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Yverdon VD, «Weisses Geschirr» und Fayencefabrik Rieff (1811–1847)

Keramik aus Yverdon (Museum der Kulturen Basel,  VI-59212)?

Roland Blaettler 2019

1765 führte der Berner Handelsrat eine detaillierte Untersuchung über die Herstellung von Kochgeschirr im Waadtland durch, um einem Gesuch der Bernischen Töpfer nachzukommen, die sich über die negativen Auswirkungen einer massiven Einfuhr dieser Spezialität beschwerten (zitiert und kommentiert nach Schwab 1921, 23–25). Die Ergebnisse der Untersuchung, die nicht nur die Kategorie des Kochgeschirrs betrafen und letztlich ein recht vollständiges Bild der waadtländischen Keramikproduktion vermittelten, zeigten, dass es in der Stadt Yverdon und ihrer Umgebung damals nicht weniger als sieben Töpfer gab – die höchste Konzentration in der Waadt, wie Catherine Kulling (Kulling 2001, 33) betont – und dass diese hauptsächlich «weisses Geschirr» herstellten. Was das eigentliche Kochgeschirr (d.h. Gefässe aus feuerfestem Ton) betraf, so erklärten die einheimischen Handwerker, dass sie mit den importierten Produkten nicht konkurrieren könnten.

Im Rahmen ihrer Grundlagenforschung über Waadtländer Kachelöfen des 18. Jahrhunderts befasste sich Catherine Kulling natürlich auch mit den in Yverdon tätigen Ofenbauern, insbesondere mit Jean-Albert Pavid (1710–1778) und Jacob Ingold (um 1742–1816), die zu den produktivsten und bemerkenswertesten Spezialisten ihres Berufsstands im Waadtland zählten (Kulling 2001, 26–105). Was die auf die Herstellung von Geschirr spezialisierten Töpfer betraf, griff sie die bereits von Schwab (Schwab 1921, 25) aufgestellte Hypothese auf, wonach sie vor allem die Fayence-Technik angewendet hätten. Um diese Sicht zu untermauern, stützte sie sich nicht nur auf die Berner Untersuchung, sondern auch auf ein Dokument, das sie im Gemeindearchiv von Yverdon gefunden hatte: In diesem Schreiben aus dem Jahr 1752 ersuchen die örtlichen Töpfer den Stadtrat um den Bau einer Mühle, «um Glasurfarben zu mahlen, die sie benötigen für die Herstellung ihrer Töpferwaren, einer Art Fayence» (Kulling 2001, 32).

Aus unserer Sicht nehmen wir diesen Text wörtlich: Die Töpfer sprachen von «einer Art Fayence» im Sinne einer Ähnlichkeit der Produkte, aber ohne Anwendung der erforderlichen Technik. Unserer Meinung nach war das «weisse Geschirr», das 1765 als Spezialität aus Yverdon auftauchte, zumindest überwiegend weiss engobierte Irdenware, manchmal verfeinert mit Unterglasur-Pinseldekor. Sozusagen eine raffiniertere Variante von engobiertem Ton, im Vergleich zum herkömmlichen Gebrauchsgeschirr. Diese Art der Herstellung nutzte zwar eine Technologie, die in unseren Regionen schon lange etabliert war (insbesondere bei der Herstellung von Öfen), ermöglichte es aber auch, sich dem visuellen Effekt der blei-zinnglasierten Fayencen anzunähern, deren Herstellung jedoch teurer war und ein anderes Fachwissen voraussetzte. In einigen Fällen ist es sogar recht schwierig, die beiden Keramikarten auf makroskopischer Ebene zu unterscheiden. Die einzigen bisher eindeutig identifizierten regionalen Beispiele dieses Typs Geschirr sind Werke des Töpfers Laurent Biétry (1743–1809) in Cheyres VD, etwa zwölf Kilometer von Yverdon entfernt. Das Landesmuseum Zürich besitzt zwei signierte und 1795 datierte Platten SNM LM-6212 und SNM LM-23403). Eine dritte Platte ohne Datum und Signatur wird im Musée Ariana in Genf aufbewahrt (MAG R 0136).

Im Rahmen unserer Inventarisierungsarbeit konnten wir in den Kantonen Neuenburg und Waadt mehrere Beispiele für weiss engobierte mit Pinseldekor verzierte Irdenware finden, die offensichtlich weder der deutschschweizerischen noch einer ausländischen Tradition zuzuordnen sind; einige von ihnen könnten durchaus zu diesem «weissen Geschirr» aus Yverdon gehören:

MAHN AA 1798; MAHN AA 1847; MAHN AA 1850; MAHN AA 1858; MAHN AA 2189; MAHN AA 2090; MM 2010; MPE 483; MAF No 1; MHL AA.46.B.36.

  

Das Musée Ariana bewahrt ebenfalls verschiedene Objekte, die in diesen vorläufigen Korpus aufgenommen werden könnten: MAG AR 11659MAG G 0161MAG R 0203, und auch folgende Beispiele würden unseres Erachtens in die Gruppe passen: MAG R 0146, MAG R 0202, MAG R 0205, MAG R 0206,  FWMC C.1963-1928, MKW 382, SfGB 44, SMT 9641, SMT 9651, MKB HM-1888.0148.01, MKB VI-59211, MKB VI-59212.

Echte, unverfälschte Fayencen (eine mit einer weissen, opaken Glasur auf Zinnbasis überzogene Irdenware) wurden zwar in Yverdon hergestellt, aber vor allem im Bereich des Ofenbaus, wie beispielsweise die Arbeiten von Jacob Ingold belegen. Im Bereich des Geschirrs hingegen kennen wir nur ein einziges Beispiel aus Fayence, das einer Werkstatt in Yverdon zugeschrieben werden kann: ein Rasierbecken mit Schäfermotiv aus dem Jahr 1781, verziert mit Scharffeuermalerei und signiert von der Hand von Jacob Ingold (SNM LM-23699 – Lissabon 1998, Nr. 96; Kulling 2001, Abb. 323). Es ist nicht auszuschliessen, dass Ingold neben seiner Arbeit als Hafner auch Gefässe anfertigte, aber es ist auch möglich, dass das berühmte Rasierbecken in seiner Arbeit eher eine Ausnahme bildete und eine vergleichsweise aussergewöhnliche Anfertigung war.

Wie dem auch sei, die Technik der blei-zinnglasierten Fayence war in Yverdon gut bekannt, wie eine Anzeige in der Feuille d’Yverdon vom 3. Januar 1795 (S. 1) beweist, in der wir erfahren, dass ein gewisser Herr Simond, Goldschmiedehändler, «eine Partie feinen, englischen Zinns, geeignet für den Gebrauch der Giesser oder Glasierer in der Töpferproduktion» zum Verkauf anbot.

1791 schlug der Töpfer Jean-François Ecoffey den Behörden vor, auf dem Gebiet der Gemeinde eine «Fayencefabrik» zu errichten. Die Stadt war offensichtlich an den positiven Auswirkungen interessiert, die von dieser neuen Infrastruktur zu erwarten waren, und erwarb bald darauf ein Grundstück am Chemin du Cimetière im Vorort Notre-Dame, wo die Einrichtung 1792 fertiggestellt wurde. Ecoffey war der erste Mieter und blieb es bis zu seiner Entlassung im Jahr 1796 (Kulling 2001, 33). Offenbar entsprach Ecoffeys Tätigkeit nicht den Erwartungen: In den Diskussionen über einen möglichen Verkauf des Ateliers im Jahr 1809 stellte die Stadtverwaltung fest, dass «dieses Gebäude seit seiner Gründung für die Öffentlichkeit eher kostspielig als gewinnbringend war» (Deonna 1937, Fussnote 5). Hatte Ecoffey überhaupt echte Fayence hergestellt? Mehrere Jahre lang suchten die Behörden vergeblich nach einem neuen Mieter, der in der Lage war, ihre Fayencefabrik zu betreiben.

Die Fayencemanufaktur Rieff, 1811–1847

Nachdem er von der Gelegenheit erfahren hatte, meldete sich François Rieff (1767–1838), ein aus Poppelsdorf (heute ein Stadtteil von Bonn in Nordrhein-Westfalen) stammender Fayencehersteller, Anfang 1809 bei den Behörden in Yverdon mit der Absicht, «das Haus und den Garten der Fayencefabrik» zu kaufen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Rieff seine Ausbildung in der 1755 in Poppelsdorf gegründeten Fayence-Manufaktur absolviert hatte. Catherine Kulling konnte feststellen, dass er vor seiner Ankunft in Yverdon mehrere Jahre in Nyon verbracht hatte (Kulling 2001, 33, Fussnote 56). Hatte er wohl in der Fayencefabrik der Baylon gearbeitet? Unabhängig von Rieffs genauem Werdegang ging die Stadtverwaltung ohne grosses Zögern auf das Angebot ein, da sie insbesondere der Ansicht war, dass «die Art von Industrie, die dieser Bürger hierher bringen würde, nützlich und vorteilhaft wäre». Lässt die Formulierung dieses Arguments nicht vermuten, dass die Herstellung von Geschirr aus Fayence für Yverdon eher eine Neuheit war? Die Genehmigung der Kantonsregierung liess fast zwei Jahre auf sich warten, und erst im Februar 1811 konnte der Verkauf endlich abgeschlossen werden (Deonna 1937, Fussnoten 5 und 6).

Unter der Leitung des neuen Besitzers schien die Fayencefabrik aufzublühen. 1819 wurde François Rieff zusammen mit seiner Frau Jeanne, geborene Charbonnet, und ihren drei Kindern, zwei Jungen und einem Mädchen, als Bürger von Yverdon aufgenommen. In ihrer Begründung hob die Stadtverwaltung das «aktive, arbeitsame und geregelte» Verhalten des Kandidaten hervor sowie «die Art nützlicher Industrie, die er ausübt» (Deonna 1937, Fussnote 7). Einer der Söhne von François, Charles-Abraham (1795–1869), der Françoise Henriette Roulet (gest. 1872) heiratete, erschien in den Gemeindebüchern ebenfalls als Fayencehersteller (Deonna 1937, Fussnote 8). Von seinem Bruder Joseph, der mit Peytignet (?) verschwägert war, wissen wir nicht, wann er gelebt hat, aber wir nehmen an, dass er der Älteste war. Bis anhin wussten wir nur, dass er nach Amerika, nicht weit von New York, ausgewandert war (Crottet 1859, 644).

Unsere Recherchen in der Lokalpresse lieferten einige zusätzliche Informationen über diese Persönlichkeiten und über die Aktivitäten der Fayencefabrik von François Rieff. Im Jahr 1826 veröffentlichte er mehrmals eine Anzeige, in der er bekanntmachte, dass er «Öfen für ‹chauffe-pances› [sic] und alle Arten von Öfen herstelle [… und dass er] sich auch hinbegeben werde, um Öfen zu flicken». Man fände bei ihm wie früher sowohl ein komplettes Sortiment an Fayencegeschirr als auch an gutem Kochgeschirr» (z. B. in der Feuille d’avis d’Yverdon vom 1. Juli 1826, 2). Zu den von Rieff erwähnten «chauffe-panse»: Dieses Wort bezeichnete damals eine eher kleine offene Kaminfeuerstelle in einem Zimmer. Der Begriff ist in Frankreich und anderen Teilen der Romandie belegt, auch wenn Emmanuel Develey darin einen waadtländischen Ausdruck sah, den er im Übrigen als «lächerlich» bezeichnete (Develey 1824, 23). Man kann also davon ausgehen, dass es sich bei den von unserem Fayencehersteller angebotenen Öfen um relativ kleine, eventuell tragbare Geräte handelte, die insbesondere dazu bestimmt waren, in offene Kaminfeuerstellen eingesetzt zu werden, um eine offene Feuerstelle durch ein praktischeres, effizienteres und sichereres Heizsystem zu ersetzen.

Einige Jahre später gab Joseph Rieff ebenfalls eine Anzeige auf, in der er sich als «Ofenbauer, derzeit auf eigene Rechnung arbeitend» bezeichnete. Darin bot er seine Dienste für die Herstellung oder den Zusammenbau von Öfen an. Er wohnte damals bei seiner Schwiegermutter auf dem Platz, im Haus von Herrn Bourgeois (Feuille d’avis d’Yverdon vom 19. September 1829, 2). Daraus geht hervor, dass auch Joseph das Handwerk erlernt hatte, möglicherweise in der väterlichen Werkstatt, bevor er sich um 1829 selbstständig machte. Im folgenden Jahr erfährt man, dass er das Geschäft von Jacob Mébold übernommen habe, «bestehend aus Lebensmitteln, Fleischwaren, Berner Mehl, Grietz, Ulmer Gerste und anderen Artikeln, die nicht alle im Detail aufgeführt werden können». Joseph verkaufte auch «ein Sortiment an Kochgeschirr und mehr […] Er teilt auch mit, dass er das Erdgeschoss des Hauses der Erbengemeinschaft Benoit in der Rue du Milieu belegen wird und weiterhin Kachelöfen produziere und flicke (Feuille d’avis d’Yverdon vom 12. Juni 1830, 2). Einige Monate später verkündet Joseph Rieff, «Kolonialwarenhändler», dass er zusätzlich zu den üblichen Lebensmitteln soeben «ein Sortiment von weissem Steingut (terre de pipe) aus Carouge» erhalten habe und dass er «eine gute Auswahl an Kochgeschirr, aus Thun und von anderen Orten anbieten könne».Von seiner Tätigkeit als Hafner hingegen ist nicht mehr die Rede (Feuille d’avis d’Yverdon vom 18. September 1830, 2).

Sein Bruder Charles arbeitete – wie mehrere signierte Objekte belegen – an der Seite seines Vaters, wahrscheinlich bis zu dessen Tod im Jahr 1838. In einem kurzen Artikel aus dem Jahr 1937 wirft Waldemar Deonna die Frage auf, ob das Unternehmen nach dem Tod von François wohl geschlossen wurde, doch heute wissen wir, dass dies nicht der Fall war. Offenbar wurde es von einem seiner Söhne weitergeführt. Nicht von Charles, wie man hätte erwarten können, sondern von Joseph. In einer Anzeige aus dem Jahr 1844 wird die Wohnung im ersten Stock der Fayencefabrik zur Miete angeboten. Interessenten werden gebeten, sich an Joseph Rieff, den «Eigentümer», zu wenden (Feuille d’avis d’Yverdon vom 16. November 1844, 4).

Es ist wahrscheinlich, dass Joseph die Herstellung seiner keramischen Produkte in der ehemaligen väterlichen Fayencefabrik fortsetzte. In Anzeigen aus dem Jahr 1840 heisst es: «Joseph Rieff, Fayencefabrikant, der in der Lage ist, alle Arten von Kochgeschirr und andere Töpferwaren herzustellen, die man ab jetzt bei ihm im Gross- und Einzelhandel erwerben kann; er stellt weiterhin wie früher tragbare Öfen aus Ziegelstein usw. her». (Feuille d’avis d’Yverdon vom 22. Februar 1840, 1). Verwirrend war, dass zur gleichen Zeit ein gewisser Henri Rieff, der ebenfalls als «Fayencier» bezeichnet wurde, sehr ähnliche Anzeigen schaltete: «Bei H. Rieff findet man ein Sortiment an Kochgeschirr sowie andere Töpferwaren, en gros oder im Detailhandel; wie früher stelle er weiterhin tragbare und andere Öfen her. Er werde sein Möglichstes tun, um die Personen zufriedenzustellen, die ihn mit ihrem Vertrauen ehren wollen» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 1. Februar 1840, 1–2). Einen Monat später bezeichnete sich Henri genauer als «Fayencehersteller im Faubourg de Notre-Dame» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 28. März 1840, 2). Henri war wahrscheinlich ein Sohn von Joseph, der genau die gleichen Dienstleistungen wie dieser und in den gleichen Räumlichkeiten anbot. War der Vater dabei, ihm den Weg zu ebnen, damit er sich aus dem Geschäft zurückziehen konnte?

Durch die Anzeigen im Feuille d’avis, die sich oft auf die Vermietung der einen oder anderen Wohnung im Gebäude der Fayencefabrik beziehen, ist Josephs Anwesenheit in Yverdon mindestens bis Oktober 1845 belegt. In der Ausgabe vom 10. Oktober (S. 2) wird ein «Kachelofen» zum Kauf angeboten, Interessenten werden aufgefordert, sich bei Joseph Rieff in der Fayencefabrik zu melden. Nach diesem Datum wird bis zum Frühjahr 1847 durchgängig Henri als Kontaktperson für die Fayencefabrik genannt (Feuille d’avis d’Yverdon vom 17. April 1847, 4). In der Folge verschwand auch Henri von der Bildfläche: War er zu seinem Vater auf die andere Seite des Atlantiks gezogen?

Aufgrund der obigen Ausführungen ist anzunehmen, dass Joseph zwischen Winter 1845 und den ersten Monaten des Jahres 1846 nach Nordamerika ausgewandert ist. Er liess sich in Carthage (im heutigen Bundesstaat New York?) nieder, wo er offenbar ein neues Töpferunternehmen eröffnete. Dies geht zumindest aus einer Anzeige hervor, die in der Feuille d’avis d’ Yverdon vom 15. April 1848 (S. 3) erschien: «Wir suchen für ein Töpferunternehmen in Carthage in Nordamerika 2 oder 3 gute Dreher. Die Reisekosten werden erstattet, wenn Sie sich für eine gewisse Zeit verpflichten. Bitte wenden Sie sich an Charles Rieff-Roulet, La Plaine in Yverdon».

Nach Henris Weggang war es nun sein Bruder Charles, der Josephs Interessen in Yverdon vertrat. Charles Rieff-Roulet hatte nach dem Tod seines Vaters den Beruf gewechselt, wie aus einer Anzeige hervorgeht, die Anfang Oktober 1840 erschien: «Charles Rieff-Roulet hat die Ehre, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass man in seinem Geschäft, dem Haus von Herrn Ellenberger in der Plaine, gemeinhin Fegebürsten und -tücher verschiedener Grössen im Gross- und Einzelhandel, ein schönes Sortiment an Pfeifen, viele Gegenstände und alle Arten von Lebensmitteln finden wird […]» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 3. Oktober 1840, 1).

Im Juni 1847 – nach Henris mutmasslichem Weggang – werden die verschiedenen Wohnungen im Gebäude der Fayencefabrik zur Vermietung angeboten, insbesondere «Eine Wohnung im Erdgeschoss […] Man vermiete zusätzlich zu dieser Unterkunft alles Zubehör und die nötigen Werkzeuge für die Anfertigung von Kachelöfen oder Öfen, eine Mühle zum Mahlen von Glasuren und das Recht auf Abbau von etwa 30 Wagenladungen Ton jährlich aus einem Landstück von Joseph Rieff zur Betreibung der Fabrik. Zur Besichtigung melde man sich bei Ch. Rieff-Roulet, in der Plaine» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 3. Juni 1847, 4). Daraus geht hervor, dass Joseph immer noch der Besitzer der Fayencefabrik war. Wurde die Werkstatt später weiterbetrieben? Das ist derzeit nicht bekannt.

Erwiesen ist hingegen, dass das Gebäude und seine Nebengebäude im Oktober 1849 zum Verkauf angeboten wurden: «Der Bevollmächtigte von Joseph Rieff, der sich zurzeit in Amerika aufhält, wird am Montag, den 22. Oktober […], die in Yverdon gelegenen und unter dem Namen Fayencefabrik bekannten Gebäude sowie ein 244 Klafter grosses Feld bei Montagny, mit dem Namen à la Malirausaz, zum Verkauf anbieten und öffentlich versteigern. Es gibt noch eine grosse Anzahl an Töpferwaren, die in den Gebäuden der Fayencefabrik gelagert sind und die zu einem niedrigen Preis verkauft werden sollen. Wenden Sie sich an Herrn Charles Rieff-Roulet oder an den Notar Correvon-Pavid in Yverdon» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 13. Oktober 1849, 1).

Damit endet die Geschichte der Fayencefabrik, die 1811 von François Rieff übernommen (oder sogar initiiert?) wurde. Dieser betrieb sie gemeinsam mit seinem Sohn Charles bis zu seinem Tod im Jahr 1838. Das Unternehmen wurde unter der Leitung seines zweiten Sohnes Joseph fortgeführt, der zuvor eine eigene Werkstatt in Yverdon betrieben hatte. Joseph schloss sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit seinem Sohn Henri zusammen, bevor er Ende 1845 oder in den ersten Monaten des Jahres 1846 nach Amerika auswanderte. Henri blieb zumindest bis April 1847 allein in der Fayencefabrik. Danach taucht sein Name nicht mehr in den Presseberichten über das Gebäude auf; es ist möglich, dass Henri zu seinem Vater nach Amerika ausgewandert ist. Das Gebäude, einschliesslich der «Fabrik», wurde ab Juni 1847 zur Vermietung angeboten und im Oktober 1849 verkauft.

Auch wenn sich die Tätigkeit der Firma über mehr als 35 Jahre erstreckte, kennen wir bis heute nur wenige Gegenstände, die der Rieff-Werkstatt zugeschrieben werden können; ausserdem beziehen sich alle diese wertvollen Zeugnisse nur auf die Ära von François Rieff, also hauptsächlich auf die Jahre 1825–1834.

Die am häufigsten in den Zeitungsanzeigen erwähnten Produkte sind Öfen und Kachelöfen. Das Museum von Yverdon bewahrt insbesondere eine Ofenkachel mit einem mehrfarbigen Dekor in Scharffeuermalerei (Blau, Violett-Schwarz, Grün, Violett und Braun) auf, signiert und datiert mit «Rieff d’Yverdon AN 1830» (MY EPM.C.1)

Das Nationalmuseum in Zürich besitzt eine Frieskachel mit einem polychromen Dekor aus Blumen, belaubten Zweigen und einem Herzmotiv, signiert und datiert «François Rieff 1811» (SNM LM-50507 – Jahresbericht, vol. 81, 1972, 58).

Es ist anzunehmen, dass viele Öfen und insbesondere die tragbaren Öfen (im Speziellen die «Öfen für chauffe-panse») wahrscheinlich keine Verzierungen trugen.

Was das von den Rieffs hergestellte Fayencegeschirr betrifft, so bewahrt das Musée Ariana in seinen Beständen eine ovale Schale mit fassoniertem Rand auf, 510 mm breit und 252 mm tief, auf der Rückseite ist sie mit «Cs. Rieff d’Yverdon / 1834» signiert (MAG AR 00947 – Deonna 1937, Abb. S. 367). Der Spiegel der Schale ist mit einem grossen Fisch (einem Hecht?) von eher naiver Machart verziert und die Fahne zeigt einen gewundenen Kranz aus Blättern und kleinen Blumen, die aus drei Punkten gebildet werden; der Dekor einfarbig violett gehalten in Scharffeuer-Bemalung.

In den Beständen des Museums von Yverdon befindet sich ein Objekt, dessen Funktion noch immer rätselhaft ist: ein Gefäss in Form eines elliptischen Zylinders, das offenbar unvollständig ist; der obere Teil fehlt offensichtlich (MY EPM.Dom.1). Das Innere des Gefässes ist in zwei Kammern unterteilt, von denen eine sogar zwei Ebenen aufweist. Die Verzierung des Objekts – und auch seine Form – erinnern an einen Miniaturofen. Handelt es sich um ein Modell eines Ofens oder um ein Tintenfass? Die Frage bleibt offen. Das Gefäss trägt eine doppelte Marke: Im Inneren steht «Charles Rieff / Fayencier / 1830», während der Boden des Objekts die Marke des «Patrons» aufweist: «Fabrique de Françoi Rieff / Fayencier».

Ansonsten kennen wir vor allem einen Gefässtyp, der offenbar eine Spezialität von François Rieff war: leicht gebauchte bis längliche Flaschen mit kurzem Hals und hohem Henkel, die stark an die Westerwalder Flaschen aus Steinzeug erinnern, die zur Abfüllung von Mineralwasser verwendet wurden und ab Ende des 17. Jahrhunderts in grossem Umfang in die Schweiz importiert wurden (z. B. MHV 2898-2; MHL AA.46.E.2; MHL AA.46.E.3 – siehe auch Heege 2009, 57–75). Die Flaschen aus Yverdon sind fast alle zwischen 1824 und 1834 datiert, und die meisten tragen die Initialen des Empfängers. Im häufigsten Fall ist der Dekor in violettbrauner Farbe gehalten und beschränkt sich auf die Initialen und das Datum, unterstrichen von zwei stilisierten, sich kreuzenden Blätterzweigen (MY EPM.Alim.18; MY Nr. 2; MY Nr. 1). Manchmal fehlen die Initialen und machen Platz für ein aufwendigeres Motiv wie das Kantonswappen (MY EPM.Alim.16) oder das Gemeindewappen (MY EPM.Alim.19). Die reduzierte Form des Dekors ist auch in einer mehrfarbigen Version auf einer Flasche aus dem Jahr 1825 zu finden (MY EPM.Alim.17).

Das Musée d’art et d’histoire von Neuenburg bewahrt ein Exemplar – ebenfalls 1825 datiert – mit einem besonders reichen polychromen Dekor, der aus dem Kantonswappen mit Initialen und gekreuzten Zweigen besteht. Um den aussergewöhnlichen Charakter dieser Arbeit hervorzuheben, hat Rieff seine Marke «Charles Rieff d’Yverdon» auf der Rückseite des Gefässes platziert (MAHN AA 2173).

Die Frage nach der genauen Funktion der von François und Charles Rieff hergestellten Flaschen bleibt offen: Waren sie für die Abfüllung von Wein, Schnaps oder Mineralwasser bestimmt? Die beiden Beispiele MY No. 1 und MY No. 2 tragen dieselben Initialen, aber unterschiedliche Daten: Man ist versucht, die Initialen einem Winzer oder Schnapsbrenner zuzuordnen und die Daten als Jahrgänge zu interpretieren. Als die beiden Objekte durch eine Schenkung in die Sammlung gelangten, waren sie von einem Zettel begleitet, auf dem stand, dass sie von Paul Wüst in Morges (1898 bis um 1990) stammten, der mehrere Dutzend dieser Flaschen besessen haben soll. Dem ehemaligen Besitzer zufolge waren die Flaschen als Weinflaschen verwendet worden.

Über die Produktion von François Rieffs Nachfolgern, seinem Sohn Joseph und seinem vermutlichen Enkel Henri, wissen wir insbesondere, dass sie Öfen und wahrscheinlich auch Kachelöfen umfasste. Die Tatsache, dass in der Anzeige, die anlässlich des Verkaufs der Fayencefabrik im Jahr 1849 erschien, von «einer grossen Anzahl von Töpferwaren, die in den Gebäuden der Fayencefabrik deponiert sind und die man zu einem niedrigen Preis abtreten würde» die Rede war, lässt uns vermuten, dass die Herstellung von Geschirr nach dem Tod des Vaters im Jahr 1838 nicht völlig aufgegeben wurde.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise, consultée sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne

 Bibliographie:

Crottet 1859
A. Crottet, Histoire et annales de la Ville d’Yverdon depuis les temps les plus reculés jusqu’à l’année 1845. Genève 1859.

Deonna 1937/3
Waldemar Deonna, «Faïencerie d’Yverdon». Revue historique vaudoise 45, 365-370.

Develey 1824
Emmanuel Develey, Observations sur le langage du Pays de Vaud, seconde édition. Lausanne 1824.

Heege 2009
Andreas Heege, Steinzeug in der Schweiz (14.–20. Jh.). Ein Überblick über die Funde im Kanton Bern und den Stand der Forschung zu deutschem, französischem und englischem Steinzeug in der Schweiz. Bern 2009.

Kulling 2001
Catherine Kulling, Poêles en catelles du Pays de Vaud, confort et prestige. Les principaux centres de fabrication au XVIIIe siècle. Lausanne 2001.

Lisbonne 1998
Cerâmica da Suíça do Renascimento aos nossos dias. Ceramics from Switzerland, from Renaissance until the Present. Cat. d’exposition, Museu Nacional do Azulejo, Lisbonne, 23 juillet-4 octobre 1998.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie. Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7. Weinfelden/Konstanz 1921.

Zell am Harmersbach, Baden-Württemberg, Deutschland

Bild der Oberen Fabrik in Zell, aus einer Preisliste von Carl Schaaf (1874-1907).

Objekte in CERAMICA CH

Andreas Heege 2024

Wichtige Konkurrenten der schweizerischen Fayence- und Steingutproduktion waren verschiedene südwestdeutsche Manufakturen. Diese hatten angesichts der unzureichenden schweizerischen Produktionsverhältnisse, zumindest in der Deutschschweiz in den 1820er- bis 1840er-Jahren so etwas wie ein «Monopol», stand ihren Produkten doch wohl nur eine begrenzte lokale Herstellung gegenüber.

Teller von Zell am Harmersbach mit Motiv Schloss Chillon

Es handelt sich um die badischen Manufakturen Zell am Harmersbach (ab 1794, wechselnde Besitzer), Hornberg (1817–1912, heute Duravit Sanitärkeramik) sowie das württembergische Schramberg (1820–1882, ab 1829 unter Uechtritz & Faist firmierend, 1883–1911 Villeroy & Boch, ab 1912 Schramberger Majolika Fabrik) und zahlreiche weitere kleine Produktionsorte im süddeutschen Raum (Zu den genannten Produktionsorten: Kybalová 1990, 121–126; Simmermacher 2002; Kronberger-Frentzen 1964; Schüly 2000. Zu Hornberg vgl. auch: Hitzfeld 1970. Zu Schramberg: Waller 1872, 109–111; Singer 1918, 45–47; Preger 1977; Heege 2013. Schramberg unter Villeroy und Boch: Thomas 1976, 42–43; Thomas 1977, 29. Vgl. auch: www.porcelainmarksandmore.com). Die teilweise wohl überragende Konkurrenz spiegelt sich auch in den Berichten zu den bernischen Industriemessen von 1848 bzw. 1857 (Frei 1951; Frei 1952).

Die wichtigsten Steingutmanufakturen nördlich der Schweiz (nach Brandl  1993, 22 verändert).

Zu Zell am Harmersbach gibt es  bis heute  zahlreiche Publikationen zur Firmengeschichte  und den Produkten (Kronberger-Frentzen  1964, 31-50; Spindler 2005; Baumgärtner 1989; Heisch 1999; Simmermacher 2002, 62-81). Die umfassendste Zusammenstellung bietet jetzt: Riehle/Riehle 2021 und die Homepage www.cellaceramica.de.

Die inhaltlichen und chronologischen Informationen in

www.porcelainmarksandmore.com und 

www.porcelainmarksandmore.com

bedürften einer archivalischen Überprüfung und Präzisierung.

Fabrikperioden,  1. Zeller Steingutfabrik (Daten nach Baumgärtner 1989)

Zeller Fayencefabrik Joseph Anton Burger (ab 1794), Kompagnons Jakob Ferdinand Lenz ab 1802-1828 (ab 1819 Alleininhaber); Georg Schnitzler und David Knoderer, 1805-1809.
Zeller Steingut- und Porzellanfabrik Jakob Ferdinand Lenz (ab 1829) unter den Neffen Gottfried Ferdinand Lenz (ab 1860 Alleininhaber) und Wilhelm Schnitzler
Zeller Steingut- und Porzellanfabrik Jakob Ferdinand Lenz, Nachfolger (Besitzer Bruno Prössel, 1869-1874, dann Zwangsversteigerung)
Zeller Steingut- und Porzellanfabrik C. Schaaff (1874 bis 1907)
1907 Integration in Steingut- und Porzellanfabrik Georg Schmider

Fabrikperioden 2. Zeller Steingutfabrik

Zweite Zeller Steingut- und Porzellanfabrik (1859 bis 1897)
Steingut- und Porzellanfabrik Georg Schmider (1897 bis 1898)
Vereinigte Zeller Fabriken Georg Schmider (1898 bis 1990) – Inkorporation von Schaible & Co. (gegründet 1859) und Haager, Hoerth & Co. (gegründet 1873, als Keramikfabrik ab 1864 in Betrieb)
Zeller Keramik G.m.b.H. (1990 bis 1997)
Zeller Keramik Geschwister Hillebrand G.m.b.H. (1997 bis  2006)
Zeller Keramik Betriebs-GmbH (2006  bis 2023, Insolvenz)

Bibliographie:

Baumgärtner 1989
Iris Baumgärtner, Zeller Keramik seit 1794: Ausstellung „Zeller Keramik“ zum 850jährigen Stadtjubiläum, 7. Mai – 17. September 1989, Zell 1989.

Brandl 1993
Andrea Brandl, Aschacher Steingut. Die Steingutfabrik (1829-1861) des Schweinfurter Industriellen Wilhelm Sattler (Schweinfurter Museumsschriften 55), Schweinfurt 1993.

Bühler/Schmidt 1967
Carl Bühler/Eckhard Schmidt, Vom Steingut Geschirr zur Sanitär Keramik. 150 Jahre im Dienste der Keramik, Hornberg 1967.

Frei 1951
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil I, in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 20, 1951, 4-7.

Frei 1952
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil II., in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 21, 1952, 3-6.

Heege 2013
Andreas Heege, Ein unbekanntes Musterbuch der ersten königlich württembergischen Steingutmanufaktur Schramberg (Uechtritz&Faist) aus der Zeit nach 1855 in: Harald Siebenmorgen, Blick nach Westen. Keramik in Baden und im Elsass. 45. Internationales Symposium Keramikforschung Badisches Landesmuseum Karlsruhe 24.8.-28.9.2012, Karlsruhe 2013, 107-115.

Heisch 1999
Josef Heisch, Chronik der Keramikfabrik Georg Schmider, Zell a.H. 1999.

Hitzfeld 1970
Karlleopold Hitzfeld, Hornberg an der Schwarzwaldbahn. Vergangenheit und Gegenwart der Stadt des Hornberger Schiessens, Hornberg 1970.

Kronberger-Frentzen 1964
Hanna Kronberger-Frentzen, Altes Bildergeschirr. Bilderdruck auf Steingut aus süddeutschen und saarländischcen Manufakturen, Tübingen 1964.

Kybalová 1990
Jana Kybalová, Steingut, Prag 1990.

Preger 1977
Max Preger, Schramberger Bildergeschirr, in: Schwäbische Heimat, 1977, Heft 4, 311-319.

Riehle/Riehle 2021
Fritz Riehle/Hildegard Riehle, Zierkeramik aus Zell am Harmersbach, Zell am Harmersbach 2021.

Schüly 2000
Maria Schüly, Antikisches Geschirr aus dem Schwarzwald. Die Steingutmanufaktur in Zell, Hornberg und Schramberg, in: Martin Flashar, Europa à la Grecque. Vasen machen Mode, München 2000, 124-129.

Simmermacher 2002
René Simmermacher, Gebrauchskeramik in Südbaden, Karlsruhe 2002.

Singer 1918
F. X. Singer, Schwarzwaldbuch. Ein Volksbuch für Heimatkunde und Heimatpflege (zunächst) in Stadt und Bezirk Oberndorf, Oberndorf 1918.

Spindler 2005
Konrad Spindler, Ein Grubeninhalt der Zeit kurz nach 1900 aus Riezlern, Gem. Mittelberg, im Kleinen Walsertal, Vorarlberg – Keramik, Glas und Metall, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 149, 2005, 67-106.

Thomas 1976
Thérèse Thomas, Villeroy & Boch. Keramik vom Barock bis zur Neuen Sachlichkeit. Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Mettlach 1976.

Thomas 1977
Thérèse Thomas, Villeroy&Boch 1748-1930. Keramik aus der Produktion zweier Jahrhunderte, Amsterdam 1977.

Waller 1872
German Waller, Chronik der Stadt und ehemaligen Herrschaft Schramberg sowie Ortsbeschreibung von Schramberg, Wolfach 1872.

 

Zizenhausen, Baden-Württemberg, Deutschland, Werkstatt Anton Sohn (1820–1840)

Zizenhausener Figuren in CERAMICA CH

Roland Blaettler, Andreas Heege 2019

Der gelernte Kirchenmaler Anton Sohn (1769–1841) liess sich 1799 in Zizenhausen (heute ein Ortsteil der Stadt Stockach) nieder. Hier verlegte er sich mehr und mehr auf die Produktion von kleinen, bemalten Relieffiguren aus Terrakotta, für die ihn Johann Rudolf Brenner, der in Basel von 1815 bis 1834 eine Kunsthandlung führte, mit Vorlagen versorgte. In einer 1822 in den «Wöchentlichen Nachrichten aus dem Berichthaus zu Basel» erschienenen Notiz bot er unter anderen Figuren «Nationaltrachten der Schweiz» an (HMO 8679; HMO 7191; RMC H1992.2), möglicherweise nach grafischen Vorlagen von J. Reinhard (1749–1829).

Besonders bedeutend ist sein Basler Totentanz «in einer Reihe plastischer Bilder dargestellt» (HMO 8678; HMO 8677). Die Figuren des Totentanzes gab Brenner im Andenken an das berühmte, um 1440 gemalte Wandbild des Totentanzes von der 1805 abgerissenen Friedhofmauer der Basler Predigerkirche bei Anton Sohn in Auftrag und liess diesem dafür die von Matthäus Merian dem Älteren 1621 in Kupfer gestochenen Reproduktionen als Vorlage zukommen. Die Figuren, die Anton Sohn weiter schuf, brachten die verschiedensten Themenbereiche bis hin zur gesellschaftlichen Satire und zur politischen Karikatur zur Darstellung. Sie wurden in Zizenhausen mindestens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts produziert und waren vor allem in Süddeutschland und in der Schweiz ein beträchtlicher Verkaufserfolg.

Die Stadt Stockach konnte im Jahr 2003 den Nachlass der Familie Sohn übernehmen und verfügt daher heute, neben dem Historischen Museum in Basel bzw. dem Museum im Kornhaus in Bad Waldsee über die vollständigste und umfangreichste Sammlung an Figuren (540 Exemplare) und zugehörigen Modeln (ca. 1000).

Zizenhausener Figuren digital:

Historisches Museum Basel

Stadtmuseum Stockach

Fasnachtsmuseum Schloss Langenstein

Museum im Kornhaus Bad Waldsee

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 254.

Fraenger 1922
Wilhelm Fraenger, Der Bildermann von Zizenhausen. Erlenbach 1922.

Istas 2004
Yvonne  Istas, Terrakotten, Model und noch mehr. Das Erbe der Familie Sohn aus Zizenhausen. Stockach 2004.

Seipel 1984
Wilfried Seipel, Das Weltbild der Zizenhausener Figuren. Konstanz 1984.

 

Zug, Hafnerei Keiser (1856-1938)

Tintengeschirr nach Winterthurer Vorbild, Hafnerei Keiser, Zug. Privatbesitz Schweiz.

Andreas Heege, 2025

Die Hafnerei Keiser in Zug stand seit 1856 an der Arther Strasse 28. Vorher hatte dort, neben der städtischen Ziegelhütte, schon der Hafner Michael Schell mit zwei Arbeitern Keramik und wohl auch Kachelöfen hergestellt (alle Informationen im Folgenden nach Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997). Die Geschichte der Hafnerei und der Hafnerfamilie ist sehr gut dokumentiert und aufgearbeitet. Es fehlt jedoch eine kritische Dokumentation der noch vorhandenen Öfen und der Geschirrkeramik (vor allem Breitrandteller und Tintengeschirre als Dekorationsstücke im Stil von Winterthur – immer ohne Marke oder Signatur!).

Die Hafner Josef Keiser (1827-1890) und sein Sohn Josef Anton Keiser (1859-1923) führten die Werkstatt, in der bereits in den Anfängen bemalte Kachelöfen hergestellt wurden. Josef Keiser hatte einen Bruder Ludwig (1816-1890), der ein bedeutender Bildhauer und Keramiker des Historismus war. Die Bedeutung der Werkstatt Keiser liegt jedoch vor allem im Werk von Josef Anton Keiser und seiner Ehefrau Elisabeth Keiser-Meier (1866-1938), die als befähigte Ofenmalerin für die Dekoration zahlreicher Keiseröfen zuständig war. Diese war bei Hanhart in Winterthur als Keramikmalerin ausgebildet worden. Die Werkstatt arbeitete auch nach dem Tod von Josef Anton 1923 unter ihrer Leitung als „Josef Keisers Erben“ bis 1938 weiter und wurde dann in ein bis 1972 existierendes Fliesengeschäft umgewandelt.

Keiser galt um 1900 als der beste Historismus-Kachelofenbauer in der Schweiz, vor allem, wenn es um Kopien nach alten Vorbildern ging (Winterthurer, Steckborner und Zürcher Kachelöfen). Dies spiegelt sich auch in seinen Aufträgen z.B. für das Schweizerische Landesmuseum in Zürich unter seinem Gründungsdirektor Heinrich Angst (Messerli Bolliger 1989). Eines seiner Frühwerke aus dem Jahr 1884 hat sich erhalten.

Ausserdem durfte Keiser in den folgenden Jahren zahlreiche Auslandsaufträge ausführen, u.a. 1908 für das Historismusschloss des rumänischen Königs in Sinaia (Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997, 9). Hierfür fertigte er eine Kopie des Seidenhofofens von 1620, der heute im Schweizerischen Nationalmuseum steht. Die Kopie des Ofens (allerdings nur mit einem Ofensitz) steht heute noch in  Sinaia, das zugehörige Ofenmodell (Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997, 84 Kat. 5.10) verwahrt die Sammlung Burg Zug.

Warum Keiser eine zweite Kopie des Ofens anfertigte (heute zerlegt in der Kachelsammlung der bernischen Denkmalpflege in Hofwil, ursprünglich in Schloss Jegenstorf, nicht aufgebaut), ist nicht klar (Brennpunkt 2013, 78).

Die Hafner Keiser arbeiteten eng mit anderen Kachelofenbauern ihrer Zeit zusammen, wobei vor allem die Zusammenarbeit mit dem Basler Hafner Eduard Schaerer (1858-1934) hervorzuheben ist (Higy 1999).

Keiser-Öfen im Ital-Reding-Haus in Schwyz, bestellt 1893 und 1897.

Keiser-Kachelofen für Stiftskaplan Carl Lang zu St. Leodegar Luzern, bestellt 1909, geliefert 1912, 1600 Fr.

Keiser-Kachelofen nach einem Steckborner Ofen von 1749, 1911 von den Kölner Architekten Mewes & Bischoff für das Haus des Hamburger Bankiers Warburg in Hamburg-Blankenese bestellt. Heute Ofenmuseum Velten, bei Berlin.

Keiser-Kachelofen mit deutschen Blumen (nach Strassburger oder Berner Vorbild), undatiert, Standort Cham bei Zug.

Keiser-Kachelofen nach Zürcher Vorbild, 1928 für die Villa Hotz, Zug, von Elisabeth Keiser-Meier bemalt. 1928 für 2000.- Fr. bestellt.

Keiser-Kachelofen nach Winterthurer Vorbild für die Villa Hotz in Zug, 1930 von Elisabeth Keiser-Meier bemalt. 1927 für 2000.- Fr. bestellt.

Bibliographie zur Hafnerei Keiser:

Brennpunkt 2013
Schloss Jegenstorf (Hrsg.), Im Brennpunkt – die Sammlung historischer Kachelöfen Schloss Jegenstorf, Jegenstorf 2013.

Frei 1931
Karl Frei, Zuger Keramik II., in: Zuger Neujahrsblatt, 1931, 62-66.

Higy 1999
Walter Higy, Im Banne des Ofens. Der Ofensetzer Eduard Schaerer und das Hafnerhandwerk in der Stadt Basel, Basel 1999.

Keller/Tobler/Dittli 2002
Rolf Keller/Mathilde Tobler/Beat Dittli, Museum in der Burg Zug. Bau, Sammlung, ausgewählte Objekte, Zug 2002.

Messerli Bolliger 1989
Barbara E. Messerli Bolliger, Arbeiten der Hafnerei Keiser für den Gründungsbau des Schweizerischen Landesmuseums in Zürich, in: Zuger Neujahrsblatt, 1989, 65-84.

Messerli Bolliger 1989
Barbara E. Messerli Bolliger, Grünglasierte Reliefkacheln aus Winterthur (Schweiz), in: Joachim Naumann, Die Keramik vom Niederrhein und ihr internationales Umfeld. Internationales Keramik-Symposium in Duisburg, Düsseldorf und Neuss 1988 (Beiträge zur Keramik 3), Düsseldorf 1989, 78-82.

Messerli Bolliger 1994
Barbara E. Messerli Bolliger, Die ersten Arbeiten von Josef Anton Keiser (1859-1923): Skizzen, Zeichnungen, Kacheln und Öfen, in: Keramos 144, 1994, 25-36.

Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997
Rudolf Schnyder/Friederike Felber/Rolf Keller u.a., Die Entdeckung der Stile. Die Hafnerei Keiser in Zug 1856-1938. Ausstellung vom 10. November 1996 bis 1. Juni 1997, Museum in der Burg Zug, in: Keramik-Freunde der Schweiz Mitteilungsblatt 109/110, 1997, 7-57.

 

Zürich-Wiedikon, Tonwarenfabrik Bodmer (bis 1964)

Verzierte Vase, ca. 1917-1933 (heute Heimatmuseum Davos)

Keramik der Tonwarenfabrik Bodmer in CERAMICA CH

Zur Tonwarenfabrik Bodmer in Zürich-Wiedikon ist im Mitteilungsblatt der Keramikfreunde der Schweiz 101, 1986 aus der Feder von Ernst Bodmer-Huber und Barbara E. Messerli-Bolliger eine umfangreiche, aktenbasierte Studie erschienen, die hier digital gelesen werden kann. Umfangreiche Archivalien befinden sich heute im Archiv der Stadt Zürich (Signatur VII.174).

Keramik der Tonwarenfabrik Bodmer in der Sammlung der Schule für Gestaltung in Bern.

Bodmer bei Antik & Rar

Zahlreiche Keramiken der Tonwarenfabrik Bodmer verwahrt das Schweizerische Nationalmuseum in Zürich

Bibliographie:

Bodmer-Huber/Messerli-Bolliger 1986
Ernst Bodmer-Huber/Barbara E. Messerli-Bolliger, Die Tonwarenfabrik Bodmer in Zürich-Wiedikon Geschichte, Produktion, Firmeninhaber, Entwerfer, in: Keramikfreunde der Schweiz, Mitteilungsblatt, 101. Jahrgang, 1986, 1-60.

Frei 1952
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil II., in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 21, 1952, 3-6.

Zürich, Limmatquai 24, Wächter, Arnold, Spezialhaus für Kunstkeramik

Vase, gemarkt Arnold Wächter, Zürich, 1922-1936 (Foto Antik&Rar, Angelo Steccanella).

Andreas Heege, 2021

Ausgangspunkt dieses kurzen Beitrages ist eine einzelne Vase. Sie trägt die Blindmarke Arnold Wächter, Zürich und ähnelt sehr stark der Marke «SCHWEIZER-TÖPFEREI WR HEIMBERG-ZÜRICH» der Töpferei Wächter-Reusser, die zunächst in Zürich Heimberger Ware verkaufte und dann die Produktion in Feldmeilen aufnahm.

Ein Blick ins Schweizerische Handelsamtsblatt offenbart nur sehr wenige, aber aufschlussreiche Fakten. Die Firma Arnold Wächter-Fluck wurde 1922 als „Spezialhaus für Kunsttöpfereien“ im Handelsblatt gemeldet. Die damalige Adresse war der Rathausquai 24 (SHAB 40, 1922, 230), der heutige Limmatquai. Ob bei der Umbenennung in Limmatquai im Jahr 1933 auch die Hausnummern geändert wurden, wissen wir nicht. 1928 meldete das Spezialhaus ein „Aufbewahrungsgefäss für Butter“ unter der Nr. 42737 zum Modellschutz an (SHAB 46, 1928, 1376). 1934 wird im Handelsamtsblatt noch einmal präzisiert, dass es sich um ein „Spezialhaus für Kunst-Keramik“ handelt (SHAB 52, 1934, 1470). 1936 wir die Auflösung der Firma mitgeteilt (SHAB 54, 1936, 2318). Zu keinem zeitpunkt wird auf eine eigenständige Keramikherstellung hingewiesen. Sowohl bei der Anmeldung, als auch bei der Abmeldung wird Arnold Wächter mit seinem Heimatort Remigen im Aargau genannt. Dies muss im Verhältnis zur Töpferei Wächter-Reusser auffallen, denn auch Johann Albert Wächter (7.10.1873-3.9.1938) stammte aus Remigen. War Arnold Wächter also ein Bruder oder Vetter? Wir wissen es im Augenblick nicht. Die sehr ähnliche Marke könnte darauf hindeuten, dass Arnold Wächter auch in Feldmeilen fertigen lies.

Zürich/Feldmeilen, Wächter-Reusser, Albert, Kunsttöpferei (vor 1906–1938)

Plakat, Wächter`s Kunsttöpferei in Landesorginialitäten, Herstellung: Druckerei H. Wächter Imp. du Progrès, Lausanne, um 1917. 28,5 x 44,1 cm. Farbdruck (Foto SNM, Inv. LM 61709).

Andreas Heege, 2020

Johann Albert Wächter (7.10.1873-3.9.1938) dürfte nur wenigen Forschern zur Schweizer Keramik bekannt sein, da die Informationen zu seiner Person und seiner Werkstatt eher versteckt publiziert sind (alle folgenden Informationen, soweit nicht anders angegeben nach Welti 1976, Ergänzung durch Zivilstandsamt Brugg und Informationen aus dem Schweizerischen Handelsamtsblatt). Familie Wächter hatte ihren Heimatort in Remigen im Aargau. Wo Albert Wächter aufwuchs, ist unbekannt. Er war gelernter Buchdrucker und betrieb mit seinem Bruder Hans in Lausanne eine Druckerei, bis er zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 1906 die Heimberger Hafnertochter Rosalia Reusser (22.9.1878-8.8.1947) kennnenlernte und schliesslich am 21.7.1906 heiratete. Rosalia oder Rosa Reusser war die Tochter des Hafners Jakob Reusser (1853-1944, Heimatort Aeschlen BE), der am Schulgässli 2 in Heimberg ab 1911 seine eigene Werkstatt hatte. Vorher war er möglicherweise in einer zweiten Werkstatt im Haus seines Schwiegervaters Christian Michel (?-1904) am selben Ort eingemietet (Buchs 1988, 109, ausserdem Grundbuch Steffisburg und Heimberg). Rosalias Bruder Adolf (1880 -?) führte die Werkstatt vermutlich bis 1939 weiter.

Nach Aussage von Ernst Hänni, einem ehemaligen Heimberger Hafner, handelt es sich um diese Hafnerei, Schulgässli 2 in Heimberg, die 1917 vom Bernischen Fotografen Hermann Stauder fotografiert wurde.

Die Keramikherstellung faszinierte Albert Wächter offenbar so stark, dass er beschloss, das Hafnerhandwerk bzw. die Keramikproduktion zu seinem Beruf zu machen. Ob er selbst noch eine keramische Ausbildung (Lehre?) machte oder lediglich sein Zeichentalent oder das seiner Frau für keramische Entwürfe einsetzte, entzieht sich unserer Kenntnis. 1906 zog das junge Paar nach Zürich, da sich Albert hier einen guten Absatzmarkt versprach.

Die Produktion verblieb dagegen in Heimberg, wahrscheinlich in der Hafnerei des Schwiegervaters, was zu einer späteren Zeit zu der zunächst seltsam anmutenden Firmenmarke «SCHWEIZER-TÖPFEREI WR HEIMBERG-ZÜRICH» führte.

Offenbar verkauften Albert Wächter und Rosa Reusser „Unter den Bögen am Zürcher Rathausquai“ (Welti 1976, 100) zunächst nur Keramik, die in Heimberg produziert wurde. Sie hatten nur einen Verkaufsstand im Freien. Später wurde der Keramikverkauf in die Budenhallen im Bereich des heutigen Hechtplatz-Theaters  und dann an die Adresse Schifflände 3 verlegt. Mit dieser Adresse erscheint Albert Wächter am 24. März 1911 erstmals im Schweizerischen Handelsamtsblatt mit dem Hinweis, dass er der Inhaber der Firma «A. Wächter-Reusser in Zürich I» sei. Als Grundlage des Geschäfts wird «Töpferei» angegeben (SHAB 29, No. 77, 509).

Am 6. Mai 1913 meldete das Handelsamtsblatt, dass Albert Wächter den Namen seines Geschäftes nun geändert habe und sich künftig «A. Wächter-Reusser, Schweizertöpferei» nennen würde (SHAB 31, No. 116, 831). Dies passt zu einem gedruckten, auffällig bunten Werbeplakat, das sich im Schweizerischen Nationalmuseum befindet (SNM LM-61708). Es zeigt im Mittelfeld die kunstvoll ausgeführte Beschriftung «SCHWEIZER TÖPFEREI A. WÄCHTER ZÜRICH SCHIFFLÄNDE 3». Umgeben ist das ganze von einer regalartigen Anordnung mit gelb, grün, rot und blau engobierten und zurückhaltend ornamentierten Gefässen, wie wir das zu diesem Zeitpunkt in der Deutschschweiz erwarten können. Gedruckt wurde das Werbeblatt in der «Imprimerie du Progrès» (Buchdruckerei, Rue Enning 6) von Hans Waechter-Gutzwiller in Lausanne. Hierbei dürfte es sich um Alberts Bruder handeln, der sich zwischen 1900 und 1917 in Lausanne nachweisen lässt (SHAB 18, No. 318, 1276; SHAB 30, No. 148, 1066; SHAB 31, No. 223, 1586; SHAB 35, No. 165, 1161 – Konkurs). Ein zweites, noch eindrucksvolleres Werbeplakat des Zürcher Grafikers Otto Bickel ist nur in einer Schwarz-Weiss-Abbildung erhalten geblieben (Welti 1976, 104). Vermutlich wirkt in diesen schönen Werbemitteln die Freude Albert Wächters an der Druckerei nach.

1914 finden wir Albert Wächter auch auf der Landesausstellung in Bern. Jacob Hermanns, der Lehrer der bernischen Keramikfachschule, schreibt in einem Beitrag für «Die Schweiz –Schweizerische Illustrierte Zeitung» (Bd. 18, 1914, 377): «…Unter den Ausstellern der Heimberg-Steffisburger Töpferei-Industrie finden wir die bestbekannten Firmen: Karl Loder-Eyer, Emil Lengacher vorm. Wanzenried, A. Wächter-Reusser Zürich-Heimberg u.a.m. …». Auf der Landesausstellung 1914 finden wir «Wächter-Reusser, Zürich» auch unter den Lieferanten für den «Bazar im Dörfli» (vgl. auch Conradin 1914). Hier erscheint er neben «Clara Eymann, Langenthal; A. Gerber, Langnau; Kaiser & Co. Bern; Emil Lengacher, Steffisburg; Loder-Eyer, Steffisburg; Gebrüder Loder, Heimberg; Albert Schmid, Thun, Neufeld 44b und Ziegler, Tonwarenfabrik, Schaffhausen» (Heimatschutz Heft 9, 1914, 99). Er selbst gibt auf dem obigen Werbeplakat an, er habe am «Wettbewerb für Reiseandenken der Schweizerischen Landesausstellung, Bern eine Silberne Medaille, Höchste Auszeichnung erhalten». Dieser Wettbewerb der «Gruppe No. 49 Heimatschutz» war 1913 ausgeschrieben worden, mit dem Ziel für den Bazar im Dörfli gute Reise- und Ausstellungsandenken zu erhalten (Heimatschutz Bd. 8, 1913, 75–76, 95). Das Preisgericht erteilte ihm am 27. Oktober 1913 aber tatsächlich einen III. Preis Fr. 25.- für «Nr. 117, Motto „23018“, A. Wächter-Reusser, Schifflände, Zürich, 61 Stück Keramik» (Heimatschutz 8, 1913, 172).

Im selben Jahr war «Wächter-Reusser, Töpferei, Zürich» auf Einladung des Schweizerischen Werkbundes an der Ausstellung «Der gedeckte Tisch» im Kunstgewerbemuseum Zürich beteiligt (Das Werk, Februarheft 1914, XIV und 26-30). 1915 eröffnete Wächter eine Verkaufsfiliale in Lausanne, Rue de la Paix 1 (SHAB 35, No. 94, 672), die von einer Emma Wächter (Burgerort Remigen AG, wohl eine Schwester) geführt wurde und dort bis zum Dezember 1922 bestand (SHAB 40, No. 281, 2268). Am 22. Juni 1916 lies «A. Wächter, Schweizer-Töpferei»unter der Adresse Torgasse 4, Zürich das Muster einer «elektrischen Lampe» im Handelsregister eintragen (SHAB 34, No. 144, 992). Das Geschäftslokal war also offenbar verlegt worden. Und am 27. August 1917 änderte Albert Wächter den Firmennamen erneut, diesmal zu «Schweizerische Kunsttöpferei» (SHAB 35, No. 202, S1393). Vermutlich lies er in diesem Zusammenhang einen Bestand alter Werbeplakate mit weitergehenden Informationen und der neuen Anschrift überdrucken (Plakat, s.o., SNM Inv. LM-61709). «Wächter’s Kunsttöpferei in Landesoriginalitäten» wirbt mit «Über 500 versch. Formen und Dekore in echt charakteristischen Landeserzeugnissen. Sämtliche Kunstkeramiken sind eigene Entwürfe von A. Wächter. Wie die Illustration zeigt, ist es uns möglich, sämtliche keramische Produkte anzufertigen, nach gegebenen Entwürfen in einfacher, moderner und künstlerischer Ausführung, ohne Preiserhöhung.» Als Spezialität wird angepriesen: «Kunst-Keramik nach Genre antik und modern. Unterglasur bemalte Dekorations- und Gebrauchsgegenstände, Vasen, Dosen, Schalen, Cachepots, Krüge, Wandplatten, originelle keramische Beleuchtungskörper… Stets eingehende Neuheiten in Landesoriginalitäten.» Wir erfahren aber auch, dass es im Laden «Porzellan und Fayence Tafelservice, Toilettengarnituren, Kristallglas etc.» gibt, d.h. zu diesem Zeitpunkt führten Wächters bereits eine Art Haushaltswarengeschäft mit eigener keramischer Abteilung. Aufgrund jüngerer Überlieferung wissen wir, dass von Rosa Wächter-Reusser u.a. Steingut aus Sarreguemines und Zell am Harmersbach verkauft wurde (Welti 1976, 103).

Albert Wächter und Familie sowie Angestellte und weitere Personen 1918 vor dem «Grünen Hof» (Foto Kantonale Denkmalpflege Zürich, Dübendorf).

Das Geschäft muss insgesamt glänzend verlaufen sein, denn Albert Wächter konnte 1918 den «Grünen Hof» an der Seestrasse in Feldmeilen erwerben (SHAB 37, No. 144, 1062 vom 16.6.1919), heute eines der bedeutendsten Baudenkmäler der Gemeinde Meilen (Renfer 1976; General-Wille-Strasse 256, 8706 Meilen). Im zugehörigen Trottengebäude liess er einen grossen, holzbefeuerten Brennofen und eine Werkstatt einbauen und verlegte die Produktion jetzt von Heimberg nach Zürich. Wer als Personal zusätzlich in der Werkstatt arbeitete ist nicht überliefert, jedoch ist die Werkstattgründung ohne weiteres Fachpersonal, möglicherweise aus dem familiären Umfeld seiner Frau in Heimberg, kaum denkbar.

Auf die bernisch-heimbergischen Wurzeln verweist z.B. die Verwendung von Farbkörpern in der Grundengobe zu Dekorationszwecken.

Anderseits muss Albert Wächter 1918 bereits über grössere keramische Erfahrungen verfügt haben, denn zwischen 1919 und März 1920 finden wir als Praktikanten bei ihm den späteren Keramiker Heinrich Meister und seinen Kompagnon, den Ungarn Josef Kövessi. Diese führten ab 1920 schliesslich als keramische Autodidakten einen eigenen Betrieb in Dübendorf-Stettbach.

1927 beteiligte sich Wächter an der grossen Keramikausstellung „Céramique Suisse“ in Genf.

Den Laden in Zürich, der zu einem unbekannten Zeitpunkt nach 1933 an die Zürcher Waldmannstrasse verlegt wurde, führte Rosa Wächter auch nach dem Umzug nach Feldmeilen. Dabei wurde sie später von ihrer Tochter Anni unterstützt bzw. abgelöst. Selbstverständlich beteiligte man sich 1932 und 1933 mit entsprechender Schaufensterdekoration an den Ausstellungen zur sog. «Schweizer Woche», während der vor allem für schweizerische Produkte geworben wurde (NZZ 27.10.1932). Am 26. Oktober 1933 lesen wir in der NZZ: «Bei A. Wächter (Torgasse) sieht man einfarbiges Gebrauchsgeschirr und gemustertes Geschirr verschiedener Herkunft, sowie mancherlei Erzeugnisse der Werkstätte zum „Grünen Hof“ in Feldmeilen, die mit bunten Laufglasuren dekoriert sind. Auch einige grosse Gartenvasen stehen im Schaufenster.» Diese Information deckt sich mit Berichten, wonach Albert Wächter im Lauf der Jahre zunehmend mit unterschiedlichen Tonmischungen und Glasuren experimentierte und zudem keramische Spezialformen entwickelte, wie z.B. buntbemalte keramische Verkleidungen für Elektroöfen mit integriertem Wasserverdunstungsgefäss (Welti 1976, 101).

Die erhaltenen Objekte von Albert Wächter im Schweizerischen Nationalmuseum und im Antiquitätenhandel belegen zusammen mit den Werbeplakaten, dass Albert Wächter in Heimberg zeittypische Formen und Dekore herstellen lies (z. B. SNM LM 61707 – zum Eidg. Schützenfest Zürich 1907), wie wir sie ähnlich auch aus der Spätphase der Produktion Wanzenried unter E. Lengacher oder aus den Töpfereien von Karl Loder-Eyer, Bendicht Loder-Walder oder Emil Loder und Adolf Schweizer kennen, und wie sie zeitgleich wohl auch in anderen Töpfereien der Region Heimberg-Steffisburg gefertigt wurden (z.B. ab 1916 der Desa). Dies sind die Vorbilder, die u.a. Heinrich Meister und Josef Kövessi bei ihrer kurzen keramischen Ausbildung kennen lernten. Was vollständig fehlt, sind alle Anklänge an die ältere, aber vor 1914 noch überall auf dem Markt vertretene Thuner Majolika. Dafür finden sich stark stilisierte Ornamente wie sie der bernische Kunstgewerbelehrer Paul Wyss auch in seinen Unterrichtsmaterialien und Zeichenkursen verbreitete und propagierte.

Eine gesicherte Chronologie der bisher bekannten Firmenmarken existiert nicht. Man kann lediglich vermuten, dass die Blindmarke «SCHWEIZER-TÖPFEREI WR HEIMBERG-ZÜRICH» (s.o.) in den Zeitraum nach der Namensgebung 1913 und vor der Produktionsverlagerung nach Feldmeilen 1918 gehört (auch SNM LM-61700; LM-61701; LM-61702; SNM LM-61703; LM-169974), während man sich geritze oder mit dem Malhorn aufgemalte Marken „A.W.Z.“ oder „AW“ (auch SNM LM-61698; LM-61699; LM-61704; SNM LM-61706; LM-173411; LM-173412) oder den Schriftzug „A. Wächter Feldmeilen“ gerne nach 1918 vorstellen würde.

Alle Objektfotos Antikes&Rares.

Die jüngeren Produkte der Werkstatt im „Grünen Hof“, d.h. aus der Zeit nach 1920, sind dagegen ausgesprochen selten überliefert (SNM LM-61705; Welti 1976, 100). Teller mit Trachtengruppen nach dem Maler Josef Reinhard und der Signatur «Wächter Zürich» wird man vermutlich am ehesten der antimodernistischen Reaktion der 1930er-Jahre zuweisen wollen (SNM LM-93845; LM-93846).

1938 starb Albert Wächter unerwartet. Die Firma wurde von den beiden Kindern Anna und Hans Wächter als «Schweizerische Kunsttöpferei Alb. Wächter’s Erben in Zürich» weitergeführt, mit dem Hinweis, dass sich der Firmensitz in der Waldmannstrasse 4 befände und die Werkstatt «Zum Grünen Hof» in Feldmeilen (SHAB 57, No. 16, 141, 18.1.1939). Hans Wächter war in Heimberg ausgebildeter Keramiker und hatte sich in einer deutschen Manufaktur weitergebildet. Die jüngste Tochter Vreni Wächter (Emma Verena, * 20.3.1918 Zürich, † 21.12.2005 Uetikon am See), die eine Verkäuferinnenlehre gemacht hatte, trat jetzt auch in die Firma ein und bildete sich kunsthandwerklich weiter. 1945 erhielt die Werkstatt einen neuen elektrischen Brennofen. Anfang 1946 gab Hans Wächter den Beruf des Töpfers auf und trat aus der Firma aus. An seiner Stelle rückte die 28jährige Vreni Wächter nach (SHAB 64, No. 39, 511, 13.2.1946), die nun die allein die Last der Produktion zu tragen hatte, zeitweise unterstützt von einem Heimberger Vetter. Im April 1948 wurde das Ladengeschäft in Zürich aufgegeben, der Firmensitz nach Feldmeilen verlegt (SHAB 66, No. 89, 1080, 14-4-1948) und im Haus ein kleiner Geschirrladen eröffnet, den die Schwester Anni führte. 1957 liquidierten die beiden Besitzerinnen die Kollektivgesellschaft «Kunsttöpferei Alb. Wächter’s Erben» und Verena Wächter führte ihre Töpferei allein verantwortlich weiter. Bis in das Jahr 2000 lassen sich zahlreiche Ausstellungen der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Keramik (ASK) und Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen (GSMBK) nachweisen, an denen sie mit ihren Werken vertreten war (u.a. Bern, Lausanne, Luzern, La Sarraz, Solothurn, Winterthur und Zürich, ferner an der Saffa in Zürich, Genf (Musée Ariana), Parktheater Meilen, Faenza und Frankfurt – Schweizer Pavillion 1956, Thun , Schloss Schadau 1972, «Feu sacré – Biennale der Arbeitsgemeinschaft Schweizer Keramiker, Luzern 2000; Keramikfreunde der Schweiz, Bulletin 55, 2000, 12). 1980 übernahm das Musée d’art et d’histoire in Genf eines ihrer Objekte aus einer Ausstellung des Heimatwerks Zürich in seine Sammlung (Genava 29, 1981, 228). Vreni Wächter starb 2005. 2006 wurde aus Anlass Ihres Todes in Zürich eine Auswahl ihrer Arbeiten in der Galerie Feuer 111 gezeigt (Keramikfreunde der Schweiz, Bulletin 67, 2006, 17).

Ich danke Angelo Steccanella (Antikes&Rares), Andreas Kistler (Bäriswil), Christian Hörack (Schweizerisches Nationalmuseum), Roland Böhmer (Kantonale Denkmalpflege Zürich), Hans Isler (Vereinigung Heimatbuch Meilen) und Sandra Knus (Zivilstandsamt Brugg) herzlich für die Unterstützung bei diesem Thema.

Bibliographie:

Conradin 1914
Christian Conradin, Der Bazar im Dörfli, in: Heimatschutz. Zeitschrift der Schweizer. Vereinigung für Heimatschutz 9, 1914, Heft 6, 89-98.

Renfer 1976
Renfer, Christian, Der Grüne Hof in Feldmeilen. Heimatbuch Meilen 1976, 5–34.

Thun 1972
7. Ausstellung Schweizer Keramik der Arbeitsgemeinschaft schweizerischer Keramiker. Katalog zur Ausstellung. Thun 1972.

Welti 1976
Hilde Welti, Die Töpferei Wächter in Feldmeilen. Heimatbuch Meilen 1976, 99–110.