentation. Die Veranstaltung umfasste aber eine weitere Retrospektive, die dem berühmten Keramiker Paul Bonifas, einem ehemaligen Schüler von Chavannes, gewidmet war, mit vier eigens aus Seattle, wo der Künstler seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelebt hatte, zugesandten Werken (Feuille d’avis de Lausanne vom 23. September 1952, 2 – Tribune de Lausanne vom 25. September, 5 – La Nouvelle Revue de Lausanne vom 23. September, – L’Illustré vom 23. Oktober, 19).

Um die Zukunft der Schule stand es schlecht, die drohende Schliessung wurde Realität, als der Staatsrat in seiner Sitzung vom 16. September 1955 den Grundsatzbeschluss fasste, die Schweizerische Keramikschule «so bald wie möglich» zu schliessen. Die Nachricht verursachte erhebliche Unruhe unter der Bevölkerung der Region und in den betroffenen Kreisen, was eine Gruppe von Abgeordneten unter der Leitung von Eugène Kuttel dazu veranlasste, eine Interpellation einzureichen, in der Aufklärung gefordert wurde. In ihrer Antwort bestätigte die Exekutive ihre Ansicht, dass die Schule die Erwartungen von Handwerk und Industrie nur teilweise erfüllte. Die 1950 eingesetzte Kommission, die sich mit der Reorganisation der Schule befasste, war zu dem Schluss gekommen, dass «falls es keine Keramikschule gäbe, es nicht gerechtfertigt erscheint, eine zu gründen. Es schien jedoch nicht gerechtfertigt (es war 1950), kurzerhand eine Einstellung ihrer Aktivitäten ins Auge zu fassen, aber es schien, dass Anstrengungen unternommen werden sollten, um der Schule die Mittel zur Erreichung höherer und umfassenderer Ziele an die Hand zu geben. […] die Einrichtung von Chavannes sollte in Zukunft ein Forschungs- und Informationszentrum bilden, das für alle Sektoren unserer schweizerischen Keramikindustrie nützlich ist, und dieses Zentrum könnte so den Bemühungen der Praktiker entgegenkommen.» Die voraussichtlichen Kosten für die Umgestaltung der Anlagen wurden geschätzt, als der Vorschlag aufkam, vonseiten der Verwaltung, Chavannes der École des arts et métiers de Vevey anzugliedern. In einer ersten Phase war die Schule von Chavannes seit dem 1. Juli 1953 verwaltungstechnisch der Institution von Vevey unterstellt; die Schule blieb innerhalb ihrer Mauern, und ihre Aktivitäten wurden weiterhin vom Staat finanziert. Die Gemeinde Vevey verfügte so über einen Zeitraum, um zu entscheiden, ob sie die Keramikschule übernehmen und zu einer neuen Abteilung ihrer Kunstgewerbeschule machen wollte. Vevey zeigte Interesse, sofern sie nicht die Betriebskosten der betreffenden Abteilung zu tragen hätte. In der Diskussion stellt Staatsrat Oulevay «[…] mit Bedauern fest, dass die Schüler, die diese Schule verlassen, nach drei Jahren Studium […] kein ausreichendes Auskommen fänden. Er erinnert uns daran, dass ein Keramikstudent 4825 Franken, während ein Mechanikerlehrling 1700 Franken kostet» (Bulletin des séances du Grand Conseil, Herbstsession 1955, 830-840).

Im August 1956 wurde der Grosse Rat informiert, dass «der Staatsrat dank einer Vereinbarung mit den Gemeindebehörden von Vevey seinen Entscheid vom 14. September 1955, der die Einstellung der Schweizerischen Keramikschule vorgesehen hatte, rückgängig machen konnte». Die Schule würde daher ihre Aktivitäten (ohne die Abteilung Giessen und Einformen) unter dem Dach der Städtischen Kunstgewerbeschule Vevey fortführen, von der sie eine Abteilung werden würde. Bis zum Bau des in Vevey geplanten neuen Gebäudes würde die Keramikabteilung weiterhin die Räumlichkeiten in Chavannes nutzen, die sich noch immer im Besitz des Staates befinden und unter der Leitung und Kontrolle der Gemeinde Vevey stehen (Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1956, 640-641).

Tatsächlich war die Keramikschule am 1. April 1956 in die administrative und finanzielle Verantwortung von Vevey übergegangen (Bulletin des séances du Grand Conseil, Frühjahr 1983, 478).

Im Frühjahr 1958 präsentierte die Schule in der Galerie du Capitole in Lausanne ihre erste Ausstellung von Schülerarbeiten seit fünf Jahren. Unter der Feder von L. Bovey (Artikel in der Tribune de Lausanne vom 27. März (S. 3) bekam das Ereignis ein ganz besonderes Gewicht, erschien «als Epilog und, besser noch, als Krönung eines verrückten Abenteuers. In der Tat stand die Schweizerische Keramikschule gerade erst vor der Schliessung, als die Keramik einen Aufschwung erlebte». Beim Betrachten der ausgestellten Werke, «in jeder Hinsicht bemerkenswert», freut sich der Journalist, dass die Schule überlebt hat, indem sie eine Abteilung der Kunstgewerbeschule von Vevey wurde. Er hebt insbesondere «eine schön modellierte Form mit rotem Glanz; eine schlanke, rauchrote Vase; eine Vase aus Steinzeug, chinesischrot; eine mattgraue Tasse mit abstraktem Dekor» hervor.

Am Rande sei bemerkt, dass die Schule zu Beginn des Jahrzehnts zur Praxis des Steinzeugs zurückgekehrt war (CEPV Nr. 8; CEPV Nr. 11; CEPV Nr. 17; CEPV Nr. 21; CEPV Nr. 34). In Bezug auf dieselbe Ausstellung weist Jean Charpié in Pour Tous (Ausgabe vom 1. April 1958, 23. April) darauf hin, dass die Schulabgänger «sich an Industriebetriebe wenden, hauptsächlich in der Deutschschweiz, oder eine eigene Werkstatt gründen könnten. Letzteres scheint der interessanteste Fall zu sein, da Keramik zunehmend für die Dekoration von öffentlichen Räumen, Schulen, Fabriken, öffentlichen Einrichtungen verwendet wird, ganz zu schweigen von all den dekorativen Irdenware-Objekten, die man in eher modernen Innenräumen findet. […] Im Ausstellungsraum hatten wir das Vergnügen, einige Werke von ehemaligen Schülern zu sehen, die berühmt geworden sind, wie Bonifas, Wintsch, Lambercy, Gasser, Chapallaz und andere. Diese Namen beweisen, dass der Beruf des Keramikers, auch wenn er unabhängig ausgeübt wird, grosse Befriedigung verschafft».

Mit der Stagnation der Industrie (vor allem in der Westschweiz), dem mächtigen Aufstieg des Kunsthandwerks sowie durch die Bewegung des angelsächsischen Konzepts des studio potter, hat sich das Ansehen des Keramikers im Laufe der Zeit erheblich verbessert. Diese Entwicklung rechtfertigte die Existenz der Schule mehr denn je: Sie wird 1959 nicht weniger als 45 Studierende haben (Feuille d’avis de Lausanne vom 10. August 1959, 7).

1964 nahm der Grosse Rat einen Verordnungsentwurf an, der die Exekutive ermächtigte, das künftige Berufszentrum von Vevey mit 30 Prozent zu subventionieren. Die Unterbringung der Schweizer Keramikschule war im Pflichtenheft für das künftige Gebäude vorgesehen. Andererseits würden die Kosten für den Betrieb der Schule von Chavannes fortan ausschliesslich von der Gemeinde Vevey getragen (Bulletin des séances du Grand Conseil, Herbst 1963, 1242-1253).

Der Bau des neuen Berufsbildungszentrums Centre Doret, fand von 1967 bis 1971 statt, und die Verlegung der Keramikschule nach Vevey erfolgte im Sommer 1970. Mit dem Umzug wurde der Name «Schweizerische Keramikschule» endgültig gelöscht. Von da an war sie nur noch die Keramikabteilung des CEPV (Centre d’enseignement professionnel de Vevey), eine Institution, die sich als eine der wichtigsten Ausbildungsstätten des Landes in dieser Disziplin durchsetzte und weiterhin durchsetzt.

Das ehemalige Gebäude der Schule wurde 1970 von der Gemeinde gekauft und wurde zum Rathaus von Chavannes-près-Renens; diese Funktion hat das Gebäude in der Avenue de la Gare 46 heute noch.

Marken

Neben einigen seltenen Ritzmarken auf Steinzeug von 1913, die aus den Initialen «E. S. C.» bestehen und der Angabe des Herstellungsorts, bringt die Schule eine Blindmarke an, die aus der Schweizer Armbrust und den Initialen «E. S. C.» besteht. (MHL AA.MI.1876).

Da das Armbrustsymbol im Jahr 1931 vom Verband für Inlandsproduktion als ursprüngliche Schweizer Marke eingeführt wurde (FOSC, Band 49, 1931, 1086 – Pastori-Zumbach 2001), kann dieses Unterscheidungsmerkmal nicht aus der Zeit vor diesem Datum stammen. Die Marke wurde – sicherlich nicht systematisch – bis in die späten 1940er-Jahre verwendet (MVB 1106; CEPV Nr. 11). Wahrscheinlich schon in den 1950er-Jahren werden die Studierenden manchmal persönliche Unterscheidungsmerkmale verwendet haben, die wir noch nicht entziffern konnten.

Viele der von der Schule ausgegebenen Stücke tragen ein Etikett mit dem Namen der Schule, zunächst ohne das Armbrustzeichen (CEPV G 2), dann mit der Armbrust (CEPV 5.D.2; CEPV Nr. 1; CEPV Nr. 14). Diese Etiketten wurden sicherlich zur Identifizierung der Keramiken in den Ausstellungen verwendet.

Quellen:

Waadtländer Presse und Jahresbücher sowie das Bulletin der Sitzungen des Grossen Rats, konsultiert in der Datenbank Scriptorium der Kantons- und Universitätsbibliothek Lausanne.

Schweizer Zeitschriften, konsultiert auf der Website e-periodica.ch.

Siehe auch: https://notrehistoire.ch/galleries/ecole-suisse-de-ceramique-chavannes-pres-renens

Siehe auch: Exposition Conférences 2013 et CEPV-Actualites

Bibliographie:

Ariana 1997
Paul Bonifas, céramiste du purisme. Catalogue d’exposition, Genève, Musée Ariana. Genève 1997.

Ball 1988
Daniela Ball, Nora Gross (1871-1929). Genava. Bulletin du Musée d’art et d’histoire de Genève XXXVI, 1988, 117-135.

Clément 2000
Alain Clément, La poterie de Ferney: deux siècles d’artisanat. Yens-sur-Morges/Saint-Gingolph 2000.

Genève 1927
Exposition de céramique suisse. Catalogue d’exposition, Musée d’art et d’histoire. Genève 1927.

Langlade 1938
Émile Langlade, Artistes de mon temps. Arras 1938.

Lüthi 2017
Dave Lüthi, Les écoles professionnelles en Suisse: palais ou usines ? In: Histoire de l’éducation 147, 2017, 119-146.

Marti/Straubhaar 2017
Erich Marti/Beat Straubhaar, C.A. Schmalz 1887-1966. Leben und Werk mit Pinsel, Stift und Lehm, Heimberg 2017.

Pastori-Zumbach 2001
Anne Pastori-Zumbach, Sous le signe de l’arbalète – La Marque suisse d’origine. Revue suisse d’art et d’archéologie 58, 217-228.

Savreux 1914
Maurice Savreux, L’art de la céramique en Suisse et l’École suisse de céramique. Genève 1914.

Cheyres FR, Biétry, Laurent (1770-1853)

Roland Blaettler 2019

Im Jahr 1765 führte der Berner Handelsrat eine eingehende Untersuchung über die Herstellung von Kochgeschirr im Waadtland durch. Er reagierte damit auf eine Anfrage der Waadtländer Töpfer, die sich über die drastischen Importe dieser Keramikspezialität beschwerten und diesen Missstand anprangerten (zitiert und kommentiert in Schwab 1921, 23–25). Da sich die Ergebnisse der Umfrage nicht nur auf die Kategorie des Kochgeschirrs bezogen, zeigten sie schliesslich ein ziemlich vollständiges Bild der Waadtländer Keramikindustrie. Durch die Erhebung erfahren wir, dass damals in der Stadt Yverdon und Umgebung nicht weniger als sieben Töpfer arbeiteten – die grösste Konzentration im Waadtland, wie Catherine Kulling betont (Kulling 2001, 33) – und dass sie vor allem «weisses Geschirr» herstellten. Was das eigentliche Kochgeschirr betraf (d.h. feuerfeste Gefässe), so sagten die örtlichen Handwerker, dass sie nicht in der Lage seien, mit den importierten Produkten zu konkurrieren.

Im Rahmen ihrer Grundlagenforschung über die Waadtländer Kachelöfen des 18. Jahrhunderts richtete Catherine Kulling ihr Augenmerk natürlich auch auf die in Yverdon tätigen Ofenbauer, insbesondere auf Jean-Albert Pavid (1710-1778) und Jacob Ingold (um 1742-1816), die zu den produktivsten und herausragendsten Spezialisten ihres Berufsstands im Waadtland gehörten (Kulling 2001, 26-105). Sie griff die bereits von Schwab (Schwab 1921, 25) aufgestellte These auf, nach der die auf die Herstellung von Geschirr spezialisierten Töpfer vor allem die Fayence-Technik angewendet hätten. Um diese Sicht zu untermauern, stützte sie sich nicht nur auf die bernische Untersuchung, sondern auch auf ein Dokument, das sie im Stadtarchiv von Yverdon gefunden hatte: In diesem Schreiben aus dem Jahr 1752 ersuchen die örtlichen Töpfer den Stadtrat um den Bau einer Mühle, «um Glasurfarben zu mahlen, die sie brauchen für die Produktion ihrer Töpferwaren, einer Art Fayence» (Kulling 2001, 32).

Aus unserer Sicht nehmen wir diesen Text wörtlich: Die Töpfer sprechen von «einer Art Fayence» im Sinne einer Ähnlichkeit der Produkte, aber ohne Anwendung der erforderlichen Technik. Unserer Meinung nach war das «weisse Tafelgeschirr», das 1765 als eine Spezialität Yverdons galt, – zumindest zum grössten Teil – weiss engobierte Irdenware, manchmal verfeinert mit Unterglasur-Pinseldekor. Sozusagen eine raffiniertere Variante der engobierten Irdenware im Vergleich zum herkömmlichen Gebrauchsgeschirr. Bei dieser Produktionsart kam eine in unseren Regionen seit langem etablierte Technik (und insbesondere bei der Herstellung von Öfen) zum Einsatz, die dem visuellen Effekt von blei-zinnglasierten Fayencen sehr nahe kam. Die Fayencetechnik ist in ihrer Umsetzung jedoch teurer und erfordert ein anderes Fachwissen, dennoch ist es in einigen Fällen ziemlich schwierig, die beiden Keramikarten mit blossem Auge zu unterscheiden.

Die einzigen bisher klar identifizierten regionalen Beispiele dieses Typs Geschirr sind die Arbeiten des Töpfers Laurent Biétry (1770-1853) in Cheyres FR (Babey 2016, 49), einem Ort, der etwa zwölf Kilometer von Yverdon entfernt liegt. Das Nationalmuseum von Zürich besitzt zwei signierte und 1795 datierte platten mit fassoniertem Rand (SNM LM-6212 und SNM LM-23403). Eine dritte, unsignierte und undatierte Platte verwahrt das Musée Ariana in Genf (MAG R 0136).

Siehe auch: Yverdon VD, “Weisses Geschirr” und die Faïencerie Rieff

Bibliographie:

Babey 2016
Ursule Babey, Archéologie et histoire de la terre cuite en Ajoie, Jura Suisse (1750-1900). Les exemples de la manufacture de faïence de Cornol et du centre potier de Bonfol (Cahier d’archéologie jurassienne 37), Porrentruy 2016.

Kulling 2001
Catherine Kulling, Poêles en catelles du Pays de Vaud. Confort et prestige. Les principaux centres de fabrication au XVIIIe siècle, Lausanne 2001.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.